Apollonios von Tyana

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Apollonios von Tyana

Apollonios von Tyana (griech. Άπολλώνιος; * um 40; † um 120 [1]) stammte aus der Stadt Tyana in Kappadokien und war Philosoph in der Tradition des Pythagoras. Rudolf Steiner spricht von ihm als hohen Adepten, der sich seine geistigen Fähigkeiten im Lauf vieler Inkarnationen erworben hat:

"Apollonius von Tyana ist eine Individualität, die viele Inkarnationen durchgemacht hat, sich hohe Kräfte errungen hat und einen gewissen Höhepunkt zeigt in der Inkarnation, die sich im Beginne unserer Zeitrechnung abspielte." (Lit.: GA 131, S 86)

Biographische Quelle

Die weitaus ausführlichste Quelle über ihn ist eine Biographie, die der Sophist Philostratos verfasste und im Zeitraum 217/237 vollendete, womit er einen Auftrag der damals bereits verstorbenen Kaiserin Julia Domna ausführte. Diese Darstellung hat das Bild des Apollonios bis in unsere Zeit geprägt. Sie enthält zwar Angaben aus älteren, verlorenen Schriften, ist aber romanhaft angelegt, und ihre Glaubwürdigkeit wird von der modernen Forschung in vieler Hinsicht bestritten (neuerdings auch hinsichtlich der Chronologie; nach Philostratos wurde Apollonios ca. 3 v. Chr. geboren und starb unter Kaiser Nerva, also 96/98). Eine angebliche Hauptquelle, auf die sich Philostratos beruft, das "Tagebuch des Damis", ist frei erfunden. Philostratos schildert Apollonios als umherziehenden Prediger und Wundertäter, der in Italien, Spanien und Äthiopien tätig war und bis nach Babylon und Indien kam. Letzteres wurde in der Antike auch über Pythagoras, das Vorbild des Apollonios, erzählt. In Wirklichkeit hat Apollonios jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach den Osten des Römischen Reichs nie verlassen. Erst Julia Domna, die selbst aus dem Osten stammte, wollte ihn und seine Lehren in Rom populär machen. Daher gab sie die Biographie in Auftrag, in der Apollonios als Weiser mit übernatürlichen Fähigkeiten verherrlicht wird. Julias Sohn Kaiser Caracalla und ihr Großneffe Kaiser Severus Alexander betrieben einen Kult des Apollonios.

Über die historische Gestalt des Apollonios und seine philosophischen Lehren wissen wir wenig Zuverlässiges. Ihm zugeschriebene Werke sind teils verloren, teils in ihrer Echtheit umstritten. Als glaubwürdig gelten die Berichte, wonach Apollonios gemäß der pythagoreischen Tradition gegen die Tieropfer auftrat und der Ansicht war, dass Gott durch Gebete und Opfer nicht beeinflussbar und an Verehrung durch die Menschen nicht interessiert, aber auf geistigem Wege erreichbar sei.

Vergleiche mit Christus

Apollonios von Tyana

In der von Philostratos verfassten Biographie fällt eine Reihe von Ähnlichkeiten mit dem Leben (besonders den Wundern) des Jesus Christus auf, was möglicherweise beabsichtigt war. Dies war aber ursprünglich wohl nicht im Sinne einer Rivalität mit dem Christentum gemeint. In der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts hat dann aber der antichristliche Platoniker Porphyrios gegen die Einzigartigkeit Christi argumentiert und dabei auf Apollonios hingewiesen. Um 300 wurde die Apollonios-Verehrung im Rahmen der damaligen staatlichen Bekämpfung des Christentums für christenfeindliche Zwecke eingesetzt. Damals versuchte der Statthalter Sossianus Hierokles, der in der Christenverfolgung von 303 eine maßgebliche Rolle spielte, Apollonios als eine Christus überlegene Persönlichkeit zu erweisen. Damit wollte er Apollonios zur Leitgestalt für die Gegner der Christen machen. Dies führte zu heftigen Reaktionen der Kirchenväter Eusebius von Caesarea und Lactantius, die die spektakulären Taten des Apollonios auf das Eingreifen dämonischer Mächte zurückführten. Noch bis zur Aufklärung war ein solches negatives Apolloniosbild vorherrschend. Die Aufklärer hingegen, besonders Voltaire, waren von Apollonios begeistert. Im 17. und 18. Jahrhundert wurden wie schon in der Spätantike wiederum viele (oft polemische) Vergleiche mit Christus angestellt.

