Sokrates

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Sokrates (römische Büste, 1. Jahrhundert, Louvre, Paris)

Sokrates (altgriech. Sokrátes / Σωκράτης * 469 v. Chr.; † 399 v. Chr. (hingerichtet/ vergiftet) war ein griechischer Philosoph; er lebte und wirkte in Athen. Er gilt als eine der Hauptgestalten der griechischen Philosophie und des abendländischen Denkens.

Die Inkarnationen des Sokrates nach Angaben Rudolf Steiners

Rudolf Steiner hat über frühere bzw. spätere Inkarnationen von Sokrates und Platon folgende Darstellungen gegeben:

"Der jüngere Dionysos wurde wiedergeboren in geschichtlicher Zeit in einem menschlichen Leib, und auch sein Lehrer, der weise Silen, wurde wiedergeboren. Und daß diese Gestalten wiedergeboren worden sind, davon hatte die Mystik des alten Griechenlands ihr deutliches Bewußtsein. Davon hatten auch die Künstler des alten Griechenlands, die angeregt und inspiriert wurden von den Mysten, ihr deutliches Bewußtsein. Nach und nach müssen in der Geisteswissenschaft, die nicht bei der Phrase stehenbleiben, sondern zur Wirklichkeit übergehen will, solche Dinge auch gesagt werden, die da wahr sind für die aufeinanderfolgende Entwickelung der Menschheit. Der alte weise Lehrer des Dionysos, Silen, wurde wiedergeboren, und es war dieser weise Silen in seiner Wiederverkörperung keine andere Persönlichkeit als die des Sokrates. Sokrates ist der wiederverkörperte alte Silen, der wiedergeborene Lehrer des Dionysos. Und der wiederverkörperte Dionysos selber, jene Persönlichkeit, in welcher die Seele des Dionysos lebte, das war Plato. Und man merkt erst den tieferen Sinn der griechischen Geschichte, wenn man eingeht auf das, was zwar nicht die Überlieferer der äußeren Geschichte Griechenlands wissen, was aber die Mysten wußten und von Generation zu Generation bis heute überliefert haben, was auch in der Akasha-Chronik gefunden werden kann. Die Geisteswissenschaft kann es wieder verkünden, daß Griechenland in seiner alten Zeit die Lehrer der Menschheit enthielt, die es hinüberschickte nach Asien in dem Zuge, den der Dionysos führte, dessen Lehrer der weise Silen war, und daß, in einer Art, wie es für die spätere Zeit angemessen war, erneuert wurde alles das, was Dionysos und der weise Silen für Griechenland werden konnten, in Sokrates und Plato. Gerade in derjenigen Zeit, in welcher in den Mysterien selber der Verfall eintrat, in welcher keine Mysten mehr da waren, die in den heiligen Mysterien hellseherisch noch schauen konnten den jüngeren Dionysos, trat dieser selbe jüngere Dionysos als der Schüler des weisen Silen, des Sokrates, in der Gestalt des Plato als der zweite große Lehrer Griechenlands, als der wahre Nachfolger des Dionysos auf.

Dann erkennt man erst im Sinne der alten griechischen Mystik selber den Sinn der griechischen Geisteskultur, wenn man weiß, daß die alte Dionysische Kultur ihr Wiederaufleben in Plato gefunden hat. Und wir bewundern noch in einem ganz anderen Sinn den Platonismus, wir stehen zu ihm in seiner wahren Gestalt, wenn wir wissen, daß in Plato die Seele des jüngeren Dionysos war." (Lit.: GA 129, S. 157f)

Nach Angabe von Vortragsteilnehmern erwähnte Rudolf Steiner in dem Karma-Vortrag vom 23. September 1924 als spätere Wiederverkörperung des Sokrates Christian Oeser, Pseudonym für Tobias Gottfried Schröer (1791-1850), den Vater von Karl Julius Schröer. (Lit.: GA 238, S. 154ff)

Leben

Sokrates selbst hat nichts Schriftliches hinterlassen. Zu seinen Lebzeiten ab 423 v. Chr. tritt er als Spottfigur in der Komödien auf und findet mehrmals satirische Erwähnung. Biographische Informationen über Sokrates liefern vor allem die Werke Platons und Xenophons, die in den ersten Jahrzehnten nach Sokrates´Tod entstanden sind und Diogenes Laertios aus dem dritten Jahrhundert n. Chr. Hinzu kommen Notizen, Anmerkungen und Anekdoten zahlreicher Autoren der griechischen und lateinischen Literatur.

