Phaidon

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Der Phaidon (griech. Φαίδων, lat. Phaedo) ist ein zwischen 385 und 378 v. Chr. entstandener Dialog des griechischen Philosophen Platon. Er gehört zusammen mit den Dialogen Euthyphron, Apologie des Sokrates und dem Kriton zur ersten Tetralogie der platonischen Werke. Platon schildert im Phaidon das letzte Zusammentreffen des Sokrates mit seinen Freunden. Der Phaidon ist zeitlich und thematisch an die Apologie des Sokrates und den Kriton angelehnt, gehört aber zu den mittleren Schriften, in denen die Ideenlehre im Mittelpunkt steht. Schriften aus dieser Periode sind außerdem das Symposion, der Phaidros und das zweite bis zehnte Buch der Politeia. Auf die Bitte des Pythagoreers Echekrates aus Phleius berichtet Phaidon diesem von den letzten Stunden des Sokrates und von dem letzten Gespräch: der Argumentation vom Fortleben der Seele. Phaidon selbst gründete nach Sokrates' Tod eine Philosophenschule in Elis und schrieb sokratische Dialoge.

Dialogsituation

Der Dialog beginnt mit einer Rahmenhandlung, in der Echekrates, der erst nach der Hinrichtung des Sokrates nach Athen gekommen war, Phaidon bittet, über den Tag der Hinrichtung zu berichten. Phaidon willigt ein und verweist darauf, dass Sokrates die Zeit zu den Gesprächen mit seinen Schülern erhalten habe wegen des Brauches, dass die Athener im Gedenken an Theseus jährlich ein Schiff nach Delos schickten, um Apollon zu ehren, und dass während dieser Zeit niemand getötet werden dürfe. Der Prozess des Sokrates hatte aber gerade einen Tag nach Beginn der Zeremonie stattgefunden. Wenn im weiteren Dialog erwähnt wird, dass man versuchen müsse, „wie auf einem Floß unter Gefahren das Leben zu durchsegeln”, dann wird im Einleitungsgespräch eine entsprechende Parallele sichtbar: die anscheinend nebensächliche Erörterung der Verschiebung des Hinrichtungstermins (58a-58c). Denn der Aufschub erfolgte aufgrund eines Festes in Erinnerung an Theseus, der einst das Opferschiff für den Minotauros steuerte und sich und die anderen rettete, indem er den Minotauros besiegte. Diesen Theseus symbolisiert Sokrates, der auf dem Weg zur Erkenntnis die Möglichkeit hat, sich und seine Begleiter (durch die philosophische Rede) zu retten, indem er sie zum philosophischen Leben führt, das trotz allem noch gefährlich bleibt. So wird erst in diesem Zusammenhang sichtbar, dass die „zweimal sieben” (58a) in 59bc erwähnt werden. Es ist also kein Zufall, dass dort gerade vierzehn der anwesenden Personen beim Namen genannt werden.

So konnten die Freunde und Schüler des Sokrates jeden Tag zum Gefängnis gehen und warten, bis sie Einlass zu Sokrates erhalten, bei dem sie meist den ganzen Tag verbrachten. Die Hinrichtung erfolgte am Tag nach der Rückkehr des Schiffes aus Delos. Wieder hatten sich die Freunde vor dem Gefängnis versammelt, mussten aber länger als sonst warten, weil Sokrates am Morgen durch die Elfmänner die Mitteilung erhielt, dass der Tag der Hinrichtung gekommen sei. Als sie danach das Gefängnis betraten, war noch Xanthippe mit ihrem Sohn bei Sokrates, die dieser wegen ihres Jammerns wegbringen ließ.

Der Kreis der Versammelten war recht groß. Außer Phaidon waren noch anwesend Apollodoros, Kritobulos und dessen Vater Kriton, Äschines und Antisthenes, Ktesippos aus Päania, Menexenos und andere Landsleute sowie Simmias, Kebes und Phaidonides aus Theben sowie Eukleides und Terpsion aus Megara. Es fehlten Aristipp und Kleombrotos sowie Platon, der krank war. Die Stimmung beschreibt Phaidon als 'seltsam', schmerzvoll, aber doch auch freudig wegen der Gefasstheit von Sokrates und der Aussicht auf ein gelingendes Weiterleben auch nach dem Tod.

