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Niklas Luhmann

Aus AnthroWiki
(Weitergeleitet von Luhmann)

Niklas Luhmann (* 8. Dezember 1927 in Lüneburg; † 6. November 1998 in Oerlinghausen) war ein deutscher Soziologe und Gesellschaftstheoretiker. Als einer der Begründer der soziologischen Systemtheorie zählt Luhmann zu den herausragenden Klassikern der Sozialwissenschaften im 20. Jahrhundert.

Wissenschaftlicher Werdegang

Luhmann studierte von 1946 bis 1949 Rechtswissenschaft an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, mit einem Schwerpunkt auf römischem Recht. Es folgte bis 1953 eine Referendarausbildung in Lüneburg. 1954 bis 1962 war er Verwaltungsbeamter in Lüneburg, 1954 bis 1955 am Oberverwaltungsgericht Lüneburg Assistent des Präsidenten. In dieser Zeit begann er auch mit dem Aufbau seiner Zettelkästen. 1960/1961 erhielt Luhmann ein Fortbildungs-Stipendium für die Harvard-Universität, das er nach seiner Beurlaubung wahrnehmen konnte. Dort kam er in Kontakt mit Talcott Parsons und dessen strukturfunktionaler Systemtheorie. Nach seiner Tätigkeit als Referent an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer von 1962 bis 1965 und als Abteilungsleiter an der Sozialforschungsstelle an der Universität Münster in Dortmund von 1965 bis 1968 (1965/66 daneben ein Semester Studium der Soziologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster (Westfalen)) promovierte er dort 1966 zum Dr.sc.pol. (Doktor der Sozialwissenschaften) mit dem bereits 1964 erschienenen Buch Funktionen und Folgen formaler Organisation. Fünf Monate später habilitierte er sich bei Dieter Claessens und Helmut Schelsky mit Recht und Automation in der öffentlichen Verwaltung. Eine verwaltungswissenschaftliche Untersuchung. Mit seiner Berufung 1968 wurde Luhmann der erste Professor der Universität Bielefeld. Dort trug er zum Aufbau der ersten soziologischen Fakultät im deutschsprachigen Raum bei, lehrte und forschte bis zu seiner Emeritierung 1993.[1]

Die funktional-strukturelle Systemtheorie Luhmanns bis 1975

Ein wesentliches Kennzeichen der luhmannschen Systemtheorie dieser Zeit (der Grundbegriff ist hier für ihn noch die soziale Handlung, im Gegensatz zu seiner späteren Systemtheorie, wo Systeme aus Kommunikationen bestehen) ist eine Umstellung im funktionalistischen Paradigma. Parsons Systemtheorie war ein Strukturfunktionalismus, Strukturen oder Systeme nehmen Funktionen für ein übergeordnetes System wahr, dienen der Strukturerhaltung. Luhmann kritisiert diese Sichtweise und entwickelt seine funktional-strukturelle Systemtheorie, in der Funktionen und deren Analyse eine andere Bedeutung bekommen als noch bei Parsons.

Neben dem Beitrag zur Systemerhaltung bezieht sich Funktionalität nun zusätzlich auf umweltbedingte Problemlösungsanforderungen in spezifischen Situationen. Die funktionale Analyse verlagert den Bezugspunkt der theoretischen Orientierung von den Strukturen auf die Funktionen. Funktionen sind nicht als "zu bewirkende Wirkung", sondern als "regulatives Sinnschema" zu fassen, das zu Zwecken der Bewältigung von Umwelteinwirkungen gebildet wird. Funktionen sind unter dem funktional-strukturellen Aspekt im wesentlichen Anpassungsleistungen an die Umwelt.[2]

Damit ist eine Wandlung des Systembegriffs verbunden, weg von der Vorstellung eines Systems als ein Ganzes mit seinen Teilen, hin zu der Vorstellung eines Systems in seiner Umwelt.

Handlung als Reduktion von Komplexität

Soziales Handeln ist für Luhmann zwar weiter wie für Max Weber durch sinnhafte Bezogenheit auf fremdes Verhalten bestimmt, z.B. Verfolgung von Zielen unter Berücksichtigung der zu erwartenden Reaktionen anderer, stellt jedoch wesentlich eine Reduktionsleistung dar:

"Für Luhmann ist Handlung Reduktion, d.h. ein Ergebnis jener Selektionsleistungen, die soziologisch nicht handlungstheoretisch, sondern immer nur systemtheoretisch - d.h. in Handlungssystemen transparent gemacht werden können. (...) Das Faktum der Weltkomplexität macht eben im Interesse des Überlebens eine handlungsorientierende Überlebensstrategie erforderlich, deren grundlegendes Merkmal in der Reduktion dieser Komplexitäten besteht." (Gabor Kiss: 326f.)

Luhmanns Begriff von Komplexität darf nicht mit "Kompliziertheit" verwechselt werden. Kompliziert wären z.B. schwierig zu verstehende Handlungen anderer, weil man deren Motive und Rücksichten nicht ohne weiteres durchschaut, die aber ansonsten als ein so gegebenes, wenn auch unverstandenes, vorliegen. Komplexität bezieht sich auf die Freiheitsgrade des Handelns anderer. Man kann nicht im voraus wissen, wie andere Menschen handeln werden, darin besteht die Komplexität des Sozialen, und soziale Systeme haben die Funktion, Erwartbarkeit herzustellen.

Luhmanns Begriff des sozialen Systems

"Mit dem Begriff soziales System soll ein ... Sinnzusammenhang von sozialen Handlungen bezeichnet werden, die, durch wechselseitige Erwartbarkeit verknüpft, aufeinander verweisen, ihre Selektivität wechselseitig bestimmen und dadurch von einer nicht dazugehörenden Umwelt abgrenzbar sind." (Luhmann, Bielefelder Manuskripte, 1974, S. 28, zit. nach Gabor Kiss: S. 333)

"Soziale Systeme können wie alle Systeme begriffen werden als strukturierte Beziehungsgefüge, die bestimmte Möglichkeiten festlegen und andere ausschließen. Ihre Besonderheit besteht darin, daß sie aus sozialen Handlungen gebildet werden, das heißt aus Handlungen, denen ein Sinnbezug auf das Handeln anderer Menschen immanent ist. Solche Sinnbeziehungen werden durch soziale Systeme in einer übermäßig komplexen unübersehbaren und unbeherrschbaren Umwelt relativ einfach und relativ invariant gehalten. Ein soziales System reduziert mithin die äußerste Komplexität seiner Umwelt auf bestimmte, oder doch bestimmbare, ausgewählte Handlungsmöglichkeiten und kann dadurch zwischenmenschliches Handeln sinnhaft orientieren. Das ist seine Funktion. Es muß um dieser Funktion willen einen Weltausschnitt gegen laufende Bedrohung durch andere Möglichkeiten verteidigen, zum Beispiel durch Institutionalisierung von Werten oder durch Normierung von Verhaltenserwartungen. Das ist seine Problematik. Dabei steht für soziale Systeme die soziale Komplexität im Vordergrund, die darin begründet ist, daß der andere Mensch anders erleben, anders erwarten, anders handeln kann, als in dem je eigenen Kontext des Erlebens und Handelns sinnvoll wäre." (Luhmann, Gesellschaftliche Organisation, in: Erziehungswissenschaftliches Handbuch, hrsg. Th. Ellwein, H. Groothoff u.a., Berlin 1969, I, (S. 387 - 405), S. 392. Zitiert nach Gabor Kiss: S. 333)

Interaktionen, Organisationen und Gesellschaft als soziale Systeme

Durch die Popularisierung von sozialwissenschaftlichen Begriffen, wie dem des sozialen Systems, denkt man zu "System" gewöhnlich an größere Einheiten, wie dem Wirtschaftsystem etwa. Aus systemtheoretischer Sicht ist jedoch eine jede Organisation, wie z.B. eine Waldorfschule, ein soziales System.

