Blutgruppendiät

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Die Blutgruppendiäten sind ein alternativmedizinisches Diätkonzept, das auf der Theorie des amerikanischen Naturheilkundlers Peter J. D’Adamo beruht. D’Adamo trägt als akademischen Grad ein N. D. (naturopathic doctorate) des Bastyr College (Seattle, WA, USA).[1] Vertreter der Blutgruppendiäten postulieren, dass Menschen mit unterschiedlichen Blutgruppen Lebensmittel „evolutionär bedingt“ unterschiedlich gut vertragen. Eine entsprechende Einschränkung der Auswahl soll die Gesundheit und das Wohlbefinden verbessern und das Krankheitsrisiko senken. Vertreter der Blutgruppendiäten gehen davon aus, dass sich Menschen der verschiedenen Blutgruppen zu bestimmten Zeitpunkten der Menschheitsgeschichte entwickelt haben. Der 0-Typ („der Jäger“) sei danach eher ein Fleischesser; unter anderem manche Hülsenfrüchte, Weizen, Milch und Milchprodukte seien eher ungesund für ihn. Der A-Typ („der Landwirt“) sei von Natur aus Vegetarier; er sollte Fleisch und Milchprodukte, aber auch manche Bohnen und Weizen meiden. Der B-Typ („der Nomade“) wird als Allesesser beschrieben; er vertrage alle Lebensmittel bis auf wenige Ausnahmen wie Hühnerfleisch gut. Der AB-Typ („der Rätselhafte“) sei Mischköstler; für ihn seien wenig Fleisch, viele Milchprodukte, Getreide und Eier, Brot und Gebäck günstig. Im Rahmen dieser Theorie geht D’Adamo davon aus, dass Menschen mit unterschiedlichen Blutgruppen auf Nahrungslektine verschieden reagieren. Er behauptet, dass die Aufnahme von Lektinen, die mit dem Antigen der eigenen Blutgruppe unverträglich sind, zu Verklumpungen der Erythrozyten und Krankheiten führt. Beweise für diese Hypothesen sind bis heute in der wissenschaftlichen Literatur nicht beschrieben.[2]

Theorie der Diät

Laut Peter D’Adamo soll die Blutgruppe 0 die älteste Blutgruppe sein. Sie entwickelte sich schon, als die Menschen noch Jäger und Sammler waren. Daher seien Menschen mit Blutgruppe 0 laut der Blutgruppendiät an fleischreiche Nahrung gewöhnt, nicht aber an Getreide oder Milchprodukte, da es zu dieser Zeit weder Ackerbau noch Viehzucht gab. So sollen also Menschen mit Blutgruppe 0 auch heute täglich Fleisch essen, um gesund zu bleiben, und auf Getreide, vor allem auf Weizen sowie auf Milch verzichten. Welche Blutgruppe des Menschen die älteste „Urblutgruppe“ ist, konnte wissenschaftlich noch nicht geklärt werden. Molekularbiologische Forschungen zeigen, dass die Blutgruppe 0 wahrscheinlich schon vor mindestens 5 Millionen Jahren als genetische Mutation aus der Blutgruppe A entstanden ist.[3] Da Menschenaffen ebenfalls die Blutgruppen 0, A und B haben, gilt es als unwahrscheinlich, dass die Blutgruppen etwas mit menschlichen Wirtschaftsformen zu tun haben.[4]

Die Blutgruppe A entstand laut D’Adamo mit den ersten Bauern. Sie sollen vor allem Gemüse und Getreide essen, aber kein Fleisch und keine Milch, da die ersten Bauern angeblich keine Tiere zur Nahrungserzeugung hielten. Die Blutgruppe B soll sich unter Viehzüchtern in Asien entwickelt haben, dem „Nomaden-Typ“, daher seien Menschen mit Blutgruppe B an Milch gewöhnt, auch bestimmte Fleisch- und Getreidesorten sollen zu ihrer natürlichen Nahrung gehören. Die Blutgruppe AB sei in jüngerer Zeit aus der Vermischung der Blutgruppen A und B entstanden und symbolisiere den modernen Menschen. Diese Gruppe sollte vor allem Obst und Gemüse essen.

