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Erkenntnistheorie

Aus AnthroWiki

Die Erkenntnistheorie oder Epistemologie (von griech. ἐπιστήμη, epistéme – Erkenntnis, Wissen, Wissenschaft und λόγος, lógos – Wort, auch Wissenschaft, Lehre; auch Gnoseologie) ist eine fundamentale Disziplin der Philosophie, die den Erkenntnisvorgang als solchen und die prinzipielle Gültigkeit seiner Ergebnisse und des darauf gegründeten Wissens zu erfassen und systematisch zu beschreiben sucht.

Die erkenntnistheoretische Grundlage der Anthroposophie

Die erkenntnistheoretische Basis für seine später entwickelte Anthroposophie legte Rudolf Steiner schon in den «Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften (1884 - 1897)». Eine weitere Vertiefung und Präzisierung folgte in den «Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung mit besonderer Rücksicht auf Schiller», in «Wahrheit und Wissenschaft» und insbesondere in seinem philosophischen Hauptwerk «Die Philosophie der Freiheit». In der Vorrede zur Neuausgabe von 1918 heißt es:

„Wenn jemand verwundert darüber sein sollte, daß man in diesem Buche noch keinen Hinweis findet auf das Gebiet der geistigen Erfahrungswelt, das in späteren Schriften von mir zur Darstellung gekommen ist, so möge er bedenken, daß ich damals eben nicht eine Schilderung geistiger Forschungsergebnisse geben, sondern erst die Grundlage erbauen wollte, auf der solche Ergebnisse ruhen können. Diese «Philosophie der Freiheit» enthält keine solchen speziellen Ergebnisse, ebensowenig als sie spezielle naturwissenschaftliche Ergebnisse enthält; aber was sie enthält, wird derjenige nach meiner Meinung nicht entbehren können, der Sicherheit für solche Erkenntnisse anstrebt. Was in dem Buche gesagt ist, kann auch für manchen Menschen annehmbar sein, der aus irgend welchen ihm geltenden Gründen mit meinen geisteswissenschaftlichen Forschungsergebnissen nichts zu tun haben will. Demjenigen aber, der diese geisteswissenschaftlichen Ergebnisse als etwas betrachten kann, zu dem es ihn hinzieht, dem wird auch wichtig sein können, was hier versucht wurde. Es ist dies: nachzuweisen, wie eine unbefangene Betrachtung, die sich bloß über die beiden gekennzeichneten für alles Erkennen grundlegenden Fragen erstreckt, zu der Anschauung führt, daß der Mensch in einer wahrhaftigen Geistwelt drinnen lebt. In diesem Buche ist erstrebt, eine Erkenntnis des Geistgebietes vor dem Eintritte in die geistige Erfahrung zu rechtfertigen. Und diese Rechtfertigung ist so unternommen, daß man wohl nirgends bei diesen Ausführungen schon auf die später von mir geltend gemachten Erfahrungen hinzuschielen braucht, um, was hier gesagt ist, annehmbar zu finden, wenn man auf die Art dieser Ausführungen selbst eingehen kann oder mag.“ (Lit.: GA 4, S. 7f)

