Platon

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Platon

Platon (griech. Πλάτων; latinisiert Plato) war ein antiker griechischer Philosoph und lebte in Athen von 427 v. Chr. bis 347 v. Chr. Er gilt als einer der bedeutendsten Philosophen in der Geschichte.

Leben

"Plato (Platon) - ursprünglich Aristokles, erst später, wie man sagt, von seinem Lehrer in der Gymnastik wegen seiner breiten Brust Platôn genannt - nach der wahrscheinlichsten Rechnung 427 v. Chr. zu Athen (nach anderen auf Ägina) geboren, entstammte, wie dies für die meisten älteren griechischen Philosophen charakteristisch ist, einer vornehmen Familie. Die Mutter leitete ihr Geschlecht von einem Verwandten Solons, der Vater das seine gar von König Kodrus ab; zu seinen Vettern gehörte, der bekannte Oligarch Kritias. Der geistig wie körperlich hochbegabte Knabe erhielt eine sorgfältige Ausbildung, u. a. auch in Zeichnen, Malerei und Musik. Seine Lieblingsdichter waren Homer, Epicharm und Sophron; durch den letzteren wurde er vielleicht zu der mimischen Form seiner Dialoge angeregt. Auch er selbst versuchte sich in verschiedenen Gattungen der Poesie, soll aber diese Gedichte verbrannt haben, als er tiefer in die Philosophie einzudringen begann.

Plato dankt einmal den Göttern für vier Dinge: daß er geboren sei als Mensch, als Mann, als Grieche und - als Bürger Athens zu Sokrates' Zeit. Das letztere ward entscheidend für ihn. Zwar soll er schon vorher durch Kratylos (§ 5) mit der Lehre Heraklits und durch andere mit der des Anaxagoras bekannt gemacht worden sein, aber erst durch den vertrauten Umgang mit Sokrates, den er vom 21. bis zum 28. Jahre genoß, geriet sein Geist auf die ihm gemäße Bahn. Innerhalb des sokratischen Kreises wurde er dann durch Kebes und Simmias (§ 3) mit der pythagoreischen, durch Euklid (§ 18) mit der eleatischen Lehre bekannt. Mit dem letzteren siedelte er nach dem Tode des Meisters, den er vergeblich zu retten suchte, nach Megara über, doch ist er dort anscheinend nicht lange geblieben.

Nach den Lehrjahren begannen die Wanderjahre. Da Sokrates nicht mehr war und die politischen Parteikämpfe in seiner Vaterstadt seinem philosophischen Geiste, die wieder emporkommende Demokratie seiner aristokratischen Gesinnung nicht zusagten, begab er sich auf längere Reisen, die ihn u. a. nach Cyrene, wo er sich wahrscheinlich bei dem Mathematiker Theodoros in dessen Wissenschaft ausbildete, und in das Land uralter Priesterweisheit, Ägypten, führten. Darauf scheint er eine Zeitlang, etwa 395 -390, in Athen schriftstellerisch tätig gewesen zu sein und zugleich eine Schar begeisterter Anhänger um sich gesammelt zu haben. Um 390 ging er nach Unteritalien, wo er mit dem weisen Pythagoreer und Staatsmann Archytas von Tarent, sodann nach Sizilien, wo er mit dem älteren Dionys in Verbindung trat. An dem Hofe des letzteren gewann er dessen jungen Schwager Dion für seine Anschauungen, reizte aber den Tyrannen selbst durch seinen Freimut, vielleicht auch durch seine entgegengesetzten politischen Ansichten dermaßen, daß derselbe ihn als Kriegsgefangenen behandelte und, wie es heißt, durch den spartanischen Gesandten auf den Sklavenmarkt zu Ägina bringen ließ!

Von Annikeris aus Cyrene losgekauft, gründete er nunmehr, etwa 40jährig (387), die Akademie, eine Art Hochschule, nahe einem dem Heros Akademos geweihten, Gymnasium seiner Vaterstadt. Hier lehrte und betrieb er seine Philosophie, teils in dialogischer Form wie Sokrates, aber im Gegensatz zu diesem völlig zurückgezogen vom öffentlichen Leben, teils, namentlich später, auch in fortlaufendem Vortrag.

Einmal in jedem Monat fanden gemeinsame Symposien der Philosophen-Genossenschaft statt. Noch zweimal (367 und 361) riß den alternden Denker der Ruf seines Freundes Dion und sein eigener hoffnungsfroher Idealismus aus der Stille dieser Lehrtätigkeit heraus in die politischen Händel von Syrakus, wo beide auf den jüngeren Dionys im Sinne ihres Staatsideals einzuwirken hofften. Beide Male ward er enttäuscht und beschränkte sich fortan ganz auf seine »akademische« Lehrtätigkeit. Achtzigjährig, ist Plato im Jahre 347 gestorben, »schreibend«, d.h. doch wohl: noch in der Ausarbeitung seiner Schriften begriffen. Den Untergang der politischen Freiheit Griechenlands hat er nicht mehr erlebt.

Frühe schon wurde sein Leben von allerlei Sagen umwoben, von denen eine wegen ihrer Ähnlichkeit mit der Geschichte Jesu merkwürdig ist. Wie bei diesem, so soll auch bei Plato der Vater ein Gott (Apollo) gewesen, die Mutter eine Jungfrau geblieben sein und der irdische Vater (Ariston), wie Joseph, den Vollzug der Ehe aufgeschoben haben, weil ihm von Apollo die Geburt eines Gottessohnes angekündigt wurde. Hohe Verehrung vor Platos Charakter bewahrte das ganze Altertum, auch seine philosophischen Gegner. In jener Mythe von der apollinischen Abstammung dürfen wir wohl eine Wirkung seiner in harmonischem Gleichgewichte leiblicher und seelischer Tugenden das hellenische Ideal darstellenden Gesamtpersönlichkeit erblicken. " (Lit.: Vorländer, Platos Leben)

Leben und staatstheoretische Hauptwerke

Platon stammte aus einem angesehenen altadligen Geschlecht Athens, dem der Kodriden, dem auch Solon angehört hatte. Er hätte wie dieser in der Politik Karriere machen können. Aber die Hinrichtung seines Lehrers Sokrates 399 v. Chr. ließ in ihm die Überzeugung reifen, dass die Stadt von den Sitten der Väter abgefallen sei und überhaupt alle Staaten schlecht verwaltet wären (Plat. VII. Brief 325 f.; die Mehrheit der modernen Forscher geht davon aus, dass der Brief echt ist). Acht Jahre lang hatte Platon Sokrates gehört, jetzt nach dem Tod seines Lehrers, verließ er Athen und ging auf Reisen.

Er besuchte u.a. die Pythagoreer in Unteritalien und nahm 388 v. Chr. Verbindung mit Dionysios I., dem Tyrannen von Syrakus auf Sizilien auf. Er überwarf sich mit diesem, schloss aber Freundschaft mit Dion, dem Schwager und Schwiegersohn des Tyrannen (Plutarch, Dion 11 ff.). Nach seiner Rückkehr begründete Platon in Athen um 387 v. Chr. im heiligen Hain des Heros Akademos die danach benannte Akademie als die erste Athener Philosophenschule. Sie blieb die bedeutendste 'Eliteuniversität' der antiken Welt, bis sie von dem oströmischen Kaiser Justinian I. 529 n. Chr. als letzte heidnische Philosophenschule geschlossen wurde (Johannes Malalas, 451).

Plato
Plato

Der Gesprächscharakter der Lehre spiegelt sich in der Dialogform von Platons Schriften. Sie bieten nicht ein Lehrgebäude als fertiges System, sondern wollen dessen Entstehungsprozess anschaulich darstellen. Hauptredner in den frühen Dialogen ist Sokrates. Ihm legt Platon seine philosophischen Theorien in den Mund. Diese Dialoge sind die hauptsächliche Quelle für die Philosophie des Sokrates, der selbst keine schriftlichen Aufzeichnungen hinterlassen hat. Jedoch ist die Grenzlinie zwischen Platons eigener Philosophie und der des Sokrates schwer zu ziehen. Man geht davon aus, dass Platon vor allem in den sogenannten Frühdialogen (Apologie, Kriton, Phaidon, Sophistendialoge) die Ideen des Sokrates wiedergibt, während er in den Spätdialogen seine eigenen Gedanken niedergeschrieben hat. Platons staatstheoretisch wichtigstes Werk ist der Dialog über den Staat, die "Politeia" (lat. de re publica), den er um 370 v. Chr. verfasst hat. Der Untertitel lautet: Über das Gerechte, to dikaion. Er resultierte aus Platons Verzweiflung an der attischen Demokratie und dem ungerechten Todesurteil, welches das Volksgericht über Sokrates gefällt hatte.

