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Kapital

Aus AnthroWiki
Kapital, Arbeit und Ware in der reinen, isolierten Form ohne Konsumtion, Produktion und Distribution (Lit.: GA 296, S. 64)

Das Kapital (von lat. caput, "Kopf") ist der Geist des Wirtschaftslebens. Durch das Kapital ragt das Geistesleben, das auf den individuellen Fähigkeiten des Menschen beruht, in das Wirtschaftsleben organisierend herein.

„Dieser gesunde soziale Organismus muß dadurch hingestellt werden, daß das Kapital zirkuliert zwischen geistig Fähigen. Kreislauf des Kapitals heißt, daß im Laufe der Zeit dasjenige, was kapitalistisch verwaltet werden muß, wirklich im Sinne des allgemeinen Besten verwaltet werden kann.“ (Lit.: GA 329, S. 173)

„Wie das Blut im menschlichen Leibe zirkuliert, so werden in der Zukunft die Produktionsmittel, also das Kapital, zirkulieren in der Allgemeinheit des sozialen Organismus. Wie sich das Blut nicht anstauen darf im gesunden Organismus, sondern durch den ganzen Leib gehen muß, alles befruchten muß, so darf in der Zukunft das Kapital sich nicht an irgendeiner Stelle als Privateigentum anhäufen. Wenn es seinen Dienst an der einen Stelle getan hat, muß es vielmehr an denjenigen übergehen, der es am besten verwaltet. So wird das Kapital derjenigen Funktion entkleidet, welche heute gerade zu den größten sozialen Schäden geführt hat.“ (Lit.: GA 333, S. 23)

„Man kann im sozialen Lebendigen niemals verhindern, daß als selbstverständ­liche Begleiterscheinung des Arbeitens der individuellen menschlichen Fähigkeiten Kapital entstehe, daß privates Eigentum an Produktions­mitteln sich herausbilde. Wenn jemand sich als Leitender einem Pro­duktionszweige widmet, und er auch ganz gerecht die erzeugten Pro­dukte teilt mit den handwerklich Mitarbeitenden, der soziale Organis­mus würde gar nicht bestehen können, wenn nicht als Begleiterscheinung Kapital auftreten würde, das der Einzelne besitzt, ebenso wie er das besitzt, was er für seinen eigenen Gebrauch benötigt, was er so pro­duziert, daß er es (z.B. gegen Geld) eintauschen will für seinen eigenen Gebrauch.

Aber ebensowenig wie man denken kann, ob man nicht essen soll, weil man doch wieder hungrig wird, ebensowenig kann man darüber nachdenken, wie jegliche Kapitalbildung für immer verhindert wer­den soll. Man kann nur darüber nachdenken, wie dieses Kapital sich wiederum verwandeln muß in einem anderen Zeitpunkte, was aus ihm werden muß. Sie können nicht, ohne den sozialen Organismus in seiner Lebensfähigkeit zu untergraben, die Kapitalbildung verhindern wollen, Sie können nur wollen, daß das, was sich als Kapital bildet, nicht schädlich werde innerhalb des gesunden sozialen Organismus.