Inhalt

Ausgehend von seinen durch die nun gelösten Fesseln schmerzenden Gelenken denkt Sokrates über das eigenartige Verhältnis von Lust und Schmerz nach, die immer nacheinander auftauchen.

„Zusammen mögen sie nicht beide zum Menschen kommen; wenn man aber dem einen nachjagt und es ergreift, so kann man kaum anders als auch das andere mit zu ergreifen: es sind gleichsam zwei verschiedene Wesen, aber mit gemeinsamem Scheitelpunkt.“ (60 e)[1]

Auf Frage des Kebes, was er dem Euenos ausrichten solle, der sich darüber wunderte, dass Sokrates im Gefängnis begonnen hatte, Texte des Äsop in Verse zu fassen, meinte Sokrates, dieser solle ihm, wenn er klug wäre, nachfolgen. Aufgrund der Verwunderung des Kebes erläutert Sokrates, dass der Philosoph gerne sterbe. Zwar ist es streng verboten, sich selbst zu töten, weil es dem göttlichen Willen widerspricht, aber wer ernsthaft philosophiert, wird den Tod als sinnvoll anstreben. Die Ablehnung von Kebes und Simmias führt Sokrates dazu, seine Haltung grundsätzlich zu erläutern. Er fasst dabei seine Darlegung als philosophische Verteidigung seiner Lebensweise auf.

„Wohlan denn, sprach er, lasst mich versuchen, ob ich mich mit besserem Erfolg vor euch verteidigen kann als vor den Richtern. Nämlich, oh Simmias und Kebes, wenn ich nicht glaubte, zuerst zu andern Göttern zu kommen, die auch weise und gut sind, und dann auch zu verstorbenen Menschen, welche besser sind als die hiesigen, so täte ich vielleicht unrecht, nicht unwillig zu sein über den Tod. Nun aber wisset nur, dass ich zu wackeren Männern zu kommen hoffe.“ (63 c - d)

Noch vor der ersten argumentativen Entfaltung seiner Hoffnung auf die Unsterblichkeit der Seele, wird dieses Thema als Kern des Dialogs herausgestellt. So beginnt Sokrates mit einer ausführlichen Erörterung seiner Hoffnung, dass er nach dem Tod zu den Göttern und zu den besseren verstorbenen Menschen gelange. Diese Hoffnung ziele auch darauf ab, dass es den Guten nach ihrem Sterben besser gehe als den Schlechten. Der Tod ist für Sokrates die Trennung von Leib und Seele – und danach strebe der wahre Philosoph schon zu Lebzeiten. Er zeigt nun seinen Gesprächspartnern, dass der Philosoph sich nicht um die Gelüste wie Essen, Trinken, Geschlechtlichkeit, Schmuck usw. kümmere. Dagegen wende dieser sich sogar vom Leib ab und der Seele zu. Dies bedeute für den Philosophen, schon im Leben sehr nahe an den Zustand des Todes heranzukommen. Als Nächstes zeigt er, dass der Leib der richtigen Einsicht im Wege stehe. Selbst die besten Sinnesorgane unterlegen der Täuschung. Aber im Denken offenbare sich das eigentlich Seiende, denn das Gerechte, das Schöne und Gute habe noch niemand gesehen, dennoch existiere das, worauf man sich täglich berufe, im Denken. Danach erwähnt Sokrates die negative Abhängigkeit vom Leib, die sich in Krankheit, Gelüsten, Begierden, Furcht und Abhängigkeit von Nahrung äußere. Selbst Kriege seien auf die Begierden des Leibes zurückzuführen. Alle diese Begebenheiten wirkten sich als Störung für die Erkenntnis aus. So kommt Sokrates zu dem Schluss, dass es aufgrund des zuvor Gesagtem nur zwei Möglichkeiten gebe: Entweder man komme niemals zur Einsicht oder aber nach dem Tod.