In seinem Dialog betrachtete Platon (Nom. 829 A) den Staat als einen Menschen im Großen. Der Idealstaat, den er entwickelte, wird als vergrößertes Abbild der Seele des gerechten Menschen vorgestellt. 366 v. Chr. unternahm Platon eine zweite Reise nach Syrakus auf Einladung des Tyrannen Dionysios II. Er hoffte, den Machthaber dafür gewinnen zu können, seinen Idealstaat in der Realität zu verwirklichen. Doch zeigte sich Dionysios ebenso unbelehrbar wie der Philosoph Platon unbeugsam. So endete auch diese 2. Reise mit einer herben Enttäuschung.

Um 350 v. Chr. legte Platon nach seinen Erfahrungen in Sizilien in seinem unvollendeten Alterswerk über die "Gesetze" (Nomoi, De Legibus) - Platons Sekretär Philippos von Opus hat es postum redigiert und ediert: Diogenes Laertios III 37 - einen zweiten Staatsentwurf vor, der theorieferner und praxisnäher ist und bei seinen Bürgern nicht soviel Opferbereitschaft voraussetzt wie noch der Staat der "Politeia".

Philosophische Themen und Positionen

„Der 427 v. Chr. in Athen geborene Plato empfand als Schüler des Sokrates, daß ihm durch diesen das Vertrauen in das Gedankenleben sich befestigte. Das, was die ganze bisherige Entwickelung zur Erscheinung bringen wollte: in Plato erreicht es einen Höhepunkt. Es ist die Vorstellung, daß im Gedankenleben sich der Weltengeist offenbart. Von dieser Empfindung wird zunächst Piatos ganzes Seelenleben überleuchtet. Alles, was der Mensch durch die Sinne oder auf sonst eine Art erkennt, ist nicht wertvoll, solange die Seele es nicht in das Licht des Gedankens gerückt hat. Philosophie wird für Plato die Wissenschaft von den Ideen als dem wahren Seienden. Und die Idee ist die Offenbarung des Weltengeistes durch die Gedanken- Offenbarung. Das Licht des Weltengeistes scheint in die Menschenseele, offenbart sich da als Ideen; und die Menschenseele vereinigt sich, indem sie die Idee ergreift, mit der Kraft des Weltgeistes. Die im Raum und in der Zeit ausgebreitete Welt ist wie die Meereswassermasse, in der sich die Sterne spiegeln; doch ist wirklich nur, was sich als Idee spiegelt. So verwandelt sich für Plato die ganze Welt in die aufeinander wirkenden Ideen. Deren Wirken in der Welt kommt zustande dadurch, daß die Ideen sich in der Hyle, der Urmaterie, spiegeln. Durch diese Spiegelung ersteht das, was als viele Einzeldinge und Einzelvorgänge der Mensch sieht. Aber man braucht das Erkennen nicht auf die Hyle, den Urstoff, auszudehnen, denn in ihm ist nicht die Wahrheit. Zu dieser kommt man erst, wenn man von dem Weltbilde alles abstreift, was nicht Idee ist.“ (Lit.:GA 18, S. 70f)

Grundlegendes zur Ideenlehre

Auf die aporetischen Definitionsdialoge der frühen Schriften folgte in den mittleren Werken Platons die Einführung der Ideen-"Lehre" (hier wird häufig die Trennlinie zwischen sokratischer und platonischer Philosophie gesehen). Platon entwickelte die Ideenlehre, nach der die sinnlich wahrnehmbare Welt einer unsichtbaren Welt der Ideen nachgeordnet ist. Von einer "Ideenlehre" zu sprechen ist jedoch in zwei Hinsichten missverständlich. Erstens formuliert Platon in seiner Philosophie keine einheitliche Lehre. So werden etwa Elemente, die in früheren Dialogen Teil einer solchen Systematik zu sein scheinen, in späteren Dialogen kritisiert, wenn nicht gar verworfen. Zweitens findet sich in Platons Philosophie für diese Entitäten - wie in vielen anderen Fällen - keine einheitliche Terminologie. So bezeichnet er häufig die "Idee des Schönen" als "das Schöne selbst" oder als "das Schöne an sich". Diese Ideen weisen folgende Merkmale auf: Sie sind

  1. ontologisch höherrangig (primär) d.h. in höherem Maße seiend als die sinnlich wahrnehmbaren Einzelgegenstände;
  2. epistemisch höherrangig (primär);
  3. unvergänglich;
  4. unveränderlich;
  5. Ursache dafür, dass etwas so ist, wie es ist.

Ontologisch höherrangig meint, dass die Ideen in höherem Maße seiend, die einzig wahrhaft seienden Wesenheiten sind. Die sinnlich wahrnehmbaren Gegenstände haben für Platon nur ein unbedeutendes Sein inne (eine Auffassung, die er aus der Ontologie des Parmenides übernimmt). Ursache sein meint, dass etwa das Schöne (Gerechte, Gleiche, etc.) selbst Ursache dafür ist, dass die einzelnen Dinge, die schön (gerecht, gleich, etc.) sind, genau dies sind. Eine Rose ist etwa deshalb schön, weil sie an der Idee des Schönen teilhat. Die Teilhabe (méthexis) bezeichnet neben dem Verhältnis der Einzelgegenstände zu den Ideen auch das Verhältnis unseres Erkenntnisvermögens zu den Ideen sowie das Verhältnis einiger Ideen untereinander.

Indem Platon also eine radikale Spaltung der Realität in Ideenreich (vorgängig) und sinnlich wahrnehmbare Welt (abgeleitet) vollzog, brach er nicht nur mit der Philosophie der Vorsokratiker, sondern konzipierte gleichzeitig auch ein dualistisches Weltbild, das vor allem vermittelt durch das Christentum die abendländische Geistesgeschichte bis heute beeinflusst.

Seelenlehre

„Die Seele ist ihrem Wesen nach ein Glied der Ideenwelt. Als solche ist sie Vernunftseele. Sie betätigt sich aber so, daß sie zu ihrem Leben in der Vernunft hinzufügt eine Betätigung durch das Mutartige und das Begierdehafte. In dieser dreifachen Äußerungsart ist sie Erdenseele. Sie steigt als Vernunftseele durch die physische Geburt zum Erdendasein herab und geht mit dem Tode wieder in die Ideenwelt ein. Insofern sie Vernunftseele ist, ist sie unsterblich, denn sie lebt als solche das ewige Dasein der Ideenwelt mit.

Diese Seelenlehre des Plato erscheint als eine bedeutsame Tatsache innerhalb des Zeitalters der Gedankenwahrnehmung. Der erwachte Gedanke wies den Menschen auf die Seele hin. Bei Plato entwickelt sich eine Anschauung über die Seele, die ganz Ergebnis der Gedankenwahrnehmung ist. Der Gedanke hat sich in Plato erkühnt, nicht nur auf die Seele hinzuweisen, sondern auszudrücken, was die Seele ist, sie gewissermaßen zu beschreiben. Und, was der Gedanke über die Seele zu sagen hat, gibt dieser die Kraft, sich im Ewigen zu wissen. Ja, es beleuchtet der Gedanke in der Seele sogar die Natur des Zeitlichen, indem er sein eigenes Wesen über dieses Zeitliche hinaus erweitert. Die Seele nimmt den Gedanken wahr. So wie sie im Erdenleben sich offenbart, ist die reine Gestalt des Gedankens in ihr nicht zu entwickeln. Woher kommt das Gedankenerleben, wenn es nicht im Erdenleben entwickelt werden kann? Es bildet eine Erinnerung an einen vorirdischen, rein geistigen Zustand. Der Gedanke hat die Seele so ergriffen, daß er sich mit ihrer irdischen Existenz nicht begnügt. Er ist der Seele geoffenbart in einer Vorexistenz (Präexistenz) in der Geisteswelt (Ideenwelt), und die Seele holt ihn während ihrer irdischen Existenz durch Erinnerung aus jenem Leben herauf, das sie im Geiste verbracht hat.“ (Lit.:GA 18, S. 71f)

Die vier Kardinaltugenden Platos

Aus der Platos Seelenlehre ergeben sich die von ihm genannten vier Kardinaltugenden.

