Diogenes von Sinope

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Abbildung (19. Jahrhundert) einer Statuette, die von einigen Forschern als Diogenes identifiziert wird.
Diogenes in seinem Fass. Ausschnitt eines in Köln gefundenen Mosaiks aus dem 2. Jahrhundert, heute dort im Römisch-Germanischen Museum

Diogenes von Sinope (altgriechisch Διογένης ὁ Σινωπεύς Diogénēs ho Sinōpeús, latinisiert Diogenes Sinopeus; * vermutlich um 410 v. Chr. in Sinope; † vermutlich 323 v. Chr. in Korinth) war ein antiker griechischer Philosoph. Er zählt zur Strömung des Kynismus.

Quellenlage

Über den historischen Diogenes sind kaum gesicherte Daten erhalten. Fast alle Informationen wurden in Form von Anekdoten überliefert, deren Wahrheitsgehalt Gegenstand wissenschaftlicher Spekulationen ist. Die früheste Quelle zu Diogenes ist eine kurze Stelle bei Aristoteles, die mit Abstand wichtigste der allerdings erst im 3. Jahrhundert tätige Doxograph Diogenes Laertios, dessen Bericht sich wiederum auf zahlreiche ältere Autoren stützt – deren Angaben sich schon damals widersprachen. Insgesamt sind die antiken Berichte zu Diogenes überdurchschnittlich zahlreich, besonders in popularphilosophischen Schriften und in der Buntschriftstellerei. Die Verlässlichkeit sämtlicher Zeugnisse zu Diogenes ist umstritten; vermutlich bildeten sich bereits zu Lebzeiten Legenden, und es ist anzunehmen, dass seit seinem Tod etliche Anekdoten hinzuerfunden worden sind.[1]

Leben

Die Lebensdaten Diogenes’ sind unbekannt, es liegen dazu verschiedene, teils widersprüchliche Angaben[2] vor. Nach Auswertung der betreffenden Zeugnisse geht man davon aus, dass Diogenes gegen Ende des 5. Jahrhunderts v. Chr., möglicherweise um das Jahr 410 v. Chr. in Sinope am Schwarzen Meer (heutiger Teil der Türkei) geboren wurde und gegen Anfang der 320er Jahre v. Chr. in Athen oder Korinth gestorben ist.[3]

Trotz anderslautender Thesen[4] muss Diogenes spätestens in den frühen 360er Jahren v. Chr. nach Athen übersiedelt sein, vielleicht auch noch früher. Die Gründe für die Übersiedlung von Sinope nach Athen sind unklar, auch wenn dazu verschiedene Anekdoten und Geschichten überliefert sind. So berichten Diogenes Laertios[5] und einige andere Autoren die Legende, dass er geflohen oder verbannt worden sei, weil er selbst oder sein Vater als Bankier oder Finanzbeamter der Münze von Sinope Münzen gefälscht hätten. In Athen wurde er Schüler Antisthenes’ und machte Bekanntschaft mit den berühmten Philosophen seiner Zeit: mit Platon, Aischines von Sphettos, Euklid von Megara, erfunden ist hingegen möglicherweise die Begegnung mit Aristippos von Kyrene.[6]

Schriften

Diogenes Laertios überliefert zwei unterschiedliche zu seiner Zeit kursierende Verzeichnisse von Schriften des Diogenes. Die erste Liste umfasst 13 Dialoge, 7 Tragödien und Briefe, die zweite, von Sotion von Alexandria stammende, 12 Dialoge, Chrien und Briefe. Laut Sosikrates von Rhodos und Satyros von Kallatis, so Diogenes Laertios, hat Diogenes allerdings überhaupt keine Schriften verfasst.[7]

Lehre

Da seine Schriften verloren sind und Berichte zu philosophischen Positionen, die Diogenes vertreten hat, weit seltener sind als die zahlreich überlieferten Anekdoten, sind seine philosophischen Ansichten nur in groben Umrissen bekannt. Es ist davon auszugehen, dass Diogenes — wie sein Lehrer Antisthenes[8][9] — die grundsätzliche Ansicht vertreten hat, dass richtig glücklich nur der sein kann, der sich erstens von überflüssigen Bedürfnissen freimacht und zweitens unabhängig von äußeren Zwängen ist. Ein zentraler Begriff ist dabei auch die daraus resultierende Selbstgenügsamkeit (autárkeia):[10] „es sei göttlich, nichts zu bedürfen, und gottähnlich, nur wenig nötig zu haben.“[11]

Siehe auch

Quellensammlungen

Ausgaben

  • Gabriele Giannantoni (Hrsg.): Socratis et Socraticorum Reliquiae, Band 2, Bibliopolis, Neapel 1990, ISBN 88-7088-215-2, S. 227–509 (online)
  • Bruno Snell (Hrsg.): Tragicorum Graecorum Fragmenta. 2. Auflage. Band 1, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1986 (unter der Nummer 88: Diogenes Sinopensis finden sich sämtliche die Tragödien Diogenes’ betreffende Zeugnisse)

Übersetzungen

  • Georg Luck: Die Weisheit der Hunde. Texte der antiken Kyniker in deutscher Übersetzung mit Erläuterungen. Kröner, Stuttgart 1997, ISBN 3-520-48401-3, S. 76–193
  • Diogenes Laertius von den Leben und den Meinungen berühmter Philosophen. Aus dem Griechischen von August Christian Borheck. Erster Band, Wien und Prag bey Franz Haas 1807. Zweites Kapitel: Diogenes, S.346 books.google - S.377, digital.onb.ac.at

