Philipp Hübl

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Philipp Hübl (2017)

Philipp Hübl (* 21. November 1975 in Hannover) ist ein deutscher Philosoph und Autor. Er war von 2012 bis 2018 Junior-Professor für Theoretische Philosophie an der Universität Stuttgart. Zuvor hat er Philosophie an der RWTH Aachen und an der Humboldt-Universität zu Berlin gelehrt.

Leben

Hübl studierte Philosophie und Sprachwissenschaft in Berlin, Berkeley, New York und Oxford. Er wurde 2010 bei Geert Keil an der Humboldt-Universität zu Berlin mit einer Arbeit zu „Action and Consciousness“ promoviert.[1]

Hübl forscht in der Philosophie des Geistes, Handlungstheorie, Sprachphilosophie, Metaphysik und Wissenschaftstheorie. Seit 2017 schreibt er die Kolumne „Hübls Aufklärung“ im Philosophie Magazin.

Philipp Hübl ist der Sohn des Wirtschaftswissenschaftlers Lothar Hübl (* 1941) und hat zwei Brüder.

Werke

Im Jahr 2012 erschien sein erstes Buch Folge dem weißen Kaninchen.[2] Darin führt er in die moderne Philosophie ein und gibt klare Antworten auf grundlegende Fragen des Lebens wie: Kann man ohne Gefühle leben? Was ist Bewusstsein? Hat der Tod einen Sinn? Das Buch war über ein Jahr auf der Spiegel-Bestsellerliste,[3] wurde in mehrere Sprachen übersetzt und mit dem Mindelheimer Philosophiepreis ausgezeichnet.[4]

Im Jahr 2015 erschien sein Buch Der Untergrund des Denkens: Eine Philosophie des Unbewussten bei Rowohlt.[5] Darin legt Hübl eine grundlegende philosophische Analyse unbewusster Vorgänge vor. Er hält die These von der Macht des Unbewussten für einen Mythos und argumentiert dafür, dass Vernunft und kontrollierte Aufmerksamkeit uns vor Manipulation schützen.[6]

In seinem 2018 erschienenen Essay Bullshit-Resistenz, der in der Reihe Tugenden für das 21. Jahrhundert veröffentlicht wurde, betont Hübl die Plicht zum kritischen Denken, um Wahrheit von Unwahrheiten zu unterscheiden und so den allgegenwärtigen Verschwörungstheorien und Fake News etwas entgegenzusetzen.[7][8] Auch warnt er vor Stammesdenken, also dem blinden Folgen aller Positionen der jeweiligen eigenen politischen Verortung.[7]

Im Frühjahr 2019 erschien Hübls Buch Die aufgeregte Gesellschaft: Wie Emotionen unsere Moral prägen und die Polarisierung verstärken. Darin setzt Hübl sich mit der Frage auseinander, wie Persönlichkeitseigenschaften bestimmte Emotionen bedingen, die wiederum Einfluss auf moralische Einstellungen und somit auch politische Präferenzen haben.[9] Er nutzt Erkenntnisse der Moralpsychologie, um die fortschreitende Polarisierung in Politik und Gesellschaft zu erklären.[10]

Positionen

Fake News und Bullshit

Bei den Römerberggesprächen 2017 in Frankfurt vertrat Hübl die These, dass nicht unser Zeitalter postfaktisch ist, sondern vielmehr der Denkstil einer bestimmten sozialen Gruppe, die vor allem im rechtsradikalen Lager anzufinden sei.[11] Die Produktion von Fake News und der Vorwurf der Lügenpresse seien „zwei Seiten derselben Medaille“, denn beide Manöver seien „von dem Wunsch gesteuert, dass die Welt zur eigenen normativen Auffassung passen möge. Wenn das nicht der Fall ist, hat man zwei Möglichkeiten, um eine kognitive Dissonanz, also eine innere Spannung zu vermeiden: die eigenen Auffassungen revidieren oder die Welt umdeuten.“[12] Menschen mit einem „intuitiven Denkstil“ würden eher die zweite Option wählen.[13]

Rechtsruck

Aufbauend auf empirischen Studien hält Hübl den rechtsradikalen Denkstil für eine Extremform des konservativen Denkstils, bei dem Autorität, Loyalität und Ekel eine Rolle spielen. „Dort verwandeln sich Loyalität und Tribalismus in eine Treue zu ‚Blut und Boden’ und damit zur Fremdenfeindlichkeit. Der Wunsch nach Autorität und Struktur schlägt um in eine Sehnsucht nach dem autokratischen Führer, der richtig aufräumt – zur Not auf Kosten der Demokratie. Die Präferenz für Reinheit ist zur Abscheu gesteigert: Homosexualität gilt als ‚widerlich’, ebenso unklare Geschlechterrollen oder ‚linksgrünversifftes’ Gedankengut. Die ‚Wutbürger’ sind also tatsächlich ‚Ekelbürger’.“[14] Die Ekel-Disposition mache Menschen „zu Traditionalisten. So scheuen Konservative ganz allgemein vor Neuem zurück; sie reagieren selten positiv auf überraschende Stimuli, wollen lieber Ordnung und Vertrautheit im Leben. Bei Progressiven hingegen ist die Neigung zum Ekel deutlich schwächer ausgeprägt: Sie benötigen dementsprechend weniger Struktur und Ordnung im Leben, schätzen Individualität, Kreativität und neue Eindrücke.“[15]