Das erste Argument von Sokrates ist, dass die Seele weiter fortlebe und deshalb der Philosoph im Tode das Ziel seines Strebens erreicht habe – Unabhängigkeit. Doch da Kebes mit dieser Erklärung nicht zufrieden ist und an der Unsterblichkeit der Seele zweifelt, erläutert Sokrates seine Äußerung durch drei Argumente, die ihrer Art nach Gottesbeweisen ähnlich sind. Zum einen ist es die Erzählung von der Wanderung der Seele durch den Hades und vom Vergehen und Entstehen in der Natur. In dieser Argumentation zeigen sich pythagoreische und heraklitische Einflüsse: Alles entstehe aus seinem Gegenteil - wie das Kalte aus dem Warmen entstehe oder das Wachende aus dem Schlafenden, so entstehe das Leben aus dem Tod.

„würde nicht ebenso, lieber Kebes, wenn alles zwar stürbe, was am Leben Anteil hat, nachdem es aber gestorben wäre, das Tote immer in dieser Gestalt bliebe und nicht wieder auflebte, ganz notwendig zuletzt alles tot sein und nichts leben? Denn wenn zwar aus dem Andern das Lebende würde, das Lebende aber stürbe, wie wäre denn zu helfen, dass nicht zuletzt alles im Totsein aufginge?“ (72 c - d)

In dieser Argumentation steht der Gedanke der Seelenwanderung in Verbindung mit dem Begriff der Wiedererinnerung, der Anamnesis, die insbesondere im Dialog Menon dargelegt wird.

„wenn jemand irgend etwas sieht oder hört oder anders wahrnimmt und dann nicht nur jenes erkennt, sondern dabei noch ein anderes vorstellt, dessen Erkenntnis nicht dieselbe ist, sondern eine andere, ob wir dann nicht mit Recht sagen, dass er sich dessen nicht erinnere, wovon er so eine Vorstellung bekommen hat?“ (73 c - d)

Daraus folgt, dass die Seelen auch schon vor der Geburt des Menschen existiert haben.

Als dritter wichtiger Beweis wird die Ähnlichkeit der Seele mit dem unsichtbar Beständigen, dem unveränderlichen Sein, aufgeführt.

„Das Gleiche selbst, das Schöne selbst, und so jegliches, was nur ist selbst, nimmt das wohl jemals auch nur irgendeine Veränderung an? Oder verhält sich nicht jedes dergleichen als ein einartiges Sein an und für sich immer auf gleiche Weise und nimmt niemals auf keine Weise irgendwie eine Veränderung an?“ (78 d)

Sokrates unterscheidet hier zwei Formen des Seins, deren Beschaffenheit grundsätzlich verschieden ist: Sinnendinge, die dem Leib entsprechen und Ideen, die der Seele entsprechen. Als Beherrscherin des Leibes ist die Seele dem göttlichen ähnlich.

„Also welche sich so verhält, die geht zu dem ihr Ähnlichen, dem Unsichtbaren und zu dem Göttlichen, Unsterblichen, Vernünftigen, wohin ihr dann gelangt, zuteil wird, glückselig zu sein, von Irrtum und Unwissenheit, Furcht und wilder Liebe und allen andern menschlichen Übeln befreit, indem sie, wie es bei den Eingeweihten heißt, wahrhaft die übrige Zeit mit Göttern lebt.“ (81 a)

Sokrates lenkt das Gespräch auf die Frage nach der Ursache von Vergehen und Entstehen. Schon in seiner Jugend habe er Freude an der Frage nach der Ursache der Dinge gehabt. Doch die bekannten Antworten wie Fäulnis (Archelaos), Luft (Anaximenes) oder Feuer (Heraklit) hatten ihn nicht zufriedengestellt.