„Es ergibt sich aus dieser Seelenauffassung, was Plato über das sittliche Leben zu sagen hat. Die Seele ist sittlich, wenn sie das Leben so einrichtet, daß sie möglichst stark sich als Vernunftseele zum Ausdruck bringt. Die Weisheit ist die Tugend, welche aus der Vernunftseele stammt; sie veredelt das menschliche Leben; die Starkmut kommt der mutartigen, die Besonnenheit der begierdevollen Seele zu. Die beiden letzteren Tugenden entstehen, wenn die Vernunftseele über die anderen Seelenoffenbarungen zum Herrscher wird. Wenn alle drei Tugenden harmonisch im Menschen zusammenwirken, so entsteht das, was Plato die Gerechtigkeit - die Richtung auf das Gute, Dikaiosyne - nennt.“ (Lit.:GA 18, S. 72f)

„Plato, der große Philosoph des alten Griechenlands, hat diese vier Tugenden deshalb unterschieden, weil er seine Weisheit noch aus den Nachklängen des alten Mysterienwesens hat schöpfen können. Unter den Nachklängen des alten Mysterienwesens hat Plato die Klassifizierung der Tugend besser treffen können als die späteren Philosophen oder gar als die unserer Zeiten, wo das Wissen von der Mysterienweisheit so weit entfernt steht und etwas so chaotisches geworden ist.“ (Lit.:GA 159, S. 13)

Die 4 Kardinaltugenden hängen mit den vier grundlegenden Wesensgliedern des Menschen zusammen. Die Weisheit wirkt unmittelbar durch das Ich, die Tapferkeit oder Herzhaftigkeit wirkt durch den Astralleib, die Besonnenheit durch den Ätherleib und die Gerechtigkeit durch den physischen Leib. (Lit.:GA 170, S. 78ff)

Ideen und Erkenntnis

Wissen ist für Platon nicht Abstraktion, gewonnen aus Erfahrung und Überlegung, wie es sein Schüler Aristoteles annimmt. Vielmehr ist für Platon etwa die Erkenntnis, dass zwei Gegenstände oder zwei Zahlensummen gleich groß sind, nur dadurch möglich, dass sowohl die Erkennenden als auch die wahrgenommenen Gegenstände an der Idee des Gleichen teilhaben. In einigen Dialogen scheint Platon zudem die Position zu vertreten, dass vermeintliche Erkenntnis dadurch zustande kommt, dass wir ein vorgeburtliches Wissen (apriorisches Wissen) in unserer Seele besitzen, an das wir uns erinnern (Anamnesis).

Die Idee des Guten

das Höhlengleichnis

Jede Idee ist einzigartig und da sie Sein hat, ist sie auch immer mit sich selbst identisch. Die Ideen untereinander haben insofern teil aneinander, als eine bestimmte Idee anderen Ideen übergeordnet ist. Diese höchste Idee ist - der Politeia zufolge - die Idee des Guten bzw. die Idee der Ideen. Sie ist die höchste Idee, da die "gewöhnlichen" Ideen aus ihr hervorgehen. D.h. explizit, dass die Idee des Guten den Ideen ihr Sein und Wesen verleiht. In gewisser Hinsicht ist die Idee des Guten daher eine Art Meta-Idee. Als höchste (um nicht zu sagen absolute) Idee hat sie ihr Sein und Wesen aus sich heraus (vgl. Aseität), nicht erst durch Teilhabe. Auf Grund der ursächlichen Funktion der Idee des Guten ist es das höchste Ziel des Philosophen (φιλόσοφος; wörtlich: "Freund der Weisheit"), die Idee des Guten zu erkennen, insofern dies möglich ist, und laut der Politeia Voraussetzung dafür, Philosophenherrscher zu werden. Platon lässt Sokrates an einigen Stellen verdeutlichen, welche "Meinungen" er von der Idee des Guten hat, er tut dies mit Hilfe der drei berühmten Gleichnisse: Sonnengleichnis, Liniengleichnis und Höhlengleichnis.

'Wissen(schaft) ist nur als Einheit möglich.'

Die Thesen (a), dass die besten Herrscher die Philosophen sind und (b) dass die Philosophen in der Idee des Guten das höchste Wissen erlangt haben, sind charakteristisch für folgende zentrale Ansicht Platons: (c) 'Wissen bzw. Wissenschaft (ἐπιστήμη) ist nur als Einheit möglich. Diese Position besagt, dass es keine voneinander getrennten Einzelwissenschaften geben kann (etwa die Politik, die Astronomie, die Mathematik etc.), die unterschiedliche Grundprinzipien besitzen. (In dieser Ansicht wird Aristoteles Platon widersprechen.)

Folgerichtig sind die verschiedenen Bereiche der Philosophie Platons miteinander verbunden. So sind Erkenntnis- und Seinslehre (Ontologie) verbunden mit einem Menschenbild (Anthropologie), das allein aus der Liebe, dem Eros zum Guten aus edler Menschlichkeit, der Kalokagathia, die lebensnotwendige und erkenntnisstiftende Dynamik erhält. Nicht unwesentlich für Platon ist auch das Komplement des dynamischen Eros, das beständig freundliche Gefühl der Philia, das unverzichtbare irrationale Element einer stabilen Ganzheit (Einzelseele, persönliche Freundschaft, Staat, Kosmos).

Philosophische Methode: Dialektik

"Dialektik" (griechisch διαλεκτική (τέχνη)) bedeutet eigentlich "(die Kunst der) Gesprächsführung". Der Begriff soll (nach Aussage des Aristoteles) von dem Philosophen Zenon von Elea geprägt worden sein, uns tritt er aber in den Werken Platons zum ersten Mal entgegen.

In Platons früher Philosophie bedeutet "Dialektik" einfach eine bestimmte Form der Gesprächsführung, bekannt als sokratischer Dialog: Zwei Partner unterhalten sich über einen Gegenstand. Ausgangspunkt ist eine Begriffsdefinition des Sprechers A (Proponent). Auf der Grundlage dieser Definition stellt B (Opponent) dann Fragen an A. Die Rollen sind dabei auf charakteristische Weise verteilt: Der Definitionsgeber A antwortet meist auf Fragen seines Opponenten, dieser jedoch (in platonischen Dialogen in aller Regel Sokrates, nach eigenem Bekennen ein notorischer "Nicht-Wisser") stellt darauf hin weitere Fragen. Das Gespräch endet oft in einer Aporie; der Erkenntnisgewinn durch die dialektische Methode besteht dann also darin, dass nicht haltbare Definitionen als unzulänglich entlarvt werden.

Der platonische Eros

Der platonische Eros ist der stufenweise Weg zur Erkenntnis des Schönen und Guten an sich. Platon legt ihn im Symposion dar, bzw. er lässt ihn Sokrates in einer Art Mythos verkünden, den dieser von der Priesterin Diotima empfangen haben will. Der echte Philosoph geht demnach von der Liebe zu einem schönen Menschen hinauf zur Liebe zu allem Schönen und schließlich zur Liebe zum Schönen selbst, zur Idee des Schönen an sich. Jedoch ist dieses "Stufenverfahren" kein Weg zur systematischen Erkenntnis aller anderen Ideen.

Staatsaufbau (politische Philosophie)

Hauptartikel: Politeia

Der Staat entsteht für Platon aus Gründen der Arbeitsteilung, weil keiner von uns sich selbst genügen kann, er besteht jedoch um eines höheren Ziels willen: der Gerechtigkeit. Platons Staat ist gegliedert in den Handwerker- und Bauernstand, den Stand der Wächter und den der Regenten. Die Angehörigen dieser Stände zeichnen sich nach Platon jeweils durch besondere Eigenschaften ("Tugenden") aus.

