Getreide

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Ähren von Gerste, Weizen und Roggen

Als Getreide (mhd. getregede, eigentlich „das [von der Erde] Getragene)“[1] oder Korn werden einerseits die meist einjährigen Pflanzen der Familie der Süßgräser bezeichnet, die wegen ihrer Körnerfrüchte kultiviert werden, andererseits die geernteten Körnerfrüchte. Die Früchte dienen als Grundnahrungsmittel zur menschlichen Ernährung oder als Viehfutter, daneben auch als Rohstoff zur Herstellung von Genussmitteln und technischen Produkten.

Getreidekörner bestehen aus stärke- und (in geringerem Umfang) auch eiweißhaltigen Mehlkörpern, dem fetthaltigen Keimling, der miteinander verwachsenen Samenschale und Fruchtwand sowie der zwischen Mehlkörper und Schale liegenden eiweißhaltigen Aleuronschicht. Das enthaltene Eiweiß einiger Getreidegattungen (Weizen, Dinkel, Roggen, Gerste, Triticale) wird auch als Kleber oder Gluten bezeichnet. Andere Gattungen sind glutenfrei.

Aufbau eines Weizenkorns

Für die meisten Verwendungen werden die Früchte nach der Reife durch Dreschen von den abgemähten Pflanzen abgetrennt, wobei bei einigen Sorten auch die mit der Schale verwachsenen Deck- und Vorspelzen noch am Korn verbleiben, bei wenigen urtümlichen Sorten auch Hüllspelzen und Bruchstücke der Ährenspindel. Bei den meisten Mehlsorten wird traditionell die Schale durch Mahlen, Schleifen oder andere Verfahren möglichst vollständig entfernt und als Kleie getrennt verwertet, bei Vollkornmehl ist dies nicht der Fall. Um lagerfähige Produkte zu erhalten, muss auch der Keimling entfernt oder hitzebehandelt werden. Er kann zur Gewinnung von Getreidekeimöl genutzt werden.

Zum Verzehr werden Getreidefrüchte bzw. ihre Mehlkörper hauptsächlich gemahlen und als Brot gebacken, als Brei gekocht oder zum Beispiel zu Nudeln weiterverarbeitet. Aus Getreidesorten mit geringem Kleberanteil lässt sich Brot nur als Fladenbrot herstellen. Die wichtigsten Getreidepflanzen für die menschliche Ernährung sind Reis, Weizen, Mais, Hirse, Roggen, Hafer und Gerste. Als Viehfutter genutzt werden vor allem Gerste, Hafer, Mais und Triticale.