Das Handlungssystem Parsons ist zwar das übergeordnete "Großeganze", aber gleichzeitig auch die einzelne Handlung eines Individuums, als systemischer Vorgang betrachtet. Zur sozialen Systembildung kommt es bereits auf der Ebene der Interaktion. Dies wird von Luhmann am Beipiel der Doppelten Kontingenz erörtert. Bei der Begegnung von sich bisher unbekannten Ego und Alter, oder in neuen Situationen, für die es keine Rezepte gibt, entsteht die Situation einer völligen Offenheit, was zu tun ist, etwa einen Smalltalk beginnen. Sobald jedoch das Gespräch in Gang kommt, verringert sich die Kontingenz, es bildet sich ein Interaktionssystem, weil Ego und Alter sich aufeinander einstellen, und es im Fortlauf der Interaktionen eine stabilisierende Einschränkung stattfindet, was weiter folgen kann. Dies ist die Komplexitätsreduktion, von der Luhmann annimmt, daß soziales Handeln wesentlich durch sie bestimmt ist.

Komplexität bezieht sich mehr auf Wahrnehmung und Erleben, Kontingenz auf mögliche Alternativen der Selektion. Indem das handelnde Individuum die Kontingenz einschränkt und Komplexität reduziert, ist es zusammen mit anderen sozialen Individuen Stifter der sozialen Systeme, angefangen bei den Interaktionen, über Institutionen und Organisationen bis zum System der Gesellschaft. Die Gesellschaft als System ist aus Handeln aufgebaut, bzw. dem, was als Handeln erwartbar ist. Die Erwartbarkeit des Handelns ist ein wesentliches Element von Handlungssystemen. Von einem Lehrer einer Waldorfschule erwartet man anderes Verhalten als von einem Schüler.

Aus solcher systemtheoretischen Sicht findet Soziales generell im Rahmen von Systemen statt. Es gibt kein soziales Handeln außerhalb solcher Systeme, oder wenn es solches soziales Handeln gibt, dann ist mit ihm die Systembildung gegeben. Dieser Systemcharakter des sozialen Handelns zeigt sich in der modernen Gesellschaft als stark gesteigert, die moderne Gesellschaft ist organisiert, weshalb Soziologen auch von der modernen Gesellschaft als einer Organisationsgesellschaft sprechen.

Dies ist auch ein Thema eines Interviews mit Konrad Schily 2010 gewesen:

"Thomas Brunner: Da kann ich ganz gut anschließen mit der nächsten Frage. Wir gehen über in grundsätzliche Fragestellungen. Pestalozzi unterscheidet, ganz deutlich zwischen individueller Existenz und kollektiver Existenz und er sagt, der Mensch wird entwurzelt, wenn er in seinem Bildungsweg in ein generalisiertes, verallgemeinertes System verpflanzt wird. Also deswegen ist er ja erst mal auch ein Gegner von organisierter Schule. Der Soziologe Niklas Luhmann hingegen, nennt diese ganze idealistische Zeit einen moralischen Mythos. Er sagt, das sind schöne Ideale. Heute gelte es, in den modernen komplexen Gesellschaften aber, eine adäquate Wahrheitstheorie zu entwickeln, also nicht mehr die Vernunft des Individuums solle zur Wirksamkeit kommen, sondern eine adäquate, die sich nicht mehr durch die menschliche Unmittelbarkeit definiert, sondern grundsätzlich im Sinne eines generalisierenden und abstrakten Codes von Regeln.

Konrad Schily: Also es gibt nicht die Wahrheit, sondern es gibt die Vereinbarung.

Thomas Brunner: Genau. Für Luhmann gibt es deshalb nur die Möglichkeit sich mit den bestehenden Systemen durch Kompromisse zu arrangieren. Realität haben für ihn nur der Markt und der Staat.

Konrad Schily: Ich halte den Luhmann für den Philosophen des Unwesentlichen, denn er macht ja alles Wesentliche zu einem Surrogat. Zu einem Vorgestellten. Und der Chomeni sagt, die Gemeinde in Allah ist einig und wer nicht einig ist, ist nicht bei Allah und den kann man umbringen. Und das macht der Westen auch. Der grenzt auch aus. Das ist die Vereinbarung. Ja, da gibt ´s mal Vereinbarungen hin und her. Also deutsche Rechtschreibung und so. Das ist dann wieder komisch. Aber manchmal ist es gar nicht komisch. Oder ich könnte auch sagen, Luhmann ist für mich jemand des „Dran vorbei“, ja? Ein Organismus ist etwas total anderes, als ein System. Aber alle Leute lieben heute das System. Das System tut. Na, das eignet sich wunderbar. Alle Moleküle versammeln sich im System und das System beschließt, ja? Das System beschließt also jetzt machen wir den aufrechten Menschen oder wir machen die Qualle oder so. Na, Unsinn ist das! Oder die Gehirnforscher sagen, das Gehirn überlegt. Ich sage, ja und heute Morgen kam ich ans Klavier. Da hat sich das Klavier Mozart überlegt. War wunderbar. Hab´s nur nicht gehört, weil da saß keiner, der Mozart spielt. Also da merkt man, wie man in die Täuschung gerät.

Ralf Gleide: Ja, mal eine freie Frage dazwischen. Jetzt noch mal, wenn man jetzt unterscheidet: Individuelle Existenz und kollektive Existenz und sagen, wir sind mit dem Staat und mit den Verabredungen im Reich dieser kollektiven Existenz und im Geistesleben brauchen wir aber die Individualität mit ihrer Ursprünglichkeit, wie Sie das auch in Ihrem Buch nennen. Warum haben Sie vorhin davon gesprochen, dass es gegenüber der Klüngelei eine Aufsichtsfunktion des Staates braucht? Also warum sehen Sie den Staat als die Instanz an, die diese Aufsichtsfunktion übernehmen muss."[3]

Die erwähnten "Vereinbarungen" sind aber aus systemtheoretischer Sicht nur eine Variante von Erwartbarkeit. In dem Ausschnitt des Interviews ist die Fragestellung mit der Unterscheidung von individueller vs. kollektiver Existenz scharf herausgestellt: Darf eine Waldorfschule organisiert sein, wenn sie ihren Auftrag einer freiheitlichen Erziehung wahrnehmen können soll? Und wenn ja, wie unterscheidet sich dann solche Organisation von der üblichen Organisationsweise? Nicht nur auf der großen Ebene der drei Teilbereiche der Gesellschaft ist diese Frage gestellt: Eine Waldorfschule als sozialer Organismus ist etwas total anderes als ein soziales System. (Sinngemäß K. Schily) (oder sollte es sein, wozu der Unterschied genauer zu bestimmen wäre[4])

Luhmann selbst liefert mit seiner späteren Umstellung des Grundbegriffs seiner Systemtheorie von Handlung auf Kommunikation einen Aspekt: Diese Umstellung erfolgt nicht, weil sie "wahrer" ist, sondern weil die Phänomene des Sozialen so besser faßbar und adäquater zu beschreiben seien, womit Luhmann keine objektive Wahrheit beansprucht, sondern die Sichtweise seiner neuen Systemtheorie als ihm gutdünkende Bewältigung von "Irritationen" aus "Struktureller Kopplung" ansieht. Gemäß der hier näher zu untersuchenden frühen Systemtheorie, bezieht sich das auf die Funktionaliät von System und Strukturen in ihrem Umweltbezug.