Demnach ist Sokrates 469 v Chr. in Athen im Demos Alopeke geboren und 399 v.Chr. in Athen hingerichtet worden. Seine Eltern waren Sophroniskos, der ein Steinmetz oder Bildhauer gewesen sein soll, und die Hebamme Phainarete. Aus einer vorangehenden Beziehung seiner Mutter hatte er einen Halbbruder Patrokles. Zum Zeitpunkt seines Todes war er mit Xanthippe verheiratet und hatte mit ihr drei Söhne, den Jugendlichen Lamprokles und die Kinder Sophroniskos und Menexenos. Freunde von Jugend an waren Kriton und Chairephon. Ob er den Beruf seines Vaters erlernt und ausgeübt hat, ist unsicher. Einige hundert Jahre später zeigt man sich auf der Akropolis eine Charitengruppe und eine Hermesfigur, die von Sokrates geschaffen worden sein sollen.

Sokrates hatte von seinen Eltern ein kleines Vermögen geerbt, das ihm und seiner Familie ein bescheidenes, aber unabhängiges Auskommen ermöglichte.

Es ist nicht bekannt, wer die Lehrer von Sokrates waren, aber es wird angenommen, dass er sich mit Ideen von Parmenides von Elea, Heraklit und Anaxagoras beschäftigt hat. Er nahm als Soldat an den Kämpfen von Potidaia (431-429), Delion (424) und Amphipolis (422) teil. Seine Tapferkeit und seine Besonnenheit (sophrosyne) werden von Platon und Xenophon erwähnt. 423 wird Sokrates als Hauptfigur der Komödie Die Wolken von Aristophanes in einer satirischen Überzeichnung als 'spleeniger Denker' zur Zielscheibe des allgemeinen Spottes. Schon hier wird ihm der Vorwurf des Atheismus und der Verblendung der Jugend gemacht. 416 erscheint Sokrates als „Ehrengast“ auf einem berühmten Gastmahl (Symposion), das anlässlich des Trägödiensieges des jungen Agathon stattfindet. 406 nahm Sokrates als Ratsherr am Prozess gegen die Feldherren aus der Schlacht bei den Arginusen teil und wandte sich gegen deren dann mehrheitlich beschlossene Verurteilung. Aus der Zeit der Gewaltherrschaft der Dreißig (der "dreißig Tyrannen") etwa um 403 sind einige Ereignisse überliefert. Ein festes Datum ist das Jahr 399, als Sokrates zum Tode verurteilt wurde.

Aus seiner 'Schule' gingen viele bekannte Personen hervor, die in die Geschichte eingingen. Hierzu zählen unter anderem Platon, Euklid, Antisthenes, Aristipp, Xenophon, Alkibiades und Kritias.