Weil vor der Geburt den Menschen unterschiedliche Fähigkeiten zugeteilt wurden (Lachesis-Mythos), entscheiden die Wächter und Erzieher früh, zu welchem Stand ein Kind gehören wird. Es wird den Eltern weggenommen und unter völliger Gleichberechtigung von Jungen und Mädchen von Erziehern herangezogen. (Nicht-taugliche Säuglinge werden nach dem Vorbild Spartas umgebracht.) Die Regeln der Erziehung werden lange erörtert, wobei alle Menschen die gleiche Erziehung durchlaufen, mit dem einzigen Unterschied, dass die Menschen, die in den Nährstand (Bauern, Handwerker usw.) kommen, die Ausbildung ab einem gewissen Punkt beenden, während diejenigen, die für den Wehrstand (Wächter) geeignet sind, die allgemeine Ausbildung zu einem späteren Zeitpunkt beenden - und die Regenten die Erziehung bis zum Ende durchlaufen. Danach sind sie automatisch Regenten.

Die Inkarnationen Platons nach Angaben Rudolf Steiners

Rudolf Steiner hat über frühere bzw. spätere Inkarnationen Platos folgende Darstellungen gegeben:

"Der jüngere Dionysos wurde wiedergeboren in geschichtlicher Zeit in einem menschlichen Leib, und auch sein Lehrer, der weise Silen, wurde wiedergeboren. Und daß diese Gestalten wiedergeboren worden sind, davon hatte die Mystik des alten Griechenlands ihr deutliches Bewußtsein. Davon hatten auch die Künstler des alten Griechenlands, die angeregt und inspiriert wurden von den Mysten, ihr deutliches Bewußtsein. Nach und nach müssen in der Geisteswissenschaft, die nicht bei der Phrase stehenbleiben, sondern zur Wirklichkeit übergehen will, solche Dinge auch gesagt werden, die da wahr sind für die aufeinanderfolgende Entwickelung der Menschheit. Der alte weise Lehrer des Dionysos, Silen, wurde wiedergeboren, und es war dieser weise Silen in seiner Wiederverkörperung keine andere Persönlichkeit als die des Sokrates. Sokrates ist der wiederverkörperte alte Silen, der wiedergeborene Lehrer des Dionysos. Und der wiederverkörperte Dionysos selber, jene Persönlichkeit, in welcher die Seele des Dionysos lebte, das war Plato. Und man merkt erst den tieferen Sinn der griechischen Geschichte, wenn man eingeht auf das, was zwar nicht die Überlieferer der äußeren Geschichte Griechenlands wissen, was aber die Mysten wußten und von Generation zu Generation bis heute überliefert haben, was auch in der Akasha-Chronik gefunden werden kann. Die Geisteswissenschaft kann es wieder verkünden, daß Griechenland in seiner alten Zeit die Lehrer der Menschheit enthielt, die es hinüberschickte nach Asien in dem Zuge, den der Dionysos führte, dessen Lehrer der weise Silen war, und daß, in einer Art, wie es für die spätere Zeit angemessen war, erneuert wurde alles das, was Dionysos und der weise Silen für Griechenland werden konnten, in Sokrates und Plato. Gerade in derjenigen Zeit, in welcher in den Mysterien selber der Verfall eintrat, in welcher keine Mysten mehr da waren, die in den heiligen Mysterien hellseherisch noch schauen konnten den jüngeren Dionysos, trat dieser selbe jüngere Dionysos als der Schüler des weisen Silen, des Sokrates, in der Gestalt des Plato als der zweite große Lehrer Griechenlands, als der wahre Nachfolger des Dionysos auf.

Dann erkennt man erst im Sinne der alten griechischen Mystik selber den Sinn der griechischen Geisteskultur, wenn man weiß, daß die alte Dionysische Kultur ihr Wiederaufleben in Plato gefunden hat. Und wir bewundern noch in einem ganz anderen Sinn den Platonismus, wir stehen zu ihm in seiner wahren Gestalt, wenn wir wissen, daß in Plato die Seele des jüngeren Dionysos war." (Lit.: GA 129, S. 157f)

"Nehmen wir an, irgendeine Persönlichkeit lebte in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts und hätte in sich gehabt eine starke Spiritualität aus früheren Inkarnationen: Sie lebt sich herein in die gegenwärtige Bildung, die damals gegenwärtige Bildung; die ist intellektualistisch, durch und durch intellektualistisch. Nun ist aber in der Persönlichkeit, die ich meine, die Nachwirkung der Spiritualität noch so stark, daß diese heraus will, richtig heraus will. Aber der Intellektualismus verträgt das nicht. Die Persönlichkeit wird intellektualistisch erzogen, die Persönlichkeit erlebt im gesellschaftlichen Umgange, in den sie hineinkommt, im Beruf, überall Intellektualismus; dahinein in diesen Intellektualismus kann das nicht, was sie in der Seele trägt. Es würde das eine Persönlichkeit sein, von der man sagen kann: Die wäre eigentlich zur Anthroposophie wie berufen. — Aber sie kann nicht Anthroposoph werden, weil gerade das, wenn es in den Intellekt schon hätte hinein können aus der Spiritualität der früheren Inkarnation, Anthroposophie geworden wäre. Es kann nicht Anthroposophie werden, bleibt zurück, bekommt gewissermaßen einen Schock vor dem Intellektualismus. Was kann die Persönlichkeit anderes tun, als höchstens den Intellektualismus überall als etwas behandeln, an das sie nicht heranwill, damit das, was in ihrer Seele ist, herauskommen kann in irgendeiner Inkarnation. Es wird dann natürlich nicht vollkommen herauskommen, weil es dem Zeitalter nicht entspricht. Es wird vielleicht sogar wie ein Stammeln sein; aber man wird der Persönlichkeit ansehen, daß sie überall davor zurückzuckt, gar zu weit zu gehen, von dem Intellektualismus des Zeitalters berührt zu werden. Dafür möchte ich Ihnen eben ein Beispiel anführen. Ich möchte zunächst erinnern an eine hier auch oftmals und immer wieder für die verschiedensten Dinge genannte Persönlichkeit des Altertums, Plato. Plato, der Philosoph des fünften und vierten vorchristlichen Jahrhunderts, lebt eigentlich wie eine Seele, die vieles von dem vorausnimmt, was dann in Jahrhunderten die Menschheit sinnt. Und ich habe ja, als ich auf die großen geistigen Inhalte der Schule von Chartres hinwies, darauf hingewiesen, daß platonischer Geist seit langer Zeit in der Entwickelung des Christentums lebte und daß er in einer gewissen Weise gerade in diesen großen Lehrern der Schule von Chartres seine Ausgestaltung gefunden hat, so wie er eben damals hat ausgestaltet werden können.

Man muß sich nur klar sein darüber: Platos Geist ist zunächst der Ideenwelt zugewendet. Allein man darf sich nicht vorstellen, meine lieben Freunde, daß Idee bei Plato dasselbe abstrakte Ungetüm ist, was für uns heute Ideen sind, wenn wir dem gewöhnlichen Bewußtsein huldigen. Für Plato war die Idee fast etwas von dem, was die persischen Götter Amschaspands waren, die dem Ahura Mazdao als wirkende Genien zur Seite standen; wirkende Genien, die in imaginativer Anschauung nur erreichbar waren, das waren für Plato eigentlich die Ideen: wesenhaft. Nur schilderte er sie schon nicht mehr mit der Lebendigkeit, mit der man in früheren Zeiten solche Dinge geschildert hat. Er schildert sie wie Schatten, könnte man sagen, von Wesenheiten. Und dadurch entstehen ja dann die abstrakten Gedanken, daß die Ideen immer schattenhafter und schattenhafter von den Menschen genommen werden. Aber Plato, indem er weiterlebt, vertieft sich doch in einer Weise, so daß man sagen möchte, in seine Ideenwelt ergießt sich fast die ganze Weisheit der damaligen Zeit. Man braucht bloß seine späteren Dialoge zu nehmen und man wird Astrologisch-Astronomisches, man wird Kosmologisches, wunderbar Psychologisches, Völkerhistorisches bei Plato finden, alles in einer Art von Spiritualität, welche das Spirituelle eben bis zur Idee, ich möchte sagen, verfeinert, verschattenhaftet.