„Und wenn ich wiederum das Vergehen von alle diesem betrachtete und die Veränderungen am Himmel und auf der Erde, so kam ich mir am Ende zu dieser ganzen Untersuchung so untauglich vor, dass gar nichts darübergeht.“ (96 b – c)

Auch die Lösung des Anaxagoras, der als Ursache von Werden und Vergehen etwas Immaterielles, den Geist (Nous), genannt hatte, war letztendlich unbefriedigend, weil auch bei diesem der Geist mit materiellen Wirkungen verbunden war. Knochen und Sehnen sind ein Mittel, aber nicht Ursache des Aufstehens. Daher schloss Sokrates

„dass bei einem jeden Dinge etwas anderes ist, die Ursache und etwas anderes jenes, ohne welches die Ursache nicht Ursache sein könnte; und eben dies scheinen mir wie im Dunkeln tappend die meisten mit einem ungehörigen Namen, als wäre es selbst die Ursache, zu benennen.“ (99 b)

Eine Ursache kann man nicht sinnlich wahrnehmen. Eine Erklärung der Dinge mit Hilfe der Dinge ist nicht möglich. Daraus ergibt sich die Überlegung, dass eine Erklärung in den Gedanken (logoi) zu finden sei „und in diesen die Wahrheit der Dinge (aletheia ton onton)“ (99 e). Das Prinzip der dabei anzustellenden Untersuchung ist eine Hypothese. Hier wird das allgemeine Prinzip des sokratischen Gesprächs angesprochen. Jede Hypothese wird anhand von Argumenten auf Widersprüche hin untersucht.

„Also dahin wendete ich mich, und indem ich jedesmal den Gedanken zum Grunde lege, den ich für den stärksten halte, so setze ich, was mir scheint mit diesem übereinzustimmen, als wahr, es mag nun von Ursachen die Rede sein oder von was nur sonst, was aber nicht, als nicht wahr.“ (100 a)

So kommt Sokrates zu dem Schluss, dass die beste Erklärung darin liegt, dass die Ideen die Ursache des Seienden sind.

„Mir scheint nämlich, wenn irgend etwas anderes schön ist außer jenem Selbstschönen, es wegen gar nichts anderem schön sei, als weil es teil habe an jenem Schönen, und ebenso sage ich von allem.“ (100 c)

Sokrates beschreibt das Verhältnis von Idee und Dingen als das Prinzip der Teilhabe (Methexis), der Anwesenheit (parusia) und der Gemeinschaft (koinonia). (vgl. 100 d) Zum Prinzip der Ideen gehört, die Möglichkeit gleichzeitiger Teilhabe der Dinge an unterschiedlichen und entgegengesetzten Wesenheiten. So ist Größe immer relativ zu etwas Anderem. Man kann im Verhältnis zu einer Person groß und zu einer anderen Person klein sein.

„Es ist nämlich dieses, dass nicht nur jenes Entgegengesetzte selbst sich einander nicht annimmt; sondern auch alles das, was einander eigentlich nicht entgegengesetzt ist, doch aber das Entgegengesetzte immer in sich hat, auch dieses scheint jene Idee nicht annehmen zu wollen, die der in ihm wohnenden entgegengesetzt ist, sondern, wenn sie kommt, entweder unterzugehen oder sich davonzumachen.“ (104 b - c)

Sokrates kommt zurück auf seinen Ausgangspunkt. Das Gegenteil von Leben ist der Tod. Und weil die Seele immer mit dem Leben verbunden ist, wird sie nie die Eigenschaft des Todes annehmen. Also ist die Seele unsterblich. Allerdings, so gesteht Sokrates zu, kann man das Ausgeführte nicht mit Vernunft beweisen. Der Glaube an das ewige Bestehen der Seele ist ein Wagnis.

