Zentralverwaltungswirtschaft

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Die Zentralverwaltungswirtschaft, auch Zentralwirtschaft oder Planwirtschaft gennant, wird im Gegensatz zur Marktwirtschaft von einer zentralen wirtschaftlichen oder staatlichen Verwaltungsstelle geleitet, die alle wichtigen Entscheidungen bezüglich der Produktion und der Verteilung von Produktionsmitteln, Kapital, Arbeit und Grund und Boden trifft. Aufgrund der praktisch unüberschaubaren Größe und dem daraus resultierenden überbordenden Bürokratismus und der mangelnden Eigenverantwortung ist eine zentral gesteuerte Planwirtschaft in der Regel zu schwerfällig und zu wenig innovativ, um die wirtschaftlichen Bedürfnisse einer gegebenen sozialen Gemeinschaft dauerhaft erfüllen zu können. Das gilt umso mehr, wenn die zentrale Lenkung nicht nach wirtschaftlichen Kriterien, sondern durch staatliche Lebnkung erfolgt, wie die Erfahrungen mit dem realen Staatssozialismus deutlich gezeigt haben.

"Aber sehen Sie, dabei übersieht man, daß es unmöglich ist, einen Wirtschaftskörper, wenn er über eine bestimmte Größe hinausgeht und zu verschiedene Wirtschaftszweige umfaßt, zentralistisch zu verwalten." (Lit.: GA 331, S. 170)

Rudolf Steiner hat in seinen Ausführungen zur Dreigliederung des sozialen Organismus die Bildung dezentraler branchenübergreifender wirtschaftlicher Assoziationen von überschaubarer Größe vorgeschlagen, in denen Produzenten, Handelstreibende und Konsumenten gemeinsam in freier Übereinkunft die realen Konsumbedürfnisse erheben, eine entsprechende Warenproduktion anregen und für eine angemessene, sozial verträgliche Preisbildung sorgen. Dadurch werden auch die Mängel einer den Zufälligkeiten des Marktes ausgelieferten reinen Marktwirtschaft umgangen.

"Das Wirtschaftsleben strebt darnach, sich aus seinen eigenen Kräften heraus unabhängig von Staatseinrichtungen, aber auch von staatlicher Denkweise zu gestalten. Es wird dies nur können, wenn sich, nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten, Assoziationen bilden, die aus Kreisen von Konsumenten, von Handeltreibenden und Produzenten sich zusammenschließen. Durch die Verhältnisse des Lebens wird der Umfang solcher Assoziationen sich von selbst regeln. Zu kleine Assoziationen würden zu kostspielig, zu große wirtschaftlich zu unübersichtlich arbeiten. Jede Assoziation wird zu der andern aus den Lebensbedürfnissen heraus den Weg zum geregelten Verkehr finden. Man braucht nicht besorgt zu sein, daß derjenige, der sein Leben in reger Ortsveränderung zuzubringen hat, durch solche Assoziationen eingeengt sein werde. Er wird den Übergang von der einen in die andere leicht finden, wenn nicht staatliche Organisation, sondern wirtschaftliche Interessen den Übergang bewirken werden. Es sind Einrichtungen innerhalb eines solchen assoziativen Wesens denkbar, die mit der Leichtigkeit des Geldverkehrs wirken.

Innerhalb einer Assoziation kann aus Fachkenntnis und Sachlichkeit eine weitgehende Harmonie der Interessen herrschen. Nicht Gesetze regeln die Erzeugung, die Zirkulation und den Verbrauch der Güter, sondern die Menschen aus ihrer unmittelbaren Einsicht und ihrem Interesse heraus. Durch ihr Drinnenstehen im assoziativen Leben können die Menschen diese notwendige Einsicht haben; dadurch, daß Interesse mit Interesse sich vertragsmäßig ausgleichen muß, werden die Güter in ihren entsprechenden Werten zirkulieren." (Lit.: GA 023, S. 16f)

"Assoziationen innerhalb einer Branche gibt es nicht, denn das sind keine Assoziationen, sondern Assoziationen gehen von Branche zu Branche, gehen vor allen Dingen auch von den Produzenten zu den Konsumenten hin. Assoziationen sind das genaue Gegenteil von dem, was zum Trust, zum Syndikat und dergleichen hinführt. Wir werden dann noch sehen, wie auch gewisse Zusammenhänge zwischen den Unternehmern einer Warengattung notwendig sind; die haben dann aber eine ganz andere Funktion. Dasjenige aber, was die Entstehung - ich sage nicht Festsetzung, sondern Entstehung - des richtigen Preises ist, das kann nur durch ein assoziatives Leben sich entwickeln, das von Branche zu Branche geht; wenn die Assoziationen zusammenwirken mit ihren Erfahrungen, dann erst kann aus der Erfahrung heraus der richtige Preis festgelegt werden." (Lit.: GA 337b, S. 211)