Tod

Datei:David - The Death of Socrates.jpg Der Verurteilung zum Tode ging ein Prozess voraus, in dem Sokrates wegen Gottlosigkeit und verderblichen Einflusses auf die Jugend angeklagt wurde. Gottlosigkeit (Asebie) bedeutete, nicht an die Staatsgötter Athens zu glauben, ein Verbrechen, das mit dem Tod durch Vergiften geahndet wurde. Diese Art von Prozessen wurde Asebieprozess genannt. In seiner überlieferten Verteidigungsrede stritt er beide Vorwürfe ab, indem er die Gründe für sein öffentliches Verhalten offenlegte. Dennoch wurde er mit knapper Stimmenmehrheit (281 von 500 Stimmen) von einem der zahlreichen demokratischen Gerichtshöfe (dikasteria) Athens für schuldig befunden. Nach damaligem Brauch durfte Sokrates nach der Schuldigsprechung eine Strafe für sich selbst vorschlagen. In diesem (zweiten) Teil seiner Verteidigungsrede erklärte Sokrates eben das Verhalten, das zu seiner Schuldigsprechung geführt hatte, für höchst nützlich, er könne daher keine Bestrafung vorschlagen, wo eine Belohnung angemessener sei. Die Richter verurteilten ihn nun mit einer Mehrheit von 361 Stimmen zum Tod durch Trinken des Schierlingsbechers. Sokrates hätte sein Leben retten können, wenn er bereit gewesen wäre, die Anklage als berechtigt anzuerkennen oder Athen zu verlassen, wie sein Freund Kriton ihm dies eindringlich nahelegte. Letzteres tat er nicht, da sein Daimonion ihm davon abriet. Außerdem betrachtete er die Flucht als Tat politischen Unrechts gegenüber den Gesetzen der Athener Bürger. Die Anklage als berechtigt anzunehmen, kam ebenso wenig in Frage. Er hielt die Wahrheit für wichtiger als sein Leben. Er versicherte, nur zum Besten des Staates gehandelt zu haben. Die Verhandlung und der Tod Sokrates' sind in Platons Schriften Apologie, Kriton und Phaidon und in Xenophons Apologie des Sokrates beschrieben.