Was in solcher Art gefordert werden muß für die Gesundung des sozialen Organismus, ist nur im dreigliedrigen sozialen Organismus möglich. Denn nur im dreigliedrigen sozialen Organismus kann ebenso wie im menschlichen natürlichen Organismus das eine Glied im entgegengesetzten Sinne arbeiten wie das andere Glied. Es liegt im individuellen Interesse, daß ein Glied da ist im sozialen Orga­nismus, in dem die individuellen menschlichen Fähigkeiten zum Aus­druck kommen; es liegt aber in jedermanns Interesse, daß diese individuellen menschlichen Fähigkeiten nicht im Laufe der Zeit zum Schaden des Organismus sich umgestalten. Innerhalb des wirtschaft­lichen Kreislaufes wird sich immer Kapital bilden. Belassen Sie es im wirtschaftlichen Kreislauf, so führt es zu unbegrenzter Besitzanhäu­fung. Was durch die individuellen menschlichen Fähigkeiten sich als Kapital ansammelt, kann nicht in der wirtschaftlichen Sphäre belassen werden; es muß in die Rechtssphäre übergeleitet werden. Denn in dem Augenblick, wo der Mensch für das von ihm allein oder in Gemeinschaft Erzeugte mehr erwirbt als er verbraucht, in dem Augenblicke also, wo er Kapital ansammelt, ist sein Besitz ebenso­wenig eine Ware, wie die menschliche Arbeitskraft eine Ware ist. Besitz ist ein Recht. Denn Besitz ist nichts anderes, als das ausschließ­liche Recht, eine Sache - sagen wir Grund und Boden oder ein Haus oder dergleichen - mit Hinwegweisung aller anderen zu be­nützen, über irgendeine Sache mit Hinwegweisung aller anderen zu verfügen. Alle anderen Definitionen des Besitzes sind unfruchtbar für das Verstehen des sozialen Organismus. In dem Augenblicke, wo der Mensch Besitz erwirbt, muß dieser innerhalb des rein politischen Staates, innerhalb des Rechtsstaates verwaltet werden. Aber der Staat darf nicht selbst erwerben, sonst würde er selbst Wirtschafter. Er hat es nur überzuleiten in den geistigen Organismus, wo die individuellen Fähigkeiten der Menschen verwaltet werden. Heute wird ein solcher Prozeß nur mit den Gütern vollzogen, die unserer Zeit als die min­dersten gelten. Für diese gilt bereits, was ich jetzt ausgeführt habe. Für die wertvollen Güter gilt es nicht. Wenn heute einer etwas geistig produziert, sagen wir, ein sehr bedeutendes Gedicht, ein bedeutendes Werk als Schriftsteller, als Künstler, so kann er ja das Erträgnis bis 30 Jahre nach seinem Tode seinen Nachkommen vererben; dann geht es als freies Gut nicht auf seine Nachkommen, sondern auf die allge­meine Menschheit über. 30 Jahre nach seinem Tode kann man einen Schriftsteller in beliebiger Weise nachdrucken. Das entspringt einem ganz gesunden Gedanken, dem Gedanken, daß der Mensch auch das, was er in seinen individuellen Fähigkeiten hat, der Sozietät verdankt. Geradeso wie man nicht auf einer einsamen Insel, sondern nur im Zusammenhang mit den Menschen sprechen lernen kann, so hat man seine individuellen Fähigkeiten auch nur innerhalb der Sozietät, - gewiß auf Grundlage des Karmas, aber das muß entwickelt werden durch die Sozietät. Die Früchte der individuellen Tätigkeit müssen wiederum an die Sozietät zurückfallen. Der Einzelne hat sie nur eine Zeitlang zu verwalten, weil es für den sozialen Organismus besser ist, wenn er sie verwaltet. Man kennt das, was man hervor­gebracht hat, selber am besten, daher kann man es zunächst auch am besten selber verwalten. Diese für die heutige Menschheit mindersten, nämlich die geistigen Güter, werden also in einer gewissen Weise unter Berücksichtigung des Zeitbegriffes sozial taxiert.

Einige kapitalistisch aussehende Zuhörer sollen neulich in Bern wütend geworden sein bei meinem Vortrage - so wurde mir be­richtet -, als ich sagte: Warum sollte denn zum Beispiel ein Gesetz unmöglich sein, das den Kapitalbesitzer verpflichtet, so und so viel Jahre nach seinem Tode sein Kapital zur freien Verwaltung einer Korporation, der geistigen Organisation, des geistigen Teiles des sozialen Organismus zuzuweisen? Man kann sich gewiß verschiedene Arten, ein konkretes Recht festzusetzen, ausdenken. Aber wenn man heute den Menschen zumuten würde, auf etwas zurückzukommen, was in der alten hebräischen Zeit rechtens war: nach einer bestimmten Zeit die Güterverteilung neu vorzunehmen, - so würden sie das heute als etwas Unerhörtes ansehen. Was ist aber die Folge davon, daß die Menschen das als etwas Unerhörtes ansehen? Die Folge ist, daß diese Menschheit in den letzten viereinhalb Jahren zehn Millionen Menschen getötet, achtzehn Millionen zu Krüppeln gemacht hat, und daß sie sich anschickt, weiteres nach dieser Richtung zu tun. Besonnen­heit in solchen Dingen ist denn doch vor allen Dingen notwendig. Es ist tatsächlich nichts Unbedeutendes, wenn verlangt wird, daß zum Begreifen des sozialen Organismus der Zeitbegriff herangezogen wird.“ (Lit.: GA 189, S. 125ff)

