Leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel

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Jan Frans Beschey: Aufnahme Marias (1737-1787)
Entschlafung Mariens, unbekannter tschechischer Meister (um 1340-45)

Die leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel ist ein Dogma der römisch-katholischen Kirche, das am 1. November 1950 durch Papst Pius XII. mit der Apostolischen Konstitution Munificentissimus Deus (lat. Der unendlich freigiebige Gott) in konsequenter Fortsetzung des Dogmas von der unbefleckten Empfängnis Mariens (1854) bekundet wurde.

Das auf dieses Glaubensüberzeugung bezüglich katholische Hochfest «Mariä Aufnahme in den Himmel», volkstümlich auch Mariä Himmelfahrt genannt, hat allerdings eine schon viel ältere Tradition und geht auf ein Marienfest zurück, das Cyrill von Alexandrien im 5. Jahrhundert eingeführt und bereits auf den 15. August festgesetzt hatte, an dem es auch heute noch gefeiert wird und traditionell als Todestag Marias gilt[1][2]. In den orthodoxen Kirchen und insbesondere in der syrisch-orthodoxe Kirche wird das Fest ebenfalls am 15. August – je nach Teilkirche nach dem Julianischen oder Griechisch-Orthodoxen Kalender – unter dem Namen Entschlafung der hochheiligen Meisterin unser, der Gottesgebärerin (kurz Entschlafung Mariens, Dormitio Mariae, so auch der alte katholische Name) gefeiert.

Der Glaube an die leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel ist seit dem 6. Jahrhundert belegt.

Munificentissimus Deus

Im Munificentissimus Deus (DH 3900–3904) wird wörtlich verkündet:

„Wir verkünden, erklären und definieren es als ein von Gott geoffenbartes Dogma, dass die Unbefleckte, allzeit jungfräuliche Gottesmutter Maria nach Ablauf ihres irdischen Lebens mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen wurde.“[3]

Der Katechismus der katholischen Kirche erläutert dazu:

„966 „Schließlich wurde die unbefleckte Jungfrau, von jedem Makel der Erbsünde unversehrt bewahrt, nach Vollendung des irdischen Lebenslaufs mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen und als Königin des Alls vom Herrn erhöht, um vollkommener ihrem Sohn gleichgestaltet zu sein, dem Herrn der Herren und dem Sieger über Sünde und Tod" (LG 59) [Vgl. die Verkündigung des Dogmas der Aufnahme der seligen Jungfrau Maria durch Papst Pius XII. im Jahre 1950: DS 3903.]. Die Aufnahme der heiligen Jungfrau ist eine einzigartige Teilhabe an der Auferstehung ihres Sohnes und eine Vorwegnahme der Auferstehung der anderen Christen.“

Katechismus der katholischen Kirche: [1]

Rudolf Steiner über Tizians «Mariä Himmelfahrt»