Die Hauptgetreidegattungen und ihre Verbreitungsgebiete

Gerstenfeld
  • Weizen – (Triticum), Hauptgetreide in gemäßigten Zonen. Er ist außerdem die Getreidegattung mit den besten Backeigenschaften
    • Einkornreihediploid
      • Einkorn – (T. monococcum) ist neben Emmer (T. dicoccum) die älteste bekannte Weizenart, die bereits in der Jungsteinzeit kultiviert wurde
    • Emmerreihetetraploid
      • Emmer (T. dicoccum), neben Einkorn die älteste bekannte Weizenart, wurde bereits in der Jungsteinzeit kultiviert.
      • Hartweizen – (T. durum), Verwendung für Teigwaren, Hauptanbaugebiete sind Nordamerika und Südeuropa
      • Kamut – (T. durum x polonicum), eine natürliche Hybride aus Hartweizen (Triticum durum) und Triticum polonicum,[2] ursprünglich wahrscheinlich aus dem Gebiet des Fruchtbaren Halbmondes (heutige Türkei, Irak, Iran und Israel) stammend; Kamut ist sehr nährstoffreich und wird vorwiegend in Nordamerika und Südeuropa angebaut.
    • Dinkelreihehexaploid
      • Dinkel – (T. spelta), Anbau noch in Belgien, Frankreich, Deutschland (in Schwaben und Franken), Österreich sowie in der Schweiz
      • Weichweizen – (T. aestivum), für Brot und andere Backwaren
  • Roggen – (Secale), bedeutsam in kalten Regionen und auf leichten, sauren und sandigen Böden; Brotgetreide und Viehfutter
  • Gerste – (Hordeum), folgt als weniger anspruchsvolle Frucht im Fruchtwechsel dem Weizen; Viehfutter – Braugerste (Sommergerste) zur Malzherstellung
  • Hafer – (Avena), auch das „europäische Urgetreide“ genannt, war früher Grundnahrungsmittel in Schottland (Haferflocken, porridge), heute weltweit als Viehfutter verbreitet
  • Reis – (Oryza), Hauptgetreide in tropischen Zonen, Grundnahrungsmittel in Asien
  • Mais – (Zea mays), Grundnahrungsmittel der Völker Nord- und Südamerikas und Afrikas, weltweit als Viehfutter verbreitet
  • Hirse – (Sorghum, Panicum, Pennisetum u. a.), eine Gruppe von ähnlichen Getreidegattungen, die große Bedeutung für die Ernährung in Asien und Afrika haben
    • Rispenhirse, Deutsche Hirse (Panicum miliaceum), heute in Nordchina und Zentralasien angebaut. Vor der Einführung der Kartoffel war sie in Süddeutschland Grundnahrungsmittel, besonders in der ärmeren Bevölkerung.
    • Kutkihirse oder Kleine Hirse (Panicum sumatrense) ist eine sehr robustes und genügsames Getreide, es wird in Indien und Sri Lanka angebaut.
    • Kolbenhirse, Italienische Hirse (Setaria italica), heute in der Volksrepublik China und Nordindien angebaut, zur Römerzeit auch in Norditalien.
    • Sorghum (Sorghum bicolor und andere), Grundnahrungsmittel in Asien und Afrika, weltweit als Viehfutter verbreitet.
    • Perlhirse (Pennisetum glaucum) toleriert noch mehr Trockenheit als Sorghum und wächst auch auf salzhaltigen Böden. Sie wird in Afrika (Sahelzone, Namibia, Botswana, Tunesien) und in trockenen Gegenden Pakistans und Indiens angebaut, oft in Fruchtwechsel mit Sorghum. Auch als Viehfutter hat sie große Bedeutung.
    • Fingerhirse (Eleusine coracana), Grundnahrungsmittel in Südindien, wo es für Reis zu trocken ist (das Landesinnere der Staaten Karnataka und Andhra Pradesh), und in Zentralafrika (Uganda, Kenia, Tansania, Sambia), wo es für Sorghum zu feucht ist.
    • Teff (Eragrostis tef), Grundnahrungsmittel in Äthiopien, ansonsten wenig bekannt. Die kleinen Körner lassen sich besonders leicht transportieren.
    • Fonio (Digitaria exilis), Grundnahrungsmittel in einigen Regionen Westafrikas mit armen Böden, wie Ost-Senegal, West-Burkina Faso, Süd-Mali, Süd-Niger, Nordost-Nigeria.
    • Kodohirse (Paspalum scrobiculatum L.) ist ein sehr trockenheitsresitentes Getreide, das auch auf nährstoffarmen Böden wächst. Es wird in Indien, aber auch auf den Philippinen, in Indonesien, Vietnam, Thailand und in Westafrika angebaut.
    • Japanhirse (Echinochloa frumentacea) wird in Ägypten, Indien, Kaschmir und Sikkim angebaut und als Nahrungsmittel verwendet. In den USA, Afrika und Kanada wird es größtenteils als Futtermittel für Vieh und als Vogelfutter genutzt.
    • Hühnerhirse (Echinochloa crus-galli) wird in Russland als Viehfutter angebaut.
  • Wasserreis Wildreis (Zizania) wird in Nordamerika angebaut.
  • Hiobsträne (Coix lacryma-jobi) wird in Südasien und Indien angebaut.[3]

Herkunft

Getreide im engeren Sinne sind Zuchtformen von Süßgräsern (Poaceae). Der Ursprung des landwirtschaftlichen Anbaus vieler Getreidegattungen kann nicht mehr ermittelt werden. Getreideanbau und -zucht wurden, im Nahen Osten (Fruchtbarer Halbmond) agrargeschichtlich belegt, bereits vor mehr als 10.000 Jahren praktiziert. Die ersten angebauten Getreidearten waren Einkorn, Emmer und Gerste.[4] In Mitteleuropa und Westeuropa verbreiteten sie sich vor etwa 7000 Jahren. Wildgetreide wurde schon vor 32.000 Jahren als Nahrungsmittel verwendet.[5][6]

Aussaat

Aufgelaufene Saat von Wintergetreide im Herbst
Weizen in Tomsk

Aussaat- und Erntezeitpunkt hängen stark von den Klimabedingungen und der Höhenlage des Anbaugebietes ab. Es gibt typische Früherntegebiete (zum Beispiel die Niederrheinebene) und Späterntegebiete (zum Beispiel die Schwäbische Alb).

