Nozizeptor

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Ein aus einer freien Nervenendigung gebildeter Nozizeptor

Nozizeptoren (von lat. nocere, „schaden“) oder Nozisensoren bestehen aus freien sensorischen Nervenendigungen, die durch Gewebeschädigungen und Verletzungen erregt werden und in der Regel eine Schmerzempfindung bewirken, die durch den Schmerz- oder Lebenssinn wahrgenommen wird (Nozizeption).

Der Begriff „Nozizeptor“ wurde 1906 von dem britischen Physiologen Charles Scott Sherrington (1857-1952) geprägt. Da ein Nozizeptor keiner spezialisierten Rezeptoren bedarf, um solche Schädigungen wahrzunehmen, ist es falsch, ihn als „Nozirezeptor“ zu bezeichnen. Sie sind damit zugleich die einfachsten organischen Strukturen, die ein - allerdings noch sehr undifferenziertes - Bewusstsein vermitteln.

Aufbau und Funktionalität

Die Nozizeptoren sind am Ende verzweigt, von Schwann-Zellen umhüllt und mit zahlreichen blasenartigen Auftreibungen (lat. Varikositäten) versehen, die teilweise in die Epidermis vordringen und meist in der Nähe von Blutgefäßen und Mastzellen liegen, welche die für das Immunsystem wichtigen Botenstoffe wie Histamin und Heparin speichern.

Nach ihrem Ansprechverhalten können verschiedene Arten von Nozizeptoren unterschieden werden:

  • Mechanonozizeptoren reagieren nur auf mechanische Reize (z.B. Druck).
  • Polymodale Nozizeptoren reagieren auf mechanische, thermische und chemische Reize.
  • Stumme Nozizeptoren sind im gesunden Gewebe nicht erregbar, doch wird ihre Reizschwelle durch Entzündungen stark herabgesetzt.

Abhängig von der Beschaffenheit der Nervenfasern entstehen unterschiedliche Schmerzempfindungen. Die dickeren, myelinisierten Aδ-Fasern mit einem Durchmesser von ca. 2-5 μm und einer hohen Nervenleitungsgeschwindigkeit von 10-30 m/s vermitteln anfangs einen hellen, scharfen Schmerz. Der sich danach einstellende dumpfe, hintergründige Schmerz wird durch die etwa 0,2 bis 1,5 µm dünnen, nicht myelinisierten C-Fasern mit einer Nervenleitgeschwindigkeit unter 2 m/s übermittelt[1].

Nozizeptoren sind in nahezu allen Geweben des Körpers zu finden. Die Dichte der in der Dermis (Lederhaut, lat. Corium) relativ gleichmäßig verteilten Nozizeptoren ist beim Menschen sogar größer als die aller anderen Sensoren in der Haut. Es gibt sie in den Muskel, teilweise auch in den Eingeweiden. Ausgenommen sind nur schmerzunempfindliche Organe wie das Gehirn bzw. die funktionellen Gewebe von Leber, Lunge und Lungenfell, Nieren, Nebennieren, Milz, Gebärmutter, Eierstöcke und Hoden, die Bauchspeicheldrüse und die Schilddrüse, Knorpel, Bandscheiben, Wirbel (ausgenommen das hintere Viertel) und die Innenauskleidung der Gelenkhöhlen (membrana synovialis), der Zahnschmelz, die Retina, der Glaskörper und die Linse des Auges und noch einige andere Gewebe.

Schmerz als elementare Grundlage des Bewusstseins

Hauptartikel: Schmerz

Rudolf Steiner hat darauf hingewiesen, dass Schmerz die elementare Grundlage des Bewusstseins bildet.

„Das Bewußtsein innerhalb der Materie wird also aus dem Leide, aus dem Schmerz geboren.