Gott und Religion

Hübl ist bekennender Atheist.[16] Er argumentiert gegen die These, die „westlichen Werte“ würden aus dem Christentum entspringen. „Unsere Vorstellungen von Demokratie, Meinungsfreiheit oder der Gleichstellung von Mann und Frau stammen nicht aus der Bibel, sondern aus dem Humanismus, der Aufklärung und aus späteren Freiheitsbewegungen. Demokratie und Gleichberechtigung sind den meisten Religionen fremd.“[17]

Hass und Gewalt im Netz

Hübl zufolge befinden sich die Deutschen nicht in einer „moralischen Orientierungslosigkeit“[18], vielmehr ist „Die Kriminalitätsrate vor allem von Kapitalstraftaten ... nach dem Zweiten Weltkrieg bis heute kontinuierlich gesunken“. Allerdings habe sich die Sichtbarkeit von Unzufriedenheit und Hass durch die sozialen Netze erhöht.[19]

Intuitionen

Hübl kritisiert die verbreitete Annahme, man soll sich bei Entscheidungen auf seinen Bauch oder seine Intuition verlassen.[20] „Es gibt mittlerweile sehr viel empirisches Wissen aus der Psychologie und Neurowissenschaft, das auch in anderen Fächern und in den Medien lebhaft diskutiert wird – besonders steile Thesen wie die, dass der freie Wille eine Illusion sei. Und viele Menschen empfinden unsere rationale Kultur als kalt und anstrengend. Daher wirken Botschaften wie die, man könne einfach auf seinen Bauch hören, tröstlich. Doch das wäre unklug. Denn vorher muss man noch eine andere Frage beantworten: Habe ich gute Gründe, in diesem Moment auf meinen Bauch zu hören? Oder leiten mich meine Gefühle vielleicht in die Irre? Diese Entscheidung lässt sich nur auf eine reflektierte, vernünftige Weise treffen.“[21]

Aufmerksamkeit und Vernunft

Hübl vertritt die These, dass aktive Aufmerksamkeit der Schlüssel zum Verständnis von menschlicher Autonomie und Vernunft ist: „Kontrollierbares Handeln: Beim Handeln sind wir frei in unseren Entscheidungen, auch wenn wir uns manchmal über den Einfluss täuschen, den wir auf die Welt haben. Unser Handlungserleben ist keine Illusion. Die meisten Vorgänge in unserem Körper laufen zwar automatisch ab, aber wir können in sie eingreifen und sie kontrollieren. Manchmal lassen wir unbewusste Prozesse wohlüberlegt für uns arbeiten. Ein Beispiel dafür ist Kreativität. Konzentrierte Vernunft: Wir sind zwar die Hälfte unseres wachen Lebens zerstreut und hängen Tagträumen nach, doch wenn es darauf ankommt, haben wir mentale Autonomie. Unsere Aufmerksamkeit können wir wie einen Muskel trainieren, was uns erfolgreicher und zufriedener im Leben macht. Wir haben zudem die Fähigkeit, uns die Grundprinzipien der Vernunft zu vergegenwärtigen, indem wir unser Denken selbstbezüglich auf uns richten. So schützen wir uns gegen Aberglauben, Propaganda, Werbung und Pseudowissenschaft und stellen unser Denken auf Langfristigkeit ein.“[22]

Engagement und Medien

Als Mitglied im Think Tank 30 des Club of Rome schlug Hübl mit Andreas Barthelmess eine Neugliederung des Bundesgebiets vor, die nur noch sechs Bundesländer vorsieht.[23] Mit Mitgliedern des Think Tank 30 hat er einen offenen Brief an den damaligen iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadineschad geschrieben, in dem sie ihn zu einem Dialog mit dem Westen auffordern.[24]

Hübl setzt sich für die vollständige Gleichstellung der Homo-Ehe ein.[25]

Im 3sat-Magazin Kulturzeit erörterte Hübl Ende März 2020 in der Reihe Philosophisches Corona Tagebuch philosophische Fragen anlässlich der "Corona-Krise".[26]

Publikationen

Bücher

  • Philipp Hübl, Folge dem weißen Kaninchen ... in die Welt der Philosophie, 2012, Reinbek: Rowohlt, ISBN 978-3499624797
  • Philipp Hübl, Der Untergrund des Denkens. Eine Philosophie des Unbewussten, 2015, Reinbek: Rowohlt, ISBN 978-3498028114
  • Philipp Hübl, Bullshit-Resistenz. Tugenden für das 21. Jahrhundert, 2018, Berlin: Nicolai Publishing & Intelligence GmbH, ISBN 978-3964760098
  • Philipp Hübl, Die aufgeregte Gesellschaft: Wie Emotionen unsere Moral prägen und die Polarisierung verstärken, 2019, München: C. Bertelsmann Verlag, ISBN 978-3570103623