Damit spricht Rudolf Steiner in einer sehr elementaren Weise an, dass das gebildete Kapital nach einer gewissen Zeit des privaten Gebrauchs an die Allgemeinheit zurückfallen muss - und zwar: in die Verwaltung durch ein Glied des geistigen Organismus, welches wiederum das Kapital an einen weiteren Fähigen zum erneuten wirtschaftlichen Gebrauche übergibt. Voraussetzung hierzu ist aber die Einführung eines neuen Rechtssubjekts, nämlich desjenigen der Kapitalneutralisierung. Das Kapital wird da am besten wirken, wo es den rein privaten, egoistischen Interessen entzogen ist, ja, wo das Kapital gewissermaßen "sich selbst gehört".

„Das kann sich nicht ergeben in einem Wirtschaftsleben, dessen Impuls die Rentabilität des Kapitalbesitzes ist, sondern allein in einem solchen, das die Werte der Erzeugnisse aus den sich ausgleichenden Konsum- und Produktionsverhältnissen der sozialen Gesamtheit regeln kann. Eine solche soziale Gemeinschaft ist aber nur möglich, wenn die speziellen Berufs-, Konsum- und Produktionsinteressen ihren Ausdruck finden in Assoziationen, die aus den einzelnen Zweigen des Wirtschaftslebens selbst hervorgehen und die in der Gesamtgliederung des Wirtschaftskörpers sich miteinander verständigen. Aus den speziellen Interessen der einzelnen Wirtschaftszweige werden sich die Einzelassoziationen ergeben; in dem Zusammenschluß dieser Assoziationen und in dem Zentralverwaltungskörper, der sich aus den Wirtschaftsinteressen herausgliedern wird, werden die sozialen Impulse der Güterwertbildung liegen können. Man kann einen einzelnen Betrieb nicht sozialisieren, denn die Sozialisierung kann nur darin liegen, daß die Güterwertbildung, mit der ein einzelner Betrieb in dem Gesamtwirtschaftsleben drinnensteht, nicht unsozial wirkt. Durch eine in dieser Richtung liegende wahre Sozialisierung wird dem Kapitalsystem völlig diejenige Grundlage entzogen, durch die es als Privatbesitz schädlich wirkt. (Die besondere Gestaltung des Kapitalwesens in dem gesunden dreigliederigen Organismus habe ich in meinem Buche «Die Kernpunkte der sozialen Frage» geschildert.) Es sollte doch klar sein, daß man das Kapital nicht «abschaffen» kann, insofern es in nichts anderem besteht als in den für die soziale Gemeinschaft arbeitenden Produktionsmitteln. Schädlich wirkt nicht das Kapital, sondern seine Verwaltung aus den Privatbesitzverhältnissen heraus, wenn diese Privatbesitzverhältnisse die soziale Struktur des Wirtschaftskörpers von sich abhängig machen können. Geht diese Struktur auf die gekennzeichnete Art aus dem wirtschaftlichen Assoziationswesen hervor, dann wird dem Kapital jede Möglichkeit entzogen, antisozial zu wirken. Eine solche soziale Struktur wird stets verhindern, daß der Kapitalbesitz sich loslöst von dem Verwalten der Produktionsmittel und zum Strebensimpuls derer wird, die nicht durch Anteilnahme an dem Wirtschaftsprozeß ihr Leben gestalten wollen, sondern ohne Anteilnahme aus diesem heraus. Man kann allerdings einwenden, daß für diejenigen, die am Wirtschaftsprozeß mitarbeiten, nichts herauskommen würde, wenn man die Erwerbungen der Nichtarbeitenden «aufteilen» würde. Das besticht, weil es richtig ist, und es verhüllt doch die Wahrheit, weil seine Richtigkeit für die Gestaltung des sozialen Organismus keine Bedeutung hat. Denn nicht darauf beruht die Schädlichkeit der nichtarbeitenden Rentenbesitzer, daß sie ein verhältnismäßig Weniges den Arbeitenden entziehen, sondern darauf, daß sie durch die Möglichkeit, arbeitsloses Einkommen zu erzielen, dem ganzen Wirtschaftskörper ein Gepräge geben, das antisozial wirkt. Derjenige ganze Wirtschaftskörper ist etwas anderes, in dem arbeitsloses Einkommen unmöglich ist, als der andere, in dem ein solches erzeugt werden kann, wie ein menschlicher Organismus etwas anderes ist, bei dem sich an keiner Stelle ein Geschwür bilden kann, als ein solcher, in dem sich das Ungesunde in einer Geschwürbildung an einer Stelle entlädt.“ (Lit.: GA 024, S. 214ff)