„Ich schrieb, um zu protestieren gegen das Aufsuchen einer wesenlosen Metaphysik, die nur dadurch entsteht, daß wir im charakterisierten Sinne aus innerer Trägheit über den Sinnenschleier hinaus das Denken fortrollen lassen, als Motto über meine «Philosophie der Freiheit»: «Seelische Beobachtungsresultate nach naturwissenschaftlicher Methode.» Ich wies darauf hin, daß alles dasjenige, was Inhalt einer Philosophie ist, nicht ersonnen ist, sondern daß es im strengsten Sinne so Beobachtungsresultat nach innen hin ist, wie Farbe und Ton Beobachtungsergebnisse nach außen hin sind. Und indem man in diesem, allerdings die menschliche Wesenheit wie erkältenden Elemente des reinen Denkens lebt, macht man eine Entdeckung. Man macht die Entdeckung, daß die Menschen zwar instinktiv von Freiheit reden können, daß im Menschenwesen Impulse sind, die durchaus nach Freiheit hintendieren, die aber so lange unbewußt, instinktiv bleiben, bis man die Freiheit wieder entdeckt, indem man weiß, aus dem sinnlichkeitsfreien Denken heraus können Impulse erfließen für unser sittliches Handeln, die, weil wir ein Denken ergriffen haben, das selbst keine Sinnlichkeit mehr enthält, dann selber nicht aus der Sinnlichkeit heraus determiniert sind, sondern aus der reinen Geistigkeit heraus determiniert sind. Und man erlebt die reine Geistigkeit, indem man beobachtet, rein beobachtet, wie einfließt die Kraft des Sittlichen in das sinnlichkeitsfreie Denken. Und das beste Resultat, das man aus so etwas erzielt, das ist das, daß man erstens jedem mystischen Aberglauben Valet sagen kann, denn der hat etwas zum Ergebnis, was in irgendeiner Weise verhüllt ist und nur auf irgendeine dunkle Empfindung hin angenommen wird. Man kann ihm Valet sagen aus dem Grunde, weil man jetzt etwas in seinem Bewußtsein erlebt, was innerlich durchsichtig ist, was nicht mehr von außen impulsiert wird, sondern was von innen her sich mit Geistigkeit erfüllt. Man hat ergriffen in einem Punkt das Weltendasein, indem man sich selbst nur zum Schauplatz des Erkennens gemacht hat, man hat ergriffen, wie das Weltendasein verläuft in seiner wahren Gestalt und sich - wenn wir uns fügen diesem inneren Beobachten - uns dann ergibt. Ich möchte sagen: In einem Punkt nur ergreifen wir dasjenige, was das Wesen des Weltendaseins eigentlich ist, und wir ergreifen es als eine Realität, nicht als ein abstraktes Denken, indem herein imputieren in die Gewebe des sinnlichkeitsfreien Denkens die moralischen Antriebe, die dadurch als freie erscheinen, daß sie jetzt leben nicht mehr als Instinkte, sondern in dem Gewände des sinnlichkeitsfreien Denkens. Wir erleben die Freiheit, allerdings eine Freiheit, von der wir dann zugleich wissen, daß der Mensch sich ihr nur nähern kann so, wie sich die Hyperbel ihrer Asymptote nähert, aber wir wissen, daß diese Freiheit lebt im Menschen, insofern das Geistige lebt. Wir ergreifen zuerst aus dem Elemente der Freiheit heraus das Geistige.“ (Lit.: GA 322, S. 52f)

Weitere Angaben zur spezifisch anthoposophischen Forschungsmethode finden sich u.a. in «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» und in «Die Geheimwissenschaft im Umriß».

„Zu Erkenntnissen in höheren Welten gelangt der Mensch, wenn er sich, außer dem Schlafen und Wachen, noch einen dritten Seelenzustand erwirbt. Während des Wachens ist die Seele hingegeben den Sinneseindrücken und den Vorstellungen, welche von diesen Sinneseindrücken angeregt werden. Während des Schlafes schweigen die Sinneseindrücke; aber die Seele verliert auch das Bewußtsein. Die Tageserlebnisse sinken in das Meer der Bewußtlosigkeit hinunter. — Man denke sich nun: die Seele könnte während des Schlafes zu einer Bewußtheit kommen, trotzdem die Eindrücke der Sinne, wie sonst im tiefen Schlafe, ausgeschaltet blieben. Ja, es würde auch die Erinnerung an die Tageserlebnisse nicht vorhanden sein. Befände sich nun die Seele in einem Nichts? Könnte sie nun gar keine Erlebnisse haben? — Eine Antwort auf diese Frage ist nur möglich, wenn ein Zustand wirklich hergestellt werden kann, welcher diesem gleich oder ähnlich ist. Wenn die Seele etwas erleben kann, auch dann, wenn keine Sinneswirkungen und keine Erinnerungen an solche in ihr vorhanden sind. Dann befände sich die Seele in bezug auf die gewöhnliche Außenwelt wie im Schlafe; und doch schliefe sie nicht, sondern wäre wie im Wachen einer wirklichen Welt gegenüber. — Nun kann ein solcher Bewußtseinszustand hergestellt werden, wenn der Mensch diejenigen Seelenerlebnisse herbeiführt, welche ihm die Geisteswissenschaft möglich macht. Und alles, was diese über jene Welten mitteilt, welche über die sinnliche hinausliegen, ist durch einen solchen Bewußtseinszustand erforscht.“ (Lit.: GA 13, S. 299f)

Siehe auch

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.