Literatur

Übersichtsdarstellungen

  • Klaus Döring: Diogenes aus Sinope. In: Hellmut Flashar (Hrsg.): Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike. Band 2, Halbband 1, Schwabe, Basel 1998, ISBN 3-7965-1036-1, S. 280–295.
  • Michael Erler: Die Kyniker. In: Bernhard Zimmermann, Antonios Rengakos (Hrsg.): Handbuch der griechischen Literatur der Antike. Band 2: Die Literatur der klassischen und hellenistischen Zeit. C. H. Beck, München 2014, ISBN 978-3-406-61818-5, S. 302–311, hier: 303–305
  • Marie-Odile Goulet-Cazé: Diogène de Sinope. In: Richard Goulet (Hrsg.): Dictionnaire des philosophes antiques. Band 2, CNRS Éditions, Paris 1994, ISBN 2-271-05195-9, S. 812–823
  • Heinrich Niehues-Pröbsting: Diogenes von Sinope. In: Franco Volpi (Hrsg.): Großes Werklexikon der Philosophie. Band 1, Kröner, Stuttgart 2004, ISBN 3-520-82901-0, S. 400–401.

Untersuchungen

  • Klaus Döring: Die Kyniker. Buchner, Bamberg 2006, ISBN 3-7661-6661-1.
  • Niklaus Largier: Diogenes der Kyniker. Exempel, Erzählung, Geschichte in Mittelalter und Früher Neuzeit. Niemeyer, Tübingen 1997, ISBN 3-484-36536-6.
  • Oliver Overwien: Die Sprüche des Kynikers Diogenes in der griechischen und arabischen Überlieferung. Steiner, Stuttgart 2005, ISBN 3-515-08655-2.

Rezeption

Philosophische Essays

  • Karl-Wilhelm Weeber: Diogenes. Die Botschaft aus der Tonne. Nymphenburger, München 1987, ISBN 3-485-00552-5.
  • Karl-Wilhelm Weeber: Diogenes. Die Gedanken und Taten des frechsten und ungewöhnlichsten aller griechischen Philosophen. 4. Auflage. Nymphenburger, München 2003, ISBN 3-485-00890-7.

Weblinks

Commons: Diogenes von Sinope - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema
 Wikisource: Diogenes von Sinope – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. Klaus Döring: Diogenes aus Sinope. In: Hellmut Flashar (Hrsg.): Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike. Band 2/1, Schwabe, Basel 1998, S. 280–281.
  2. Zur Zeit der 113. Olympiade (328 bis 325 v. Chr.) sei er ein alter Mann gewesen (Diogenes Laertios, Über Leben und Lehren der Philosophen 6,79).
    Er sei am selben Tag (13. Juni 323) wie Alexander der Große gestorben (Diogenes Laertios, Über Leben und Lehren der Philosophen 6,79).
    Er sei 81 Jahre alt geworden (Censorinus, De die natali 15,2).
    Er sei etwa 90 Jahre alt geworden (Diogenes Laertios, Über Leben und Lehren der Philosophen 6,76).
    Seine geistige Blütezeit sei 396 (Eusebius von Caesarea, Chronik Ol. 96,1) bzw. 392 (Chronicon Paschale, a.u.c. 362,1) gewesen.
  3. Klaus Döring: Diogenes aus Sinope. In: Hellmut Flashar (Hrsg.): Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike. Band 2/1, Schwabe, Basel 1998, S. 282.
  4. Donald Dudley/Charles Seltman haben zu zeigen versucht, dass Diogenes frühestens kurz vor 340 v. Chr. nach Athen kam und somit kein Schüler Antisthenes’ sein konnte. Siehe: Donald Dudley: A history of Cynicism, London 1937 (online); Charles Seltman: Diogenes of Sinope, son of the banker Hikesias. In: Proceedings of the Cambridge Philological Society. 142-144, 1930, S. 7; Charles Seltman: Diogenes. The original Cynic. In: Ch. T. Seltman: Riot in Ephesus. London 1958, S. 135–143.
  5. Diogenes Laertios, Über Leben und Lehren der Philosophen 6,20-6,21.
  6. Zur Biographie des Diogenes siehe Klaus Döring: Diogenes aus Sinope. In: Hellmut Flashar (Hrsg.): Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike. Band 2/1, Schwabe, Basel 1998, S. 281–285.
  7. Klaus Döring: Diogenes aus Sinope. In: Hellmut Flashar (Hrsg.): Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike. Band 2/1, Schwabe, Basel 1998, S. 285–287.
  8. Während die Enzyclopaedia Britannica Antisthenes als Diogenes Lehrer ausweist, bezweifeln Donald Dudley/Charles Seltman, dass Diogenes dessen Schüler gewesen sei. Vgl. Anmerkung 4.
  9. britannica.com
  10. Klaus Döring: Diogenes aus Sinope. In: Hellmut Flashar (Hrsg.): Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike. Band 2/1, Schwabe, Basel 1998, S. 287–288.
  11. Diogenes Laertios, Über Leben und Lehren der Philosophen 6,105.


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