Kapitalismus

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Der Kapitalismus bezeichnet zum einen eine spezifische Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, zum anderen eine Epoche der Wirtschaftsgeschichte. Kennzeichnend für den Kapitalismus sind Kapitalakkumulation und Profitstreben.

In der Theorie des marktwirtschaftlichen Systems stellt die Koordination von Angebot und Nachfrage über den Marktmechanismus (bzw. über den Preis) „im Idealfall ... eine Maximalversorgung der Bevölkerung“ (Henrichsmeyer/Gans/Evers: Einführung in die Volkswirtschaftslehre, Stuttgart 1982, S. 300) her, da „die Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital jeweils ihre beste Verwendung frei suchen dürfen; Kapital sucht die höchstmögliche Verzinsung, d.h. fließt vor allem in die rentabelsten Projekte, Arbeit sucht die höchste Entlohnung, d.h. wird in die Branchen abwandern, die den höchsten Lohn ... zahlen können“ (S. Bannas: Reich – dafür unglücklich? Regensburg 1990, S. 53). Die Theorie des marktwirtschaftlichen Systems ist in vielerlei Hinsicht unzureichend, wie u.a. auch die Finanzkrise des Jahres 2008 zeigte. Diese vorherzusagen, war der marktwirtschaftlichen Theorie nicht möglich. Auch Erklärungsversuche im nachhinein versagten vielfach an der ideologischen Selbstfesselung der universitär etablierten Theorie. Versuche die etablierte Wirtschaftswissenschaft wirklichkeitsnäher zu gestalten drangen bislang gegen die neoliberale Orthodoxie nicht durch. Eine tragfähige Alternative ist die Soziale Dreigliederung.

„Was ist denn notwendig für die Produktion? Ist in Wirklichkeit Kapital notwendig? Nein! Es ist eben ein Unsinn, daß Kapital notwendig ist. Damit die Produktionsmittel bedient werden können, ist notwendig, daß geistige Arbeit da ist. Das versteht natürlich jeder Arbeiter, daß geistige Leitung, geistige Arbeit da sein muß. Und er versteht auch, daß er bald aufhören müßte zu arbeiten, wenn nicht eine geistige Leitung, geistige Arbeit, vorhanden wäre. Aber heute geht es nicht um geistige Leitung, sondern um den Privatbesitz an den Produktionsmitteln und um die Rentabilität, um die Anlagefähigkeit wiederum des im Produktionsmittel steckenden Kapitals. Deshalb ist es notwendig, daß man die Produktionsmittel herauslöst aus dem Wirtschaftsprozeß, so daß sie durch die soziale Ordnung selbst immer an den gelangen können, der die entsprechenden Fähigkeiten hat und zu dem die Arbeiter Vertrauen haben. Deshalb will die Dreigliederung des sozialen Organismus den selbständigen Geistesorganismus. Es ist einfach Unsinn, wenn gesagt wird, [daß dadurch neue Besitzverhältnisse geschaffen werden …] In diesem Geistesleben, das ja mit den anderen Zweigen des Lebens in enger Verbindung steht, wird dann dafür gesorgt, daß die Produktionsmittel ihren Weg durch die Welt anders machen als durch Kauf. Und in dem, was ich den Rechtsstaat nenne – er hat ja wahrhaftig nichts mehr mit dem alten Staat zu tun –, wird dafür gesorgt werden, daß die Arbeitskraft ihr Recht bekommen kann. Im Wirtschaftsleben selbst bleiben dann nur noch die Warenerzeugung, die Warenverteilung und die Warenkonsumtion.“ (Lit.:GA 331, S. 63f)

„Der Profit mag in ethischer Beziehung was immer bedeuten; in wirtschaftlicher Beziehung ist er in der hergebrachten Wirtschaftsform das Erkennungszeichen für die Notwendigkeit der Erzeugung eines Gutes. Für die Fortentwicklung des Wirtschaftslebens handelt es sich darum, den Profit aus dem Grunde auszuschalten, weil er die Gütererzeugung dem Zufall des Marktes ausliefert, den zu beseitigen eine Forderung des Geistes der Zeit ist.“ (Lit.:GA 24, S. 68)

