Diskussion:Kausalität

Aus AnthroWiki

Bzgl. des Kausalbegriffs vs. Wahrscheinlichkeitsbegriffs

"Physiker sehen das gemeinhin kritischer, denn das physikalistische Kausalitätsprinzip versagt bereits auf der Ebene der kleinsten physikalisch fassbaren „Teilchen“, der Quanten. So zerfallen etwa radioaktive Stoffe spontan ohne erkannbare äußere Ursache."

Ich würde sagen, dass dieser Satz so nicht richtig ist. Meine Kritik soll hier selbstverständlich nicht anmaßend wirken, mir geht es hier vielmehr um die genaue Herausarbeitung des Kausalbegriffs, weil ich glaube, dass dies für die Anthroposophie essentiell ist. Deswegen hoffe ich, dass man es mir verzeihen kann, wenn ich hier so aus dem Nichts auftauche und hier konstruktive Kritik übe. Also ich glaube, dass hier Vorhersagbarkeit mit Kausalität verwechselt wird. Erstere ist für alle empirischen Sätze immer anzweifelbar. Bsp.: Wir können uns noch so sehr sicher sein, dass morgen die Sonne wieder aufgeht, zu 99,99%, dennoch haben alle empirischen Sätze den Charakter der Mindestwahrscheinlichkeit nicht (mehr) gültig zu sein, bspw. wenn unverhofft ein kosmisches Ereignis eintritt, dass den bisherigen Zustand auflöst.

Zunächst: Der Satz aus dem Artikel widerlegt natürlich nicht die Erfahrungstatsache, dass echte, reine Kausalität (transzendentale Kausalität, in der es wirklich Erstursachen gibt, die nicht selber wieder Wirkungen einer vorhergehenden Ursache sind) in der physisch-sinnlichen Welt nicht auffindbar ist (sondern nur Kausalschlüsse, die regressiv ins Unendliche führen). Daher, so glaube ich, würde ein Entfernen und Korrigieren dieses Satzes kein erheblicher Eingriff darstellen, sondern vielmehr zu einem besseren Verständnis des Kausalgesetzes führen und die Unterscheidung zwischen Vorhersagbarkeit und Kausalität.

Kurzum: Die Ursache (im physikalischen Sinne) für den radioaktiven Zerfall ist durchaus bekannt, und auch gut dokumentiert. Man muss sehr vorsichtig sein die Vorhersagbarkeit eines Ereignisses mit der Kausalbeziehung ("Welche Faktoren lösen den Zerfall aus?", "Unter welchen Bedingungen kommt es zum Zefall?") zu verwechseln. Ich versuche das kurz gegenüberzustellen:

Kausalität: Im Zusammenhang mit dem radioaktiven Zerfall bezieht sich die Kausalität auf die Tatsache, dass es eine Ursache für den Zerfall gibt, z. B. die Instabilität des Kerns aufgrund eines Ungleichgewichts im Verhältnis von Neutronen zu Protonen oder das Vorhandensein von überschüssiger Energie, die der Kern freisetzen will. Diese Ursache-Wirkungs-Beziehung verstößt nicht gegen die Grundsätze der Kausalität. Der Zerfallsprozess unterliegt also durchaus wohlverstandenen physikalischen Gesetzen, insbesondere denen der Quantenmechanik.

Vorhersagbarkeit: Der Aspekt der Unvorhersehbarkeit beim radioaktiven Zerfall ergibt sich aus dem probabilistischen Charakter der Quantenmechanik (den aber auch alle Empirie betrifft, nur bringt die Quantenmechanik diesen noch stärker zum Vorschein). Während wir die Zerfallswahrscheinlichkeit für eine große Anzahl von Atomen bestimmen können (ausgedrückt durch die Halbwertszeit der Substanz), ist es unmöglich, den genauen Zeitpunkt des Zerfalls eines bestimmten Atoms vorherzusagen. Nun wird aber fälschlich (oft auch von populärwissenschaftlicher Seite) Unvorhersehbarkeit oft als Verletzung der Kausalität missverstanden, ist aber in Wirklichkeit ein Merkmal der Funktionsweise der Quantenmechanik auf mikroskopischer Ebene. Der Zerfall wird nach wie vor durch die Faktoren verursacht, die den Kern instabil machen; nur der Zeitpunkt, zu dem ein bestimmter Kern zerfällt, lässt sich nicht genau vorhersagen. Um ein anderes Beispiel zu machen: Wann Person X wieder seine Arbeit an einem Buch aufnimmt ist schlechthin schwer oder gar fast unmöglich vorherzusagen. Person X könnte sich spontan erst nach dreißig Jahren entscheiden weiterzumachen oder seine Gedanken mit ins Grab nehmen. Wenn er aber in Tätigkeit kommt, das Buch weiterschreibt, können wir durchaus die Ursache dafür finden (z.B. weil Person X an einem Buchgeschäft vorbeilief und an sein Buch erinnert wurde oder dadurch spontan die Motivation empfand).