Blutgruppen und Krankheiten

D’Adamo bezieht sich auf entsprechende Studienergebnisse zu Blutgruppen, um seine Theorie zu stützen.

Bestimmte Blutgruppen sind anfälliger für bestimmte Krankheitserreger als andere, da sie jeweils spezifische Antikörper und Antigene haben.[5] Für Pocken sind daher besonders Menschen mit Blutgruppe A anfällig, während Träger der Blutgruppe 0 früher besonders der Pest zum Opfer fielen und heute von den Magengeschwüre verursachenden Bakterien besonders betroffen sind. Menschen mit Blutgruppe A sind statistisch anfälliger für verschiedene Krebsarten wie Brustkrebs sowie für Herzinfarkte.[6][7] Andere Studien ergaben jedoch ein erhöhtes Krebsrisiko für Blutgruppe B.[8] Die Aussagen sind also uneinheitlich, die Gründe sind ungeklärt. Träger der Blutgruppe B sind statistisch häufiger von Asthma betroffen.

D’Adamo empfiehlt einen Sekretor-Status zum Preis von 55 €, der zur Verfeinerung des Konzeptes dienen soll. Des Weiteren bietet er zahlreiche spezielle Nahrungsergänzungsmittel an, die nur über bestimmte Online-Shops bezogen werden können. Abgesehen von den relativ hohen Kosten ist auch der positive Einfluss umstritten.

Kritik

Die Empfehlungen und Verbote beruhen auf Fehlinterpretationen. So ist zum Beispiel die angebliche Milchunverträglichkeit der Blutgruppen 0 und A nur die Folge einer Namensverwechslung. Zur Blutgruppe B gehört die Alpha-N-D-Galaktose, in Milch ist hingegen Beta-N-D-Galaktose enthalten. Die Moleküle dieser Galaktosearten sind zwar ähnlich (daher der ähnliche Name), die Wirkung im Organismus ist aber völlig unterschiedlich. Selbst wenn die Lektin-Theorie richtig wäre, ist eine negative Wirkung von Milch auf Menschen mit Blutgruppe 0 oder A sehr fraglich.

D’Adamo rät den Blutgruppen 0, A und AB, Milch zu meiden. In Deutschland wären das 80 Prozent der Bevölkerung. Nur in Asien ist die Blutgruppe B am stärksten vertreten. Die regionale Verteilung von Milchzuckerunverträglichkeit widerspricht jedoch seinen Hypothesen, denn sie ist in Asien weit häufiger als im europäischen Raum. Primäre Laktoseintoleranz ist keine Allergie, sondern eine fehlende Mutation auf dem Chromosom 2.

Es ist nicht verständlich, warum Menschen mit Blutgruppe A, die besonders häufig in Europa ist (in manchen Ländern die häufigste), die meisten Fleischsorten, Weizen und Milchprodukte nicht konsumieren sollen, die ja schon seit längerem die Basis der Ernährung darstellen. Stattdessen wird zu vermehrtem Soja-Konsum geraten, was eher zu Trägern der Blutgruppe B passen würde: Diese Blutgruppe tritt am häufigsten in Asien auf, nur dort ist Soja ein typischer Bestandteil der regionalen Küche.

D’Adamos Aussagen widersprechen auch der Theorie der Abfolge und regionalen Entstehung der Blutgruppen, wenn er behauptet, dass die Blutgruppe A in der Kaukasus-Region und B in der Himalaya-Region entstanden ist. Warum dann ausgerechnet Menschen mit Blutgruppe A vermehrt Soja konsumieren und Milch bzw. Milchprodukte (gerade Menschen in der Kaukasus-Region sind für ihren Kefir-Konsum bekannt, Kefir wird für Blutgruppe A als neutral, für B und AB als bekömmlich eingestuft), Fleisch und Weizen vermeiden sollten, entbehrt jeglicher Logik.