"Und es wird uns sogar schwierig, wenn wir nicht auf die genaueren Tatsachen eingehen, dieses Menschenwesen innerlich von dem Christus Jesus zu unterscheiden; denn es nimmt sich dieser Zeitgenosse wirklich ganz ähnlich aus. Wenn wir da zum Beispiel hören, daß dieser Zeitgenosse des Christus Jesus angekündigt wird durch eine himmlische Erscheinung vor seiner Geburt, so erinnert uns das an die Ankündigung des Jesus in den Evangelien. Wenn wir hören, daß dieser Zeitgenosse nicht bloß genannt werden dürfte als aus menschlichem Samen stammend, sondern als ein Sohn der Götter, so erinnert es uns wieder an den Anfang des Matthäus-und des Lukas-Evangeliums. Wenn wir dann hören, daß die Geburt dieser Individualität die Mutter überrascht, so daß sie überwältigt war, so erinnert uns das an die Geburt des Jesus von Nazareth und an die Ereignisse in Bethlehem, wie sie in den Evangelien erzählt werden. Wenn wir dann hören, daß diese Individualität heranwächst und in ihrer Umgebung durch weise Antworten auf die Fragen der Priester alle überrascht, so erinnert dies an die Szene des zwölfjährigen Jesus im Tempel. Und wenn uns dann gar erzählt wird: diese Individualität kam nach Rom, begegnete dort dem Leichenzuge eines jungen Mädchens, der Leichenzug wurde zum Stehen gebracht, und diese Individualität weckte die Tote auf, so erinnert uns das wieder an eine Totenauferweckung im Lukas-Evangelium. Und unzählige Wunder, wenn wir von Wundern sprechen wollen, werden uns erzählt von dieser Individualität, die der Zeitgenosse des Christus Jesus ist. Ja, bis zu dem Grade ähnlich ist sie dem Christus Jesus, daß von ihr erzählt wird, daß sie nach dem Tode den Menschen erschien, wie der Christus Jesus nach dem Tode den Jüngern erschien. Und wenn von christlicher Seite alle möglichen Gründe vorgebracht werden, entweder um von dieser Wesenheit gering zu sprechen, oder sie gar als historische Persönlichkeit zu leugnen, so ist das nicht minder geistreich als das, was gegen die Historität des Christus Jesus selber vorgebracht wird. Diese Individualität ist die des Apollonius von Tyana, und von ihm sprechen wir als von einem wirklichen hohen Adepten, der der Zeitgenosse des Christus Jesus war." (Lit.: GA 131, S 85f)

Apollonios von Tyana erlangte seine große Weisheit durch weite Reisen, die ihn vor allem nach Indien führten. Es zeigt sich darin, wie stark in alten Zeiten die Weisheit von den kosmischen Einflüssen auf ganz bestimmte Weltgegenden abhängig war. In Indien war dieser Einfluss durch den besonderen Winkel der einfallenden Sonnenstrahlung bersonders günstig. Jesus Christus war von solchen Einflüssen nicht abhängig und er machte auch keine ausgedehnten Reisen, sonder beschränkte sein irdisches Wirken auf den engen Raum Palästinas. Apollonius von Tyana ist ein Gegenpol zu Jesus Christus, der ganz aus dem Überirdischen heraus spricht, während Apollonius alles sammelte, was an Weisheit auf der Erde damals zu finden war.