Wintergetreide

Das Wintergetreide benötigt nach der Aussaat und der Keimung eine Frostperiode, um dann im Frühjahr schossen (Vernalisation) zu können. Es kann daher schon ab September gesät und dann je nach Getreideart ab Juli des nächsten Jahres geerntet werden. Durch die längere Vegetationszeit und insbesondere die bessere Ausnutzung der Winterfeuchtigkeit und Frühlingswärme liegen die Erträge der Wintergetreidearten weit über denen der Sommerformen, was zur überwiegenden Verbreitung von Wintergetreide führte. Zudem ist eine frühere Ernte möglich. Winterroggen, Winterweizen, Wintergerste und Wintertriticale sind im mitteleuropäischen Raum die bedeutendsten Getreidearten. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zählte Emmer zu den häufig angebauten Wintergetreiden.

Sommergetreide

Sommergetreide benötigt im Gegensatz zum „Wintergetreide“ nur etwa ein halbes Jahr, bis es erntereif ist. Es wird ab März gesät und ab Juli geerntet. Saathafer, Mais und Sommergerste sind im mitteleuropäischen Raum die bedeutendsten Arten. Weniger relevant sind Sommerroggen und Sommerweizen. Vor der Verdrängung durch den Mais war Hirse ein wichtiges Sommergetreide.

Wachstumsstadien und Ernte

Die Wachstumsstadien von Getreidepflanzen sind in der sogenannten BBCH-Skala[7] ausführlich beschrieben. Damit ist eine weitgehend vereinheitlichte Beschreibung der Entwicklungsstadien von Pflanzen nach phänologischen Merkmalen und deren Codierung möglich. Dies macht einen Vergleich möglich. Die Skala unterscheidet 10 Makrostadien (Makrostadium 0 = Keimung bis Makrostadium 9 = Absterben), die weiter unterteilt sind in Mikrostadien, in denen eine genauere Differenzierung beschrieben wird. So werden in der Skala die Reifestufen des Korns unterschieden: (Mikrostadien in Klammern)

  1. Milchreife (73–77): aus dem Getreidekorn lässt sich durch Quetschen zwischen Zeigefinger und Daumen eine milchige Flüssigkeit herausdrücken. Während der Milchreife erreicht das noch grüne Korn seine endgültige Größe.
  2. Teigreife (83–85): die Substanz, die man noch immer herausdrücken kann, ist nicht mehr flüssig, sondern hat eine deutlich festere Konsistenz. Fingernageleindruck ist noch reversibel.
  3. Gelbreife (87): Das Getreidekorn ist hart und lässt sich nicht mehr ausdrücken, aber mit guten Zähnen zerbeißen. Fingernageleindruck ist irreversibel.
  4. Vollreife (89): Es erfolgt kein weiteres Wachstum. Das Getreidekorn ist reif. Es kann nur noch schwer mit dem Fingernagel gebrochen werden.
  5. Totreife (92): Der Wassergehalt hat soweit abgenommen, dass das Korn nicht mehr mit dem Fingernagel eingedrückt oder gebrochen werden kann.
  6. Notreife (nicht offiziell in der BBCH-Skala, entspricht aber etwa 93): Vorzeitiges Abreifen durch widrige Umstände – zum Beispiel durch Trockenstress. Wo normalerweise noch weitere Stärke u. a. eingelagert würden, wird nun stattdessen das Korn zur Abreife gebracht, da die Pflanze ausgeprägten Wassermangel hat.

Getreide wird in der Regel im Zustand der Voll- oder der Totreife geerntet. Drusch erfordert Totreife, die auch noch nach der Ernte erreicht wird. Eine Ernte mit Mähdreschern ist jedoch erst bei Totreife möglich.

In der Getreidefrucht sind auch im Zustand der Totreife nur Mehlkörper und Schale im biologischen Sinn tot. Sowohl Keimling als auch Aleuronschicht bestehen aus lebenden Zellen und atmen. Dies führt bei ca. 15 % Wassergehalt zu jährlichen Stärkeverlusten zwischen 0,25 % und 2 %.

