Astrosophie

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Antonio Francisco de Bonattis: Universa Astrosophia Naturalis, Padua 1687
Astrosophie

Astrosophie („Weisheit der Sterne“, von griech. ἀστήρ astér „Stern“ und σοφία sophía „Weisheit“) ist eine durch einen entsprechenden spirituellen Hintergrund vertiefte Form der Astrologie. Der Religionshistoriker und Altorientalist Alfred Jeremias sieht den Ursprung der Astrosophie in der schon von den Sumerern gepflegten und von den Babyloniern weiterentwickelten und in symbolischen Bildern festgehaltenen Himmelsschau, die erst später zum „logischen Rechenbuch“ der Astrologie verabstrahiert worden sei. 1687 veröffentlichte Antonio Francisco de Bonattis[1][2][3], Franziskanermönch und Professor für Mathematik in Padua, sein Hauptwerk unter dem Titel Unverisa astrosophia naturalis. Rudolf Steiner (1862-1925), der Begründer der Anthroposophie, gebrauchte den Begriff Astrosophie in mehreren Vortragszyklen, die in der Rudolf Steiner Gesamtausgabe veröffentlicht sind. Er bezog ihn dabei insbesondere auf jene ursprüngliche Sternenkunde, die noch unmittelbar aus der geistigen Anschauung schöpfte.

„Kommt man vom gewöhnlichen groben Berechnen zum rhythmischen Berechnen, wie es für die Sphärenharmonie war die Astrologie, so kommt man vom rhythmischen Berechnen zum Anschauen der Weltenorganisation in Figuren, Zahlen, die da sind in der Astrosophie.“ (Lit.:GA 318, S. 149)

Die Astrosophie wurde später in einer der Gegenwart angemessenen Form nachhaltig durch den deutschen Anthroposophen Arthur Schult (1893-1969) ausgeformt, der in seinem zweibändigen Lehrbuch der klassischen Astrologie eine „kosmische Signaturenlehre des Menschenbildes“ entwickelte, wobei er insbesondere auch die Lehre von Reinkarnation und Karma einbezog. Sein Ansatz wurde später u.a. von Robert Powell übernommen und eigenständig weiterentwickelt. Auch der Anthroposoph Willi Sucher nutzte den Begriff Astrosophie.

„Die Astrosophische Schau, welche uns den Makrokosmos als großen, lebendigen Organismus und den Menschen als in diese Geistzusammenhänge eingewobenen Mikrokomos erleben läßt, repräsentiert die untere Ebene des kosmischen Überbewußtseins. Ein richtig gedeutetes Horoskop zeigt uns die eigene höhere Lebensführung auf. Wir erkennen darin unsere geistig-kosmische und individuell-irdische Veranlagung. Es geht uns auf, daß dieselben Faktoren, welche unseren Charakter bestimmen, auch unser Schicksal fügen. Diese Zusammenschau von innerer Veranlagung und scheinbar von außen kommendem Schicksal vermittelt uns einen Tiefblick, wie ihn keine menschliche Psychologie zu geben vermag. Wir überschauen unser Leben von einer höheren Warte und erkennen den inneren Zusammenhang unseres Wesens und Schicksals. Dadurch gewinnen wir Abstand von uns selbst. Solche Selbst- und Schicksalserkenntnis erhebt uns über unser niederes Ich und gibt uns die Möglichkeit, unser Leben im Sinne unseres höheren Selbstes zu gestalten.