Luhmann unterscheidet eine systemdifferentielle, nach Systemebenen differenzierte, und eine evolutionäre, auf gesellschaftliche Entwicklungsformationen bezogene Analyse von sozialen Systemtypen:[5]

Interaktionssysteme
  • Die Systembildung setzt die »wahrgenommene Anwesenheit« von Personen voraus;
  • Es besteht Handlungszwang (der sich zumindest in einem aufmerksamen Zuhören äußern muß);
  • Interaktionssysteme sind zwar durch Sinngehalte - wie z. B. Tausch, Warteschlange, Gruß, Kampf und dgl. - identifizierbar, doch macht die Lebendigkeit wechselseitiger Erwartungserwartungen diese Systeme in hohem Maße unstabil, fluktuierend und enttäuschungsgefährdet;
  • »Fließende Systemgrenzen« ermöglichen keine »zeitliche Ordnungsgarantien und sachliche Strukturierungsleistungen«;
  • Es gibt keine gemeinsame Informationsverarbeitung noch ein »höheres Abstraktions- und Kontrollpotential« (= »ungeordnetes System«).
  • „Für das Funktionieren des Systems ist zumindest ein »gemeinsames Thema« erforderlich, das als »minimaler« Bezugspunkt die Aufmerksamkeit der Beteiligten und deren gemeinsame »Zuwendung zu einem Mittelpunkt« erforderlich macht. Die Beteiligten steuern verschiedene Beiträge zum jeweils gemeinsamen Thema bei“;
  • „In diesem Handlungszusammenhang bilden sich nach situationsrelevanten Eigenschaften - wie z.B. rednerische Dominanz, Schönheit und dgl. -Vorformen der Rollendifferenzierungen heraus“;
  • „Diese Konstellationen können unter Umständen Interesse an der Wiederholung der Begegnung und der Festlegung von Verhaltensregeln bewirken und »Vorkehrungen für die Anschließbarkeit weiteren Handelns« treffen (z. B. Kartenspieler)“;
  • „Die »Vorkehrungen« - auch z. B. aus dem Interesse einer gemeinsamen Gedächtnispflege - können einen gewissen Grad an Spezifikation (in der Verfestigung von Rollendifferenzierungen) hervorbringen, zu der aber das Interaktionssystem »von sich aus« nicht in der Lage ist: Es bedarf dazu der Strukturvorgaben einer gesellschaftlich geordneten Umwelt, die in die Verhaltensprämissen der Interaktionsbeziehungen eingehen müssen - (Luhmann nennt das Beispiel des Krankenbesuchs eines Pfarrers, der die Anerkennung dieser Situation für die Aufnahme von Beziehungen zur Voraussetzung hat)“.

"Alles soziale Handeln »muß faktisch durch dieses Nadelöhr hindurch und wird durch die Eigengesetzlichkeit der Interaktionssysteme deformiert« - und obgleich die »Flüchtigkeit des Systembestandes« kein Verlaß bietet, ist gerade diese Unbeständigkeit das Normale und Sinnvolle an diesem Typus von Systemen. Die dominante Bedeutung »intermittierender Interaktionssysteme« ist vor allem - aber nicht allein! - für archaische Gesellschaften (vgl. unten) typisch. Infolge der zunehmenden Verflechtung intermittierender Interaktionssysteme kann ihr Spezifikationsgrad durch Schichten- und Rollendifferenzierung erhöht werden, was dann die »Ausdehnung der Möglichkeit von Strukturvorgaben« bewirkt. Zwischen die elementaren Interaktionssysteme schiebt sich dann eine »neuartige Ebene der Systembildung dazwischen« - die Ebene der Organisation." (Gabor Kiss: Seite 334f)

Organisationssysteme

"Die wichtigste Funktion von Organisationssystemen kann in der »Festlegung« (= Spezifikation) spontaner, flukturierender und relativ »ungeordneter« Interaktionsprozesse auf berechenbare Abläufe strategisch wichtiger Handlungsprozesse gesehen werden. Luhmann betont, daß nur ein Teil des gesellschaftlichen und interaktionellen Handelns innerhalb organisierter Sozialsysteme verläuft: Organisation bezeichnet einen Systemtyp, der »um besonderer Leistung willen eingerichtet ist«. Das Wesentliche an diesen spezifischen Leistungen sollte nicht in erster Linie an der »Ausrichtung an Zielen« (vgl. oben, S. 213 [Bezug auf Parsons]), sondern an der spezifischen Art der Regelungen von Umweltverhältnissen gesehen werden:

»Das bedeutet unter anderem, daß ein organisiertes Sozialsystem stets mindestens zwei Umwelten unterscheiden muß: seine Mitglieder und Nichtmitglieder. Der Leistungsgewinn, der durch Organisation erzielt werden kann, beruht sehr wesentlich darauf, daß diese beiden Umwelten verschieden behandelt werden können, daß in beiden Richtungen verschiedenartige Einflußmittel zur Verfügung stehen und daß die unterschiedlichen Strategien beiden Umwelten gegenüber aufeinander abgestimmt werden; typisch in der Form, daß die Mitglieder arbeiten müssen, um eine Leistung zu erstellen, die Nichtmitglieder schätzen; diese aber dafür mit Geld, Prestigezuweisung oder sonstwie zahlen müssen, um es dem System zu ermöglichen, die Mitgliedschaft attraktiv zu erhalten« (Luhmann, Gesellschaftliche Organisation, in: Erziehungswissenschaftliches Handbuch, hrsg. Th. Ellwein, H. Groothoff u.a., Berlin 1969, I, (S. 387 - 405), S. 394. Zitiert nach Gabor Kiss: S. 335)". (Gabor Kiss: S. 335)

Die Zitate werden hier ungekürzt wiedergegeben, weil es kaum möglich ist, eine verständliche kürzere Zusammenfassung zu geben. Hervorzuheben an der Aussage des letzten Zitates von Luhmann (alles in diesem Referat nach Gabor Kiss, was in Interklammern steht, ist Originalton Luhmann) ist, daß die Mitglieder sowie Nichtmitglieder einer Organisation Umwelt für dieses Organisationssystem sind. In dieser Phase seiner Systemtheorie gibt es noch Menschen bzw. Personen, hier in der Rolle von Mitgliedschaft, die aber nicht mit zum System dazugehören, sondern außenvor sind, nur ihre Handlungen sind zum System zugehörig. In seiner späteren Systemtheorie wird dies zu einem Verhältnis von "psychischen Systemen", die mit sozialen Systemen (=Kommunikationssystemen) "strukturell gekoppelt" sind. Strukturelle Kopplung meint da in etwa ein Verhältnis von autopoietischen Systemen, bzw. von einem System zur Umwelt, wo ein Austausch nur durch sog. "Irritationen" stattfindet. Was man sich in etwa so vorstellen kann, wie die Reibung zwischen zwei welligen Pappstücken (das eine Pappstück = System, das andere = Umwelt), aus der das System Information zieht. Bei diesem späteren Systementwurf ist der "Mensch" für Luhmann lediglich noch ein "semantisches Konstrukt".