„Denn es ist ein schönes Wagnis, und man muß mit solcherlei gleichsam sich selbst besprechen. Darum spinne ich auch schon so lange an der Erzählung. Also um deswillen muß ein Mann gutes Mutes sein seiner Seele wegen, der im Leben die andern Lüste, die es mit dem Leibe zu tun haben, und dessen Schmuck und Pflege hat fahren gelassen, als etwas ihn selbst nicht Angehendes und wodurch er nur Übel ärger zu machen befürchtete, jener Lust hingegen an der Forschung nachgestrebt und seine Seele geschmückt hat nicht mit fremdem, sondern mit dem ihr eigentümlichen Schmuck, Besonnenheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit, Edelmut und Wahrheit, so seine Fahrt nach der Unterwelt erwartend, um sie anzutreten, sobald das Schicksal rufen wird.“ (114 d – 115 a)

Der Dialog endet mit der Schilderung, wie Sokrates sich von seiner Familie verabschiedet und der Sterbeszene, in der Sokrates den Schierlingsbecher in Anwesenheit seiner weinenden Freunde ruhig trank und gelassen auf das Eintreten des Todes wartete. Den Schlusssatz hat Phaidon:

„Dies, o Echekrates, war das Ende unseres Freundes, des Mannes, der unserm Urteil nach von den damaligen, mit denen wir es versucht haben, der trefflichste war und auch sonst der vernünftigste und gerechteste.“ (118 a)

Die Ideenlehre im Phaidon

Da weder der Phaidon noch ein anderer Dialog eine Begründung der Ideenlehre enthält, bleibt es dem Leser überlassen, die Begründung zu rekonstruieren. Im „Phaidon“ sind dafür die Abschnitte 72 e–79 e und 95 e–105 b wichtig. Zwei Themenfelder übernimmt die europäische Philosophie allerdings von Platon: die von Leib und Seele, sowie die von Sinnendingen und Ideen. Im Phaidon werden beide Themenkomplexe behandelt, denn er handelt von der Erkenntnis der Ideen, um die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen.

„Ehe wir also anfingen zu sehen oder zu hören oder die anderen Sinne zu gebrauchen, mussten wir schon irgendwoher die Erkenntnis bekommen haben des eigentlich Gleichen, was es ist, wenn wir doch das Gleiche in den Wahrnehmungen so auf jenes beziehen sollten, dass dergleichen alles zwar strebt zu sein wie jenes, aber doch immer schlechter ist.“ (75 a)
„Wenn das etwas ist, was wir immer im Munde führen, das Schöne und Gute und jegliches Wesen dieser Art, und wir hierauf alles, was uns durch die Sinne kommt, beziehen, als auf ein vorher Gehabtes, was wir als das Unsrige wieder auffinden, und diese Dinge damit vergleichen, so muss notwendig, ebenso wie dieses ist, so auch unsere Seele sein, auch ehe wir noch geboren worden sind.“ (76 d - e)
„Sieh nun zu, sprach er, o Kebes, ob aus allem Gesagten uns dieses hervorgeht, dass dem Göttlichen, Unsterblichen, Vernünftigen, Eingestaltigen, Unauflöslichen und immer einerlei und sich selbst gleich sich Verhaltenden am ähnlichsten ist die Seele, dem Menschlichen und Sterblichen und Unvernünftigen und Vielgestaltigen und Auflöslichen und nie einerlei und sich selbst gleich Bleibenden diesem wiederum der Leib am ähnlichsten ist?“ (80 a – b)

Zitate aus Platons Schriften lassen sich zu der These verdichten, dass Platon an einer rationalen Erkennbarkeit der Ideen letztlich zweifelt. Seine Schriften lassen keinen festen Standpunkt erkennen. So ist die Ideenlehre mehr das Produkt der Rezeption denn der Philosophie Platons.

Kurzgefasst kann gesagt werden, dass sich der Begriff der Idee als Vermittlung zwischen Welt als Wirkung und einer letzten Ursache des Seins verstehen lässt. Insofern kann natürlich nur im übertragenen Sinne von einem Ideenhimmel oder dergl. gesprochen werden. Vom ontologischen Status der Ideen wird im Dialog Phaidon nicht gesprochen.

