Bythos

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Bythos (griech. βυθός, „Tiefe, Abgrund“) nennen manche gnostische Schulen, insbesonders die Valentinianer, den unsichtbaren, unfassbaren, unnennbaren Uranfang, den Urgrund allen Seins, den vollkommenen Aion (griech. αἰώνÄon“), von dem die Welt ihren Ursprung genommen hat[1]. Andere gnostische Schulen gebrauchen dafür Ausdrücke wie Proarché (προαρχή, „vor dem Anfang“), Arché (ἀρχή „Anfang“) oder Aion teleos (αἰών τέλεος). Auch als Monade (Monas) oder als der oder das Eine wird der höchste göttliche Urgrund bezeichnet. Für die Barbelo-Gnostiker kommt der meist weiblich charakterisierten Barbelo (griech. Βαρβηλώ) die höchste Stellung zu, die damit eine Art Weltenmutter darstellt. Manchmal wird der Barbelo aber auch als männlich-jungfräuliches Wesen aufgefasst.

Zugleich mit dem «unbekannten Gott» wirkt Ennoia (griech. έννοια), der „erste Gedanke“ oder die „erste Denkkraft“ Gottes, die als weibliches oder auch als männlich-weibliches Geistwesen, oft auch als Muttergöttin beschrieben wird. Die Valentinianer nennen sie auch Charis („Gnade“) oder Sige („Schweigen“). Bythos kann derart auch als die männliche Seite des männlich-weiblichen Urwesens angesehen werden.

„Es lehren die Valentinianer, in unsichtbaren und unnennbaren Höhen sei ein vollkommener Äon gewesen, der vor allem war. Diesen nennen sie auch Uranfang, Urvater und Tiefe[2]. Er ist aber unsichtbar, und kein Ding kann ihn fassen. Da er unfaßbar, unsichtbar, ewig und unerzeugt ist, so ist er unermeßliche Zeiten in tiefster Ruhe gewesen. Mit ihm hat zugleich angefangen die Ennoia, die sie auch Charis und Sige nennen. Nun ist jener einmal auf den Gedanken gekommen, von sich diesen Bythos als Anfang aller Dinge auszusenden und diesen Sprößling, den er auszusenden im Sinne gehabt hatte, wie ein Sperma gleichsam in den Mutterschoß der bei ihm befindlichen Sige einzusenken. Nachdem diese ihn empfangen hatte und schwanger geworden war, hat sie den Nous geboren, der dem Erzeuger ähnlich und gleich war und allein die Größe des Vaters erfaßte. Diesen Nous nennen sie auch den Eingebornen, Vater und Anfang aller Dinge. Mit Ihm zusammen ist auch die Wahrheit geboren und dies ist die erste und ursprüngliche Pythagoräische Vierheit, die sie auch die Wurzel aller Dinge heißen. Sie besteht nämlich aus dem Bythos und der Sige, dann aus dem Nous und der Wahrheit[3].“

Irenäus von Lyon: Contra Haereses I 1,1 [1]

Literatur

Einzelnachweise

  1. Rudolph, S 71
  2. Bythos
  3. Aletheia