Hierarchien

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Die Neun Chöre der Engel, Byzantinisches Kuppelmosaik im Baptisterium der Basilica di San Marco (Venedig).

Als Hierarchie (von griech. ἱεραρχία hierarchia, aus ἱερός, hieros, „heilig“ und ἀρχή, archē, „Führung, Herrschaft“, daraus ab dem 17. Jahrhundert kirchenlateinisch hierarchia „Rangordnung der Weihen“) wird ganz allgemein ein System einander gemäß einer bestimmten Rangordnung über- bzw. untergeordneter Elemente oder Wesen bezeichnet.

Geistige Hierarchien

Neun Chöre der Engel, die in drei Hierarchien geordnet sind, bilden nach christlicher Anschauung die Gemeinschaft der kosmischen Intelligenzen. Von den Kabbalisten werden sie auch, da sie sich von der Materie volkommen getrennt halten, als Separate Intellekte (hebr. שכלים נפרדים Sechalim nifradim) bezeichnet. In der Anthroposophie werden mit den Hierarchien die an der Entwicklung der Welt beteiligten, gemäß ihres Entwicklungsgrades nach Rangstufen geordneten geistigen Wesenheiten bezeichnet. Über ihnen steht die Trinität als die höchste Quelle der göttlichen Schöpferkraft. Die Hierarchien sind in ihrer geistigen Entwicklung dem Menschen vorangeschritten und haben an seiner Entwicklung sowie an der Erdenentwicklung wesentlichen Anteil. Gemäß ihres geistigen Reifegrads lassen sie sich in verschiedene Gruppen einordnen. Im anthroposophischen Sprachgebrauch ist oft zusammenfassend von den Hierarchien die Rede, wenn die genannten Wesenheiten als Ganzes gemeint sind.

Angelologie

Hauptartikel: Angelologie
Mariä Aufnahme in den Himmel von Francesco Botticini (1446–1497). Maria und Jesus sind von den in drei Stufen gegliederten neun Engelschören umgeben.

Die Angelologie (von griech. ἄγγελος angelos „Sendbote“, λόγος logos „Wort, Lehre“), die Lehre von den Engelhierarchien („Engel“ hier als Oberbegriff für geistige Wesen, nicht im engeren Sinne für die Angeloi), geht im Christentum auf die Schrift über die «Himmlischen Hierarchien»[4] von Dionysius Areopagita zurück. Dionysius wird im Neuen Testament als erster Bischof Athens erwähnt (Apostelgeschichte des Lukas Apg 17,34 LUT). Da die Niederschrift der mit seinem Namen versehenen Lehren jedoch erst im frühen 6. Jahrhundert erfolgte, vermutet die herkömmliche Forschung, dass ein unbekannter Autor jener Zeit der Urheber gewesen sei. Dieser habe den Namen des Dionysius Areopagita lediglich als Pseudonym benutzt (daher auch „Pseudo-Dionysius“ genannt).

Nach Rudolf Steiner gehen die überlieferten Inhalte tatsächlich auf den in der Bibel erwähnten Dionysius Areopagita zurück:

„Die Lehre von den Göttern ist zuerst in ein System gebracht worden von dem Schüler des Apostels Paulus, Dionysius dem Areopagiten. Sie ist aber erst im 6. Jahrhundert aufgeschrieben worden. Die Gelehrten leugnen deshalb die Existenz des Dionysius Areopagita und sprechen von den Schriften des Pseudo-Dionysius, als ob man erst im 6. Jahrhundert alte Überlieferungen zusammengestellt habe. Der wahre Sachverhalt ist nur zu konstatieren durch das Lesen in der Akasha-Chronik. Die Akasha-Chronik aber lehrt, daß Dionysius wirklich in Athen gelebt hat, daß er von Paulus eingeweiht worden ist und von ihm den Auftrag erhalten hat, die Lehre von den höheren Geistwesen zu begründen und besonderen Eingeweihten zu erteilen. Gewisse hohe Lehren wurden damals niemals aufgeschrieben, sondern nur durch mündliche Tradition fortgepflanzt. Auch die Lehre von den Göttern wurde so von Dionysius seinen Schülern gegeben und von diesen wiederum weitergegeben. Der direkte Schüler wurde dann mit Absicht wieder Dionysius genannt, so daß der letzte, der die Lehre von den Göttern aufschrieb, einer in dieser Reihe war, die alle Dionysius genannt wurden.

Diese Lehre von den Göttern, wie sie Dionysius gegeben hat, umfaßt dreimal drei Glieder der göttlichen Wesenheiten. Die höchsten drei sind:

Seraphim, Cherubim, Throne.

Die nächste Stufe umfaßt die:

Herrschaften, Mächte, Gewalten.

Die dritte Stufe umfaßt die:

Urkräfte oder Anfänge, Erzengel und Engel.