Sorten

In Deutschland müssen Getreidesorten vom Bundessortenamt zugelassen werden. Die folgende Anzahl der Getreidesorten war 2009 bei den verschiedenen Getreidegattungen zugelassen.[8]

Weizen im Sack
In Deutschland zugelassene Getreidesorten (2013)
Getreideart Anzahl
Mais (Silonutzung, Reifegruppen früh bis spät) 206 Sorten
Mais (Körnernutzung, Reifegruppen früh bis spät) 148 Sorten
Winterweichweizen 115 Sorten
Sommergerste (zweizeilig) 60 Sorten
Wintergerste (zweizeilig) 40 Sorten
Wintergerste (mehrzeilig) 37 Sorten
Winterroggen 35 Sorten
Sommerhafer 32 Sorten
Wintertriticale 30 Sorten
Sommerweichweizen 20 Sorten
Winterspelz (Dinkel) 11 Sorten

Welthandel

2016 erwartet Russland, weltgrößter Exporteur, eine Rekordernte von 117 Mio. t Getreide (nach 105 Mio. t im Jahr 2015; seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion) von der im Jahr 2017 etwa 30–35 Mio. t exportiert werden sollen.[9]

Planetenanalogien und Wochentage

Das englische Saturday weist für Samstag auf den Saturn und den Mais.

Sonntag wird der Sonne zugeordnet. Aus spiritueller Sicht hat der lichtvolle Weizen von allen Getreidesorten den größten Bezug zur Sonne. Dieses Getreide wird für geistige Arbeit empfohlen.

Montag und der Mond sollen besinnlich und harmonisierend wirken – ganz wie der Reis.

Dienstag (französisch mardi) wird dem Mars zugeordnet. Der korrespondiert mit der kräftigenden Gerste. Die soll vor allem die Tatkraft anregen.

Mittwoch (mercredi) weist auf den Merkur hin. Das passende Getreide für den Götterboten ist die verbindende, wärmende Hirse.

Donnerstag (jeudi) stellt den Bezug zu Jupiter her. Großmut und Weisheit sollen hier walten. Da kommt der erdende Roggen genau richtig. Er verleiht Standfestigkeit und stärkt die Leber.

Freitag (vendredi) lässt die Venus erscheinen. Die Liebesgöttin schlägt die Brücke zum Hafer, der Substanz gebende Kräfte entfaltet. Hafer steigert die körperliche Leistungsfähigkeit und ist wichtig auch in der Rekonvaleszenz.

Bücher zu diesem Thema:

Geistige Bedeutung des Getreides

Rudolf Steiner beschreibt das Wohlgefühl, das der Astralleib der Erde empfindet, wenn das Getreide mit der Sense gemäht wird. Das Pflügen hingegen bereitet der Erde Schmerz, ähnlich wie die Mutter, die ein Kind gebiert, Schmerzen empfindet. Doch dieser Schmerz ist notwendig, damit das Leben auf Erden in Erscheinung treten kann.

„Wenn Sie also die einzelne Pflanze betrachten, dürfen Sie ihr nur zuschreiben die Eigenschaften eines physischen Leibes und eines Lebensleibes, nicht aber ein Bewußtsein als Einzelwesen. Aber die Pflanzen haben ein Bewußtsein, und das ist mit dem Bewußtsein der Erde verbunden, es ist ein Teil des Bewußtseins der Erde. Wie wir Menschen ein Bewußtsein haben, das Freudiges und Trauriges umspannt, und dies sich gegenseitig durchdringt, so durchdringen die einzelnen Astralleiber der Pflanzen den Astralleib der Erde, und die Pflanzen-Iche durchdringen den Mittelpunkt der Erde. Die lebende Pflanze nimmt im Organismus unserer Erde dieselbe Stellung ein wie die Milch im tierischen Organismus. Gleichgeartete astralische Kräfte liegen zugrunde, wenn die Pflanze aus der Erde sproßt, grünt und blüht, und wenn die Kuh Milch gibt. Wenn Sie eine Pflanze mit der Blüte abpflücken, so ist das für die Erde kein unangenehmes Gefühl. Die Erde hat ihren Astralleib und hat da ihre Empfindungen, und sie empfindet, wenn Sie eine Pflanze abpflücken, dasselbe, was die Kuh empfindet, wenn das Kalb die Milch saugt, sie hat eine Art Wohlgefühl. Wenn Sie das, was aus dem Erdboden herausgewachsen ist, entfernen, dann hat die Erde - nicht die einzelne Pflanze - ein Wohlgefühl. Wenn Sie dagegen die Pflanze mit der Wurzel herausreißen, dann ist das für die Erde so, wie wenn Sie dem Tiere Fleisch entreißen, sie hat eine Art von Schmerzgefühl.