"Das, was heute manche Volkswirtschafter sagen, klingt so: Wir kümmern uns nur um die Bedürfnisse und produzieren dann zentralistisch das, was zur Befriedigung der Bedürfnisse notwendig ist, und verteilen das. - Ja, aber sehen Sie, da stellt sich dann heraus, daß man genötigt ist, den Arbeitszwang einzuführen. Dies ist aber eine furchtbare Maßnahme, insbesondere dann, wenn sie nicht notwendig ist. Und sie ist nicht notwendig! Der Arbeitszwang wird nur für notwendig gehalten, weil man sich dem Aberglauben hingibt, daß es kein anderes Mittel gibt als den Arbeitszwang, um das Prinzip von Leistung und Gegenleistung zu verwirklichen. Außerdem bedenkt man nicht, was für raffinierte Mittel in der Zukunft, wenn zum Beispiel der Arbeitszwang gesetzmäßig eingeführt würde, gefunden werden, um sich der Arbeit zu entziehen. Also, es handelt sich durchaus nicht darum, daß bloß der Arbeitszwang nicht notwendig ist, sondern es handelt sich auch darum, daß er gar nicht durchgeführt werden könnte. Aber, wie gesagt, die Hauptsache bleibt, daß er nicht nötig ist, wenn man restlos das Prinzip durchführt, daß jeder Leistung auch eine entsprechende Gegenleistung gegenüberstehen muß. Dies kann man nun in der folgenden Weise konkretisieren.

Nicht wahr, die Menschen müssen, wenn sie in der menschlichen Gesellschaft leben wollen, arbeiten, das heißt etwas leisten. Dadurch bringen sie etwas hervor, was für die anderen eine Bedeutung hat. Dasjenige, was einer hervorbringt, das muß einen gewissen Wert haben. Er muß für das, was er hervorbringt, dasjenige eintauschen können, was er an Erzeugnissen der anderen für die Befriedigung seiner Bedürfnisse, und zwar für eine gewisse Zeit, benötigt. So lange muß er seine Bedürfnisse befriedigen können durch das, was er eintauscht, bis er wiederum ein Produkt von gleicher Art hervorgebracht hat. Nehmen wir ein einfaches Beispiel: Fabriziere ich ein Paar Stiefel, so muß dieses Paar Stiefel so viel wert sein, daß ich gegen dieses Paar Stiefel dasjenige eintauschen kann, was ich brauche, bis ich ein neues Paar Stiefel hergestellt habe. Einen wirklichen Wertmaßstab hat man erst dann, wenn man einbezieht alles das, was bezahlt werden muß für die Menschen, die nicht arbeiten können, für die Kinder, die erzogen werden müssen, die Arbeitsunfähigen, die Invaliden und so weiter. Es ist möglich, den richtigen Preis der Ware herauszufinden. Hierzu aber ist folgendes notwendig: In dem Augenblick nämlich, wo zu viele Arbeiter an einem Artikel arbeiten, das heißt, wo ein Artikel in zu großen Mengen erzeugt wird, in dem Augenblick wird er wiederum zu billig. Da bekomme ich nicht so viel, daß ich meine Bedürfnisse, bis ich wiederum ein gleiches Produkt erzeugt habe, befriedigen kann. In dem Augenblick, wo zu wenig Arbeiter arbeiten, also ein Artikel nicht in genügender Menge erzeugt wird, wird er zu teuer. Es würden ihn nur diejenigen kaufen können, die über mehr als ein normales Einkommen verfügen. Es ist also notwendig, damit eine gerechte Preisbildung möglich wird, daß dafür gesorgt wird, daß immer die richtige Zahl an Arbeitern - sowohl geistige wie auch physische Arbeiter - an einem Artikel arbeiten. Das heißt, würde es sich zum Beispiel jetzt, wo wir in einer Übergangszeit leben, ergeben, daß irgendein Artikel in zu vielen Betrieben erzeugt wird, also im Übermaß erzeugt wird, so müßte man einzelne Betriebe stillegen und mit den Arbeitern dieser Betriebe Verträge abschließen, damit sie in einer anderen Branche weiterarbeiten. Allein dadurch ist es möglich, daß gerechte Preise entstehen. Auf eine andere Art und Weise ist dies nicht möglich. Wird von einem Artikel zuwenig erzeugt, so müßten für die Produktion dieses Artikels neue Betriebe eingerichtet werden. Das heißt, es muß fortwährend dafür gesorgt werden im Wirtschaftsleben, daß die Produktion unter Berücksichtigung gewisser Verhältnismäßigkeiten geschieht. Dann kann das Lohnverhältnis, dann kann das Kapitalverhältnis aufhören, es braucht nur noch zu bestehen das Vertragsverhältnis zwischen geistigen und physischen Arbeitern über die gerechte [Festsetzung des Anteiles, der denjenigen zusteht, welche die Ware gemeinsam zustande bringen]. Diesem Ideal lebt man eigentlich entgegen, auf dieses Ideal hofft man, auf dieses Ideal muß man zusteuern, und alles das, was nicht auf dieses Ideal zusteuert, das sind unklare Vorstellungen." (Lit.: GA 331, S. 170ff)

