Timaios

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Der „Timaios“ (griech. Τίμαιος, latinisiert Timaeus; auch περὶ φύσεως perì phýseōs „Über die Natur“ genannt) ist ein Spätwerk des griechischen Philosophen Platon. Wie der Kritias ist der Timaios ein fiktives Gespräch zwischen Sokrates, Timaios von Lokroi, Kritias und Hermokrates. Die Schrift unterscheidet sich von Platons früheren Werken dadurch, dass nach einem kurzen dialogischen Vorgespräch, in dem schemenhaft der Idealstaat der Politeia beschrieben wird, und dem Atlantis-Exkurs des Kritias die Hauptfigur Timaios einen fast ununterbrochenen Monolog hält. Der Timaios ist eine der beiden Schriften des platonischen Spätwerks, in denen von Atlantis berichtet wird; die ausführlichere Fassung folgte im „Kritias“.

Im Timaios hält die namensgebende Hauptfigur Timaios von Lokroi einen Vortrag über die Erschaffung und Gestaltung des Kosmos. Dieser ist von zwei gegensätzlichen Faktoren geprägt. Bei der Entstehung des Alls wirkte dem vernünftigen Wirken eines Schöpfergottes, des Demiurgen, der sich an der Ideenwelt orientierte und das Bestmögliche erreichen wollte, der chaotische, regellose Charakter der Ur-Materie (→ Chora die „Amme des Werdens“, „Raum“, „Materie“) entgegen. Aus Güte und geleitet von Vernunft ordnete und gestaltete der Demiurg den Kosmos aus dem Chaos der bereits bestehenden Materie. Zugleich bildete der Demiurg eine Weltseele, mit der er die materielle Welt beseelte und sie zu einem lebenden Organismus machte. Anderen von ihm hervorgebrachten Gottheiten wies der Demiurg die Aufgabe zu, den Menschen aus Materie und Bestandteilen der Weltseele zu erschaffen. Die Seele des Menschen ist unsterblich, weshalb sie dem Timaios zufolge stets in neue Körper, bei moralischem Verfall auch in niedere Lebewesen inkarniert wird. Zentraler Bestandteil der Platonischen Naturphilosophie ist auch die Lehre von den vier Elementen Erde, Feuer, Wasser und Luft, denen jeweils einer der vier so genannten Platonischen Körper zugeordnet wird: der Erde der Würfel, der Luft der Oktaeder, dem Wasser der Ikosaeder und dem Feuer der Tetraeder.

Tetraeder – Feuer Oktaeder – Luft Ikosaeder – Wasser Dodekaeder – Kosmos Würfel – Erde

Von der Antike bis zum Spätmittelalter fand der Timaios die größte Beachtung unter den Werken Platons. In der Antike trug er maßgeblich zur Entwicklung des Platonismus bei. Insbesondere die Frage, ob der Schöpfungsakt im Timaios wörtlich als eine Weltentstehung in der Zeit oder metaphorisch gemeint ist, wurde in zahlreichen Kommentaren diskutiert. Bis in das 12. Jahrhundert blieb der Timaios das einzige der lateinischsprachigen Gelehrtenwelt zugängliche Werk Platons. Große Beachtung fand das Werk im 12. Jahrhundert, das mit der Rezeption in der platonisch orientierten Schule von Chartres den Höhepunkt des Interesses am Timaios markiert. Neben naturphilosophischen wurden im Mittelalter auch theologische Aspekte aus christlicher Sicht erörtert. Im Zeitalter des Renaissance-Humanismus prägte der Timaios vor allem das Denken der Platoniker unter den Humanisten. Die moderne Forschung griff die bereits von antiken Platonikern behandelte Frage des zeitlichen Anfangs der Welt wieder auf. Nach der heute vorherrschenden Auffassung ist die Schöpfung des Demiurgen nicht als ein einmaliges Ereignis, sondern als ein beständiger Prozess zu verstehen.

Literatur

  • Francis MacDonald Cornford: Plato's Cosmology. The Timaeus of Plato, translated with a running commentary. London 1937, div. Nachdrucke (engl.).
  • Thomas Kjeller Johansen: Plato's natural philosophy. A study of the Timaeus-Critias. Cambridge University Press, Cambridge u. a. 2004 (engl.).
  • Thomas Henri Martin: Etudes sur le Timée. Paris 1841 (frz.).
  • Alfred E. Taylor: A commentary on Plato's Timaeus. Oxford 1928 (engl.).

Weblinks

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