Wenn wir uns da hinein vertiefen, aber nicht bloß in abstrakten Begriffen von Gruppen-Ichen, sondern so, daß wir die leeren abstrakten Begriffe verwandeln in Gefühle und Empfindungen, dann lernen wir mit den Vorgängen der Natur zu leben; unsere Naturbetrachtung wird lebendige Empfindung. Wenn wir dann im Herbst durch die Felder gehen und den Mann mit der Sense das Getreide mähen sehen, bekommen wir eine Ahnung davon, daß in demselben Maße, wie die Sense durch die Halme fährt und die Halme abschneidet, da über den Acker etwas wie geistige Winde Wohlgefühle hinhauchen. So ist es auch. Was der Hellseher im Astralleib der Erde sieht, ist der geistige Urgrund dessen, was eben geschildert worden ist. Für den, der in diese Dinge hineinsieht, ist das Mähen des Getreides nicht ein gleichgültiger Vorgang. So wie man bei einem Menschen bei dem einen oder anderen Erlebnis fühlt und sieht, daß astrale Gebilde von ganz bestimmter Art aufsteigen, so sieht man im Herbst über die Acker hinstreichen diese astralen Ausdrücke des Wohlgefühls der Erde. Anders ist es, wenn der Pflug Furchen durch die Erde zieht und die Wurzeln der Pflanzen umarbeitet. Das Durchfurchen mit dem Pflug macht der Erde Schmerz; da sehen wir herausdampfen Schmerzgefühle. Gegen das, was eben gesagt worden ist, könnte man sehr leicht einwenden, daß es doch unter Umständen besser sein würde, die Pflanzen mit der Wurzel aus der Erde herauszunehmen und umzusetzen, als wenn man über eine Wiese geht und aus Nichtsnutzigkeit alle möglichen Blumen abreißt. Ein solcher Einwand mag vom moralischen Standpunkt aus betrachtet durchaus zutreffen, aber hier liegt ein ganz anderer Standpunkt vor. Es könnte ja unter Umständen für einen Menschen, der eben anfängt grau zu werden, besser sein, sich die ersten grauen Haare auszureißen, wenn er dies aus ästhetischen Gründen richtig findet, aber weh tut es ihm darum doch. Es sind ganz andere Gesichtspunkte, wenn wir sagen: Das Abpflücken der Blüten tut der Erde wohl, und wenn wir die Pflanze mit der Wurzel ausgraben, tut es der Erde weh. [Lücke in den Nachschriften.] Das Leben tritt überhaupt durch den Schmerz in die Welt. Das Kind, das geboren wird, bereitet der gebärenden Mutter Schmerzen. Das ist ein Beispiel dafür, wie wir lernen müssen, in der Umwelt nicht nur zu erkennen, sondern uns einzufühlen in die Natur.“ (Lit.:GA 101, S. 201f)

„Die ganze Erde ist ein Organismus und die Pflanzen sind im buchstäblichen Sinne Glieder der Erde und gehören mit ihr zu einem gemeinschaftlichen Bewußtsein zusammen.

Und dasjenige, was daraus folgt, ist buchstäblich wahr: Wenn man Sie verletzt, wenn man in Ihr Fleisch schneidet, empfinden Sie Schmerz. In ähnlicher Weise kann unter gewissen Verhältnissen die ganze Erde Schmerz fühlen. Aber nicht kann die Erde Schmerz fühlen, wenn Sie zum Beispiel eine Pflanze oder eine Blüte abschneiden. Das würde der Erde keinen Schmerz machen. Das, was der Erde Schmerz macht, ist zu verstehen, wenn Sie eines wissen: Sie müssen sich die ganze Erde vorstellen wie einen einheitlichen Organismus und alle Pflanzen als Glieder dieses gemeinschaftlichen Organismus. Nun verhält sich das, was über der Erde ist an Pflanzen, zu der Erde ungefähr so, wie sich die Milch zum Menschen und zum Tier verhält. Wenn am Tiere, an der Kuh das Kalb saugt, so bedeutet das für die Kuh ein gewisses Wohlgefühl. Dieses selbe Gefühl hat die ganze Erde, wenn Sie eine Blüte oder Pflanze abschneiden. Denn das, was die Erde der Sonne zuschickt, was sie heraustreibt, ist in anderer Form dasselbe, was in der Milch lebt. Reißen Sie aber eine Pflanze mit der Wurzel heraus, so ist das genau so, wie wenn Sie ein Glied des Menschen herausreißen oder ihn ins Fleisch schneiden. Das ist etwas ganz anderes, was unsere Erde empfindet, wenn man eine Pflanze, die noch fest in der Erde wurzelt, abschneidet - da empfindet die Erde ein Wohlgefühl -, und etwas ganz anderes, wenn man eine Pflanze mit der Wurzel herausreißt. Nicht moralisch sollen Sie das beurteilen, sondern so, wie die Tatsachen liegen; und so liegen sie.