Die Gestirnskonstellation unserer Geburt gehört also zu uns, wie unser Körper, unser Seelenwesen, unser Temperament zu uns gehört. Wir sind abhängig von unserm Körper, unserm Seelenwesen, unserm Temperament, unserer Gestirnung, aber keineswegs dadurch restlos determiniert. Der Mensch ist auch noch mehr als seine Gestirne. Denn die untere Ebene des kosmischen Überbewußtseins wird überhöht durch die obere Ebene des überkosmischen Überbewußtseins. Der Mensch überragt mit seinem innersten Wesen den gesamten Kosmos, reicht durch alle kosmischen Sphären bis in den Urgrund Gottes hinein. L'homme passe l'homme infiniment, „Der Mensch ragt unendlich weit über den Menschen hinaus“, sagt schon der große französische Mathematiker Pascal.“

Arthur Schult: Astrosophie, Band 1, S. 11

1996 gelang es Randolf M. Schäfer (Deutschland, Leinsweiler) sich den Begriff „Astrosophie“ als Wortmarke eintragen zu lassen[4], obwohl dieser Begriff nachgewiesenermaßen schon viel älter ist.[5]

Aktuelle Rechtslage zur Verwendung des Begriffes

Laut Gerichtsurteil des LG Frankenthal vom 11.08.2020, Aktenzeichen A O 213/19, darf der Begriff Astrosophie als Oberbegriff für Gestirnskunde von Dritten verwendet werden, wie auch beispielsweise der Begriff Philosophie. Das Gericht verweist u. a. darauf, dass der Begriff Astrosophie seit mehr als hundert Jahren in diversen Büchern und Publikationen von zahlreichen Akteuren mit unterschiedlichen Inhalt gefüllt und publiziert wurde[5]. Der Patentinhaber kann eine Verwendung durch andere Personen, die diese Gestirnskunde ausüben nicht unterbinden, da bereits vor ihm zahlreiche Personen den Begriff verwendet und veröffentlicht haben.