Aber es lebt alles in Plato. Und es lebt vor allen Dingen in Plato die Anschauung: Die Ideen sind die Gründe von alledem, was in der Sinneswelt vorhanden ist. Überall, wo wir hinblicken in der Sinneswelt, was wir auch schauen, es ist der äußere Ausdruck, die äußere Offenbarung von Ideen. - Dabei tritt in Platos "Weltanschauung ein anderes Element noch herein, das ja auch der Welt bekanntgeworden ist in einem Schlagworte, das viel mißverstanden und auch viel mißbraucht worden ist: in dem Schlagworte der platonischen Liebe. Die durchgeistigte Liebe, die möglichst viel von dem abgelegt hat, was der Liebe oftmals noch beigemischt ist von Egoismus, diese durchgeistigte Hingabe an Welt, Leben, Mensch, Gott, Idee, das ist ja etwas, was die platonische Lebensauffassung durchaus durchzieht. Und das ist dasjenige, was in gewissen Zeitaltern zurücktritt, was aber dann immer wiederum aufleuchtet. Denn der Platonismus wird immer wieder aufgenommen, bildet da und dort wiederum dasjenige, an dem sich die Menschen hinaufranken, bildete eben auch den Einschlag für das, was gelehrt worden ist in der Schule von Chartres.

Nun, man hat oftmals schon in Plato eine Art Vorläufer des Christentums gesehen. Allein zu meinen, daß Plato ein Vorläufer des Christentums gewesen sei, das heißt das Christentum mißverstehen. Denn das Christentum ist nicht eine Lehre, sondern das Christentum ist eine Lebensströmung, welche an das Mysterium von Golgatha anknüpft, und vom wirklichen Christentum kann man erst seit dem Mysterium von Golgatha sprechen. Man kann aber davon sprechen, daß es Christen gegeben hat in dem Sinne, daß sie vor dem Mysterium von Golgatha jene Gestalt, die dann innerhalb des Erdenlebens der Menschheit als Christus erkannt wurde, als Sonnenwesenheit verehrt haben, dieselbe Wesenheit im Sonnenwesen gesehen haben. Wenn man in diesem Sinne von Vorläufern des Christentums sprechen will, muß man aber von vielen Mysterienschülern als solchen Vorläufern sprechen; dann kann man auch von Plato als einem Vorläufer des Christentums sprechen. Aber man muß natürlich die Sache nur richtig verstehen.

Nun habe ich ja schon vor einiger Zeit hier davon gesprochen, daß, als Plato noch lebte, nicht gerade in Platos Philosophenschule, aber unter Platos Einfluß — ich habe es sogar schon vor Jahrzehnten erwähnt —, herangewachsen ist ein Künstler, nicht aus platonischer Philosophie, aber aus platonischem Geiste heraus, der dann, nachdem er durch andere Inkarnationen gegangen ist, als Goethe wiedergeboren worden ist, und der karmisch dasjenige, was aus den früheren Inkarnationen, namentlich aber aus der Plato-Strömung kam, in der Jupiter-Region umgewandelt hat, so daß es diejenige Art von Weisheit werden konnte, die eben bei Goethe alles durchdringt. Wir können also schon hinblicken auf ein edles Verhältnis Platos gerade zu diesem — nicht Plato-Zögling, aber Plato-Folger; denn er ist nicht Philosoph, wie gesagt, sondern Künstler im griechischen Zeitalter. Aber Platos Auge fiel noch auf ihn, nahm auf das ungeheuer Vielversprechende dieses Jünglings, der hier gemeint ist.

Nun, Plato hatte es eigentlich schwer, hindurchzutragen durch die folgenden Zeiten, durch die übersinnliche Welt dasjenige, was er in seiner Plato-Inkarnation in seiner Seele trug. Er hatte es sehr schwer. Denn obzwar der Platonismus da und dort aufleuchtete: wenn Plato heruntersah auf dasjenige, was sich unten als Platonismus entwickelte, so bedeutete das für ihn vielfach eine furchtbare Störung seines übersinnlichen Seelen- und Geisteslebens.

Nicht als ob man dasjenige, was als Platonismus fortlebte, deshalb verurteilen oder abkritisieren wollte. Selbstverständlich, die Seele des Plato lebte Stück für Stück immer mehr und mehr dasjenige in die folgenden Zeitalter hinüber, was eben in ihr lag. Aber gerade Plato, der ja noch verbunden war mit allen Mysterien des Altertums, von dem ich sagen konnte, daß seine Ideenlehre ja eine Art persischen Einschlags hatte, gerade Plato hatte es schwer, als er die Zeit absolviert hatte — es war bei ihm sogar eine ziemlich lange Zeit —, um zu einer neuen Inkarnation zu kommen, er hatte es eigentlich schwer, in die christliche Kultur einzutreten, in die er doch eintreten mußte. Und so kann man sagen: Trotzdem man in dem Sinne, wie ich es eben ausgesprochen habe, Plato dennoch als einen Vorläufer des Christentums bezeichnen kann, lag die ganze Seelen-Orientierung Platos so, daß es ihm außerordentlich schwer wurde, als er reif war zum Wiederheruntersteigen auf die Erde, eine Organisation, einen Leib zu finden, um in ihn das Frühere so hineinzutragen, daß es mit christlicher Schattierung, mit christlicher Nuancierung jetzt erschien. Und außerdem war Plato durch und durch Grieche mit all dem orientalischen Einschlag, den die Griechen hatten und den die Römer gar nicht hatten. Plato war in gewissem Sinne eine Seele, welche hinauftrug bis in das höherpoetische Reich die Philosophie, und künstlerisch sind die philosophischen Dialoge Platos. Überall ist Seele und überall drinnen eben die in wahrem Sinne zu verstehende platonische Liebe, die auch den orientalischen Ursprung durchaus verrät.

Plato ist Grieche. Die Zivilisation, innerhalb welcher er sich allein verkörpern kann, als er reif ist zur Verkörperung, als er sozusagen für die übersinnliche Welt alt geworden ist, diese Zivilisation ist römisch und christlich. Ich möchte sagen, wenn ich mich trivial ausdrücken darf: Da muß er nun hinein. Da muß er auch alle Kräfte zusammennehmen, um zurückzudrängen das Widerstrebende. Denn in Platos Wesen liegt Zurückweisung des prosaischnüchtern Römischen, des juristisch Römischen, eigentlich die Zurückweisung von allem Römischen.

Und in Platos Wesen liegt auch eine gewisse Schwierigkeit, das Christentum anzunehmen, weil er ja gerade den Höhepunkt der vorchristlichen Weltanschauung in gewissem Sinne darstellt und es sich auch an Äußerlichkeiten zeigte, daß das eigentliche Plato-Wesen nicht in das Christentum leicht untertauchen konnte. Denn was tauchte dann unter in das Christentum hier in der sinnlichen Welt? Der Neuplatonismus. Der war aber etwas ganz anderes als der wirkliche Platonismus. Zwar bildete sich heraus, nicht wahr, eine Art von platonisierender Gnosis und so weiter, aber eben eine Möglichkeit, das unmittelbare Plato-Wesen ins Christentum herüberzunehmen, bestand nicht. Und so war es auch für Plato schwierig, aus all der Aktivität, die er als Plato-Wesen in sich trug und jetzt in den Ergebnissen wieder hereinbringen mußte, in die Welt irgendwie unterzutauchen. Er mußte die Aktivität zurückstellen.