Im Gegensatz zu Interaktionssystemen können sich in Organisationssystemen (statt segmentäre) funktional differenzierte Teilsysteme zur Erledigung spezifischer Aufgaben herausbilden. Obwohl Organisationen aus Interaktionen bestehen, gehen ihre Strukturbildungen über diese hinaus (insb. in der Stellenbildung mit Austauschbarkeit des Personals). Organisationsstrukturen können Interaktionsstrukturen "sprengen", und sie können zu Strukturänderungen in der gesellschaftlichen Umwelt führen. (vgl. Gabor Kiss, S.335ff)

Gesellschaftssysteme

Während der Begriff Organisation ganz allgemein eine gewisse Faßlichkeit hat, auch wenn die näheren Bestimmungen umstritten sein mögen, gilt dies so keineswegs für den Begriff der "Gesellschaft". Es ist überaus unklar, was mit Gesellschaft gemeint sein soll, und oftmals entpuppt sich die Rede von Gesellschaft als leeres Wort, mit einem Platzhalter, der für alles und nichts stehen kann, wie "Gott".

"Unter Gesellschaft versteht Luhmann einen »Sonderhorizont«, der »für sinnhaftes Erleben und Handeln konstitutiv ist«" (Kiss: S. 337)

"Gesellschaft, ist das jeweils umfassendste System menschlichen Zusammenlebens. Über weitere einschränkende Merkmale besteht kein Einverständnis". (in: Lexikon zur Soziologie, 1973, Opladen. S. 235)

Moderne soziale Systeme sind nach Luhmann nicht mehr mittels des Schemas "Das Ganze ist mehr als seine Teile" zu verstehen, im Gegenteil:

"Die Anwendung dieses traditional ganzheitlich konzipierten Gesellschaftsbegriffs auf moderne Systeme hält Luhmann für falsch: Er meint, daß das »Ganze« — nämlich das Gesellschaftliche — weniger ist als die Summe seiner Teile und, daß das Handeln im Gesellschaftssystem nicht mit der Totalität sozialer Beziehungen gleichgesetzt werden kann, sondern - neben den Handlungen in Interaktions- und Organisationssystemen - nur einen Teil jener Systembildungsprozesse umfaßt, die nur zur Erhaltung der Gesellschaft als des umfassenderen Systems menschlichen Zusammenlebens beitragen. Das Sozialsystem schließt also dieser Konzeption nach das Gesellschaftssystem ein: Seine dominierenden Steuerungsfunktionen werden aber trotz dieser einschränkenden Begriffsbezeichnung keinesfalls geleugnet." (Kiss, S. 338)

Man hat sich also einen Systemzusammenhang des Sozialen zu denken, in dem es Handeln in Interaktionsystemen, Organisationssystemen und dem Gesellschaftssystem quasi nebeneinander gibt. Gesellschaft ist ein Teilsystem des umfassenden sozialen Systems. Die Funktion des Gesellschaftssystems und das Prinzip seiner Bildung ist die Konstitution von Sinn:

"»nämlich dadurch, daß jeder Sinngehalt auf mögliche Auffassungen und Anschlußselektionen fremden Erlebens und Handelns verweist« und [es] garantiert dadurch eine geordnete Umwelt aller übrigen Sozialsysteme - also auch für Interaktions- und Organisationssysteme —;" (ebend.)

Das Gesellschaftssystem reguliert Sinngrenzen mit seinen zentralen Funktionen

  • Generalisierung von Sinn (zeitlich, sachlich, sozial),
  • Systemdifferenzierung (Bildung von Systemen in Systemen, z.B. funktionale Differenzierung)
  • Evolutionssteuerung (zentrale Mechanismen, die Systembildung bewirken)

Diese Funktionen dienen jedoch der eigentlichen primären Funktion der Gesellschaft: Stabilisierung.

»Von allen Typen sozialer Systeme ist nur die Gesellschaft selbst mitsamt ihren funktionalen Subsystemen eine selbstsubstitutive Ordnung. Interaktionen können mit oder ohne Ersatz abgebrochen, Organisationen können aufgelöst und neu gegründet werden. Über den Wechsel befinden externe Instanzen, zum Beispiel einzelne Personen. Die Kontinuität der Gesellschaft ist jedoch eine unerläßliche Voraussetzung für das Diskontinuieren dieser anderen Systeme« (MS. Bielefeld 1974, S. 174, zitiert nach Kiss: 341)

Aus diesen Auffassungen Luhmanns mit der Konzeption von Subsystemen Wirtschaft, Politik usw. des Gesellschaftsystems, das selbst jedoch nur ein Teilsystem des sozialen Systems sei (in der Darstellung Gabor Kiss'), läßt sich folgern, daß es soziale Handlungen geben können muß, die nicht einem Subsystem der Gesellschaft zuzuordnen sind. Sie setzen allerdings das Gesellschaftssystem als Bedingung ihrer Möglichkeit voraus, insofern jede soziale Handlung sinnorientiert ist.

Was es mit diesem umfassenden Sozialsystem auf sich hat, wird in der Darstellung Kiss' nicht ganz klar, nicht mal, ob das Luhmann explizit so sieht, oder es eine Interpretation Kiss' ist. In den genannten Zitaten ist nur von "geordneter Umwelt" die Rede. Wenn es dieses umfassende Sozialsystem gibt, wo wären dann dessen Grenzen, und warum bekommt dann nicht dieses umfassende Sozialsystem den Namen Gesellschaft, und das Gesellschaftssystem etwa die Bezeichnung Kultursystem, was doch auch passen würde, wo das Gesellschaftssystem doch "Sinn konstituiert"?