Kennzeichnend für den modernen Kapitalismus ist das durchgängige Bestreben, mit Geld mehr Geld zu machen (Marx' GWG-Formel). Rudolf Steiner bezeichnet dies als Geldkapitalismus. Von diesem Kapitalismus, auf den sich Kapitalismuskritik meist bezieht, unterscheidet Steiner den "bloßen Kapitalismus", den er für die moderne Wirtschaft als notwendig ansieht, weil sich sonst initiatives Unternehmertum nicht frei entfalten kann. Bei solchem bloßen Kapitalismus wäre der Kapitaleinsatz an die Realwirtschaft gebunden, es ginge um Warenproduktion, Kapital wäre nur Mittel. (Marx WGW-Formel). Gemäß der marxschen Analyse ist jedoch der Übergang zum Geldkapitalismus unvermeidlich. Auch Rudolf Steiner sieht den Geldkapitalismus als eine Entwicklung an, die so kommen mußte, allerdings unterscheidet sich seine Sicht in den Grundlagen wesentlich von derjenigen Marx'.

<zitat>

Der "bloße Kapitalismus" habe sich "organisch" aus dem sozialen Organismus des Mittelalters herausentwickelt<Quelle>. Der spätere Geldkapitalismus ist eine konsequente Weiterentwicklung des bloßen Kapitalismus, insbesondere für den anglo-amerikanischen Westen.

Rudolf Steiner sieht dann in dem Aufkommen der assoziativen Wirtschaft eine eine weitere notwendige Umwandlung, bzw. eine bewußt zu ergreifende Umwandlungsnotwendigkeit der Grundprinzipien des modernen Wirtschaften und des praktischen Wirtschaftslebens, die den Geldkapitalismus überwinde, jedoch an dem "bloßen Kapitalismus" festhalten könne, der jedoch im Rahmen der assoziativen Wirtschaft und einer verwirklichten sozialen Dreigliederung seine schädlichen Seiten verliere.

„Nun, seit dem 19. Jahrhundert aber, weil die Dinge in der Wirklichkeit Verwandlungen eingehen durch ihre eigenen Gesetze, ist nicht einmal mehr maßgebend geblieben der homo oeconomicus, der ökonomische Mensch, der ökonomische Prozeß, sondern wir können sagen: ungefähr vom Jahre 1810 ab - um einen Zeitpunkt anzusetzen - ist der herrschende Mensch geworden der Bankier. Und mehr als man glaubt, ist in diesem 19. Jahrhundert im wirtschaftlichen Leben der zivilisierten Welt der Bankier herrschend geworden, der Geldwechsler, derjenige, der eigentlich bloß das Geld verwaltet. Alle Ereignisse, welche seit jener Zeit eingetreten sind, stehen mehr oder weniger unter dem Einfluß dieses geschichtlichen Umschwunges: daß im volkswirtschaftlichen Zusammenhang aus dem ökonomischen Menschen und ökonomischen Prozeß allmählich geworden ist der Bankier, der Geldwechsler, der Verleiher vor allen Dingen, und aus dem Öffentlichen sozialen Prozeß die Finanzverwaltung, die Geldverwaltung.

Nun hat aber das Geld ganz gewisse Eigenschaften. Das Geld ist ein Repräsentant für Verschiedenes, aber das Geld als solches ist gleich. Ich kann eine Summe Geldes erwerben dadurch, daß ich ein Tonstück verkaufe - eine geistige Produktion. Oder ich kann eine Summe Geldes erwerben dadurch, daß ich Stiefel verkaufe. Die Summe Geldes kann immer gleich sein, dasjenige aber, was ich verkaufe, das kann sehr verschieden sein. Das Geld nimmt dadurch gegenüber dem wirklichen Lebensprozeß einen gewissen abstrakten Charakter an. Und so mußte entstehen unter dem Einfluß der Welt-Bankierwirtschaft die Auslöschung der konkreten Wechselwirkungen im menschlichen sozialen Verkehr, die Auslöschung der konkreten Wechselwirkungen [zwischen Produkt und Produzierendem, und es entstand] der Verkehr des bloßen Repräsentanten, des Geldes.