"Wenn man den Apollonius von Tyana vergleicht mit dem Christus Jesus, so treten ja allerdings eine größere Anzahl von Äußerlichkeiten im biographischen Element zutage, die eine Ähnlichkeit zeigen. Vor allen Dingen wissen wir ja, daß die Evangelienerzählungen, die an den Christus Jesus anknüpfen, manches bringen, was der heutigen Zeit unter den Begriff des Wunders fällt, und auch die Biographen des Apollonius von Tyana erzählen allerlei Wundergeschichten von diesem Apollonius. Die Art und Weise, wie heute solche Dinge erzählt werden, die beweist ja nichts anderes, als daß man sich ganz dilettantisch verhält zu der Menschheitsentwickelung. Was da an Krankenheilungen und ähnlichen Dingen, die in den Evangelien Zeichen genannt werden, erzählt wird, entspricht eben einer ganz anderen Stufe der menschheitlichen Entwickelung, als diejenige ist, in der wir heute leben. Der psychische Einfluß des einen Menschen auf den anderen, ja sogar der psychische Einfluß des Menschen auf die unlebendige Umgebung, sind im Laufe der Zeit für das gewöhnliche Leben sehr zurückgegangen. Und wenn uns für die Zeit vom Beginne unserer christlichen Zeitrechnung von solchen Dingen erzählt wird, so weiß derjenige, welcher die Dinge wirklich innerlich kennt, daß eben das, was ein Mensch in jenen Zeiten darleben konnte, in anderer Weise sich ausnahm als das, was heute in dieser Richtung geschehen kann. Heute muß von anderen Voraussetzungen ausgegangen werden, von Voraussetzungen, die eben durch das geisteswissenschaftliche Erkennen wieder geschaffen werden sollen. Und wenn wir die Evangelien in der rechten Art verstehen wollen, so dürfen wir durchaus nicht den Hauptwert auf die Wundererzählungen legen, sondern wir müssen uns klar sein darüber, daß Wundererzählungen von einem im moralischen Sinne hervorragenden Menschen für die Zeiten, um die es sich hier handelt, etwas ganz selbstverständliches waren. Man setzte gar nicht voraus, daß das anders sein könne bei einem Menschen wie etwa Jesus von Nazareth, in dem der Christus wohnte, oder auch bei einem Menschen wie Apollonius von Tyana.

Verstehen wir uns gerade hierin recht; ich möchte sagen, daß man von einem solchen Menschen dasjenige erzählt, was man Wunder nennt, das ist etwas, was sich von selbst versteht. Man meint gar nichts Besonderes mit solchen Erzählungen. Und wenn die heutige Theologie etwa darnach strebt, die Göttlichkeit des Christus Jesus ganz besonders aus dem Umstände erschließen zu wollen, daß er Wunder tat, so zeigt eben diese Theologie nichts anderes, als daß sie nicht auf christlichem Standpunkte steht, abgesehen davon, daß eine solche Auffassung unhistorisch ist. Niemals handelt es sich bei dem Christus Jesus um das Vollbringen der Wunder, sondern immer um dasjenige, was uns anhand der Wundererzählungen dargelegt wird. Immer handelt es sich darum, daß aufmerksam darauf gemacht wurde, daß, während die früheren Menschen, wenn sie groß wirken wollten, mit einer geringeren Kraft des Ich wirkten, der Christus Jesus gerade aus der Kraft des Ich heraus wirkte. Geradeso würden wir das Vaterunser nicht verstehen, wenn wir es damit erklären wollten, daß wir die einzelnen Sätze schon bei früheren Menschen finden und deshalb sagen würden, das Vaterunser sei alt. Wer diese früheren Gestaltungen der Sätze, die sich im Vaterunser finden, mit dem Vaterunser selbst vergleicht, wird sich eben klarwerden darüber, daß es beim Vaterunser überall darauf ankam, herüberzuleiten dasjenige, was früher gewissermaßen nicht mit der Hinlenkung zum Ich gesagt war, nun mit der Hinlenkung zum Ich zu sagen.

So dürfen wir auch nicht irgendwie die Ähnlichkeiten aufsuchen, die in bezug auf dieses biographische Moment bei dem Christus Jesus auftraten. Es ist ja auch natürlich, daß in einer gewissen Weise ähnliche Erzählungen dann auftreten werden, wenn es sich um das Verrichten von Wundern handelt, das heißt, um das Verrichten dessen, was man jetzt Wunder nennt. Wir müssen auf ganz anderes hinsehen, wenn wir uns klarwerden wollen, wie eine solche Gestalt wie der Apollonius von Tyana zusammengestellt ist mit dem Christus Jesus. Und da muß zunächst auf das Folgende verwiesen werden.