Symbolische Kommunikationsmedien und binäre Codes

Luhmanns Systemtheorie ist nicht verständlich ohne Berücksichtigung seines Konzeptes der symbolischen Kommunikationsmedien und der binären Codes, ein zentraler Baustein seiner Systemtheorie. Am leichtesten fassbar ist das Kommunikationsmedium beim Wirtschaftssystem: Geld. Der zugehörige binäre Code ist haben/nicht haben, oder auch zahlen/nicht zahlen. Ist zwischen haben/nicht haben und zahlen/nicht zahlen ein Unterschied? An der Frage kann man sich prüfen, ob man versteht, was Luhmann unter einem binären Code versteht. Das symbolische Kommunikationsmedium des von Luhmann postulierten Systems Intimbeziehungen (oder auch Familie) ist Liebe. Für dieses System gäbe es keinen binären Code. Auch hier kann man sich selbst als Verständnisfrage vorlegen: Warum gibt es da keinen binären Code? Auch beim Politiksystem, dem das symbolische Kommunikationsmedium "Macht" zugeordnet wird, was noch einigermaßen plausibel ist, gibt es nach Luhmann einen binären Code: Regieren/Nicht regieren. Allerdings ist hier schon etwas Zweifel angebracht. Zudem ist zwischen Politik und Recht zu unterscheiden. Für Luhmann sind das (heute) zwei verschiedene Systeme. Im Kulturbereich wird dieses Konzept Luhmanns, nach dem die funktionale Ausdifferenzierung von Subsystemen stattfinden soll, vollends unklar. Orientiert sich etwa das Kunstsystem, falls es so etwas geben sollte, tatsächlich an einem Code schön/häßlich, und läßt sich mittels eines solchen Codes Kunst von Wissenschaft oder Religion unterscheiden, insbesondere die Handlungen und/oder Kommunikationen des Systems: Sind sie mittels solchen Codes eindeutig abgegrenzt einer dem System fremden Umwelt?

Für das Wissenschaftsystem hat die Sozialwissenschaftlerin Karin Knorr-Retina aufgrund ihrer empirischen Forschungen die Behauptung Luhmanns, der Wissenschaftsbetrieb würde sich am Code wahr/unwahr orientieren, zurückgewiesen. Es gäbe empirisch keine Belege, daß die praktische Tätigkeit in der Wissenschaft sich an solchem Code orientiere. Wissenschaft funktioniere anders[6].

Die Weltgesellschaft und ihre Subsysteme

"Geht man aus von einem Begriff der Gesellschaft als einem System, das alles kommunikativ erreichbare Handeln einschließt, dann ist kein Zweifel daran möglich, daß die soziokulturelle Evolution heute die Weltgesellschaft realisiert hat." (Luhmann, Bielefelder Manuskripte 1974, S. 209, zit. n. Kiss)

Kiss nennt folgende besondere Merkmale der Weltgesellschaft (S. 346f. Lit.a.a.O.):

  • "Die Welt bildet heute ein - alle Gesellschaftssysteme tangierendes - »Globalsystem«, das durch allmähliches Verschwinden von territorialen Grenzen und kommunikativen Limitationen gekennzeichnet ist."
  • Die Entwicklung ist nach Luhmann (1974) abgeschlossen, es gibt kaum noch "weiße Flecken", die "die nicht in das »internationale System« der Kommunikationen, Interdependenzen und Kontingenzen mit einbezogen wären.«" Die Globalisierung des Gesellschaftssystems erfordere die Generalisierung des Gesellschaftskonzepts und dessen Überhöhung in Form einer Supertheorie.
  • Die wichtigste evolutionäre Errungenschaft der Moderne ist die Ausdifferenzierung des Teilsystems Wirtschaft (Primat der Ökonomie). Die industrielle Produktionsweise hat ein neuartiges Niveau funktionaler Differenzierung erzwungen, das nun nur noch als Weltgesellschaftssystem "stabilisiert" werden kann. (Bielefelder Manuskripte 1974 a.a.O. S. 211)
  • Die Dynamisierung der Entwicklung durch die Expansion des Ökonomischen erlaubt die Integration primärer Teilsysteme der Gesellschaft nicht mehr auf der Basis "substanzieller" Gleichheit, sondern sie können »nur noch in der Interdependenz ihrer Funktionen und in der Kompatibilität ihrer Möglichkeiten integriert werden«, durch das Tempo werden Integrationsmöglichkeiten problematisch. (Kiss: 347)
  • Es entstehen durch die Dynamik des Wandels "Grenzunsicherheiten", »was gehört noch und nicht mehr zum System?«:

»Die Wirtschaft erfordert nach ihrer Eigenlogik und nach ihren optimalen Verwirklichungsbedingungen andere Grenzen als die Politik, die Religion andere als die Wissenschaft, und deren Grenzen sind nicht identisch mit dem Spielraum der Wahl von Partnern für Intimbeziehungen. Der noch sozialisierbare Nachwuchs mag einen anderen Umfang haben als der Bedarf für Arbeitskräfte, das touristische Interesse andere Grenzen haben als das militärische. Sobald einige Teilsysteme der Gesellschaft, etwa das für wissenschaftliche Forschung, das für öffentliche Kommunikation und mindestens einige Bereiche der Wirtschaft, weltweite Relevanz erfordern und gewinnen, kann ein Konvergieren der Grenzen nur noch durch ein einheitliches Weltgesellschaftssystem gewährleistet werden. Teilsysteme, die eine solche Reichweite nicht erlangen können, müssen dann innerhalb eines weltweit relevanten Funktionsbereichs segmentär rekonstruiert werden - so die Familien, die Staaten, die Einrichtungen für medizinische Versorgung und anderes mehr. Wie immer ausbalanciert, kann die Einheit dieses neuen Zusammenhangs von funktionaler und segmentärer Differenzierung nur noch welteinheitlich realisiert werden. Das hat durchgreifende Folgen für die Autonomiechancen und die Anpassungsproblerne, die sich in allen Teilsystemen stellen, und ist insofern bestimmend für einen neuartigen Gesellschaftstypus« (MS. Bielefeld 1974, S. 213, a.a.O., Hervorh. anthrowiki).

Als Teilsysteme neben der dominanten Wirtschaft, die das Primat der Politik abgelöst hat, nennt Luhmann neben der Politik/den Staaten die Religion, die Wissenschaft, Intimbeziehungen (Familie), öffentliche Kommunikation, medizinische Versorgung. Das Politiksystem bringt es nicht zur globalen funktionalen Ausdifferenzierung, die Staaten bleiben weiter segmentär differenziert, ebenso das Teilsystem Familie/Intimbeziehungen. Wissenschaft hingegen differenziert sich im vollen Maße weltgesellschaftlich funktional aus.

Im Kontrast zur Dreigliederungsidee Rudolf Steiners gibt es als Teilbereiche der Gesellschaft also nicht Wirtschaft, Politik und Kultur, sondern vornehmlich der Kulturbereich ist von Luhmann anders konzipiert, ein eigentliches Kultursystem gibt es für ihn nicht, sondern es gibt die Teilsysteme Religion, Wissenschaft, Familie usw. In der späteren Systemtheorie Luhmanns werden noch weitere auch als autopoietisch geschlossene Systeme beschrieben, wie das Kunstsystem. Schüler Luhmanns identifizieren weitere Systeme, wie ein System "Soziale Hilfe". Dirk Baecker beklagt in einer Aufsatzfolge in der TAZ, daß das Erziehungsystem bisher noch keinen klaren binären Code entwickeln konnte, um seine Ausdifferenzierung (und damit autopoietische Eigenständigkeit) ausreichend voranzutreiben und sieht darin eine Ursache für seine mangelnde Leistungsfähigkeit. (Baecker sieht in den folgenden Teilen der Serie als das symbolisch generalisierte Kommunikationsmedium "Intelligenz" an, der binäre Code sei "Wissen/Nicht Wissen", bzw. Baecker stellt sich vor, die Erziehung solle sich zu einem funktionalen Teilsystem der Gesellschaft mit diesem Medium und Code ausdifferenzieren)[7][8] [9] [10] [11] [12] [13]

Baecker nimmt in dem Aufsatz in der TAZ (siehe FN 7ff.) in geradezu vereinahmender Weise Bezug auf die Dreigliederungsidee Rudolf Steiners, sieht aber die Luhmannsche Systemtheorie, in Kombination mit Parsonschen Ansichten, als diejenige an, die es sozusagen "besser" weiß, was zu tun wäre. Das von ihm vorgeschlagene Medium "Intelligenz" und der Code Wissen/Nicht Wissen scheint aber vielleicht den Gefühls- und Willensaspekt der menschlichen Seele, die doch bei der Erziehung genauso Berücksichtigung finden müssen, zu vernachlässigen? Die Problematik bei solchen Überlegungen besteht darin, daß sie nicht aus der Lebenswirklichkeit und pädagogischen Praxis entwickelt werden, sondern sich aus dem Systemgesichtspunkt, aus den theoretischen Voraussetzungen der Luhmannschen Systemtheorie ergeben.