Das aber hat ganz bestimmte Folgen. Das hat die Folge, daß die drei wesentlichsten Bestandteile unseres wirtschaftlichen Prozesses - Grund und Boden, Produktionsmittel und Konsumtionsmittel -, die ihrer Natur nach im volkswirtschaftlichen Prozeß in ganz verschiedener Weise drinnenstehen, nicht etwa bloß gedanklich, sondern real unter dieselbe Macht gestellt werden, in derselben Weise behandelt werden. Denn demjenigen, dem es nur darauf ankommt, eine gewisse Summe Geldes zu erwerben oder zu verwalten, dem kann es gleichgültig sein, ob diese Summe Geldes repräsentiert Grund und Boden oder Produktionsmittel, das heißt Maschinen oder dergleichen, die für andere Produktionen dienen, aber von Menschen hergestellt worden sind, oder ob sie repräsentiert Konsumtionsartikel, unmittelbare Gebrauchsartikel. Dem kommt es nur darauf an, daß er eine bestimmte Summe Geldes für etwas erhält respektive daß, wenn er sie hat, sie sich verzinst, gleichgültig durch was. Es mußte so der Gesichtspunkt immer mehr und mehr heraufkommen, auszulöschen die Interessen, die man an den einzelnen Produkten und Produktionszweigen hat, und zu ersetzen diese Interessen durch das abstrakte Interesse am alle diese Differenzierungen auslöschenden Kapital, das heißt am Geldkapital. (eckige Klammern i. Orig.)“ (Lit.:GA 337a, S. 145ff.)

„Und so sind über alle menschliche Verhältnisse die Gesichtspunkte des Geldkapitalismus gezogen worden. Sie haben in der Volkswirtschaft die Menschen abgelenkt von dem, was nur herauswachsen kann, wenn der Mensch verbunden ist mit der Produktion, verbunden ist mit Grund und Boden und verbunden ist mit den Konsumtionsprodukten, die in irgendeinem Gebiet unter den Menschen zirkulieren. Das war allerdings in früheren Jahrhunderten vorhanden. Das ist schon verschwunden unter dem Einfluß des ökonomischen Menschen, am meisten aber unter dem Einfluß des Bankiers im 19. Jahrhundert. Während ungefähr bis zum Jahre 1810 die Volkswirtschaft abhängig war von den Händlern und von den Industriellen, wurden im 19. Jahrhundert die Händler und die Industriellen, wenn sie sich das auch nicht gestanden, im wesentlichen abhängig von der nationalen und internationalen Geldwirtschaft, von den Bankiers.

Vollständig in den wirtschaftlichen Egoismus hineingetrieben kann man nur werden durch diese Art von Geldwirtschaft. Aber diese Art von Geldwirtschaft sollte man, was heute vielfach geschieht, nicht verwechseln mit dem bloßen Kapitalismus. Der bloße Kapitalismus - Sie finden das näher ausgeführt in meinen «Kernpunkten» - der soll ermöglichen, daß nur derjenige große Kapitalmassen in den Händen haben kann, sei es an Produktionsmitteln, sei es an Geld, dem Repräsentanten von Produktionsmitteln, der befähigt ist und gerade deshalb mit der Produktion zusammenwächst. Und er soll auch nur solange mit ihr verbunden bleiben, als er seine Fähigkeiten im Dienste der Produktion verwenden kann. Dieser bloße Kapitalismus ist durchaus für die moderne Volkswirtschaft notwendig, und gegen ihn zu wettern ist Unsinn. Ihn abschaffen würde bedeuten: die gesamte moderne Volkswirtschaft untergraben.“ (Lit.:GA 337a, S. 148f.)

Eine Wortverwendung wie "bloßer Kapitalismus" sollte für die Kennzeichnung assoziativer Wirtschaftsprinzipien aber vermieden werden, und auch das Wort "Kapitalwirtschaft" eignet sich nicht, da Rudolf Steiner für den kritisierten Geldkapitalismus auch das Wort "Geldwirtschaft" verwendet. Gemeint ist, daß heutiges Wirtschaften nicht darauf verzichten kann, frei gewordenes Kapital in die Hände von befähigten Einzelpersönlichkeiten (bzw. befähigtes Team) zu geben, die das Kapital gemeinwohlorientiert einsetzen. Kapital soll nicht in Staatseigentum (sozialistische Planwirtschaft) übergehen, und sein Einsatz soll auch nicht demokratisch durch Menschengruppen gelenkt werden, die nichts davon verstehen, wie die Mittel sinnvoll einzusetzen sind, um den menschlichen Bedarf zu befriedigen. (Die Mitsprache von Betroffenen, sowie das Einbringen von jeweiligen wirtschaftlichen Interessen) erfolgt über die Assoziationen). Liegt eine Befähigung oder Ausübungsmöglichkeit von Kapitalbesitzern nicht (mehr) vor, oder versterben diese, soll das Kapital in andere Hände übergehen. Solche Übergabe soll durch Personen bzw. Institutionen des Geisteslebens geschehen. Näheres dazu siehe Kapitalneutralisierung.

Siehe auch

Literatur

Weblinks


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