Antimysterienkollegium

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In Rom entstand in der ersten Zeit nach Konstantin ein Bestreben alle Hinweise auf alte Einweihungsschulen, und auf deren Zusammenhang mit dem Christentum, auszulöschen. Daher wurden entsprechende Schriften zerstört oder gefälscht durch dieses sogenannte Antimysterienkollegium.

"Die ganze Christologie ist in den ersten christlichen Jahrhunderten eigentlich immer von innen angeschaut worden, von der geistigen Seite her. Man hat erst den Christus in geistigen Welten aufgesucht und dann verfolgt, wie er heruntergestiegen ist in die physisch-sinnliche Welt. Das ist das Bewußtsein gewesen der älteren Theologie. Nun trat als Ereignis dieses ein: Die römische Welt, nach der sich als am weitesten nach Westen der christliche Impuls fortschob, war in ihrer geistigen Auffassung durchsetzt von der Neigung, von dem Hang für das Abstrakte und dafür, das, was Anschauungen waren, in abstrakte Begriffe zu bringen. Nun ist es ein Eigentümliches, daß, während auf der einen Seite das römische Wesen in Fäulnis übergeht und die frischen Völker vom Norden herankommen, sich jenes Kollegium bildet auf der italienischen Halbinsel, das eigentlich sich zur Aufgabe setzte, alle Ereignisse dazu zu benützen, um die alten Anschauungen mit Stumpf und Stiel auszurotten und nur diejenigen Schriften auf die Nachwelt kommen zu lassen, die diesem Kollegium bequem waren. Über diesen Vorgang berichtet ja die Geschichte eigentlich gar nichts, und dennoch ist es ein realer Vorgang. Würde eine geschichtliche Darstellung davon vorhanden sein, so würde man eben einfach hinweisen auf jenes Kollegium, das sich als ein Erbe des römischen Pontifexkollegiums in Italien gebildet hat, das gründlich aufgeräumt hat mit allem, was ihm nicht genehm war, und das andere modifiziert und der Nachwelt übergeben hat. Geradeso wie man in Rom in bezug auf die (wirtschaftlichen) Vorgänge das Testament erfunden hat, um hinauswirken zu lassen über den einzelnen menschlichen Willen dasjenige, über das der Wille verfügt, so entstand in diesem Kollegium der Trieb, das römische Wesen als bloße Erbschaft, eben als bloße Summe von Dogmen fortleben zu lassen in der folgenden Zeit der geschichtlichen Entwickelung durch viele Generationen hindurch. Solange als möglich soll nicht irgendwie Neues in der geistigen Welt erschaut werden, so hat dieses Kollegium gesagt. Das Initiationsprinzip soll mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden. Was wir jetzt (notifizieren), das soll als Schrifttum auf die Nachwelt übergehen. Würde man es trocken darstellen, so müßte es in dieser Tatsächlichkeit dargestellt werden. Und dem Christentum hätten noch ganz andere Schicksale geblüht, es wäre völlig erstarrt, wenn eben nicht die nordischen Völker gekommen wären, denn diese Völker brachten sich eine gewisse Naturanlage mit, die ganz anders war als die Anlage der südlichen, der griechischen und der römischen Völker." (Lit.: GA 214, S. 14ff)

"Als das 4. nachchristliche Jahrhundert beginnt, sehen wir auf dem Boden von Italien eine Art von Schule, welche den Kampf gegen das alte Initiationsprinzip aufnimmt, welche überhaupt den Kampf aufnimmt gegen das Präparieren des einzelnen Menschen zur Initiation hin. Eine Schule sehen wir entstehen, welche alles das sammelt und sorgfältig registriert, was von den alten Initiationen überliefert ist. Diese Schule, die aus dem 3. in das 4. Jahrhundert noch herüberwächst, geht darauf aus, das römische Wesen selber zu verewigen, an die Stelle des unmittelbaren individuellen Strebens jedes einzelnen Menschen die historische Tradition zu setzen. Und in dieses römische Prinzip wächst nun das Christentum hinein. Verwischt werden sollte gerade von dieser Schule, die am Ausgangspunkte jenes Christentums steht, das erst etwa im 4. nachchristlichen Jahrhundert beginnt, verwischt werden sollte namentlich alles, was man innerhalb der alten Initiation immerhin noch hat finden können über das Wohnen des Christus in der Persönlichkeit des Jesus. In dieser römischen Schule hatte man den Grundsatz: So etwas, wie es Ammonius Sakkas gelehrt hat, wie es Jamblichos gelehrt hat, darf nicht auf die Nachwelt kommen.

Geradeso wie man dazumal im breitesten Umfange darangegangen ist, die alten Tempel zu zerstören, die alten Altäre auszumerzen, zu vernichten, was vom alten Heidentum übriggeblieben war, so ging man in einer gewissen Weise geistig daran, alles, was die Auffindungsprinzipien der höheren Welt waren, auszulöschen. Und so setzte man, um ein Beispiel herauszugreifen, an die Stelle dessen, was man noch von Jamblichos und Ammonius Sakkas gewußt hatte: daß der einzelne Mensch sich hinaufentwickeln kann, um zu begreifen, wie der Christus im Leibe des Jesus Platz nimmt –, an die Stelle dessen setzte man das Dogma von der einen göttlichen Natur oder den zwei Naturen in der Persönlichkeit des Christus. Das Dogma sollte voll bewahrt werden, und die Einsicht, die Einsichtsmöglichkeit sollte verschüttet werden. So wie all die Altäre gestürzt worden sind, wie all die Tempel ausgerottet, bis auf den Boden verbrannt worden sind, so ist auch die alte Weisheit ausgetilgt worden, so daß die Menschen heute nicht einmal ahnen, was in den ersten vier Jahrhunderten nach dem Mysterium von Golgatha noch im Süden Europas an Weisheit gelebt hat." (Lit.: GA 213, S. 201f)

Nach Konstantin dem Großen prägte ein Exoterisierungsprozeß die junge Kirche. "Kirchengeschichte ist fortan in hohem Maße Ketzergeschichte. Sie ist damit eine Geschichte der Unterdrückung und der Verdrängung christlicher Esoterik." (Lit.: G. Wehr, S. 72)


Literatur

  • Rudolf Steiner: Menschenfragen und Weltenantworten, GA 213, Dornach 1969
  • Rudolf Steiner: Das Geheimnis der Trinität. Der Mensch und sein Verhältnis zur Geistwelt im Wandel der Zeiten, GA 214, Dornach 1980
  • Gerhard Wehr: Esoterisches Christentum. Von der Antike bis zur Gegenwart, Klett-Cotta Vlg., Stuttgart 1995 (Völlig überarbeitete Neuauflage)


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