Bild

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Das Bild (von ahd. bilidi, mhd. bilde, "Nachbildung, Gestalt"; abgeleitet vom german. Wortstamm *bil, "Wunder, Wunderzeichen, Omen"; vermutlich verwandt mit dem Adjektiv billig, im Sinne von recht und billig) im engeren Sinn ist ein flächenhaft begrenzter, zumindest partiell unwirklicherer[1], aber angemessener[2] Repräsentant einer sinnlichen oder übersinnlichen Wirklichkeit, erkenntnistheoretisch gesehen also ein mehr oder weniger getreues Abbild oder Symbol einer Wirklichkeit, als Trugbild ein bewusst oder unbewusst verzerrtes Bild einer Wirklichkeit, oder als Phantasiebild ein weitgehend freies Erzeugnis der Phantasie, das sich nicht notwendig auf eine bereits gegebene Wirklichkeit bezieht.

Das Bild als ein in den verschiedensten Medien präsentiertes Phänomen ist Gegenstand der fachübergreifenden Bildwissenschaft (auch Bildmedienwissenschaft, Bildforschung oder Visualistik).

Äußere und innere Bilder

Als äußeres sinnliches Bild ist das Bild in der bildenden Kunst eine flächenhafte Darstellung im Gegensatz zu räumlichen Gebilden wie in der Plastik, Skulptur oder beim Relief, eine Fotografie oder deren untersinnliche digitale Repräsentanz als Bilddatei; als Nachbild die meist nur kurzzeitige unmittelbare Nachwirkung einer sinnlichen Wahrnehmung im Sinnesorgan, z.B. auf der Netzhaut des Auges, wenn man längere Zeit eine helle Fläche betrachten; als inneres seelisches Bild ein Traumbild, eine Vorstellung oder eine Imagination, oft begleitet und durchwoben von gefühlsmäßigen und emotionalen Komponenten, und derart inhaltvoller, lebendiger, erlebnisreicher und weniger abstrakt als der bloße Begriff, aber nicht so umfassend und mit vollem Bewusstsein sinnerhellend wie die Idee, die in ihrem höchsten und eigentlichsten Sinn bereits zur Erkenntnisstufe der Inspiration überleitet. Geistige Zusammenhänge lassen sich zumeist nur durch Bilder vermitteln.

"Denn dem Bild eignet eine belebende, schöpferische Kraft, die dem bloßen Begriff nicht innewohnt. Was in der einen Welt symbolisch erscheint, entspricht einer Wirklichkeit in einer höheren Welt." (Lit.: GA 094, S. 97)

"Wenn Sie sich an mancherlei erinnern, was so durch unsere Vorträge hindurchgeht, so werden Sie immer sehen, daß ich versuche, möglichst Bilder zu gebrauchen. Ich gebrauche auch heute wiederum Bilder, und man kann ins Geistige nur hineinführen durch Bilder. Und sobald man die Bilder gar zu sehr in Begriffe preßt, die eigentlich nur taugen für den physischen Plan, so enthalten sie nicht mehr dasjenige, was sie eigentlich enthalten sollen. Der heutige Mensch aber kommt dadurch in eine Art von Verwirrung hinein, weil er dasjenige, was in Bildern gegeben ist, nicht so auffassen kann, daß es ihm eine reale Wirklichkeit gibt. Er denkt das Bild selber gleich ganz materialistisch. Sobald wir in etwas primitivere Kulturen gehen, sehen wir, daß die Menschen unsere heutigen Begriffe gar nicht gehabt haben, sondern überhaupt in Bildern gedacht haben, und ihre Wirklichkeiten durch Bilder ausgedrückt haben. Wenn Sie die orientalischen Kulturen Asiens nehmen, die etwas Atavistisches, von früher her Gebliebenes sind, so werden Sie heute noch überall finden: Wenn die Leute etwas besonders Tiefes bedeutsam ausdrücken wollen, dann sprechen sie in Bildern, wobei diese Bilder aber durchaus Wirklichkeitswert haben." (Lit.: GA 169, S. 149)

Bildcharakter des Denkens

Einer tieferen Betrachtung zeigt sich das Denken als Spiegelbild einer übersinnlichen Wirklichkeit.