Und so verkörperte er sich im zehnten Jahrhundert des Mittelalters als die Nonne Hroswitha (siehe → Hroswitha von Gandersheim), jene ja vergessene, aber grandiose Persönlichkeit des zehnten Jahrhunderts, die das Christentum in einem wirklich platonischen Sinne eigentlich aufgenommen hat, die im Grunde genommen ungeheuer viel vom Platonismus in das mitteleuropäische Wesen hineingetragen hat. Sie gehörte dem Kloster Gandersheim im Braunschweigischen an, trug ungeheuer viel hinein in das mitteleuropäische Wesen vom Platonismus. Das konnte im Grunde genommen damals nur eine Frau tun. Würde nicht mit dem Frauenkolorit Platos Wesen erschienen sein, es hätte nicht das Christentum annehmen können in dieser Zeit. Aber auch das Römertum, das ja damals in aller Bildung war, mußte aufgenommen werden, ich möchte sagen, zwangsmäßig aufgenommen werden. So sehen wir denn diese Nonne zu jener merkwürdigen Persönlichkeit sich entwickeln, die lateinische Dramen schreibt in terenzischem Stil, im Stil des römischen Dichters Terenz, die wirklich außerordentlich bedeutend sind.

Ja, sehen Sie, man möchte sagen, es liegt fast furchtbar nahe, Plato zu verkennen, wenn er irgendwie herankommt. Ich habe öfter erwähnt, wie Friedrich Hebbel sich ein Drama notiert hat — es ist der Plan nur als Notiz vorhanden —, worinnen er humoristisch behandeln wollte, wie in einer Gymnasialklasse der wiederverkörperte Plato sitzt. Das ist dichterische Phantasie natürlich, aber Hebbel wollte das darstellen: wie in einer Gymnasialklasse der wiederverkörperte Plato sitzt und die platonischen Dialoge von dem Lehrer, dem Gymnasiallehrer, durchgenommen werden und die schlechtesten Zensuren in bezug auf die Interpretationen der platonischen Dialoge der wiederverkörperte Plato bekommt. Das hat sich Hebbel notiert als Dramenstoff. Er hat es dann nicht ausgearbeitet. Aber es ist sozusagen eine Ahnung, wie leicht überhaupt Plato zu verkennen ist. Er kann leicht verkannt werden. Das ist so ein Zug, möchte ich sagen, der mich besonders interessiert hat in der Verfolgung der Plato-Strömung, weil dieses Verkennen eigentlich außerordentlich instruktiv ist, um die richtigen Wege zu finden für das Weitergehen der platonischen Individualität.

Es ist ja schon höchst interessant, daß sich ein deutscher Philologe gefunden hat, der den wissenschaftlichen Nachweis geführt hat — ich weiß jetzt den Namen nicht, irgendein Schmidt oder Müller -, den unumstößlichen Beweis erbracht hat, daß die Nonne Hroswitha kein einziges Drama geschrieben hat, überhaupt nichts von ihr herrührt, sondern daß irgendein Ratgeber des Kaisers Maximilian das alles gefälscht habe - was natürlich ein Unsinn ist. Aber an Plato hängt eben die Verkennung.

Und so sehen wir denn wirklich intensive christlich-platonische Geistessubstantialität, verbunden mit mitteleuropäisch-germanischem Geist, in dieser Individualität der Nonne Hroswitha aus dem zehnten Jahrhundert. Es lebt in dieser Frau sozusagen die ganze Bildung der damaligen Zeit. Es ist eine staunenswerte Frau in Wirklichkeit. Und gerade diese Frau macht nun mit diejenigen übersinnlichen Entwickelungen, von denen ich Ihnen gesprochen habe: den Übergang der Lehrer von Chartres in die geistige Welt, das Herunterkommen derjenigen, die dann Aristoteliker sind, die Michael-Schulung. Aber eben doch in einer ganz merkwürdigen Art macht sie das mit. Man möchte sagen, hier streiten miteinander der männliche Geist Platos und der weibliche Geist der Nonne Hroswitha, die beide ihre Ergebnisse für die geistige Individualität hatten. Wäre die eine Inkarnation unbedeutend gewesen, was ja meistens der Fall ist, so würde ein solches innerliches Streiten dann nicht stattgefunden haben. Aber hier bei dieser Individualität hat dieses innerliche Streiten eigentlich die ganze Zeit über gedauert.

So daß wir sehen, daß die Individualität, als sie wiederum auf die Erde zu kommen reif ist im neunzehnten Jahrhundert, daß diese Individualität sich zu einer solchen ausbildet, wie ich sie hypothetisch schon gerade vorher beschrieben habe: Die ganze Spiritualität Platos wird zurückgehalten, staut sich vor der Intellektualität des neunzehnten Jahrhunderts, will nicht heran. Und damit das leichter wird, sitzt ja die Frauenkapazität der Nonne Hroswitha in derselben Seele. So daß diese Seele in der Weise auftritt, daß ihr alles dasjenige, was sie aus ihrer Fraueninkarnation, aus ihrer bedeutenden, leuchtenden Fraueninkarnation hat, es leicht macht, den Intellektualismus doch da, wo es ihr gefällt, abzustoßen.

Und so entsteht neu in dem neunzehnten Jahrhundert auf Erden diese Individualität, die hineinwächst in die Intellektualität des neunzehnten Jahrhunderts, aber diese Intellektualität eigentlich nur immer von außen etwas an sich herankommen läßt, innerlich aber ein gewisses Zurückzucken davor hat; dafür aber in einer nicht intellektualistischen Weise den Platonismus vorschiebt im Bewußtsein und überall, wo sie nur kann, davon redet, daß Ideen in allem leben. Dieses Leben in Ideen wurde dieser Persönlichkeit etwas ganz Selbstverständliches. Aber der Körper war so, daß man immer das Gefühl hatte: Der Kopf kann eigentlich nicht das alles ausprägen, was da an Platonismus herauswill. Auf der anderen Seite konnte diese Persönlichkeit in einer schönen, in einer herrlichen Weise dasjenige aufleben lassen, was sich hinter der platonischen Liebe verbirgt.

Aber noch weiter. In der Jugend hatte diese Persönlichkeit etwas wie Träume davon, daß doch nicht richtig römisch sein dürfe Mitteleuropa, wo sie ja gelebt hat als Nonne Hroswitha, sie stellte sich dieses Mitteleuropa als ein neues Griechenland vor - da schlägt der Platonismus durch - und stellte dasjenige, was als rauhere Gegend Griechenland gegenüberstand, Mazedonien, als den europäischen Osten vor. Merkwürdige Träume waren es, die in dieser Persönlichkeit lebten, denen man eigentlich ansah, daß sie die moderne Welt, in der sie selbst drinnen lebte, vorstellen wollte wie Griechenland und Mazedonien. Immer wieder tauchte gerade in der Jugend dieser Persönlichkeit der Drang auf, die moderne Welt, Europa im Großen, als das vergrößerte Griechenland und Mazedonien vorzustellen. Es ist sehr interessant.

Nun, diese Persönlichkeit, von der ich da spreche, ist Karl Julius Schröer. Und Sie brauchen ja nur mit dem, was ich Ihnen nun zusammengetragen habe, Karl Julius Schröers Schriften durchzugehen: von allem Anfange an redet er eigentlich ganz platonisch. Aber er hütet sich — es war etwas ganz Merkwürdiges —, er hütet sich, ich möchte sagen mit frauenhafter Zimperlichkeit, vor dem Intellektualismus da, wo er ihn nicht brauchen kann.