Literatur

  • Antonio Francisco de Bonattis: Universa Astrosophia Naturalis, Padua 1687 google archive.org
  • Angelo Capello: Astrosophia numerica in qua generaliter tabulae, 5 Bände, 1736 Band 1 Band 2
  • Gérard Encausse („Papus“): Les Arts Divinatoires – graphologie, chiromancie, morphologie, physiognomonie, astrosophie, astrologie, 1891; Neuauflage: éditions dangles 1992, ISBN 978-2703301431
  • Gérard Encausse („Papus“): Premiers éléments d'astrosophie: Introduction à tous les traités d'astrologie, 1910
    • deutsch: Hauptelemente der Astrosophie
  • Ferdinand Maack: Astrosophie, die Philosophie der Astronomie, 1918
  • Alfred Jeremias: Astrosophie und Astrologie bei den Babyloniern, in: F.S. Archebold (Hrsg.): Das Weltall – Bildbeschmückte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete, Band 28, Heft 4/5, Treptow-Sternwarte, Berlin 1929, S. 29–32
  • Francis Rolt-Wheeler: L’Astrosophie – Revue mensuelle d´astrologie et des aciences psychiques et occultes, Institut astrologique de Carthage 1929-1960 pdf
    • deutsch: Die Astrosophie, Übersicht über esoterische und exoterische Astrologie sowie physikalische und okkulte Wissenschaften
  • Franz Spunda: Das Weltbild des Paracelsus. Kapitel 9. Astrosophie, 1925, 1941, 2016, ISBN 978-3939647331
  • Götz Eisenhart-Saur: Die naturgesetzlichen Grundlagen der Astrologie, 1. Auflage, Verlag Bernhard Sporn, Zeulenroda i. Thür. 1937, S.8 über Astrosophie
  • Hans Reipert: Der Erkenntnisweg von der Astrophysik zur Astrosophie. Vortrag 1964
  • Thorwald Dethlefsen: Schicksal als Chance. Hermetische Philosophie, Horoskop als Instrument mit Verweis auf die Astrosophie nach A. Schult, 1979; vollständige Taschenbuchausgabe: Goldmann Verlag 1998, ISBN 978-3442161157
  • Purvez Ji. K. Saher: Astrosophie Theomagica 50 Jahre - Festschrift, Dortmund 1982
Wörterbücher
  • Heyse, Johann Christian August; Böttger, Carl (1870, 1912): Heyses Fremdwörterbuch. Leipzig.
  • Kaltschmidt, J. H. (1863, 1876): Neuestes und vollständigstes Fremdwörterbuch. Erklärung aller aus fremden Sprachen entlehnten Wörter und Ausdrücke, welche in den Künsten und Wissenschaften, im Handel und Verkehr vorkommen, mit Bezeichnung der Aussprache. Brockhaus, Leipzig.
  • Gettings, Fred: Dictionary of Astrology, Routledge & Kegan Paul Books, London 1985, ISBN 978-0710096722
Astrosophie aus anthroposophischer Sicht
  • Arthur Schult: Das Johannes-Evangelium als Offenbarung. Einleitung und Nachwort über Astrosophie, Reichl-Verlag 1965
  • Willi Sucher: Auf dem Weg zu einer neuen Kosmologie, Einführung in die Astrosophie, eine neue Weisheit der Sterne, 1969
  • Arthur Schult: Astrosophie als kosmische Signaturenlehre des Menschenbildes. 2 Bände. Turm, Bietigheim 1971; 5. A. ebd. 1994, ISBN 3-7999-0206-6
  • Arthur Schult: Die Weltsendung des Heiligen Gral im Parzival des Wolfram Eschenbach. Astrosophie - Kapitel 4, Turm-Verlag 1975
  • Arthur Schult: Dantes Divinia Commedia als Zeugnis der Tempelritter-Esoterik. Vorwort über Astrosophie, Turm-Verlag 1979
  • Dr. med. Heinz Herbert Schöffler: Von der Astrologie zur Astrosophie, Kurs 1984
  • Arthur Schult: Maria Sophia: Das ewig-weibliche in Gott, Mensch und Kosmos, Turm-Verlag 1986; 3. Auflage 2020, ISBN 978-3799901222
  • Harald Falck-Ytter: Kosmos und Apokalypse. Stufen der Astrologie, Astronomie und Astrosophie, 2. Auflage, J. Ch. Mellinger Verlag 1992, ISBN 978-3880692954
  • Gisela Gorrissen: Astrologie und Anthroposophie, Band 2: Astrosophie des Tierkreises: Die Kulturen der Menschheit, Aquarius Vlg., Wuppertal 1994, ISBN 978-3930260010
  • Gisela Gorrissen: Astrosophie des Tierkreises und der Planeten: Der Mensch im Spannungsfeld zwischen Kosmos und Erde, Urachhaus Vlg., Stuttgart 2001, ISBN 978-3825172541
  • Robert Powell: Zu einer neuen Sternenweisheit. Einführung in die hermetische Astrologie, Oratio Verlag 2001, ISBN 978-3721406429
  • Robert Powell: Hermetische Astrologie Band 1, Astrologie und Reinkarnation, Urachhaus Verlag, Stuttgart 2001, ISBN 978-3825172671
  • Willi Sucher u.a.: Introducing Astrosophy (2002)
  • Willi Sucher: Letters Toward a New Astrosophy (November 1970 - July 1974), Astrosophy Research Center, Inc. 2006 pdf
  • Robert Powell: Hermetische Astrologie Band 2, Astrologische Biographik, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2003, ISBN 978-3825174170
Rudolf Steiner Gesamtausgabe
Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Antonio Francesco de Bonattis - Artikel in AstroWiki
  2. nicht zu verwechseln mit dem italienischen Mathematiker, Astronomen und Astrologen Guido Bonatti alias Bonatus aus dem 13. Jahrhundert.
  3. Wayne Shumaker: The Occult Sciences in the Renaissance: A Study in Intellectual Patterns, University of California Press 1972, S. 38 google
  4. DPMA: Register. In: Register DPMA. DPMA, 1996, abgerufen am 8. Januar 2020.
  5. 5,0 5,1 vgl. Begriffsgeschichte Astrosophie (pdf)