Der Anthroposophie würde dies kein Haar krümmen, denn die Vernunft nötigt uns (das Denken) weiterhin, dass wir eine Erstursache annehmen müssen (und das richtige Annehmen, richtige Denken ist bereits das Eintauchen ins Geistige). Durch das reine Denken, und damit der Imagination, Inspiration und Intuition wird man dies dann noch eindeutiger erkennen, dass die wahre Kausalität im Devachan liegt. Würde die physikalisch-sinnliche Kausalität verletzt werden, dann wäre auch die reine, transzendentale Kausalität im Devachan unmöglich und umgekehrt.

Korrigierend würde ich den Satz also folgendermaßen formulieren:

"Einem Irrtum unterliegt man aber, wenn man fälschlicherweise die Kausalität mit der Vorhersagbarkeit eines Ereignisses verwechselt. Während ersteres aus physikalischer Sicht, ebenso auch auf der Quantenebene, nach wie vor intakt bleibt, so ist letzteres stets zweifelhaft und nie wirklich mit Sicherheit vorhersagbar. Gemeinhin gilt das sogar für alle empirischen Sätze. Dass die Sonne untergeht, und morgen wieder aufgeht, ist zwar höchst wahrscheinlich, aber niemals wirklich sicher, denn ein kosmisches Ereignis könnte dem schnell ein Ende setzen. Vergleicht man dazu die Sätze a priori, wie die des Kausalgesetzes, so ist dort gar kein Zweifel dieser Art möglich. Der Kausalsatz, die Kategorie, ist daher bereits nicht mehr aus der sinnlichen, sondern der übersinnlichen Welt entnommen und nur unser Gegenstandsbewusstsein verdichtet diese reine Kausalität zu einem Verstandesgrundsatz (wodurch wir dann nur unendlich-regressive Kausalschlüsse in der Erscheinungswelt finden, und die wahren (Erst)Ursachen ausschließlich auf dem Devachan)."

Sollte es unklar sein, kann ich dazu gerne eine Skizze oder Diagramm anfertigen, um zu demonstrieren wie Kausalität in der sinnlichen Welt wirkt. Echte Ursachen gibt es auf dem sinnlichen nicht, sie sind immer nur Endwirkungen der Archetypen im Devachan. Wie seht ihr das?

--Astreos (Diskussion) 10:45, 7. Mär. 2024 (CET)

Grundsätzlich stimme ich dem zu! Kausalität und Vorhersagbarkeit sind zweifellos zwei Paar Schuhe. Auch der Formulierung, die du als Korrektur vorschlägst, stimme ich im Prinzip zu. Du schreibst auch ganz klar, dass die wahren (Erst)Ursachen nicht in der physischen Welt, sondern letztlich im Devachan zu suchen sind. Ich fürchte nur, dass die Mehrheit der Physiker das nicht so sehen werden, sondern von einer kausalen Geschlossenheit der physischen bzw. physikalischen Welt ausgehen und alle höheren Welten komplett ausgeblendet werden. Darum habe ich auch das Beispiel mit der Radioaktivität erwähnt, weil es dafür keine äußere, d.h. durch messbare reale physische Faktoren bedingte Wirkursache gibt, die unmittelbar jetzt und hier den Zerfall auslöst. Ein Problem habe ich auch mit dem Kausalgesetz als Satz apriori, quasi als einer Denknotwendigkeit, die bereits unverrückbar vor jeder Erfahrung gegeben sei. Das könnte doch zu stark als Kantianismus missverstanden werden. Tatsächlich handelt es sich hier aber um eine geistige Erfahrung, die zunächst durch das Denken gewonnen wird.