"Wir schauen hin einige Jahrhunderte vor der Begründung des Christentums auf eine Seele, die ein halbes Jahrtausend vor der Begründung des Christentums einer der größten Geister des Abendlandes in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen gezogen hat. Auf Sokrates schauen wir hin und schauen hin im Geiste auf den sterbenden Sokrates. Sokrates, der sterbende Sokrates, wie ihn Plato im Kreise der Schüler schildert in seinem berühmten Gespräch über die Unsterblichkeit der Seele. In diesem Bilde wird nur spärlich angedeutet das andere, das Jenseitige, dargestellt als der Dämon, der zu Sokrates spricht. Sokrates stehe vor uns in den Stunden, die vorangegangen sind seinem Hineingehen in die spirituellen Welten, umgeben von seinen Schülern. Er spricht im Angesichte des Todes von der Unsterblichkeit der Seele. Viele lesen dieses wunderbare Gespräch von der Unsterblichkeit, das Plato uns gegeben hat, um gerade diese Szene seines sterbenden Lehrers zu schildern. Aber es lesen heute die Menschen nur Worte, Begriffe und Ideen. Es gibt sogar Menschen - und sie sollen nicht getadelt werden - die sich gegenüber dieser herrlichen Schilderung Platos fragen nach den logischen Berechtigungen desjenigen, was der sterbende Sokrates seinen Schülern auseinandersetzt. Es sind das diejenigen Menschen, die nicht empfinden können, daß es mehr gibt für die Menschenseele, daß Wichtigeres, Bedeutungsvolleres als logische Beweise, als wissenschaftliche Auseinandersetzungen in unseren Seelen lebt. Lassen wir ganz dasjenige, was Sokrates über die Unsterblichkeit sagt, lassen wir den allergebildetsten, den allertiefsten, den allerfeinsten Menschen im Kreise seiner Schüler in einer anderen Situation das sagen, was Sokrates seinen Schülern sagt, lassen wir es ihn unter anderen Umständen sagen, ja lassen wir hundertmal mehr das, was dieser feinste, logischste, gebildetste Mensch sagt, besser logisch begründet sein, als dies bei Sokrates ist: und trotzdem hat es vielleicht einen hundertmal geringeren Wert! Dies wird man erst voll einsehen, wenn man beginnen wird gründlich zu verstehen, daß es etwas für die Menschenseele gibt, was mehr wert ist, wenn es auch unscheinbarer scheint, als die stichhaltigsten logischen Beweise. Wenn irgendein gebildeter, feiner Mensch in irgendeiner Stunde zu seinen Schülern von der Unsterblichkeit der Seele spricht, so kann das wohl sehr bedeutsam sein. Aber die eigentliche Bedeutung wird nicht enthüllt durch das, was gesagt wird - ich weiß, ich spreche jetzt etwas sehr Paradoxes aus, aber etwas sehr Wahres -, sondern es wirkt der Umstand mit, daß dieser Lehrer seinen Schülern etwas sagt, hinterher aber die gewöhnlichen Angelegenheiten seines Lebens weiter besorgt und seine Schüler auch. Sokrates sagt die Dinge seinen Schülern in der Stunde, die seinem Durchschreiten der Todespforte vorangeht. Er spricht die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele aus in dem Augenblicke, da in dem nächsten sich seine Seele von dem äußeren Leibe trennen wird. Es ist etwas anderes, in der Todesstunde, die nicht als unbestimmt vom Schicksal ihm entgegenkommt, zu den zurückbleibenden Schülern von der Unsterblichkeit zu sprechen, etwas anderes, nach diesem den gewöhnlichen Tagesgeschäften nachzugehen. Es ist etwas anderes, nach einem solchen Gespräche auch wirklich einzugehen in die Welten, die hinter der Todespforte liegen. Nicht die Worte des Sokrates sollen vorzugsweise auf uns wirken, die Situation soll es tun. Aber nehmen wir alle Stärke desjenigen, was eben versucht worden ist zu charakterisieren, nehmen wir all das, was uns in dem Gespräch des Sokrates zu seinen Schülern über die Unsterblichkeit wie ein Hauch entgegentritt, nehmen wir die ganze, unmittelbare Kraft dieses Bildes, was haben wir da vor uns? Die griechische Welt, die Welt der griechischen Alltäglichkeit haben wir vor uns, jene Welt, in der des Lebens Alltagskämpfe dazu geführt haben, den besten der Söhne des Landes mit dem Schierlingsbecher zu bedenken. Wir haben vor uns die letzten Erdenworte dieses edlen Griechen, die letzten Worte, die er nur dazu bestimmte, die Menschen, die um ihn herumstehen, dahin zu bringen, daß ihre Seelen glauben an dasjenige, von dem sie ein Wissen nicht mehr haben können, daß ihre Seelen glauben an das, was für sie ein Jenseits ist, an die geistige Welt. Daß ein Sokrates notwendig ist, um mit den stärksten Gründen, nämlich durch die Tat, Erdenseelen dazu zu bringen, daß sich für sie ein Ausblick ergibt in die spirituellen Welten, in denen die Seele lebt, wenn sie durch die Todespforte gegangen ist, das zaubert vor unsere Seele ein Bild hin, das westländischen Seelen wohl verständlich ist. Sokrateskultur ist westländischen Seelen wohl verständlich. Sokrates vor seinen Schülern stehend, die so unmittelbar vor der Wirklichkeit des Todes stehen: dieses Bild ist allerdings abendländischen Seelen verständlich. Wir begreifen abendländische Kultur nur dann recht, wenn wir wissen, daß sie in diesem Sinne doch sokratische Kultur durch die Jahrhunderte, durch die Jahrtausende war." (Lit.: GA 146, S 16ff)

Philosophie

Die Schule von Athen von Raffael, Sokrates im Bild: Hintere Reihe, linke Seite, der nach links gewandte Mann in der braunen Kleidung mit den Händen gestikulierend

Sokratische Philosophie bedeutet eine innere Bewegtheit, eine Haltung, die Denken und Dasein bestimmt, was sich in der Übersetzung des Wortes Philosophie als „Liebe zur Weisheit“ ausdrückt. Die Liebe übrigens, so äußerte sich Sokrates einmal, sei das einzige, wovon er etwas verstehe. (vgl. Theages 128a)

Sokrates nennt in seiner Apologie den Gott von Delphi als Garanten für die Wahrhaftigkeit seines Philosophierens. Dieser Gott hatte ihm geweissagt, dass „niemand weiser ist als Sokrates“. Seine bescheidene Selbsterkenntnis hielt Sokrates davon ab, dieser Aussage mehr zuzutrauen, als er selbst einzusehen im Stande war. „Was meint der Gott damit? Worauf will er mich hinweisen? Schließlich weiß ich doch, dass ich weder viel noch wenig weiß! Und lügen wird er ja nicht, das ist ihm nicht erlaubt.“ (Apologie 21b)