Wenn wir diesen Zusammenhang zwischen Leid und Schmerz und dem bewußten Geist, der uns umgibt, einsehen, dann verstehen wir wohl auch ein Wort eines christlichen Eingeweihten, der solche Dinge gründlich intuitiv wußte und auf dem Grunde von allem bewußten Leben den Schmerz sah, das Wort: «In aller Natur seufzet jede Kreatur in Schmerzen, erwartungsvoll, die Gotteskindschafl: zu erlangen.» Das finden Sie im 8.Kapitel des Paulus, als eine wunderbare Ausprägung dieser Grundlage des Bewußtseins im Schmerz. So kann man es auch verstehen, wie bedeutende, sinnige Menschen dem Schmerze eine so große, umfassende Rolle zugeschrieben haben. Nur ein Beispiel möchte ich hier anführen. Ein großer deutscher Philosoph sagt, wenn man die ganze Natur um sich herum ansieht, so erscheint einem überall auf ihrem Antlitz der Schmerz, das Leid ausgedrückt, ja, wenn man die höheren Tiere ansieht, so zeigen sie dem tiefer Blickenden einen leidensvollen Ausdruck. Und wer wollte nicht zugeben, daß manche Tierphysiognomie aussieht wie der Ausdruck eines tief verhaltenen Schmerzes? Wenn wir die Sache so ansehen, wie wir das eben angedeutet haben, dann sehen wir die Entstehung des Bewußtseins aus dem Schmerze, so daß das Wesen, das aus der Zerstörung heraus Bewußtsein bildet, aus dem Verfall des Lebens heraus ein Höheres erstehen läßt, aus dem Tode heraus fortwährend sich selbst erschafft. Wenn das Lebendige nicht leiden könnte, niemals konnte das Bewußtsein entstehen. Wenn der Tod nicht in der Welt wäre, niemals könnte in der sichtbaren Welt der Geist existieren. Das ist die Stärke des Geistes, daß er die Zerstörung in etwas noch Höheres, als das Leben ist, umschafft und so mitten im Leben ein Höheres, ein Bewußtsein bildet. Immer weiter und weiter sehen wir dann die verschiedenen Schmerzerlebnisse zu den Organen des Bewußtseins sich entwickeln. Man sieht es schon bei den Tieren, die zur Abwehr nach außen nur ein Reflexbewußtsein haben, ähnlich wie der Mensch, wenn Gefahr für das Auge besteht, dasselbe schließt. Wenn die Reflexbewegung nicht mehr genügt, das innere Leben zu schonen, wenn der Reiz zu stark wird, so erhebt sich die innere Widerstandskraft und gebiert die Sinne, die Empfindung, Auge und Ohr. Sie wissen vielleicht aus mancher unliebsamen Erfahrung heraus, vielleicht auch instinktiv, daß die Sache so ist. Ja, Sie wissen aus einer höheren Stufe Ihres Bewußtseins ganz genau, daß das, was jetzt gesagt worden ist, eine Wahrheit ist. Ein Beispiel wird die Sache noch verdeutlichen. Wann fühlen Sie gewisse innere Organe Ihres Organismus? Sie gehen durchs Leben und fühlen weder Ihren Magen, noch Ihre Leber, noch Ihre Lunge, Sie fühlen keines Ihrer Organe, solange sie gesund sind. Sie fühlen sie nur dann, wenn sie Sie schmerzen, und Sie wissen eigentlich erst, daß Sie dieses oder jenes Organ haben, wenn es Sie schmerzt, wenn Sie empfinden, daß da etwas nicht in Ordnung ist, daß ein Zerstörungsprozeß beginnt.

Wenn wir dieses Beispiel, diese Erklärung nehmen, dann sehen wir, daß aus dem Schmerz fortwährend bewußtes Leben geboren wird. Tritt der Schmerz zum Leben, so gebiert er die Empfindung und das Bewußtsein. Dieses Gebären, dieses Hervorbringen eines Höheren, spiegelt sich wiederum im Bewußtsein als die Lust, und es gab nie eine Lust, ohne daß es vorher einen Schmerz gegeben hätte. Unten in dem Leben, das sich eben aus der physischen Materie heraus erhebt, gibt es noch keine Lust. Wenn aber der Schmerz Bewußtsein hat erstehen lassen und als Bewußtsein schöpferisch weiterwirkt, dann ist diese Schöpfung auf einer höheren Stufe und drückt sich im Gefühle der Lust aus. Dem Schaffen liegt die Lust zugrunde. Lust kann nur da sein, wo innerliches oder äußerliches Schaffen möglich ist. Irgendwie liegt einer jeden Lust das Schaffen zugrunde, wie jeder Unlust die Notwendigkeit des Schaffens zugrunde liegt. Nehmen Sie etwas, was auf niederer Stufe das Leid charakterisieren kann, zum Beispiel das Gefühl des Hungers, der das Leben zerstören kann. Dem treten Sie mit der Nahrung entgegen. Die Nahrungsaufnahme wird zum Genuß, weil die Nahrung in der Lage ist, in eine Lebenssteigerung, in eine Lebensproduktion überzugehen. So sehen Sie, daß auf Grundlage des Schmerzes höheres Schaffen, Lust entsteht. Eher als die Lust ist also das Leid.“ (Lit.:GA 55, S. 81ff)

Siehe auch

Literatur

  • Johannes W. Rohen: Funktionelle Neuroanatomie: Lehrbuch und Atlas, Schattauer, F.K. Verlag 2001, ISBN 978-3794521289
  • Johannes W. Rohen: Eine funktionelle und spirituelle Anthropologie: unter Einbeziehung der Menschenkunde Rudolf Steiners, 1. Aufl., Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2009, ISBN 978-3772520983
  • Johannes W. Rohen: Morphologie des menschlichen Organismus, 4. Aufl., Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2016, ISBN 978-3772519987
  • Rudolf Steiner: Die Erkenntnis des Übersinnlichen in unserer Zeit, GA 55 (1983) pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
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Einzelnachweise

  1. Nozizeptor - Artikel im DocCheck Flexikon , abgerufen am 16. Juni 2016.