Je nach Blutgruppe ist der Eiweißanteil der Kost teilweise überhöht, was Gicht oder die Bildung von Harnsteinen zur Folge haben kann. Die Gruppe der „Jäger“ erhält zu wenig Kohlenhydrate und Ballaststoffe.

Im Jahr 2000 bewertete die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE): „In keinem Fall ist wissenschaftlich dokumentiert, dass Lectine aus Lebensmitteln im Blut zu Verklumpungen (Agglutinationen) führen. (…) D’Adamo verwendet ungesicherte, verführerisch einfach klingende Annahmen als Fakten und stellt Lectine in Nahrungsmitteln als eine generelle Gefahr dar. (…) Die meisten pflanzlichen Lectine sind unschädlich. (…) Zudem zerstört Erhitzen die Lectinaktivität in fast allen Nahrungsmitteln mit Ausnahme von gerösteten Erdnüssen (…).“[9]

Die Stiftung Warentest bewertete im Jahr 2005: „Da wir trotz jahrhundertelanger Verstöße gegen diese Regeln immer noch am Leben sind, stellt sich die Frage nach dem Sinn und Unsinn der Diät. (…) Die Rolle der Lektine in der Nahrung wird von D’Adamo erheblich überschätzt, und seine blutgruppenspezifische Ernährung entbehrt jeder Grundlage. Auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) beurteilt die meisten pflanzlichen Lektine als unbedenklich (dass man grüne Bohnen beziehungsweise Fisolen roh nicht in größeren Mengen essen darf, ist inzwischen hinlänglich bekannt). Eine Verklumpung von Blutzellen wurde bisher in keinem einzigen Fall festgestellt. Und Belege dafür, dass Erkrankungen durch die Blutgruppendiät positiv beeinflusst werden, fehlen ebenfalls.“[10]

Die systematische Übersichtsarbeit von Leila Cusack et al. aus dem Jahr 2013 kam zu dem Ergebnis, dass aktuell keine Beweise existieren, die die vorgeblichen Gesundheitsvorteile der Blutgruppendiäten bestätigen.[11]

Siehe auch

Literatur

  • Peter D’Adamo, Catherine Whitney: 4 Blutgruppen, 4 Strategien für ein gesundes Leben. 23. Auflage. Verlag Piper, 2000, ISBN 3-492-04118-3
  • Anita Hessmann-Kosaris: Die Blutgruppen-Diät. Das bahnbrechende Ernährungsprogramm für Vitalität, Wohlbefinden und eine schlanke Figur. Verlag Goldmann, 2000, ISBN 3-442-16283-1

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Lebenslauf von D’Adamo auf seiner Website
  2. Blutgruppendiäten ohne bewiesenen Nutzen. Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), Presseinformation, 2013.
  3.  Christine M. Cserti, Walter H. Dzik: The ABO blood group system and Plasmodium falciparum malaria. In: Blood. 110, Nr. 7, 2007, S. 2250–2258.
  4. 3sat-Beitrag zu Blutgruppen
  5. Relationship of Blood groups to disease: do blood group antigens have a biological role? (PDF); 161 kB
  6. The role of blood group antigens in infectious diseases. PMID 10791886
  7. ABO blood groups and coronary heart disease (CHD). A study in subjects with severe and latent CHD. PMID 7455973
  8. Familial and sporadic breast cancer cases in Iceland: a comparison related to ABO blood groups and risk of bilateral breast cancer. PMID 3170024
  9. „Blutgruppendiät ist wissenschaftlich nicht haltbar“, Pressemitteilung, in DGE aktuell 19/00, 13. Juni 2000
  10. Diäten im Vergleich: Diäten aller Art, Psycho- und Blutgruppen-Diäten. In: test.de, 1. Mai 2005, Stiftung Warentest
  11. Leila Cusack, Emmy De Buck, Veerle Compernolle, Philippe Vandekerckhove: Blood type diets lack supporting evidence: a systematic review In: Am J Clin Nutr. 2013 Jul;98(1):99-104. doi:10.3945/ajcn.113.058693. PMID 23697707.


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