Nun versuchen Sie, solch eine Wahrheit nicht bloß zu denken, sondern zu empfinden! Sehen Sie, man empfindet sie so: Wenn man im Herbst draußen geht und sieht den Landmann mit der Sense das Getreide wegmähen, so empfindet einer, der weiß, um was es sich handelt im astralischen Leib der Erde, mit dem Wegmähen des Getreides etwas wie über die Erde hinziehende Gefühle wie von Wollust, von Freude, von Lust. In der Tat ist es für die ganze Erde ein Gefühl von Freude, wenn der Schnitter das Getreide bei der Ernte wegschneidet. So empfindet man, wenn man weiß, um was es sich handelt in der tierischen Gruppenseele, in der pflanzlichen Erdenseele, im Gruppen-Ich und Erden-Ich. So empfindet man in der hinziehenden Vogelschar die Weisheit, die weise Einrichtung der astralischen Wesenheiten, die diese Einrichtungen treffen. Man fühlt durch die Luft den Wind der Weisheit ziehen. Und wenn man weiß, daß es sich bei der Pflanze um die Erdenseele handelt, so fühlt man in allem, was mit der Pflanze geschieht, Empfindung und Gefühl. Weltengeist, sagt man, empfindet man im Umkreis der Erde, wenn man auf das Tier-Ich achtet; Weltenseele, das Gefühl der Natur, wenn man auf das Pflanzen-Ich achtet.“ (Lit.:GA 98, S. 119f)

Mit dem Verzehr des Getreides bzw. der Getreideprodukte ist ein mächtiger geistiger Prozess verbunden:

„Glauben Sie nur ja nicht, daß, wenn von einer Anzahl Getreidekörner soundsoviele verzehrt werden, während nur wenige sich wieder zur Ähre entwickeln können, daß da nichts vorgeht in der geistigen Welt! Während die Körner aufgezehrt werden, geht das Geistige, das mit den Getreidekörnern verbunden ist, in den Menschen über. Das zeigt sich am besten für den hellseherischen Blick, wenn er hinschaut auf ein Meer, wo soundsoviele Fischkeime enthalten sind, und beobachtet, wie wenige sich zu vollgültigen Fischen entwickeln. Diejenigen, die zu vollgültigen Fischen sich entwickeln, zeigen in ihrem Innern kleine Flämmchen, diejenigen aber, die sich physisch nicht entwickeln, die physisch in den Abgrund hinuntergehen, entwickeln mächtige Flammen-Lichtbildungen. Da ist das Geistige um so bedeutsamer. So ist es auch mit denjenigen Getreide- und Weizenkörnern, die gegessen werden. Das Materielle davon wird gegessen; indem es zermürbt wird, tritt aus diesen nicht zu ihrem Ziele gelangten Weizenkörnern heraus eine geistige Kraft, die unseren Umkreis erfüllt. Das ist für den Hellseher ebenso, wenn er einen Menschen ansieht, der Reis oder ähnliches ißt. Während der Mensch das Materielle in sich aufnimmt, mit sich vereinigt, sprühen in Strömen die geistigen Kräfte heraus, die mit dem Korne verbunden waren.“ (Lit.:GA 155, S. 47)

„Bei der Betrachtung eines Weizenfeldes lassen sich verschiedene Lichtspiele, die auch von der Tageszeit abhängig sind, beobachten. Das Getreide nimmt intensiv an Licht- und Wärmekräften teil.“
(Heinz Grill)

Aufgrund seiner Forschungen zur geistigen Dimension des Getreides kommt Heinz Grill zu der Aussage, dass mit dem Getreide dem Menschen ein ganz besonders wertvolles Nahrungsmittel gegeben ist. Es ist sogar mehr als nur ein Nahrungsmittel, das er als stoffliche Grundlage nehmen und zubereiten kann:[10]