"In den Untergründen des Seelenlebens weiß nämlich eigentlieh ein jeder Mensch viel mehr als er denkt. Er will dieses Wissen, das in den Untergründen des Seelenlebens wurzelt, nur nicht heraufsteigen lassen, weil er sich eben davor fürchtet. Vor allen Dingen ahnt der Mensch eines von den übersinnlichen Welten: Er ahnt, daß in all dem, was er sein Denken nennt, in all dem, was er als seine Gedankenwelt bezeichnet, doch etwas enthalten ist von der übersinnlichen Welt. Selbst materialistisch gesinnte Menschen der Gegenwart können sich nicht immer der Ahnung entschlagen, daß in dem Gedankenleben doch etwas enthalten sei, das irgendwie auf eine übersinnliche Welt hinweist. Aber zu gleicher Zeit ahnt der Mensch noch etwas anderes von dieser Gedankenwelt: Er ahnt, daß diese Gedankenwelt sich zu einer gewissen Wirklichkeit etwa so verhält wie das Bild, das man in einem Spiegel sieht, sich verhält zu der Wirklichkeit, die abgespiegelt wird. Und so wie eigentlich das Bild im Spiegel keine Wirklichkeit ist, so müßte sich der Mensch auch gestehen, daß seine Gedankenwelt keine Wirklichkeit ist. In dem Augenblick, wo der Mensch den Mut, die Furchtlosigkeit hätte, sich zu gestehen, daß die Gedankenwelt eben keine Wirklichkeit ist, in dem Augenblicke würde er auch fassen müssen die Sehnsucht nach einer Erkenntnis der geistigen Welt. Denn man möchte doch wissen, worauf es hinweist, was man als ein Spiegelbild nur sieht." (Lit.: GA 195, S. 9f)

Bildcharakter der Sinneswelt

Für die höhere Erkenntnis wird die Sinneswelt zum bloßen Spiegelbild.

"Nun aber hat dasjenige, was ich eben gesagt habe, ich möchte sagen, einen wichtigen polarischen Gegensatz. Wenn man durch die Wissenschaft der Initiationen aufsteigt über die Schwelle zur übersinnlichen Welt hinweg in die geistige Welt, dann wird umgekehrt alles das, was man hier als sinnliche Wirklichkeit erlebt, zu einem bloßen Bilde, zu einem Scheinbilde. Man steigt auf in die übersinnliche Welt und gerade so, wie hier, sagen wir, auf Erden die übersinnliche Welt ein Spiegelbild ist, im Spiegelbild vorhanden ist, so ist die Erdenwelt in der übersinnlichen Welt nurmehr als ein Spiegelbild vorhanden. Und derjenige, der aus der Wissenschaft der Initiation heraus spricht, muß daher selbstverständlich von der sinnlichen Wirklichkeit wie von Bildern bloß sprechen. Das fühlen dann die Menschen, daß ihnen das, worauf sie so bequem stehen können, was sie so bequem einatmen können, was sie so bequem sehen können, ohne daß sie etwas dazu tun als höchstens am Morgen die Augen aufzumachen und sie sich auszureiben, daß das zu einem bloßen Bilde wird. Dies fühlen dann die Menschen, und sie beginnen sich unsicher zu fühlen; sie beginnen sich etwa so unsicher zu fühlen wie ein Mensch, den man bei einem Spaziergang geführt hat bis an den Rand eines Abgrundes, und den dann der Schwindel der Furcht ergreift. Auf der einen Seite also müßte der Mensch fühlen, wie sein Denken hier in der Sinnenwelt bloß eine Summe von Bildern ist, auf der anderen müßte er fühlen - und er fühlt es auch, aber täuscht sich durch die unbewußte Furcht darüber hinweg -, daß dasjenige, was von der übersinnlichen Welt erzählt, diese Welt hier zu einem Bilde macht. Das, wie gesagt, fühlen die Menschen. Daher sträuben sie sich gegen das, was von der Wissenschaft der Initiation kommt. Sie sträuben sich, weil sie meinen, daß ihnen der sichere Untergrund des Daseins dann fehle, wenn man ihnen die Sinneswelt gewissermaßen zu einem bloßen Bilde macht." (Lit.: GA 195, S. 10f)

Siehe auch

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Einzelnachweise

  1. Bilder sind grundsätzlich unwirklicher als das Orignal, das sie abbilden, haben aber dennoch ihre eigene Wirklichkeit. So ist etwa das Foto eines Apfels kein wirklich Apfel, sondern nur dessen unwirkliches Abbild, aber das Foto als solches, d.h. das Fotopapier und die darauf befindlichen Farben, hat durchaus seine eigene materielle Wirklichkeit. Rein seelisch erlebte innere Bilder bzw. Vorstellungen sind weniger wirklich als die ihnen zugrund liegende sinnliche oder geistige Wirklichkeit, erweisen sich in der Seele aber in der Regel als wirksamer, d.h. wirklicher, als bloße Begriffe.
  2. d.h. in seinen Maßen (im weitesten Sinn genommen) der vorliegenden Wirklichkeit weitgehend entsprechend, soweit diese durch das Bild im Rahmen einer bestimmten Abbildrelation abgebildet werden soll.