Neue Ansätze

Der englische Sozialist Pat Devine entwickelte ein „Modell demokratischer Planung […] in dem die Planung die Form eines politischen Prozesses ausgehandelter Koordination annimmt, wobei Entscheidungen direkt oder indirekt von den Betroffenen selbst gefällt werden“.[1]

Partizipatorische Ökonomie

--> Hauptartikel Parecon

Der US-Aktivist in der anarchistisch-sozialistischen Selbstverwaltungsbewegung Michael Albert entwickelte sein Modell der partizipatorischen Ökonomie als Gegenentwurf zu Kapitalismus und zu (aus seiner Sicht) autoritären Zentralverwaltungswirtschaften klassisch marxistischen Typs. Die demokratisch gedachte Planabstimmung erfolgt mit Hilfe von Computer und Internet.

Computergesteuerte Planwirtschaft

Der chilenische Präsident Salvador Allende startete während seiner Regierungszeit von 1970 bis 1973 mit Cybersyn den ersten Versuch eines Echtzeit-Computerplanungssystems. Der Informatiker Paul Cockshott und der Wirtschaftswissenschaftler Allin Cottrell sind der Ansicht, dass durch den Einsatz von moderner Informationstechnologie eine sozialistische Planung in Echtzeit möglich sei. Somit könnten Bedürfnisse der Menschen schneller und ressourcenschonender befriedigt werden als das bisher in Planwirtschaften möglich gewesen sei.[2] In Venezuela arbeitet das Ministerium für Schwerindustrie im Zuge des Sozialismus des 21. Jahrhunderts an dem Aufbau eines Open-Source-Projekts für eine computergestützte Planwirtschaft.[3] Das Projekt beruht auf den fachlich umstrittenen[4] mathematischen Modellen von Cockshott und Cottrell und wird in den Grundlinien der Nation von Venezuela 2007 bis 2013 nicht erwähnt.[5]

Mischform aus Plan und Markt

Die Mehrzahl heutiger Entwürfe eines demokratischen Sozialismus, wie jener der sozialistischen Partei Die Linke, strebt eine Mischform aus Plan- und Marktwirtschaft an, aus der sich insgesamt eine nicht kapitalistische Gesellschaft ergäbe. So sollten das Bankensystem und Schlüsselindustrien in öffentliche oder genossenschaftliche Hand überführt werden, während kleine und mittelständische Unternehmen auch privatwirtschaftlich bestehen können, wobei die Eigentumsform als Genossenschaft stark gefördert werde. Ferner will man den neuen Sozialismus mit Gewaltenteilung sowie demokratischer Kontrolle einerseits über Parlamente, andererseits über nichtparteiliche Bewegungen vor erneutem Machtmissbrauch schützen.[6] Inwiefern Schlüsselindustrien und das Bankensystem in öffentlicher Hand nach dem Prinzip der Zentralverwaltung oder aber unternehmerisch ausgerichtet geführt werden sollen, ist zumindest innerhalb der Partei bisher nicht ausdiskutiert.

Siehe auch

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Einzelnachweise

  1. Zit. nach Alex Callinicos: Ein antikapitalistisches Manifest. VSA-Verlag, Hamburg 2004, ISBN 3-89965-066-2.
  2. „Alternativen aus dem Rechner – Für sozialistische Planung und direkte Demokratie“ – Paul Cockshott und Allin Cottrell, Papy Rossa, 2006, ISBN 3-89438-345-3.
  3. Junge Welt: „Zeit statt Geld: Venezuelas Wirtschaft unter der Lupe einer sozialistischen Politökonomie von Paul Cockshott, 21. Januar 2008.
  4. The Quarterly Journal Of Austrian Economics: „Towards a new socialism? (PDF; 62 kB)“ (engl.) – Len Brewster
  5. Lineas Generales del Plan de Desarrollo Economico y Social de la Nacion 2007-2013 (spanisch)
  6. Programm der Partei DIE LINKE