Vom Gott zur Weisheit berufen und nicht als Weiser bezeichnet, so verstand er dies schließlich. Er machte sich deshalb auf, andere, die als weise galten, zu befragen, um von ihnen zu lernen. So kam es zu den Streitgesprächen mit den Sophisten, den Weisen seiner Zeit, den in öffentlichen Ämtern stehenden Athenern, Bekannten und Freunden. Wie die Sophisten beschäftigte sich Sokrates mit Menschen und dem Menschenleben, und nicht mit den Problemen der Naturphilosophen. Der wichtigste Unterschied bestand darin, dass sich Sokrates selber nicht als Sophisten sah, also als gelehrte oder weise Person. Aus diesem Grund ließ er sich im Gegensatz zu den Sophisten nicht für seine Lehrtätigkeit bezahlen. Sokrates nannte sich bewusst Philosoph ("Philo-soph" – Freund der Weisheit). Für ihn war es wichtig, ein sicheres Fundament für menschliche Erkenntnisse zu finden. Er glaubte, dieses Fundament liege in der menschlichen Vernunft. Er war der Ansicht, dass der, der wisse, was gut ist, auch das Gute tun werde. Er glaubte, die richtige Erkenntnis führe zum richtigen Handeln. Und nur wer das Richtige tue, so Sokrates, werde zum 'richtigen Menschen'. Wenn ein Mensch falsch handelt, so tut er das aus Sokrates' Sicht nur, weil er es nicht besser weiß. Deshalb sei es so wichtig, das Wissen zu vermehren. Im Gegensatz zu den Sophisten bestand er darauf, die Fähigkeit, zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden, liege in der Vernunft begründet und nicht in der Gesellschaft.

Sokrates reizten die Begriffe, die man täglich benutzte und gedankenlos anwendete, weil die inzwischen überaus reich entwickelte Sprache sie eben darbot oder in Bereitschaft hielt. Sokrates wollte ergründen, was hinter ihnen steckte und wie sie inhaltlich zu füllen wären. Um sich hierüber Klarheit zu verschaffen, bediente er sich einer ganz besonderen Methode, die als Mäeutik – eine Art „geistige Geburtshilfe“ – bezeichnet wird: Durch Fragen und nicht durch Belehren des Gesprächspartners – wie es die Sophisten gegenüber ihren Schülern praktizierten – sollte dessen eigene Einsichtsfähigkeit schließlich das Wissen um das Gute (agathón) und Edle (kalón) selbst „gebären“ bzw. hervor bringen. Dieses Ziel war jedoch nicht ohne Einsicht in die Fragwürdigkeit des eigenen Wissens möglich.

Sokrates versuchte, diese schmerzliche Erfahrung durch seine Menschlichkeit und seinen Respekt vor dem anderen zu mildern, was sich auch in seiner Ironie ausdrückt. Sie will den anderen nicht lächerlich machen, sondern seine Unzulänglichkeit als etwas zu erkennen geben, über das derjenige selbst lachen soll, anstatt zerknirscht zu sein. Wie schwer, ja oft unmöglich es vielen seiner Gesprächspartner wurde, über diese Brücke zu gehen, zeigen die platonischen Dialoge. Als wenig hilfreich empfanden die Angesprochenen es im Zweifel auch, in der Öffentlichkeit der Agora auf diese Weise demontiert zu werden, zumal auch Sokrates´ Schüler sich in dieser Form der Dialoge übten.

Dieses Philosophieren, das oft mitten im geschäftigen Treiben Athens stattfand, versprach Antwort auf die Frage vieler Athener, wie sie ihre Söhne zu besseren Männern erziehen könnten, damit die Polis die „Schule von Hellas (bleibe) ... und jeder einzelne Bürger ... in vielseitiger Weise seine eigene persönliche Art entfalte“ (vgl. Die Rede des Perikles, in: Thukydides, Der Peloponnesische Krieg (Peloponnesischer Krieg), II 41,1: .).