Allerdings wird von Apollonius von Tyana erzählt, wie er schon in seiner Kindheit große Anlagen zeigte, wie er mit diesen großen Anlagen heranwuchs, wie er teilnahm an den vorzüglichsten Unterrichten, die dazumal gegeben werden konnten, wie zum Beispiel dem Unterricht, der aus der Pythagoräerschule herausgewachsen war. Aber dann wird weiter erzählt, daß Apollonius von Tyana gerade zur Erlangung des Wissens große Reisen angetreten hat, und es werden uns seine Reisen erzählt, zunächst die weniger weit ausholenden, dann aber die weite Reise, die er zu den indischen Weisen gemacht hat. Es wird uns erzählt, wie er die indischen Weisen da verehren und bewundern lernt, wie er durch sie vorgedrungen ist zu gewissen Quellen des Wissens. Es wird uns dann weiter erzählt, wie er wiederum zurückgekommen ist, wie er, man möchte sagen, befeuert von dem, was er angeschaut hat bei diesen indischen Weisen, dann wiederum in Südeuropa in der verschiedensten Weise gelehrt hat. Es wird uns dann aber auch erzählt, wie er nach Ägypten gegangen ist, wie er zunächst im nördlichen Ägypten das aufgenommen hat, was er da aufnehmen konnte und wie es ihm gering erschien, sehr gering gegenüber dem, was er an wunderbarer Weisheit bei den Indern gefunden hatte. Es wird uns dann erzählt, wie er den Nil aufwärts fuhr, zu den Nilquellen hin, aber auch zu den Sitzen der sogenannten Gymnosophisten; das war die Gemeinschaft derjenigen Weisen, die nach den Brahmanen, nach den indischen Weisen, das größte Ansehen in der damaligen Zeit hatten. Es wird aber auch erzählt, wie Apollonius von Tyana schon so durchtränkt war mit indischer Weisheit, daß er unterscheiden konnte zwischen dieser und der geringeren der ägyptischen Gymnosophisten. Und dann wird erzählt, wie er wiederum zurückkehrte, wie er dann seine verschiedenen wunderbaren Reisen machte nach Rom, wo man ihn verfolgte, wo man ihn ins Gefängnis brachte und so weiter.

Aber für uns ist ja vorzugsweise die Tatsache interessant, daß dem Apollonius von Tyana diese großen Reisen zugeschrieben werden, und daß diese Reisen durchaus zusammengebracht werden mit dem steten Erweitern seiner eigenen Weisheit. Apollonius wird immer weiser und weiser dadurch, daß er zusammenkommt mit den weisesten Menschen seiner damaligen Welt. Er wandert sozusagen von Ort zu Ort. Er sucht diejenigen Menschen auf, welche im Besitze der größten Weisheit der damaligen Zeit waren.

Dadurch unterscheidet er sich von dem Christus Jesus, der sein Erdenwandeln auf einem verhältnismäßig kleinen Fleck verbringt, der das, was er der Menschheit zu sagen hat, ganz aus dem Inneren heraus sagt, der nicht von demjenigen zu sprechen hat, was im Umkreise der Erde selber an Weisheit anzutreffen ist, sondern dasjenige der Menschheit mitzuteilen hat, was er aus außerirdischen Welten auf die Erde herabgebracht hat. Es ist ja manchmal sogar der Versuch gemacht worden, auch dem Christus Jesus allerlei Reisen nach Indien zuzuschreiben, allein das ist ja der purste Dilettantismus. Dasjenige, um was es sich eben gerade handelt, das ist, daß sich in demselben Zeitalter gegenüberstehen zwei Wesenheiten, auf der einen Seite der Christus Jesus, der ganz nur aus dem Überirdischen heraus spricht, und auf der anderen Seite Apollonius von Tyana, der dasjenige sammelt, was auf der Erde zu finden ist, wenn er es auch durch seine großen Anlagen in die eigene Seele aufzunehmen in der Lage ist. Das ist der prinzipielle, der bedeutsame Unterschied, und wer ihn nicht schaut, der erkennt eben dasjenige nicht, was der späteren Zeit gesagt wird durch das Dasein dieser zwei Persönlichkeiten.