Er sagte immer gern, wenn er über Novalis sprach: Ja, Novalis, das ist eben ein Geist, den man nicht begreifen kann mit dem modernen Intellektualismus, welcher ja nichts kennt, als daß zwei mal zwei vier ist. Und Karl Julius Schröer hat eine Geschichte der deutschen Dichtung im neunzehnten Jahrhundert geschrieben. Schauen Sie sich das an: Überall wo man mit dem Platonismus gefühlsmäßig herankommen kann, ist sie sehr gut; da wo man Intellektualismus braucht, da wird's plötzlich so, daß die Zeilen versiegen. Er ist gar nicht professorenhaft. So schreibt er auch über Sokrates, der bei der neueren Inkarnation äußerlich in der Welt gar nicht berücksichtigt wurde. Über manche, von welchen die übrigen Literaturgeschichten schweigen, schreibt er viele Seiten; über diejenigen, die berühmt sind, da schreibt er manchmal ein paar Zeilen.*) Als diese Literaturgeschichte erschienen ist, oh, da haben alle literarischen Knöpfe die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen! Ein ganz berühmter Knopf war dazumal Emil Kuh. Der sagte: Diese Literaturgeschichte ist überhaupt nicht von einem Kopf geschrieben, sondern bloß aus einem Handgelenk herausgeflossen. — Karl Julius Schröer hat auch eine Faust-Ausgabe gemacht. Ein Grazer Professor, der übrigens sonst ein netter Mann war, hat eine so abscheuliche Rezension darüber geschrieben, daß, ich glaube, zehn Duelle unter den Grazer Studenten pro und kontra Schröer ausgefochten worden sind. Es war schon ein arges Verkennen da. Das ging so weit, daß mir einmal diese geringe Schätzung Schröers eigentümlich in einer Gesellschaft in Weimar entgegentrat, wo Erich Schmidt eine hochangesehene Persönlichkeit war und über alles dominierte, wenn er unter anderen war. Da war die Rede davon, welche Prinzessinnen und Prinzen am Hofe zu Weimar gescheit sind und welche töricht sind. Das wurde da auseinandergesetzt. Und Erich Schmidt sagt: Ja, die Prinzessin Reuß - das war ja eine der Töchter der Großherzogin von Weimar — ist keine kluge Frau, denn sie hält den Schröer für einen großen Mann. Das war sein Grund.

Nun, sehen Sie, verfolgen Sie das alles, bis zu dem wunderschönen Büchelchen «Goethe und die Liebe»: da finden Sie drinnen wirklich, was einer ohne Intellektualismus über die platonische Liebe im unmittelbaren Leben sagen kann. Daß da etwas Außerordentliches in Stil und Haltung gegeben ist in diesem Büchelchen «Goethe und die Liebe», das trat mir einmal so schön entgegen, als ich über dieses Büchelchen mit der Schwester Schröers sprach. Die nannte den Stil «völlig süß vor Reife». Das ist er auch. Es ist ein schöner Ausdruck: völlig süß vor Reife. Es ist alles so - man kann da in diesem Falle nicht sagen konzentriert, sondern alles so vornehm fein ausgestaltet. Vornehmheit überhaupt ist ihm besonders eigen.

Nun aber, diese platonische Spiritualität mit dem Zurückstoßen des Intellektualismus, platonische Spiritualität, die in diesen Körper hineinwill, das machte auch einen ganz besonderen, einen merkwürdigen Eindruck. Man sah Schröer so, daß man ganz deutlich wahrnahm: ganz ist diese Seele nicht in dem Körper drinnen. Und als er dann älter wurde, da konnte man sehen, wie diese Seele, weil sie doch eigentlich nicht recht in den Körper der damaligen Gegenwart hineinwollte, sich Stück für Stück aus diesem Körper zurückzog. Zunächst wurden die Finger geschwollen und dick, dann zog sich das Seelische immer weiter zurück, und Schröer endete ja in Altersschwachsinn.

Nicht die ganze Individualität, aber gerade einige Züge von Schröer sind dann auf meinen Capesius in den Mysterien übergegangen, den Professor Capesius. Man kann schon sagen: Wir haben da ein glänzendes Beispiel für die Tatsache, daß in die Gegenwart herein nur unter gewissen Bedingungen die spirituellen Strömungen des Altertums getragen werden können. Und man mochte schon sagen: In Schröer zeigte sich das Zurückschrecken vor der Intellektualität. Hätte er die Intellektualität erreicht und sie vereinigen können mit der Spiritualität des Plato: Anthroposophie wäre gekommen.

So aber sehen wir in seinem Karma, wie sich seine, ich möchte sagen, väterliche Liebe zu dem Folger Goethe — sie ist ja auf die Weise gekommen, wie ich es Ihnen gesagt habe, und Plato hatte dazumal für ihn eine väterliche Liebe —, wie sich diese umgestaltet und wie Schröer ein glühender Goethe-Verehrer wird. Das kommt in dieser Form wiederum herauf. Die Goethe-Verehrung Schröers hatte etwas außerordentlich Persönliches.

Er wollte in seinem Alter eine Goethe-Biographie schreiben. Er erzählte mir davon, bevor ich Ende der achtziger Jahre von Wien wegging. Dann schrieb er mir davon. Er schrieb aber niemals anders von dieser Goethe-Biographie, die er schreiben wollte, als so, daß er sagte: Goethe besucht mich immer in meiner Stube. — Es hatte etwas so Persönliches, was ja in dieser Weise karmisch vorausbestimmt war, wie ich es angedeutet habe.

Die Goethe-Biographie ist ja nicht zustande gekommen, weil Schröer eben dann in Altersschwachsinn verfiel. Aber man kann schon für den ganzen Duktus seiner Schriften eine lichtvolle Interpretation finden, wenn man diese Antezedenzien, die ich eben auseinandergesetzt habe, kennt.

So sehen wir, wie in dem eigentlich ganz vergessenen Schröer der Goetheanismus vor dem Tore des in Spiritualismus verwandelten Intellektualismus stehengeblieben ist. Was konnte man denn eigentlich anderes tun, wenn man, ich möchte sagen, von Schröer angeregt ist, als weiter fortzuführen den Goetheanismus in die Anthroposophie hinein! Es blieb einem ja sozusagen nichts anderes übrig. Und oftmals stand dieses für mich ergreifende Bild vor meinem seelischen Auge, wie Schröer die alte Spiritualität an Goethe heranträgt, darinnen bis zum Intellektualismus vordringen kann, und wie Goethe wieder erfaßt werden muß mit dem ins Spirituelle erhobenen modernen Intellektualismus, um ihn nun eigentlich vollständig zu verstehen. Dieses Bild ist mir selber gar nicht besonders leicht geworden; denn immer mischte sich wiederum — weil das, was Schröer war, nicht unmittelbar aufgenommen werden konnte - in mein Seelenstreben etwas von Opposition gegen Schröer.

Ich habe zum Beispiel, als Schröer in Wien an der Hochschule Übungen gehalten hat im mündlichen Vortrage und in der schriftlichen Darstellung, einmal eine ziemlich verdrehte Mephisto-Interpretation gegeben, bloß um Schröer zu widerlegen, den Lehrer, mit dem ich dazumal noch nicht so intim befreundet war. Und so regte sich schon einige Opposition. Aber, wie gesagt, was konnte man anderes tun, als die Stauung, die da eingetreten war, beheben und den Goetheanismus wirklich in die Anthroposophie hinüberführen!

So sehen Sie, wie nun der Gang der Weltgeschichte in Wirklichkeit verläuft. Er verläuft schon so, daß man sieht: Dasjenige, was man in der Gegenwart hat, das kommt zwar herauf mit Hemmnissen, Hindernissen, aber auf der anderen Seite auch wohl präpariert. Und eigentlich, wenn Sie dieses wunderbare, hymnenartige Darstellen der Frauenwesenheit bei Karl Julius Schröer lesen, wenn Sie seinen schönen Aufsatz, den er als Anhang zu seiner Literaturgeschichte, «Die deutsche Dichtung des neunzehnten Jahrhunderts», geschrieben hat: «Goethe und die Frauen», — wenn Sie dieses alles nehmen, ja, dann werden Sie sich sagen: Darinnen lebt wirklich etwas von Empfindung für Frauenwert und Frauenwesen, das ein Nachklang dessen ist, was die Nonne Hroswitha als ihr eigenes Wesen gelebt hat. Diese zwei vorangehenden Inkarnationen, diese gerade schwingen bei Schröer so wunderbar zusammen, daß einem dann das Abreißen gewiß tragisch ergreifend erscheint. Aber auf der anderen Seite auch stellt sich gerade in Schröer eine geistige Tatsachen weit in das Ende des 19. Jahrhunderts hinein, die im ungeheuersten Sinne aufklärend wirkt für dasjenige, was die Frage beantworten kann: Wie bringen wir Spiritualität in das Leben der Gegenwart herein?"