So kam es, dass Sokrates zugleich Freunde und Feinde gewann: Freunde, die seine Philosophie als Schlüssel zur eigenen und gemeinschaftlichen Wohlfahrt und Weisheit ansahen, und Feinde, die seine Philosophie als Gotteslästerung und gemeinschaftsschädigend einschätzten.

Nicht nur die Zeitgenossen hatten kein einheitliches Sokratesbild, auch die Forschung hat es nicht.

Zeitzeugen über Sokrates

Berühmt ist die Rede des Alkibiades über Sokrates aus Platons "Gastmahl". Alkibiades verglich Sokrates mit den Silenfiguren. Das waren kleine, geschnitzte, satyrhafte Figuren, die man aufklappen konnte. Im Inneren wurden kleine goldene Götterbilder aufbewahrt. Ähnlich, so fährt Alkibiades weiter fort, sei es mit den Reden des Sokrates. Äußerlich erschienen sie einem oft lächerlich oder unverständlich. Dringe man aber in ihr Inneres ein, so finde man ausschließlich Wahrheit und alles andere, was man brauche um tüchtig zu werden (vgl. im Gastmahl die Abschnitte 217 und 222).

Zitat von Alkibiades aus dem Symposion von Platon: Gemeinsam machten wir den Feldzug nach Poteidaia mit und waren dort Tischgenossen. Da übertraf er im Ertragen aller Beschwernisse nicht nur mich, sondern alle insgesamt. Wenn wir irgendwo abgeschnitten waren, wie es auf Feldzügen vorkommen kann, und dann fasten mussten, da konnten das die anderen lange nicht so gut aushalten. Durften wir es uns aber wohlergehen lassen, so vermochte er als einziger das zu genießen, besonders wenn er, was ihm freilich zuwider war, zum Trinken genötigt wurde; da übertraf er uns alle. Und worüber man sich am meisten wundern muss: Kein Mensch hat jemals den Sokrates betrunken gesehen [...] Das wäre das eine. [Noch erstaunlicher ist aber das andere:] Damals auf dem Feldzug [...] stand er, in irgendeinen Gedanken vertieft, vom Morgen an auf demselben Fleck und überlegte, und als es ihm nicht gelingen wollte, gab er nicht nach, sondern blieb nachsinnend stehen. Inzwischen war es Mittag geworden; da bemerkten es die Leute, und verwundert erzählte es einer dem anderen, dass Sokrates schon seit dem Morgen dastehe und über etwas nachdenke. Schließlich, als es schon Abend war, trugen einige von den Ioniern, als sie gegessen hatten, ihre Schlafpolster hinaus; so schliefen sie in der Kühle und konnten gleichzeitig beobachten, ob er auch in der Nacht dort stehen bleibe. Und wirklich, er blieb stehen, bis es Morgen wurde und die Sonne aufging! Dann verrichtete er sein Gebet an die Sonne und ging weg.