Nun aber weist uns dasjenige, was sich gerade an die Person des Apollonius von Tyana knüpft, auf gewisse Eigentümlichkeiten älterer Zeiten hin. Ich meine jetzt Zeiten, die weit hinter dem Mysterium zurückliegen, also sehr alte Zeiten der Menschheit. Einiges davon hat sich ja dann in der späteren Menschheit erhalten, und wir werden sehen, wie Apollonius von Tyana das, was sich so erhalten hat, sowohl bei den indischen Weisen, bei den Brahmanen, wie bei den Gymnosophisten in Ägypten antrifft. Aber man erkennt dasjenige, um was es sich handelt, ganz klar, wenn man mit geisteswissenschaftlicher Geschichtsforschung in ältere Zeiten zurückgeht, und Apollonius von Tyana selbst weist - nach seinem Biographen - mit starken Worten auf das hin, worauf es hier ankommt. Er weist darauf hin, wie die schier unermeßliche Weisheit, die er bei den Indern angetroffen hat, gebunden ist an die außerirdischen Einflüsse, die auf den Menschen an einem bestimmten Erdenflecke herabströmen. Hingewiesen werden wir da darauf, daß der Mensch ja nicht nur irdischen Einflüssen ausgesetzt ist. Diese irdischen Einflüsse sind leicht zu studieren, obwohl sie ja auch beim Menschen gegenüber anderen Einflüssen selbst heute noch zurücktreten. Gewisse niedere organische Wesen bekommen die Färbung desjenigen, was sie genießen, dem reinen Stoffwechsel nach. Wir können bei gewissen niederen organischen Wesen genau sehen, wie das, was sie an Stoffwechselprodukten aufnehmen, ihnen ihre Färbung, ihre sonstigen Eigenschaften gibt. Ich habe Sie darauf aufmerksam gemacht, wie aus der Scholastik heraus Vincenz Knauer, mein alter Freund aus dem Benediktiner-Orden - das heißt nicht, daß ich etwa in diesem Orden war, sondern er war drinnen —, darauf aufmerksam gemacht hat, daß ja doch dasjenige, was in dem geistigen Inhalt des Begriffes liegt, etwas Reales gegenüber dem bloß sinnlichen Dasein des Materiellen ist. Er sagte ja im Sinne der Scholastiker: Wenn man einen Wolf abschließen könnte, und ihm lange Zeit nur Lammfleisch geben könnte, so würde aus dem Wolf noch immer kein Lamm werden, trotzdem er dann aus lauter Lammfleisch bestehen würde. Das bezeugt für Vincenz Knauer, daß im Wolf, in der Gestalt, in der Konfiguration des Wolfes, also in dem, was der Begriff Wolf umfaßt, doch noch etwas anderes liegt als das Materielle, denn dem Materiellen nach wäre der Wolf ja ein Lamm, wenn er immer nur Lämmer gegessen hätte. Das wird er aber nicht. Das ist also schon gewissermaßen bei den höheren Tieren anders als bei den ganz niederen organischen Wesen; die zeigen durchaus bis in die Farbe hinein die Einflüsse ihres Stoffwechsels. Bei Menschen ist das ja nun in einem noch höheren Maße der Fall als beim Wolf, daß sie nicht die Einflüsse des Stoffwechsels zeigen; sonst müßte es in den Gegenden, wo viel Paprika genossen wird, ja bloß gelbe Menschen geben, und man weiß ja, daß höchstens, wenn gewisse Dinge vom Menschen genossen werden, gelbsuchtähnliche Zustände eintreten und dergleichen. Der Mensch ist schon auch jetzt noch in einem hohen Grade unabhängig von den irdischen Stoffwechseleinflüssen. Aber er ist auch heute im materialistischen Zeitalter, das ja nicht nur einen theoretischen, sondern einen durchaus realen Untergrund hat, weniger den Einflüssen der außerirdischen Welt, des Kosmos ausgesetzt, als das früher der Fall war. Und die alte indische Weisheit ist im wesentlichen zurückzuführen - um es zusammenfassend auszudrücken - auf den besonderen Einfall des Sonnenstrahles in den indischen Gegenden. Der Sonnenstrahl fällt dort unter einem anderen Winkel ein als anderswo. Das bedeutet, daß die außerirdischen, die kosmischen Einflüsse auf den Menschen andere sind als woanders. Und wenn so ein alter Inder ganz aus seinem Bewußtsein heraus gesprochen hatte, so hätte er, wenn er überhaupt davon gewußt hätte, was Europa ist und so weiter, etwa folgendes gesagt. Ach, da drüben in Europa können die Menschen niemals zu irgendeiner Weisheit kommen, bei denen fällt ja die Sonne nicht so ein, daß sie zu irgendeiner Weisheit kommen können; die können nur gebunden sein an das, was der Stoffwechsel heraufkocht aus dem Irdischen. Von einer Weisheit kann drüben in Europa nicht die Rede sein. Da sind nur Menschen minderer Sorte, das sind die Halbtiere, denn sie haben gar nicht ein solches Sonnenlicht, wie man es haben muß, wenn man ein weiser Mensch werden will. - So würde der alte Inder, wenn er über diese Dinge überhaupt gesprochen hätte, gesagt haben. Er würde wegen dieses seines besonderen Verhältnisses zum Einfall der Sonnenstrahlen kaum viel anders geredet haben über das, was da als Menschengeschmeiß in Europa ist, wie der heutige Mensch über seine Haustiere redet. Nicht als ob er diese Menschen niederer Sorte nicht geliebt hätte, der Mensch kann ja auch seine Haustiere sehr lieben, aber er wird sie nicht an geistiger Kapazität für gleichwertig halten.