Exkurs: Die Grenzen von Systemen und der intersystemische Austausch

Zu dem scheinbar leicht faßbaren Begriff des Systems gehört der Begriff der "Grenze". Ein System ist abgegrenzt zu seiner Umwelt, hat aber Beziehungen zur Umwelt. Diese Beziehungswirklichkeit ist auch bei Annahme autopoietisch geschlossener Systeme nicht aufgehoben. Wie sich etablierte oder sich etablierende Systeme zur Umwelt verhalten ist wichtiges Forschungsgebiet der Sozialwissenschaften. Die besondere Schwierigkeit für die Forschung auf dem Gebiet ist die Verquickung von Begriff und Wahrnehmung mit dem aktiven Handeln und der realitätsbewirkenden Macht des Handelns, auch des sozialen Verhaltens ohne Handlungsintention. Der amerikanische Pragmatismus hat diesen [14][15]Aspekt zum Prinzip seiner Philosophie erhoben, und es ist in der Tat wahr, daß die soziale Realität mit(?)[16] ein Ergebnis davon ist, wie Menschen über sie denken, und wie sie entsprechend handeln. Dies gilt natürlich auch für die Wahrnehmung von Grenzen, und ihre Bestätigung oder Überschreitung im sozialen Handeln. Der Grenzbegriff ist in sich widersprüchlich. Eine Grenze ist eine Grenze und zugleich keine. Man kann zum Beispiel Korruption als eine unerlaubte Überschreitung einer rechtlich bestimmten oder sozial anerkannten Grenze ansehen. In der implizit gegebenen Anerkennung des Verbots bei seiner Mißachtung wird die Grenze zwar bestätigt, aber mit einer massenhaften Überschreitung ist oft die Beschädigung oder gar Auflösung verbunden. Es gibt Länder oder Regionen, oder es gibt solche Verhältnisse zu Zeiten, in denen ohne Bestechung sich von den zuständigen Beamten nichts erreichen läßt, ihr Verhalten ökonomisch manipuliert ist, statt dem Prinzip der Gleichbehandlung zu folgen. Ähnlich im Verhältnis zwischen Wissenschaft (Kultursystem) und dem Ökonomischen, wenn z.B. ein von der Zigarettenindustrie bezahlter Wissenschaftler Forschungsergebnisse bezügl. der Schädlichkeit des Rauchens manipuliert. Der Übergang von einem erlaubten oder erwünschten Verhalten bei Grenzüberschreitungen zu einem unerlaubten oder jedenfalls nicht wünschenswerten, oder unter anderem Aspekt objektiv schädlichen Verhalten kann fließend sein, wie beim Lobbyismus, dessen grassierende Auswüchse demokratische Prinzipien zu untergraben drohen.

Die wesentlichen Unterschiede zwischen Luhmanns Systemtheorie und der Dreigliederungsidee Rudolf Steiners

Siehe auch Hauptartikel --> Soziale Dreigliederung Abgrenzung von anderen sozial- und gesellschaftstheoretischen Konzepten sowie Freies Geistesleben, Zivilgesellschaft und Lebenswelt

Weil bei Betrachtung der frühen Systemtheorie die Heranziehung der Habermas-Luhmann-Kontroverse naheliegt, sei als erster Aspekt die Frage nach dem Systemcharakter des Kulturbereichs, bzw. von allen dem, was nicht Wirtschaft und Politik/Recht ist, gestellt. Der Systemcharakter von Wirtschaft und Politik wird auch von Habermas nicht geleugnet, und er ist ohnehin plausibel. Und dann wäre da noch die Kultur. Also Dreigliederung. Wer will da widersprechen? Die Unterscheidungen von Subsystemen im Kulturbereich, etwa ein besonderes System Massenmedien[17], oder ein Religionssystem, könnte man dann als Subsubsysteme ansehen, die meinetwegen dann noch nicht in allen Fällen die vollständige funktionale Ausdifferenzierung erfuhren, insofern mit "noch" unklaren Systemgrenzen.

Unter dem Aspekt der Beförderung guten Lebens, dem Fortschritt der Moderne hin zu besseren Lebensbedingungen für die Menschheit, muß die Entstehung von verselbständigten Systemen, insbesondere des Wirtschaftssystems unter dem Aspekt des real existierenden Kapitalismus, kritisch gesehen werden. Wollen die Menschen sich der Selbstbestimmung ihres sozialen Schicksals begeben, oder sind sie aufgerufen, ihre soziale Welt selbst zu gestalten? Von Habermas wird dies unter dem Stichwort "Kolonisierung der Lebenswelt" thematisiert. Der philosophisch ausgearbeitete Begriff Lebenswelt stammt ursprünglich von Husserl, Habermas hat den Begriff umdefiniert, was auch vielfach kritisiert worden ist[18]. Jedoch ist diese Perspektive, daß sich zwei Arten Systeme Wirtschaft und Politik in aggressiver und menschenunwürdiger Weise auf dem Gebiet der Lebenswelt betätigen, diese "kolonisieren", kaputt machen[19], weit führend. Um eine Differenz zwischen der Konzeption Luhmanns und derjenigen Rudolf Steiners näher zu bestimmen, ist daher das Verhältnis des Begriffes des Bereichs Kultur/Geistesleben des sozialen Organismus, im Sinne der Dreigliederungsidee Rudolf Steiners, zu dem Begriff der Lebenswelt, vornehmlich, wie sie Husserl verstand, aber auch die Modifikationen ihres Begriffs bei Alfred Schütz und Habermas, in ihren Gemeinsamkeiten und Unterschieden, zu untersuchen. (Aus dem Luhmannschen Systemkonzept ist die Unterscheidung von Interaktions- und Organisationssystemen nützlich, neben der Zurückweisung des Gedankens der autopoietischen Geschlossenheit, sogar dem des Systemcharakters überhaupt, auf dem Gebiet der Kultur.)[20].

Bildung und Erziehung - ein funktionales Teilsystem der Gesellschaft?