Zeitübersicht

469 v. Chr. Geburt des Sokrates

465 v. Chr. Leukipp, Lehrer des Demokrit, lehrt als erster, dass alle Dinge aus unteilbaren Teilchen (Atome) zusammengesetzt sind.
460 v. Chr. Geburt des Demokrit
443-429 v. Chr. Athen wird zur Kulturhauptstadt Attikas. Alle Persönlichkeiten des Geisteslebens halten sich zeitweise in Athen auf. Zu ihnen gehörten auch die Philosophen Anaxagoras, Protagoras, Hippias. Nicht nur politisch bedeutsame Persönlichkeiten wie Perikles und Kallias nehmen regen Anteil an philosophischen Fragestellungen und künstlerischen Entwicklungen.
441-440 v. Chr. Sokrates hielt sich in Samos auf und hatte dort Kontakt mit dem Anaxagoras-Schüler Archelaos.
432 v. Chr. In Athen wird ein Gesetz gegen Gottlosigkeit verabschiedet
431-429 v. Chr. Feldzug gegen Poteidaia (Sokrates nimmt als Hoplit teil)
428 v. Chr. Aufführung von Euripides' Hippolytos.
424 v. Chr. Sokrates nimmt am Feldzug gegen Delion teil.
423 v. Chr. Sokrates wird als Hauptfigur der Komödie Die Wolken von Aristophanes zur Zielscheibe des allgemeinen Spottes.
422 v. Chr. Feldzug gegen Amphipolis (Sokrates nimmt als Hoplit teil)
418-413 v. Chr. Alkibiades, den Sokrates ein Leben lang kannte, spielt eine politisch einflussreiche Rolle in Athen: Er überredet die Athener zum sizilianischen Feldzug, wird aber 415 entmachtet und später aus Athen verbannt.
416 v. Chr. Sokrates erscheint als Ehrengast auf einem berühmten Gastmahl (Symposion), das anlässlich des Trägödiensieges des jungen Agathon stattfindet.
412 v. Chr. Geburt von Diogenes
ca. 407 v. Chr. Platon wird Schüler von Sokrates
406 v. Chr. Sokrates nimmt als Ratsmitglied am Prozess gegen die Feldherren der Arginusenschlacht teil. Vergeblich widersetzt er sich einem ungesetzlichen Volksbeschluss..
404 v. Chr. Die Spartaner erobern Athen. Sokrates leistet Widerstand gegen ungesetzliche Maßnahmen während der von ihnen eingesetzten nun folgenden Herrschaft der "Dreißig Tyrannen".
399 v. Chr. Nach der Restauration der Demokratie kommt es zum Prozess, Verurteilung und Tod des Sokrates.
396 v. Chr. Platon veröffentlicht seine Apologie (Verteidigung des Sokrates)

Nachleben

Sokrates' Wirkung auf die Nachwelt war sehr stark. Damit ist nicht gesagt, dass über seine Persönlichkeit der xenophontische Sokrates nicht bessere Auskunft als der platonische gibt, da Platon zumindest in seinem Spätwerk die Figur "Sokrates" ganz zu seinem Sprachrohr gemacht haben dürfte.

Auch über seinen Tod hinaus haben sich viele Zitate Sokrates' gehalten. Die bekanntesten sind wohl: „Erkenne dich selbst“ (altgr. gnóthi s'autòn), ein Spruch, der auch über dem Eingang des Apollon-Tempels in Delphi stand, und: „Der Mensch handelt schlecht, wenn er das Gute nicht weiß“. Als bekanntester seiner Aussprüche gilt: „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ (altgr. oída ouk eídos). Gemeint hat er damit allerdings folgendes: „ich scheine also um dieses wenige doch weiser zu sein, daß ich, was ich nicht weiß, auch nicht glaube zu wissen.“ Mit obiger Form des Zitats ist diese Aussage also nur verkürzt wiedergegeben.

Literatur

  • Rudolf Steiner: Weltenwunder, Seelenprüfungen und Geistesoffenbarungen, GA 129 (1977), Siebenter Vortrag, München, 24. August 1911
  • Rudolf Steiner: Die okkulten Grundlagen der Bhagavad Gita, GA 146 (1992), Erster Vortrag, Helsingfors, 28. Mai 1913
  • Rudolf Steiner: Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge, GA 238 (1981), Zehnter Vortrag, Dornach, 23. September 1924
Historische Quellen
Moderne Literatur
  • Christoph Kniest: Sokrates zur Einführung. Junius, Hamburg 2003, ISBN 3885063565.
  • Gernot Böhme: Der Typ Sokrates. Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1992.
  • Romano Guardini: Der Tod des Sokrates. Hamburg 1966.
  • Gottfried Martin: Sokrates., Hamburg 1967.
  • C. C. W. Taylor: Sokrates. Herder, Freiburg 1999.
  • M. Breitbach: Der Prozess des Sokrates - Verteidigung der oder Anschlag auf die athenische Demokratie? Ein Beitrag aus rechtswissenschaftlicher Perspektive., in: Gymnasium 112 (2005), S. 321-343.
  • Josef Toman/Miroslava Tomanová: Sokrates Historischer Roman. Volk & Welt, Berlin 1978.

Weblinks

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