Mariä Himmelfahrt 1516–1518, Santa Maria Gloriosa dei Frari, Venedig

„Sie können zum Beispiel zurückgehen, sagen wir zu Tizians «Himmelfahrt der Maria». Da haben Sie ein Kunstwerk, das, ich möchte sagen im Überschnappen des alten Kunstprinzips besteht. Da ist nicht mehr jenes lebendige Erleben der Farbe vorhanden, das man bei Raffael, namentlich aber bei Lionardo noch hat, da ist aber noch eine Art Tradition vorhanden, daß man nicht gar zu stark aus diesem Leben in der Farbe herauswächst. Erleben Sie einmal diese «Himmelfahrt Mariä» von Tizian. Wenn Sie sie sich anschauen, so können Sie sagen, da schreit das Grün, da schreit das Rot, das Blau. Ja, aber dann sehen Sie das einzelne an. Wenn Sie das Zusammensprechen, möchte ich sagen, der einzelnen Farben selbst bei Tizian nehmen, so haben Sie noch eine Empfindung davon, wie er in dem Farbigen lebte und wie er wirklich in diesem Falle alle drei Welten aus dem Farbigen heraus bekommt. Sehen Sie sich nur die wunderbare Stufenfolge der drei Welten an. Unten die Apostel, die das Ereignis der Himmelfahrt Mariä erleben. Sehen Sie sich an, wie er sie aus der Farbe heraus schafft. Man sieht in den Farben, wie sie an die Erde gefesselt sind, aber man empfindet keine Schwere der Farben, sondern man empfindet nur das Dunkle der Farben an dem unteren Teile des Tizianschen Bildes, und im Dunkel erlebt man das an die Erde Gefesseltsein der Apostel. In der ganzen Farbenbehandlung der Maria erlebt man das Zwischenreich. Sie hängt noch nach unten mit der Erde zusammen. Sehen Sie auf dem Bilde einmal nach, wenn Sie Gelegenheit dazu haben, wie sich das dumpf Dunkle von unten hineinlebt als Farbe in die Färbung der Maria, und wie dann das Licht überwiegt, wie das oberste, das dritte Reich schon im vollen Lichte empfängt, möchte ich sagen, das Haupt der Maria, mit vollem Lichte überglänzend, hinaufhebend das Haupt, währenddem Füße und Beine noch nach unten durch die Farbe gefesselt sind. Sehen Sie sich an, wie unteres Reich, Zwischenreich und himmlisches Höhenreich, dieser Empfang der Maria durch Gottvater, im inneren Erleben der Farbe wirklich abgestuft ist. Sie können sich sagen, um dieses Bild zu verstehen, muß man eigentlich alles andere vergessen und nur auf die Farbe hin die ganze Sache anschauen, denn aus der Farbe heraus ist hier die Dreistufigkeit der Welt geholt, nicht gedanklich, nicht intellektualistisch, sondern ganz künstlerisch. Und man kann sagen: Es ist wirklich so, daß zum Malerischen es notwendig ist, diese Welt des strahlenden Scheines, des strahlenden Sich-Offenbarens in Hell-Dunkel und in der Farbe zu erfassen, um auf der einen Seite dasjenige abzuheben, was irdisch-materiell ist, um das Künstlerische von diesem Irdisch-Materiellen abzuheben und doch es wiederum nicht zum Geistigen hinaufkommen zu lassen. Denn würde man es zum Geistigen hinaufkommen lassen, wäre es nicht mehr Schein, dann wäre es Weisheit. Aber die Weisheit ist nicht mehr künstlerisch, die Weisheit hebt es schon hinauf in das ungestaltete Reich des Göttlichen.

Man möchte deshalb sagen: Beim wirklichen Künstler, der so etwas darstellt wie Tizian in seiner «Himmelfahrt Mariä», hat man oben, wenn man dieses Empfangen der Maria, besser noch gesagt des Hauptes der Maria durch den Gottvater ansieht, das Gefühl, jetzt dürfte man da nicht mehr weitergehen im Behandeln des Lichtes. Gerade hart an der Kippe ist das. In dem Augenblicke, wo man anfängt weiterzugehen, verfällt man in das Intellektuali- stische, das heißt in das Unkünstlerische. Da darf man nicht mehr irgendwie einen Strich noch, möchte ich sagen, hinaus machen über dasjenige, was nur im Lichte, nicht in der Kontur angedeutet ist. Denn im Augenblicke, wo man zu stark in die Kontur hineingeht, wird es intellektualistisch, das heißt unkünstlerisch. Nach oben wird das Bild in der Tat so, daß es in der Gefahr schwebt, unkünstlerisch zu sein. Die Maler nach Tizian sind auch gleich dieser Gefahr verfallen. Sehen Sie sich noch bis zu Tizian hin die Engel an. Nicht wahr, wenn wir da in die himmlische Region hinaufkommen, kommen wir zu den Engeln. Sehen Sie sich an, wie da sorgfältig verhütet ist, aus der Farbe herauszugehen. Da können Sie immer noch zu den Engeln sagen in der vortizianisehen Zeit, auch in gewissem Sinne bei Tizian, wenn Sie wollen: Könnten dies nicht auch Wolken sein? - Wenn Sie das nämlich nicht können, wenn Sie nicht können zwischen diesem Sein und Schein wenigstens noch im Unklaren sein, wenn Sie schon ganz ins Sein hineinkommen, ins Sein des Geistigen, dann hört es auf, künstlerisch zu sein.“ (Lit.:GA 276, S. 98ff)

„Solche Dinge hat man in denjenigen Zeiten, die gar nicht so weit von den unsrigen zurückliegen, durchaus empfunden, indem man sich gar nicht vorstellen konnte, daß man eine Maria, eine Gottesmutter ohne verklärtes Gesicht darstellt, das heißt ohne ein Gesicht, das durch das Licht überwältigt wird und das aus der gewöhnlichen Menschenverfassung durch die Überwältigung des Lichtes herauskommt. Man konnte sie nicht anders vorstellen als in einem roten Gewände und im blauen Mantel, weil nur dadurch die Gottesmutter in der richtigen Weise in das irdische Leben hineingestellt wird, in dem roten Gewande mit allem Emotionellen des Irdischen, im blauen Mantel das Seelische, das sie mit dem Geistigen umwebt, und in dem verklärten Gesichte das Durchgeistigte, das von dem Lichte als der Offenbarung des Geistes überwältigt wird. Aber das faßt man nicht richtig künstlerisch, solange man es nur noch so fühlt, wie ich es jetzt ausgesprochen habe. Ich habe es jetzt gewissermaßen in das Unkünstlerische übersetzt. Künstlerisch fühlt man es erst in dem Augenblicke, wo man aus dem Rot heraus und aus dem Blau heraus und aus dem Lichtmäßigen heraus, indem man das Licht in seinem Verhältnis zu den Farben und zu der Dunkelheit als eine Welt für sich erlebt, schafft, so daß man eigentlich also nichts anderes mehr hat als die Farbe, und die Farbe einem so viel sagt, daß man aus der Farbe und dem Hell-Dunkel herausholen kann die Jungfrau Maria.“ (Lit.:GA 276, S. 96)