Wolfgang Peter (Diskussion) 21:00, 7. Mär. 2024 (CET)

Hallo, Wolfgang! Vielen Dank für Deine Antwort. Wenn das natürlich so in Ordnung geht, sollten wir den Zusatz mit dem "a priori" weglassen. Ich will hier ja auch nicht das Wiki mit meinen persönlichen Theorien verunglimpfen. Den Unterschied zwischen Kausalität und Vorhersagbarkeit sollten wir aber definitiv hervorheben. Was das a priori angeht, da wird Kant ja häufig missverstanden (womit aber Kant auch selbst eine gewisse Mitschuld trägt, wenn man seinen etwas... gewöhnungsbedürftigen Schreibstil betrachtet). Kant spielt mit dem a priori (praktische Vernunft) darauf an, dass das Kausalgesetz bereits als ursprüngliche, latente und verborgene (Ur-)Vorstellung im Erkenntnisorganismus (Kant nennt es "reine Vernunft") enthalten ist. Damit sagt Kant aber tatsächlich nicht, dass wir dieses Gesetz nicht erst kennenlernen und entdecken müssen (also so, wie man klassisch "erfahren" versteht). Das heißt was Steiner als "geistige Erfahrung" bezeichnet, nennt Kant "apriorische Begriffsbildung" im Sinne von Erkenntniserweiterung (daher auch synthetisch a priori) von etwas, das im Ich bereits latent, unbekannt verborgen liegt bis es durch das Denken entdeckt wird. Kant macht diesen Hinweis nur sehr subtil deutlich: Das Kausalgesetz ist uns nicht sinnlich-physisch angeboren (im Sinne von vererbt oder genetisch bedingt), sondern gehört dem immateriellen Erkenntnisorganismus (dem "Ich") an. Damit deutet Kant an, dass wenn das Ich unabhängig vom physischen Leib existiert, dieses Ich ganz bestimmte ursprüngliche Vorstellungen in sich hat, die es mit sich trägt. Steiner gibt da interessanterweise auch eine Begründung dazu, nämlich, dass das a priori aus vergangenen Leben stammen könnte, d.h. vorgeburtlich. Der Unterschied hier jedoch ist: Kant sieht das Ich als absolut, d.h. er geht davon aus, dass diese Funktionen im Ich überzeitlich und überräumlich vorhanden sind (also "ewig" sind), sozusagen Teil einer Art geistigen Organismus sind, so wie die Leber das Organ des physischen Leibes ist, so wäre dann das Kausalgesetz ein immaterielles Organon des Ichs. Stirbt also der physische Leib, so muss nach Kants Argumentation (praktische Vernunft) das immaterielle Ich weiterexistieren, zusammen mit dem Kausalgesetz als dessen Organon. Das Problem, das ich mit Kant tatsächlich habe ist, dass er die reine Kategorie (also eben die Idee der Kausalität, als die transzendentale, unbedingte Ursache, die "Erstursache") als "leer" bezeichnet (da sie, laut Kant, "nur" gedacht werden kann ohne sinnlichen Bezug), ebenso auch die Anschauungsformen von Raum und Zeit, wenn keine Empfindungen in ihnen auftreten. Astreos (Diskussion) 10:16, 14. Mär. 2024 (CET)

Kausalität wird heute von den meisten Physikern hinsichtlich der Atomphysik als Vorhersagbarkeit, also statistisch verstanden!--Michael.heinen-anders (Diskussion) 07:46, 9. Mär. 2024 (CET)

Hallo Michael! Vielen Dank für Deine Antwort. Worauf beziehst du dich da genau? Sollte dem natürlich so sein, dann verstehen die Physiker den Begriff allerdings falsch bzw. verwischen dessen genauere Bedeutung. Dialektische Verwischungen dieser Art sind aber in der modernen Naturwissenschaft leider nicht mehr unüblich, besonders wenn ja die Argumente ausgehen. Wenn man sich z.B. mal den von Daniel Dennett entworfenen Qualiaeliminativismus anschaut, sieht man deutlich was ich meine. Statt das Qualia-Problem zu lösen, wird es eben einfach "eliminiert" und ignoriert (als "Überbleibsel der Vergangenheit" abgetan), oder man erkünstelt Begriffe, die dialektisch so raffiniert sind, dass man nur bei genauerem Nachdenken auf den Fehler kommt. Astreos (Diskussion) 10:16, 14. Mär. 2024 (CET)