  • ) Im Stenogramm dürfte hier etwas fehlen. Nach Angabe von Vortragsteilnehmern erwähnte Rudolf Steiner hier als Wiederverkörperung des Sokrates Christian Oeser, Pseudonym für Tobias Gottfried Schröer (1791-1850), den Vater von Karl Julius Schröer." (Lit.: GA 238, S. 154ff)

Wirkungsgeschichte

Als begnadeter Stilist ist Platon - vor allem mit seinen Frühdialogen - bis heute immer wieder im Stande, seine Leser für die Philosophie zu begeistern. Schon in der Antike galt er als Meister des urbanen Dialogs; seine Schriften wurden mehr geschätzt als die exoterischen Schriften des Aristoteles, die wohl ähnlich gestaltet waren, aber nicht erhalten geblieben sind (s. Corpus Aristotelicum).

Platons Philosophie hat Auswirkungen bis in die heutige Zeit. Sein bekanntester Schüler Aristoteles hat seine Philosophie allerdings weitgehend abgelehnt, vor allem die Ideenlehre, und in seinem Werk Nikomachische Ethik eine eigene Ethik entworfen. Die platonische Schule entwickelte zunächst einen philosophischen Skeptizismus, fand dann aber im 1. / 2. Jahrhundert zu einer systematischen Lehre (Mittelplatonismus). Im 3. Jahrhundert n. Chr. begründete Plotin das weltanschauliche System des Neuplatonismus; zentrale platonische Schrift für diese Neubelebung des Platonismus ist der Dialog Timaios. Lehren Platons und seiner Schule sind über die Kirchenväter (s. Patristik) in das christliche Glaubens- und Gedankengut eingeflossen.

Rezeption

Platon mit Schülern, Mosaik aus Pompeji

Platon ist es gelungen, eine auf der Aktivität und Struktur des menschlichen Geistes gründende Erkenntnistheorie darzulegen, die nach ihm von Augustinus von Hippo weiterentwickelt und in dieser Höhe auch vom rationalen Idealismus späterer Jahrhunderte nicht übertroffen worden ist. Da praktisch alle Themen, die in der Philosophiegeschichte eine Rolle spielen, bereits bei Platon zu finden sind (auch wenn die Antworten der späteren Philosophen sich von denen Platons oft stark unterscheiden), bemerkte Alfred North Whitehead einmal pointiert, dass alle späteren Entwürfe der europäischen Philosophie im Grunde nur Fußnoten zu Platon seien (Process and Reality. An Essay on Cosmology 1929, 63). Auch Sir Karl Raimund Popper (The open society and its enemies, Bd. 1, dt. Der Zauber Platons 1944, 2. Auflage 1970, 141) hat sich mit Platon intensiv auseinandergesetzt und ihn - wenn auch kritisch (Totalitarismusverdacht) - zum größten Philosophen aller Zeiten erklärt. Auch wer das für übertrieben hält, wird einräumen, dass Platon das römische, das christliche, das islamische und neuzeitliche Staatsdenken wie kein zweiter antiker Philosoph inspiriert hat. Zuletzt hat Francis Fukuyama ("Das Ende der Geschichte" 1992, 444) erklärt, die liberale Demokratie unserer Zeit sei deswegen die beste aller möglichen Staatsformen, weil sie jene Prinzipien verwirkliche, die Platon in der "Politeia" aufgestellt habe, und so das Gleichgewicht der drei Seelenteile verbürge.

Siehe auch

Werke

Anm.: Die Aufteilung der Werke in diese Gruppen ist nicht von Platon selbst. Einige Dialoge und die meisten Briefe werden für "unecht" gehalten, d.h. es ist ziemlich sicher, dass Platon nicht der Autor dieser Werke ist.

Werkausgaben und Übersetzungen

Friedrich Schleiermacher schuf 1804-1810 eine Übersetzung der Platondialoge. An dieser sind insbesondere die Einleitungen zu den Dialogen, aber auch die sprachliche Qualität hervorzuheben.

Platons sämtliche Werke sind 1994 auf deutsch bei Rowohlt in einer Paperbackausgabe erschienen. Titel: Platon: Sämtliche Werke. Band I-IV. Hamburg 1994. Die einzelnen Schriften darin werden im Vorspann mit den im Text wieder auftauchenden Überschriften als Inhaltsverzeichnis eingeleitet. Übersetzung nach Schleiermacher. Die Ausgabe enthält kein Register.

  1. Platon: Apologie des Sokrates, Kriton, Ion, Hippias II, Theages, Alkibiades I,Laches, Charmides, Euthyphron, Protagoras, Gorgias, Menon, Hippias I, Euthydemos, Menexemos. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1994 ISBN 3-49-955561-1
  2. Platon: Lysis, Symposion, Phaidon, Kleitophon, Politeia, Phaidros. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1994 ISBN 3-49-955562-X
  3. Platon: Kratylos, Parmenides, Theaitetos, Sophistes, Politikos, Philebos, Briefe. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1994 ISBN 3-49-955563-8
  4. Platon: Timaios, Kritias, Minos, Nomoi. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1994 ISBN 3-49-955564-6

Eine griechisch-deutsche Taschenbuch-Gesamtausgabe in zehn Bänden hat 1991 der Insel-Verlag herausgegeben. Titel: Platon: Sämtliche Werke. Band I-X. Frankfurt a. M. und Leipzig 1991. Auch hier wurde überwiegend auf Schleiermachers Übersetzungen zurückgegriffen, aber auch auf einige andere Übersetzer weniger bekannter Schriften. Derzeit vergriffen; neue Auflage in Planung.

Die Werke Platons werden nach der sogenannten Stephanus-Paginierung zitiert.

Literatur

Es gibt eine Fülle von Literatur zu Platon. Eine brauchbare Übersicht hierzu liefert:

  • Herwig Görgemanns: Platon. Heidelberger Studienhefte zur Altertumswissenschaft. Heidelberg 1994, ISBN 3-82-530203-2. (Bibliographisches, Informationen zur Quellenlage, Biographie, philosophiegeschichtl. u. liter. Übersicht über den Inhalt d. meisten Werke.)

Einführungen:

  • Julia Annas: Plato. A very short introduction., Oxford 2003. (Einführung einer renommierten Platonkennerin.)
  • Michael Bordt: Platon, Freiburg 1999.
  • Karl Bormann: Platon, August 2003. (Ehemaliger Universitätsprofessor, der die zentralen Gebiete der platonischen Lehre klar gegliedert darstellt.)
  • Michael Erler: Platon, München 2006, ISBN 3406541100.
  • Richard Kraut (Hg.): The Cambridge Companion to Plato, Cambridge 1992. (Mehrere einzelne Aufsätze, herausgegeben von einem der bekanntesten modernen Platonforschern.)
  • Thomas A. Szlezak: Platon lesen. Stuttgart-Bad Cannstatt 1993. (Führt v.a. die Funktion Dialogs aus; favorisiert dabei die „Ungeschriebene Lehre“.)
  • Barbara Zehnpfenning: Platon zur Einführung, Junius, Hamburg 1997, ISBN 3885069474
  • Uwe Neumann: Platon, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 2001, ISBN 3-499-50533-9

Zur Philosophie Platons:

  • Franz von Kutschera: Platons Philosophie, Paderborn 2002. 3 Bde. (Bd.1: frühe, Bd.2 mittl. u. Bd. 3 späte Werke). (Stellt kurz dar und interpretiert jede(!) platon. Schrift und stellt sie in den Kontext des Gesamtwerks. Zudem enthält Bd. 3 allg. Kapitel über „Ungeschriebene Lehre“, Ideenlehre, Dialektik, und Staatsphilosophie.)
  • Hauptwerke, Kröner Verlag 1973 ISBN 3520069083 (Platons Gedanken werden anhand zentraler, einzeln kommentierter Passagen aus seinen wichtigsten Dialogen dargestellt)
  • Gernot Böhme: Platons theoretische Philosophie, Stuttgart (Wissenschaftliche Buchgesellschaft) 2000. (Mit ausführlicher Darstellung der platonischen Dialektik.)

Lexika/Wörterbücher:

  • Friedrich Ast: Lexicon Platonicum sive vocum Platonicarum index. Nachdr. WBG, Darmstadt 1956.
  • Christoph Horn und Christof Rapp: Wörterbuch der antiken Philosophie. München 2002.

Staatsphilosophie:

  • Henning Ottmann: Geschichte des politischen Denkens, Bd. 1, 2. Hälfte, Stuttgart und Weimar 2001.

Weblinks

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