Kritik

Das Dogma hatte weitreichende Folgen für das katholische Verständnis für das Leben nach dem Tod überhaupt. So vertritt etwa der Theologe Gisbert Greshake, gleichsam in Verallgemeinerung dieses Dogmas, die mittlerweile theologisch sehr weit verbreitete Anschauung einer unmittelbaren „Auferstehung im Tod“, d.h. eines unmittelbaren Eingehens des ganzen, Leib und Seele umfassenden Menschen in die Ewigkeit. Er stellt sich damit in Gegensatz zu der traditionellen, namentlich von Joseph Kardinal Ratzinger (Benedikt XVI.) vertretenen Ansicht. Diese von ihm kritisierte Anschauung charakterisiert Ratzinger in seiner «Eschatologie» so:

„Das Anstößige der Behauptung, ein Mensch - Maria - sei jetzt schon dem Leib nach auferstanden, forderte förmlich dazu heraus, generell das Verhältnis von Tod und Zeit sowie das Wesen menschlicher Leiblichkeit neu zu bedenken. Wenn es möglich war, das marianische Dogma als Modellfall des menschlichen Geschicks überhaupt zu lesen, waren zwei Probleme zugleich bereinigt: Auf der einen Seite war dann der ökumenische und denkerische Skandal des Dogmas überwunden, auf der anderen Seite hatte es selbst dazu geholfen, die bisherigen Vorstellungen über Unsterblichkeit und Auferstehung zugunsten biblischerer und modernerer Auffassungen zu korrigieren. Deutliche und konsequente Durchführungen des neuen Gedankens sucht man freilich in der Literatur vergebens; man kann aber sagen, daß sich im großen und ganzen folgendes Bild durchsetzte: Zeit ist eine Form des leiblichen Lebens. Der Tod bedeutet das Heraustreten aus der Zeit in die Ewigkeit, in ihr einiges »Heute«. Folglich ist das Problem des »Zwischenzustandes« zwischen Tod und Auferstehung ein Scheinproblem. Das »Zwischen« gibt es nur in unserer Perspektive. In Wahrheit ist das »Ende der Zeiten« unzeitlich; wer stirbt tritt in die Gegenwart des Jüngsten Tages, des Gerichtes, der Auferstehung und der Wiederkunft des Herrn hinein. »Damit kann dann auch die Auferstehung im Tod und nicht erst am >Jüngsten Tag< angesetzt werden« (Greshake, Auferstehung der Toten 387). Diese Auffassung, daß die Auferstehung im Augenblicke des Todes erfolge, hat sich inzwischen so weitgehend durchgesetzt, daß sie mit einigen Verklausulierungen auch in den Holländischen Katechismus aufgenommen wurde: »Das Leben nach dem Tode ist also schon so etwas wie die Auferweckung des neuen Leibes« (525). Das heißt: Was das Dogma von Maria sagt, gilt von jedem Menschen; aufgrund der Unzeitlichkeit, die jenseits des Todes herrscht, ist jedes Sterben Hineintreten in den neuen Himmel und die neue Erde, Eintreten in die Parusie und Auferstehung.“ (Lit.: Ratzinger, S. 93f)

Pietro Archiati kritisiert dieses Dogma als schlicht falsch bzw. als materialistisches Mißverständnis. "Das Dogma der leiblichen Himmelfahrt Mariä ist im Grunde genommen der Versuch, die Materie zu verewigen, weil man nicht den moralischen Mut aufbringen kann, ihre Vergänglichkeit zu bejahen." (Lit.: Archiati, S. 75)

Weder nach esoterischen Maßstäben, noch nach wissenschaftlichen Maßstäben ist eine "leibliche", das heißt "physische" Aufnahme Mariens "in den Himmel" denkbar.

Siehe auch

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Weblinks

Commons: Aufnahme Mariä in den Himmel - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema

Einzelnachweise