„Die Nahrung ist ohne die kosmischen Einflüsse, die aus den Gestirnen herniederstrahlen, nicht denkbar. Das Getreide beschreibt ein Urbild eines Nahrungsmittels, das von einer göttlichen Hand gesegnet ist. In vielen Legenden und Überlieferungen wird vom segensreichen Getreide berichtet, das mit dem Menschen in einer ganz besonderen und inniglichen Verbindung lebt. Ein geistiges Geheimnis liegt im Wesen des Getreides. […]

Wie eine große, liebevolle Hand liegt über den Getreideähren eine übersinnliche Wesenheit. Diese ist für die hellsichtige Wahrnehmung erkennbar. Die reifen Samenfrüchte nehmen, wenn man es so ausdrückt, einen Funken göttlicher Liebe in sich auf. So ist das Getreide nicht nur die Nahrung für den Körper, sondern auch für den Geist. Diese Nahrung macht den Menschen zu einem Bürger der kosmischen und schließlich auch der geistigen Welten. Sie gibt Kraft zur freien Entfaltung des Empfindungslebens, zur Loslösung von aller Erdenschwere und Bindungen. Getreide gibt aber auch die Kraft zu Hingabe und Geben, sodass das menschliche Bewusstsein eines Tages die Grenze seiner eigenen Verhaftung und seines egoistischen Wollens durchbricht und sich einem größeren gesamten Ideal hinwendet. Das Getreide ist die beste Kraftnahrung für die sich weitende Seele und für den werdenden Geist.

Getreide ist deshalb so wichtig für den nach Selbstverwirklichung strebenden Menschen, weil mit diesem ein ganz spezifisches Kräftewirken in der Seele gefördert wird. Jene Eigenschaften des inneren Menschen werden durch die Getreidekost auf intensive Weise gefördert. Wer viel Getreide isst, gewinnt Erkenntniskräfte, Vertrauen in die eigenen Entscheidungen und Handlungen, Stärke in der Konzentrationsfähigkeit, Klarheit im Denken sowie auch physische Kräfte. Das Nervensystem wird durch Getreidekost ganz wesentlich gestärkt, ohne dass die Sensibilität herabgesetzt wird. Getreidenahrung steigert sogar die Empfindungsfähigkeit, während auf der anderen Seite auch stabile Tendenzen im Menschen aufgebaut werden.“

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Weblinks

Commons: Getreide - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema
 Wiktionary: Getreide – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
 Wikisource: Getreide – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. Vgl. Getreide bei Duden online
  2. E. Khlestkina, M. S. Röder, H. Grausgruber, A. Börner: A DNA fingerprinting-based taxonomic allocation of Kamut wheat. In: Plant Genetic Resources. 4, 2006, 172–180.
  3. Colin W. Wrigley, Harold Corke, Koushik Seetharaman, Jonathan Faubion: Encyclopedia of Food Grains. Volume One, Second Edition, Elsevier, 2016, ISBN 978-0-12-803537-5, S. 184–189.
  4. Hansjörg Küster: Am Anfang war das Korn: Eine andere Geschichte der Menschheit. C. H. Beck, 2013, ISBN 978-3-406-65217-2.
  5. Oldest Flour Ground 32,000 Years Ago auf seeker.com, abgerufen am 6. April 2017.
  6. Marta Mariotti Lippi u. a.: Multistep food plant processing at Grotta Paglicci (Southern Italy) around 32,600 cal B.P. In: PNAS. 112(39), 2015, S. 12075–12080.
  7. BBCH-Skala_deutsch.pdf, Gemeinschaftsarbeit der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA), des Bundessortenamtes (BSA) und des Industrieverbandes Agrar (IVA) unter Mitwirkung anderer Institutionen, siehe Seite 16 ff.
  8. Beschreibende Sortenliste Getreide 2013 des Bundessortenamtes (PDF; 11,7 MB)
  9. Russland erwartet Rekordgetreideernte orf.at, 8. November 2016, abgerufen 8. November 2016.
  10.  Heinz Grill: Ernährung und die gebende Kraft des Menschen. Die geistige Bedeutung der Nahrung. 9. Auflage. Stephan Wunderlich Verlag, Sigmaringen 2015, ISBN 978-3-9815855-2-0, S. 57–61.
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