Der o.a. Aufsatz von Dirk Baecker in der TAZ gibt nähere Aufschlüsse, wie sich Systemtheoretiker die Problematik einer vom Staat gegängelten Bildung und Erziehung vorstellen. Luhmann selbst hatte offenbar einige Schwierigkeit gesehen, ein eigentliches Erziehungssystem, als ein funktional differenziertes Subsystem der Gesellschaft auszumachen. Er überlegte, ob das symbolisch generalisierte Kommunikationsmedium des Erziehungssystems das "Kind" sei[21]. Dirk Baecker macht in der TAZ (2004) den Vorschlag, das symbolisch generalisierte Kommunikationsmedium müsse "Intelligenz" heißen, mit einem binären Code "Wissen/Nicht Wissen". Dazu erwähnt er freundlich Parsons' Vorstellung von Universitäten als "Intelligenzbanken". Zu diesem Beispiel sind nun, um das eigentliche der Dreigliederungsidee deutlicher herauszuarbeiten, bezügliche Aussagen von Luhmann, auch die späteren, wo er soziale Systeme schon als Kommunikationssysteme auffaßt, näher zu analysieren, und mit Hinzunahme der Ausführungen Baeckers und anderer, - mit dem Lebensweltkonzept, und der Stellung von Erziehung und Bildung in einer intakten Lebenswelt, zu kontrastieren. Baecker war einige Jahre Soziologieprofessor an der Universität Witten-Herdecke, man darf daher davon ausgehen, daß er mit der Dreigliederungsidee Rudolf Steiners "näher bekannt" ist. Diether Lauenstein hatte noch in den siebziger Jahren gemeint, Luhmann würde das gleiche sagen wie Rudolf Steiner, Baecker geht über solches Mißverständnis hinaus und behauptet, Luhmann, und allgemeiner die akademische Soziologie überhaupt, wisse besser über diese Fragen Bescheid als Rudolf Steiner, der damit in die wohl schon beachtenswerten Vorläufer differenzierungstheoretischen Denkens eingeordnet wird, ohne aber daß noch eine genauere Analyse, wie Steiner die Dreigliederungsidee insb. als Gestaltungsauftrag konzipierte, für nötig gehalten wird.

Die moderne Soziologie "nimmt den Menschen nach keiner Richtung hin als Einzelwesen, sondern als ein Glied der sozialen Entwickelung. Wie der Mensch vorstellt, erkennt, handelt, fühlt: das alles wird als ein Ergebnis sozialer Mächte aufgefaßt, unter deren Einfluß der einzelne steht. (...) Es wird bei allen diesen Gedankenkreisen nicht die Frage aufgeworfen: Was entsteht im einzelnen Individuum, was vollbringt dieses aus seiner ureigensten Natur heraus?" (GA 018, S. 549)

Diese Frage ist jedoch das Paradigma des Bereichs "Freies Geistesleben/Kultur" im Sinne der Dreigliederung. Die "Intelligenz", die Kreativität, die Sozialkompetenzen, das praktische Vermögen usw. der Individuen sind wohl für die Gesellschaft Ressourcen. Aber die Individuen existieren um ihrer selbst willen, genauso, wie das Weizenkorn nicht geschaffen ist, Menschen zu ernähren. Der Mensch nutzt und tötet Pflanzen zu seiner Ernährung. Dies ist aber nicht die Idee der Pflanzen. Genauso wenig ist das einzelne Individuum dazu da, an Gesellschaftssysteme Ressourcen abzuliefern.

Bei einem gärtnerischen Kultivieren wird man darauf achten, den Lebensbedingungen der Pflanzen gerecht zu werden, der größeren Früchte wegen, wenn es um die benötigte Nahrung geht. Baecker will mit seinem Vorschlag eines Mediums "Intelligenz" das Erziehungssystem auch abgrenzen von allem, was "Liebe" als Medium ist (von Luhmann zugeordnet den Intimbeziehungen, der Familie). Bei einer nicht segmentären, sondern funktionalen Differenzierung würde dann innerhalb der Familien ein Doppelaspekt wirksam: Das Kind nicht nur aus Liebe erziehen, sondern um seine Intelligenz und Kreativität als Nutzressource möglichst effizient herauszupowern, (Ehrgeiz der Muttis usw.). Das ist aber völlig entgegen der traditionellen Auffassung von Familie, Liebe usw. und das scheinen Auffassungen zu sein, wie diejenigen von Gärtnern, die ihren Garten danach ausrichten, was die Früchte auf dem Markt einbringen werden.

Man kann dies wohl bei allen diesen angeblichen sich funktional ausdifferenzierenden Subsystemen im Kulturbereich feststellen, daß sie bei einer etwas simpleren, dadurch nicht falscheren Systemkonstruktion Bestandteile, Überbau wären des Wirtschafts- und Politik-Systems, "Kulturindustrie", wie sie Adorno diagnostizierte.[22]

Die erkenntnistheoretische Position Luhmanns

Luhmann arbeitete unter Voraussetzung des Naturalismus. Er überträgt für seine spätere Systemtheorie die Annahmen des biologistischen Konzepts von Humberto Maturana auf seine Soziologie. Das ist ein sog. "radikaler Konstruktivismus". Praktisch geht Luhmann phänomenologisch vor, beruft sich auch häufig auf Husserl. Seine Systemtheorie sei Resultat phänomenologischer Beobachtung des Gegebenen, also mit empirischem Gehalt (= Bewältigung von Irritationen des psychischen Systems als ein Teilsystem der Person Niklas Luhmann, durch strukturelle Koppelung mit dem Wissenschaftssystem, das wiederum irritiert worden war durch das Gesellschaftssystem, bzw. seine dynamische Entwicklung wie sie Luhmann mit seinem Gedankengebäude zu fassen suchte.)

Die Systemtheorie solcher Art kommt jedoch zu der Anerkennung eigenständiger Bereiche des Seienden. Soziale Systeme sind nicht reduzierbar, ableitbar aus dem Materiellen oder Biologischen, sie stellen eine Realiät aus eigenem Recht dar. Jedoch emergieren sie aus der "Materie". Geist ist als Phänomen anerkannt, aber nicht als das Ursprüngliche, und insofern auch nicht als das eigentlich Geistige wahrgenommen, aus dem alles erst hervorgeht, bzw. das dieses Hervorgehen selbst ist, aber doch als ein Besonderes registriert, das sich nicht materialistisch reduzieren läßt. Zudem wird von Maturana die Prozeßhaftigkeit des Geistigen betont, was in der Systemtheorie Luhmanns das "Operieren" der Systeme ist.

Luhmann war Bewunderer des Mathematikers George Spencer-Brown, den er öfter in seinem Werk lobend erwähnt. Spencer Brown vermittelte Luhmann u.a. den für ihn zentralen Gedanken: "Ein Unterschied ist, was einen Unterschied ausmacht" (vgl. Artikel zu Spencer Browns Werk: Laws of Form).

Werke (Auswahl)

  • Funktionen und Folgen formaler Organisation (1964)
  • Zweckbegriff und Systemrationalität (1968) (Ein Klassiker der Organisationssoziologie; Suhrkamp Klappentext)
  • Rechtssoziologie (1980)
  • Soziologische Aufklärung. (Bd. 1, Heute Bd. 1 - 6 Sammelband), Westdeutscher Verlag, Opladen 1970
  • Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie. Was leistet die Systemforschung? (zus. mit Jürgen Habermas), Frankfurt am Main 1971, ISBN 978-3-518-06358-3.