Ich wollte damit nur darauf hinweisen, wie dasjenige, was gerade an älterer Weisheit den Menschen eigen war, abhängig war vom Orte der Erde. Das hängt ja auch mit etwas anderem noch zusammen. In älteren Zeiten der Erdenentwickelung hat sich die Menschheit überhaupt viel mehr durch diese Abhängigkeit differenziert, als das später der Fall war. Die Differenzierung der Menschen ist sogleich aufgetreten, wenn irgendwo seßhafte Menschen den Ort ihrer Seßhaftigkeit verlassen haben und nach anderen Gegenden gezogen sind. Sie haben sich verändert, sie sind seelisch, ja physisch andere geworden. Damit hängt ja die Differenzierung über die Erde hin zusammen. Es war also im wesentlichen dasjenige, was der alte Mensch vom Umkreis der Erde hatte, was er wiederum darstellte, wenn er in entsprechender Weise diese Einflüsse des Umkreises der Erde in sich aufnahm. So können wir sagen: ein richtiger Weiser war in älteren Zeiten derjenige, der an demjenigen Orte der Erde lebte, wo man eben weise werden kann. Aus diesem Grunde sahen diese Alten aber auch mit einem gewissen Rechte nach diesem Orte hin. Würde man heute etwa in derselben Weise glauben, daß die Weisheit irgendwo in Asien umschlossen sei, so würde man damit nur den Beweis liefern, daß man nicht in seiner Zeit, nämlich nicht in der heutigen Zeit lebt. Es gibt ja allerdings merkwürdige Leute, die heute noch immer von solchen besonders günstigen Orten auf der Erdoberfläche reden; aber diese Dinge sind eben in höherem Sinne, im Sinne einer wirklichen Geist-Erkenntnis durchaus dilettantisch zu nennen. Aber wenn wir in die ältesten Zeiten zurückgehen, müssen wir schon den Menschen, der weise war, verbunden denken mit seinem Orte.

Was ist daher Apollonius von Tyana für ein Mensch? Apollonius von Tyana will weise werden auf der Erde, trotzdem er nicht an solchen Orten lebt - auch die Gegend in der Nähe der Nilquellen, wo die Gymnosophisten lebten, war ein solcher Ort, wo man in einem ganz hervorragenden Maße weise werden konnte. Er hatte nur den Drang nach solchem Weisewerden in sich. Daher begab er sich auf die Reise, wie ja einstmals Pythagoras auch, der in demselben Falle war.