Sooft in der Bibel steht «am Anfang», bezieht sich das auf die Urkräfte oder Anfänge. «Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde», das heißt: Der Gott des Anfangs, der auf dieser Stufe steht, schuf Himmel und Erde. - Es war eine von den Urkräften der dritten Abteilung der Hierarchien.

Über den Seraphim stehen dann göttliche Wesenheiten von solcher Erhabenheit, dass das menschliche Fassungsvermögen nicht ausreicht, um sie zu begreifen. Nach der dritten Stufe folgt die vierte Hierarchie: Der Mensch, als der zehnte in der ganzen Reihe.

Die Namen der Hierarchien sind keine Eigennamen, sondern Namen für gewisse Bewußtseinsstufen des großen Universums, und die Wesen rücken von einer Stufe zur anderen. Eliphas Levi hat das klar gesehen und betont, daß man es bei diesen Namen mit Rangstufen zu tun hat, mit Hierarchien.

Auf denselben Dionysius, der die Lehre von den Göttern zusammengestellt hat, geht auch das Prinzip der Kirchenorganisation zurück. Die kirchliche Hierarchie sollte nur ein äußeres Abbild sein für die innere Hierarchie der Welt. Dieser grandiose Gedanke wäre nur dann durchzuführen gewesen, wenn die Zeit dafür reif gewesen wäre, dies alles in seiner richtigen Gestalt zu verstehen. Dionysius hatte seinen Schülern eine solche Lehre über die Kirche hinterlassen, daß diese, wenn sie hätte veröffentlicht werden können, eine gewaltige, großartige Organisation dargestellt haben würde. Man hat damals versucht, die Lehren so fortzupflanzen, daß der Faden nie abriß von einem Lehrer zum anderen, der dann auch den Namen weiterführte. Darum ist es gar nicht so wunderbar, daß noch im 6. Jahrhundert ein Dionysius die Lehren niederschrieb. Ein allgemeines Verständnis konnten diese Lehren aber nicht finden, weil die Menschheit dazu noch nicht reif war. So sind sie wie eine Art Testament.“ (Lit.:GA 93a, S. 97f)

Gregor der Große (ca. 540 - 604) übernahm die Engellehre für die Kirche.[1] Ab dem 7. Jahrhundert verbreitete sich die Lehre vor allem durch Isidor von Sevilla, der in seiner Etymologiae ein ganzes Kapitel den Engeln widmet.[2] Im 9. Jahrhunder übersetzte Johannes Scottus Eriugena am Hof Karls des Kahlen die griechischen Schriften des Dionysius ins Lateinische[3], wodurch sie in der Folge eine immer weitere Verbreitung fanden. In Dante Alighieris «Göttlicher Komödie» erläutert Beatrice im Canto XXVIII des Paradiso ausführlich die neun Chöre der Engel.

Gliederung der Hierarchien

ansehen im RUDOLF STEINER VERLAG

Rudolf Steiner nennt – neben den von Dionysius Areopagita verwendeten – weitere Namen für die Hierarchien aus anderen okkulten Überlieferungen, die im Folgenden in Klammern hinzugefügt sind. Folgt man der von Dionysius Areopagita gegebenen christlichen Terminologie, ergibt sich die folgende Einteilung der Hierarchien:

Trinität

Erste Hierarchiestufe (3. Himmelreich) spiegelt den Vater

Zweite Hierarchiestufe (2. Himmelreich) spiegelt den Sohn

Dritte Hierarchiestufe (1. Himmelreich) spiegelt den Heiligen Geist

An diese insgesamt neun Engelchöre wird sich der Mensch als zehnte Hierarchie anschließen - und zwar in drei Abstufungen des Menschlichen, die den drei künftigen planetarischen Entwicklungsstufen unsere Erde entsprechen, auf denen der Mensch nach und nach seine geistigen Wesensglieder voll ausbildet: auf dem neuen Jupiter das Geistselbst, auf der neuen Venus den Lebensgeist und auf dem Vulkan den Geistesmenschen. Diese drei Gruppen des Menschlichen werden dann zusammen die vierte Hierarchie bilden:

Die Offenbarung der Hierarchien in der Natur

„Derjenige nun, dem zum Bewußtsein gekommen ist durch seherische Forschung, daß innerhalb unserer Erde waltet im erdigen Element das Wesen der Throne oder der Geister des Willens, im Wässerigen das Wesen der Geister der Weisheit, im Luftförmigen das der Geister der Bewegung, im Wärmehaften das der Elohim, der steigt allmählich auf zu der Erkenntnis, daß bei der Ballung der Wolken, bei jenem eigenartigen, in unserem Erdenumkreise vor sich gehenden Wässerigwerden des Gasförmig-Wässerigen, am Werke sind jene Wesenheiten, die der Hierarchie der Cherubime angehören. So sehen wir auf unser Festes, auf das, was wir als elementarisches Erdendasein bezeichnen, und schauen in ihm ein Durcheinanderwirken der Elohim mit den Thronen. Wir richten den Blick aufwärts und sehen, wie in dem Luftförmigen, in dem ja allerdings die Geister der Bewegung walten, wie da am Werke sind die Cherubime, damit das Wässerige, das aus dem Bereiche der Geister der Weisheit aufsteigt, sich zu Wolken ballen kann. Im Umkreise unserer Erde walten ebenso wahr die Cherubime, wie da walten innerhalb des elementarischen Daseins unserer Erde die Throne, die Geister der Weisheit, die Geister der Bewegung. — Und wenn wir jetzt sehen das Weben und Wesen dieser Wolkenbildungen selber, wenn wir das sehen, was gleichsam als ihr Tieferes verborgen ist, was sich nur zuweilen kundgibt, so ist es der aus der Wolke herausdringende Blitz und Donner. Das ist auch nicht etwas, was aus dem Nichts herauskommt. Dieser Tätigkeit liegt für den Seher zugrunde das Weben und Wesen derjenigen Geister der Hierarchien, die wir als die Seraphime bezeichnen. Und damit haben wir, wenn wir in unserem Erdenbereich bleiben, wenn wir bis zum nächsten Umkreis gehen, alle einzelnen Stufen der Hierarchien gefunden.“ (Lit.:GA 122, S. 120f)

„Nicht wahr, die Exusiai, die Geister der Form, sind direkt sinnlich wahrzunehmen in den Planeten; das ist einfach ihre Seite, die sie uns zuwenden. Die Geister der Bewegung sind direkt wahrzunehmen in den Fixsternen; das ist die Seite, die sie uns zuwenden. Aber die Cherubim und Seraphim, die sind so nicht sinnlich wahrnehmbar, daß sie uns gewissermaßen ihre andere Seite zuwenden. Aber sie sind so stark unwahrnehmbar - ich bitte, das eben hinzunehmen und etwas darüber nachzudenken -, daß die Unwahrnehmbarkeit schon wiederum wahrnehmbar wird. Also dasjenige, was in der Welt lebt durch Cherubim und Seraphim, das ist in so hohem Grade unwahrnehmbar, daß die Unwahrnehmbarkeit schon wiederum wahrgenommen wird. Es entzieht sich das so stark dem menschlichen Bewußtsein, daß der Mensch dieses Dem-Bewußtsein-Entziehen merkt.

So kann man sagen: Die Cherubim, die kommen schon wiederum zum Vorschein, wenn auch eben sich das gerade auf die Weise dokumentiert, daß sie so tief verborgen sind, daß man ihre Verborgenheit merkt. Die Cherubim erscheinen nicht nur symbolisch, sondern ganz objektiv in dem, was sich in der Gewitterwolke zuträgt, in dem, was sich zuträgt, wenn ein Planet beherrscht wird von vulkanischen Kräften. Und die Seraphim kommen in dem, was als Blitz aus der Wolke zuckt, oder in dem, was als Feuer in den vulkanischen Wirkungen zutage tritt, wirklich so zum Vorschein, daß eben ihre Unwahrnehmbarkeit in diesen gigantischen Wirkungen der Natur wahrnehmbar wird.

Daher haben in alten Zeiten, wo man solche Dinge durchschaut hat, die Menschen auf der einen Seite hingeblickt zum Sternenhimmel, der ihnen das Mannigfaltigste geoffenbart hat: die Geheimnisse der Exusiai, die Geheimnisse der Dynamis. Dann haben sie die höheren Geheimnisse zu enthüllen versucht in dem, worüber sich der Mensch heute lustig macht: aus dem Inneren der menschlichen Leiber - wie man trivial sagt -, aus den Eingeweiden. Dann aber waren sie sich dessen bewußt, daß die größten Wirkungen, die wirklich dem Sonnensystem gemeinschaftlich sind, von einer ganz umgekehrten Seite her sich in den Feuer- und Gewitterwirkungen, in den Erdbeben und vulkanischen Wirkungen ankündigen. Das Schöpferischste, das in den Seraphim und Cherubim liegt, kündigt sich an durch seine zerstörerischste Seite, kurioserweise. Es ist eben die Kehrseite, es ist das absolut Negative, aber das Geistige ist so geistig stark da, daß eben schon seine Unwahrnehmbarkeit, sein Nichtdasein, wahrgenommen wird von den Sinnen.“ (Lit.:GA 180, S. 103f)

Siehe auch

Literatur

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Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Gregor der Große: Hom. XXXIV in Luc. 7 (= Migne, PL 76, 1246–1259, online); Moralia in Iob XXXII, xxiii ([1])
  2. Isidor von Sevilla: Etymologiae VII, 5 ([2])
  3. Libri Sancti Dionysii Areopagitae, quos Ioannes Eriugena transtulit de Graeco in Latinum, iubente ac postulante rege Carolo Ludovici imperatoris filio ([3])