Kapital und Geistesleben

„Das Geistesleben, wie ich es meine, ist in meinen «Kernpunkten der Sozialen Frage» so geschildert, daß es werden muß zum Regulator gerade des Kapitals. Dann wird das, was für die neuere Entwicklung notwendig ist, die Anhäufung von Kapital oder Produktionsmitteln, durch den Geist - der es durchleuchtet, wenn der Geist in seiner Freiheit, in seiner Fruchtbarkeit, in seinem Fortschreiten von Generation zu Generation neu sich bilden wird -, dann wird das Kapital durch den Geist auch das in sich tragen, was zum Beispiel Keynes und andere vermissen: Moralität. Und dann wird im Wirtschaftsleben nicht ein auf Egoismus und nur Selbsterwerb gestellter Kapitalismus leben, dann wird ein geistdurchtränkter Kapitalismus leben, eben aus Einsicht in die Welt- und Menschheits- und Daseinsnotwendigkeiten, und wird im Sinne der im neuen Geistesleben erzogenen Menschen wirken.“ (Lit.: GA 335, S. 498)

„Nehmen wir eine bestimmte Tatsache. Nicht wahr, der Protestantismus ist einmal entstanden. In den Geschichtsbüchern wird es ja sehr häufig so erzählt, daß der Tetzel herumgezogen ist innerhalb Mitteleuropas, und daß die Leute entrüstet waren über den Ablaßverkauf und dergleichen. Aber das war es nicht allein, das ist nur die Oberflächenansicht. Die Hauptsache, die dahinter stak, war die Tatsache, daß es in Genua ein Bankhaus gab, in dessen Auftrag, nicht im Auftrag des Papstes, dieser Ablaßkrämer in Deutschland herumzog, denn dieses Bankhaus hatte dem Papst für seine anderen Bedürfnisse den Kredit gewährt. Die ganze Geschichte war eine kapitalistische Unternehmung. An diesem Beispiel einer kapitalistischen Unternehmung des Ablaßhandels, wo eben auch mit Geistigem sogar gehandelt worden ist, an diesem Beispiel können Sie studieren, oder besser gesagt, wenn man da anfängt zu studieren, kommt man allmählich darauf, daß schließlich alle Kapitalmacht zurückgeht auf die übermacht des Geistigen. Und so ist es. Studieren Sie, wie das Kapital eigentlich zu seiner Macht gekommen ist, so finden Sie überall die übermacht des Geistigen. Nicht wahr, wer schlau ist, wer findig ist, der hat eine größere Macht als derjenige, der nicht schlau, der nicht findig ist. Und auf diese Art entsteht gerechtfertigter-, aber auch ungerechtfertigterweise vieles, was Zusammenscharrung des Kapitals ist. Das muß berücksichtigt werden, wenn man ins Auge faßt den Kapitalbegriff. Bei solchen realen Studien kommt man dahinter, daß Kapital auf Entfaltung der geistigen Macht beruht, und daß zu den Grund- und Bodenrechten, zu den Erobererrechten, von anderer Seite hinzugekommen ist die Macht des alten theokratischen Geistes. Von der alten Kirche ist viel von dem ausgegangen, was dann übergegangen ist eigentlich in den modernen Kapitalismus. Es gibt einen geheimen Zusammenhang zwischen der modernen kapitalistischen Macht und der Macht der alten Kirche. Und das alles hat sich in einem Kuddelmuddel zusammengezogen in den modernen Machtstaat. Da drinnen finden Sie die Oberreste der alten Theokratie, die Überreste der alten Eroberungen.“ (Lit.: GA 330, S. 412f)

Siehe auch

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
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