Und so sehen wir, wie Apollonius von Tyana in einem gewissen Sinne ein Mensch ist, der in der Weite der Erde dasjenige sucht, was den Menschen mit innerer Befriedigung erfüllen soll, was ihn dazu bringt, innerliche Geistigkeit sich zu erringen. Denn diejenigen Zeiten, in denen das, was ich jetzt von der Gebundenheit des Menschen an einen Ort der Erde gesagt habe, ganz besonders galt, diese Zeiten lebten ja in der Zeit des Apollonius von Tyana mehr oder weniger nur im Nachklange. Es war noch etwas geblieben im alten Indien von dem, was es einstmals war, und das lernte Apollonius von Tyana kennen. Aber er stellte bereits den Repräsentanten einer neueren Zeit dar, denjenigen Menschen, der darauf angewiesen ist, an jedem Orte der Erde dasjenige zu suchen, was im höchsten Sinne menschliche Weisheit sein kann. Nur ist er darauf angewiesen, es auf weiten Wanderungen zu suchen.

Hier stellt sich richtunggebend für die neuere Menschheitsentwickelung eben das Mysterium von Golgatha vor uns, stellt sich so vor uns, daß wir sagen können: dadurch, daß in dem Jesus von Nazareth der Christus gewohnt hat, wurde Jesus von Nazareth zugleich diejenige Wesenheit der Erde, die tonangebend geworden ist für dieses Suchen, unabhängig von der Lokalisation auf der Erde selber. Dadurch sind Apollonius von Tyana und der Christus Jesus die größten Gegensätze. Apollonius von Tyana ist gewissermaßen der Zeitgenosse des Christus Jesus, welcher seiner menschheitlichen Verfassung nach nicht mehr in der alten Zeit, sondern schon in einer neuen Zeit lebt. Aber in dieser neuen Zeit kann man nur mit dem Christus-Einschlag leben. Der Christus-Einschlag kommt von dem Jesus von Nazareth. Jesus von Nazareth und Apollonius von Tyana sind die beiden Pole von Menschen vom Beginne unserer Zeitrechnung." (Lit.: GA 203, S 291ff)

Wundertaten des Apollonios

Apollonios wurden außersinnliche Wahrnehmungen zugeschrieben. So soll er in Ephesos die zeitgleich in Rom stattfindende Ermordung des Kaisers Domitian (96 n. Chr.) miterlebt und geschildert haben. Diese Episode wird von Cassius Dio und Philostratos mitgeteilt, wohl auf der Basis mündlicher Überlieferung. Beide berichten, dass der Philosoph die Tat als Tyrannenmord begrüßt habe.

Dem Kaiser Aurelian soll Apollonios im Jahr 272 im Traume erschienen sein, um ihn von der Zerstörung der Stadt Tyana abzuhalten.

Im 4. Buch seiner Biographie berichtet Philostratos, dass Apollonios die Epheser von einer Pestepidemie befreite, indem er die Jugendlichen der Stadt dazu brachte, einen Bettler beim Standbild des Herakles zu steinigen. Laut Philostratos handelte es sich um den Pestdämon, der die Gestalt eines Bettlers angenommen hatte und sich bei der Steinigung in einen löwengroßen Hund verwandelte; anschließend erlosch die Epidemie. Diese Episode wird von einigen Autoren als Beleg für ein Menschenopfer im Rahmen eines Reinigungsrituals herangezogen. Walter Burkert[2] hat darin ein spätes und "nahezu unritualisiert(es)" Beispiel des pharmakós-Opfers gesehen. Ein Zusammenhang mit dem historischen Apollonios ist allerdings schwer vorstellbar, wenn man davon ausgeht, dass dieser in erster Linie Pythagoreer war, denn die strikte Ablehnung aller blutigen Opfer gehörte zum Kernbestand der pythagoreischen Tradition. Eine ebenfalls rituelle Deutung dieses Texts trägt René Girard[3] vor. Er fasst die "Pest" nicht als bakterielle Epidemie, sondern als soziale Krise auf: Apollonios habe das altgriechische opferkultische Wissen eingesetzt, um die sozialen Spannungen durch einen einmütigen Lynchmord aufzulösen. Für Girard ist der Text des Philostratos ein Bericht über eine historische Episode von Verfolgung, dessen Glaubwürdigkeit nicht von den fehlenden Erkenntnissen über die historische Gestalt des Apollonios beeinträchtigt wird.

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Weblinks

Commons: Apollonios von Tyana - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema

Einzelnachweise

  1. Nach einer älteren, überholten Datierung lebte er von ca. 3 v. Chr. bis ca. 97 n. Chr.
  2. W. Burkert, Griechische Religion, S. 140
  3. R. Girard, Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz, S. 69ff.
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