Artikel, Interviews, Vorträge (Auswahl)

Video

Siehe auch

Weblinks

Commons: Philipp Hübl – Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema

Einzelnachweise

  1. Archivierte Kopie (Memento vom 6. März 2016 im Internet Archive) i Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft (bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis)
  2. https://www.rowohlt.de/taschenbuch/philipp-huebl-folge-dem-weissen-kaninchen.html
  3. https://www.buchreport.de/bestseller/buch/isbn/9783499624797.htm
  4. http://www.augsburger-allgemeine.de/mindelheim/Preisvergabe-schlaegt-Wellen-id24803351.html
  5. https://www.rowohlt.de/hardcover/philipp-huebl-der-untergrund-des-denkens.html
  6. https://www.podcast.de/episode/275818033/Mitbestimmend%253F%2B-%2Bdas%2BUnbewusste/
  7. 7,0 7,1 Jobst: Bullshit-Resistenz ist Kardinaltugend: Sagt Fake News den Kampf an! In: Focus. 2. Februar 2019, abgerufen am 17. April 2019.
  8. Steve Ayan: Vom Guten und Wahren: Eine neue siebenteilige Essayreihe soll uns fürs moderne Leben wappnen. In: Spektrum. 21. März 2019, abgerufen am 17. April 2019.
  9. Simone Miller: Philipp Hübl über „Die aufgeregte Gesellschaft“ - Bestimmen Gefühle unsere Weltanschauung? In: Deutschlandfunk Kultur. 24. März 2019, abgerufen am 17. April 2019 (deutsch).
  10. Philipp Hübl im Interview mit Jakob Simmank: "Wer sich stark ekelt, wählt eher konservativ". Die Zeit, 26. August 2019, abgerufen am 17. April 2020.
  11. Archivierte Kopie (Memento vom 11. November 2017 im Internet Archive) i Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft (bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis)
  12. Fabio Bacigalupo: Die Ohnmacht der Aufklärung - Eine Intervention der Römerberggespräche: MP3 online hören - hr2 Kulturszene Hessen - Audio 336446513. Abgerufen am 10. November 2017.
  13. Philosophie Magazin
  14.  Philipp Hübl: Was Progressive und Konservative unterscheidet, sind ihre Gefühle | NZZ. In: Neue Zürcher Zeitung. 29. Mai 2017, ISSN 0376-6829 (https://www.nzz.ch/feuilleton/politik-und-psychologie-mitgefuehl-oder-ekel-progressiv-oder-konservativ-ld.1297970).
  15.  Philipp Hübl: Was Progressive und Konservative unterscheidet, sind ihre Gefühle | NZZ. In: Neue Zürcher Zeitung. 29. Mai 2017, ISSN 0376-6829 (https://www.nzz.ch/feuilleton/politik-und-psychologie-mitgefuehl-oder-ekel-progressiv-oder-konservativ-ld.1297970).
  16. Die Gretchenfrage. Zwei Philosophen streiten sich über Gott. Schweizer Radio und Fernsehen SRF, 11. Oktober 2015, abgerufen am 10. November 2017 (Schweizer Hochdeutsch).
  17. Hübl, Philipp: Folge dem weißen Kaninchen ... in die Welt der Philosophie, 2012, Reinbek: Rowohlt, S. 104
  18. Philosophie Magazin Nr. 3, 2017, S. 54
  19.  Fake News in Sozialen Netzwerken. (https://www.zdf.de/nachrichten/zdf-morgenmagazin/fake-news-102.html). Fake News in Sozialen Netzwerken (Memento vom 10. November 2017 im Internet Archive) i Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft (bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis)
  20. Kulturzeit-Gespräch mit Philipp Hübl. In: 3sat. 6. April 2016, abgerufen am 15. April 2019.
  21. Jens Bergmann: Philipp Hübl im Interview: „Sind die Signale die richtigen?“ In: brand eins. 2016, abgerufen am 15. April 2019.
  22. Philipp Hübl, Der Untergrund des Denkens. Eine Philosophie des Unbewussten, 2012, Reinbek: Rowohlt, S. 367
  23. Andreas Barthelmess, Philipp Hübl: Länder-Neuordnung: Plädoyer für die starken Sechs. In: Spiegel Online. 15. Dezember 2006, abgerufen am 10. Juni 2018.
  24. Philipp Hübl, Andreas Barthelmess, Stefan Börnchen, Julian Hanich: Ihre Widersprüche, Herr Präsident. In: TAZ. 31. Mai 2006, abgerufen am 15. April 2019.
  25. Prominente für die Homo-Ehe: Die Liste der Unterzeichner. In: Spiegel Online. 13. Mai 2013, abgerufen am 10. Juni 2018.
  26. Jessica Zobel: Erstausstrahlungen. ZDF/3sat-Pressestelle, 24. März 2020 .
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