Rezeption

Der Phaidon ist einer der bekanntesten Dialoge Platons. Seine Wirkung entfaltet er insbesondere durch den Argumentationsgang von dem Weiterleben der Seele nach dem Tod. Hatte Sokrates in der Apologie noch gesagt Nun aber ist die Zeit gekommen uns zu trennen, ich als derjenige der sterben wird, ihr als die, die weiterleben werden. Wer von uns den bessern Weg geht, das bleibt allen verborgen, außer dem Gott, nimmt er im Phaidon eine wesentlich zuversichtlichere Haltung bezüglich des Weiterlebens der Seele nach dem Tode ein.

Platons Dialog erscheint als recht eingängig und klar, allerdings verbirgt sich hinter dem lockeren Dialog eine sehr schwierige und logisch komplizierte philosophische Konstruktion. Daher sind in neuerer Zeit verschiedene Kommentare zu einzelnen Dialogen geschrieben worden, die dem Leser die Möglichkeit geben, sich den Themen Platons nach Gesichtspunkten neuerer Forschung zu nähern. So werden zwar der Argumentation des Sokrates heute viele logische Fehler nachgewiesen, allerdings wird die These vertreten, dass Platon diese Fehler bewusst inszeniert, um seine Leser zu gründlicherem Nachdenken zu veranlassen. Häufig wird durch eine zu sehr vereinfachende Darstellung der Ideenlehre Platons der Eindruck vermittelt, es handele sich hier um ein starres Konzept ontologischer Ordnungen – dass er sich aber vielmehr um das Sprachfeld einer der wichtigsten Themenfelder der Philosophie handelt, wird dabei übersehen. Nicht nur dass es keine ausformulierte Ideenlehre bei Platon gibt, dieser Begriff selbst ist nachträglich auf das Konstrukt Platons gesetzt worden, weiter ist es auch nicht zulässig, die Dialogform außer Acht zu lassen, so ist der Dialog Phaidon in seiner Argumentation eher pythagoreisch, da die Gesprächspartner Pythagoreer sind. In der modernen Rezeption wird genau dieses berücksichtigt und mehr auf die Entfaltung eines Grundproblems hingewiesen, denn als auf eine feststehende Ideenlehre. Von besonderer Bedeutung ist hier der Kommentar zum Phaidon von Theodor Ebert.

Ausgaben und Übersetzungen

  • John Burnet (Hrsg.): Plato: Phaedo. In: Platonis Opera, Bd. 1, Oxford 1958
  • Platon: Phaidon, übersetzt von Friedrich Schleiermacher und mit einem Nachwort von Andreas Graeser, Stuttgart 1986. ISBN 978-3-15-000918-5
  • Platon: Phaidon; in: Sämtliche Werke Bd. II, Hamburg 1994. ISBN 3-499-55562-X
  • Platon: Drei große Dialoge. Phaidon. Das Gastmahl. Phaidros. Einleitung, Übersetzung und Kommentar von Arthur Hübscher, München 2002. ISBN 3-492-23478-X
  • Platon, Phaidon. Übersetzung und Kommentar von Theodor Ebert, Göttingen 2004.
  • Platon: Phaidon. Griechisch–deutsch, übersetzt und herausgegeben von Barbara Zehnpfennig, 2. Auflage, Hamburg 2008. ISBN 978-3-7873-1859-9
  • Friedrich Schleiermacher (Übersetzer): Phaidon. In: Erich Loewenthal (Hrsg.): Platon: Sämtliche Werke in drei Bänden, Bd. 1, unveränderter Nachdruck der 8., durchgesehenen Auflage, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2004, ISBN 3-534-17918-8, S. 729–811 (nur Übersetzung)
  • Otto Apelt (Übersetzer): Platon: Phaidon oder Über die Unsterblichkeit der Seele. In: Otto Apelt (Hrsg.): Platon: Sämtliche Dialoge, Bd. 2, Meiner, Hamburg 2004, ISBN 3-7873-1156-4 (Übersetzung mit Einleitung und Erläuterungen; Nachdruck der 3. Auflage, Leipzig 1923)

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Die Zitate aus dem Text des Phaidon erfolgen nach der Übersetzung von Friedrich Schleiermacher. Die Seitenangaben beziehen sich auf die Stephanus-Paginierung.
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