Geeignete Einstiegsliteratur:

  • Liebe als Passion: Zur Codierung von Intimität Suhrkamp, 1982 (Luhmanns schönstes Buch, heißt es. Untersucht die Genese (bzw. die Genese des Ideals) der romantischen Liebe)
  • Ökologische Kommunikation: Kann die moderne Gesellschaft sich auf ökologische Gefährdungen einstellen? 1986 (An einem populären Thema stellt Luhmann alle wesentlichen Aspekte seiner späteren Systemtheorie vor. Das Buch ist von ihm möglichst einfach und verständlich gehalten, und insofern als Einführung geeignet)

Siehe auch

Literatur

  • Gabor Kiss: Einführung in die soziologischen Theorien II (Studienbücher zur Sozialwissenschaft 27), 3. Aufl. 1977, Westdeutscher Verlag, Opdaden, ISBN 3531211498
  • Christian Grauer: Am Anfang war die Unterscheidung. Der ontologische Monismus. Eine Theorie des Bewusstseins im Anschluss an Kant, Steiner, Husserl und Luhmann, INFO 3 Vlg., Frankfurt a. M. 2007, ISBN 3-924391-37-8, Inhaltsverzeichnis, (2. Aufl. 2013), Rezension Holger Niederhausen

Weblinks

Einzelnachweise

  1.  Niklas Luhmann: „Was ist der Fall?” und „Was steckt dahinter?” Die zwei Soziologien und die Gesellschaftstheorie. Bielefeld 1993, S. 3.
  2. Vgl. Gabor Kiss: Einführung in die soziologischen Theorien II, 3. Aufl. 1977, S. 321ff.
  3. Die Standardisierung ist genau das Mittel, um die Komplexität nicht mehr begreifbar zu machen, Konrad Schily, 8/2010 Thomas Brunner, Ralf Gleide und Clara Steinkellner im Gespräch mit Dr. Konrad Schily, Witten, 17.8.2010. Eine gekürzte Fassung ist in Die Drei, Ausgabe 2011/1 erschienen. zitiert nach [1]
  4. Es gibt dazu eine Anmerkung von Steiner, daß soziale Institutionen, also auch eine Waldorfschule, die Tendenz haben, in ihren Formen zu erstarren, unlebendig zu werden. Das Ergebnis davon ist dann die Organisation von der Art, wie sie Schily kritisiert. Um es nicht zu solcher System- bzw. Organisationsbildung, Verknöcherung kommen zu lassen, gilt es fortwährend dagegen anzukämpfen<Quelle> ... Es wäre dann insofern auch auch ganz falsch, die Waldorfschule mit so einer Organisation zu identifizieren. Die Organisation könnte so allenfalls etwas sein, auf das sich die Waldorfschule stützt, wie auf ein Skelett gewissermaßen. Eine Ausweitung dieser Frage beinhaltet auch die Relevanz des folgend erläuterten Unterschieds zwischen Interaktions- und Organisationssystemen, wie ihn Luhmann zieht. Sollten Institutionen des Geisteslebens wie Schulen sich auf dem Systembildungslevel von Interaktion zu halten suchen, besteht etwa das Eigentümliche des Kulturbereichs gerade darin, Systembildungsprozesse in Richtung der von Schily kritisierten Kollektivierung zu unterdrücken, und ist diese Unterdrückung die Bedingung der Freiheitlichkeit des Geisteslebens?
  5. Die folgenden Angaben beruhen auf Lit: Gabor Kiss, S.333ff. Kiss gibt als Quelle seiner Ausführungen an: "Die folgende Kurzfassung ist aufgrund eines unveröffentlichten Manuskriptes für fortgesetzte Veranstaltungen Luhmanns über „Gesellschaftstheorie" (Bielefeld 1973-1975) und meiner Teilnahme an diesen Veranstaltungen entstanden. Die Auswahl der - für ein Einführungsbuch geeigneten - Schwerpunkte erfolgte nach Rücksprache mit Luhmann, dem ich für seine Bereitschaft, das Material verwenden zu dürfen, an dieser Stelle meinen besonderen Dank aussprechen möchte. (Lit.: Gabor Kiss, FN 2 Seite 333f.)
  6. Vgl. Knorr-Cetina: Zur Unterkomplexität der Differenzierungstheorie. Empirische Anfragen an die Systemtheorie, 1992, Zeitschrift für Soziologie 21: 406–419, S. 411 ff., PDF
  7. [Artikel in der taz: Die Bildung kennt ihre Grenzen nicht, 17.02.2004, von Dirk Baecker (Dirk Baecker ist Luhmannianer) http://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2004/02/17/a0218]). (Dieser Aufsatz verdient einige Aufmerksamkeit, weil Baecker auf die Dreigliederungsidee Steiners Bezug nimmt).
  8. Teil 2: http://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2004/02/24/a0238
  9. Teil 3: http://www.taz.de/1/archiv/?id=archivseite&dig=2004/03/02/a0265
  10. Teil 4: http://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2004/03/09/a0203
  11. Teil 5: http://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2004/03/16/a0200
  12. Teil 6: http://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2004/03/23/a0222
  13. vgl. auch Dieter Lenzen: "Schien es zunächst noch so, als sei für das Erziehungssystem kein symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium entwickelt worden (vgl. LUHMANN 1987, S. 85), so verstärkte sich später der Eindrack, das Kind sei Medium der Erziehung (vgl. LUHMANN 1995c); inzwischen wird angenommen, daß die Differenz Lebenslauf/Humanontogenese oder der Code vermittelbar/nichtvermittelbar eine angemessene Beschreibung darstellt (vgl. LENZEN/LUHMANN 1998). Gerade am Beispiel des Erziehungssystems, bei genauerer Betrachtung aber auch sicher bei anderen funktionalen Teilsystemen, wird deutlich, daß die genannten Veränderungsprozesse der Systemcodes einem raschen Wandel unterliegen bzw. nebeneinander existieren. Jedoch erweist sich diese Einschätzung theoretisch als sehr unbefriedigend." (Lenzen, Dieter Jenseits von Inklusion und Exklusion. Disklusion durch Entdifferenzierung der Systemcodes Zeitschrift für Erziehungswissenschaft 2 (1999) 4, S. 545-555 [http://www.pedocs.de/volltexte/2011/4535/pdf/ZfE_1999_04_Lenzen_Inklusion_Exklusion_D_A.pdf Lenzen, Dieter: Jenseits von Inklusion und Exklusion. Disklusion durch Entdifferenzierung der Systemcodes]
  14. Dies entspricht nicht dem populären Verständnis von "Pragmatismus". Die erkenntnistheoretische Position ist darüber hinaus, daß Wahrheit ein Produkt des Wollens ist, des Ja-Sagens zu einer zukünftigen Realität, die aber natürlich nur aus dem schon gegebenen gesetzmäßig hervorgehen kann, wobei die Freiheit der Fortsetzung dann zukünftige Realität schafft.
  15. Der amerikanische Pragmatismus ist eine originäre Schöpfung des invasiven Amerikas, ist nicht 'anglo-amerikanisch', sondern Ergebnis des Kulturbedürfnisses entwurzelter Auswanderer, sich in einer fremden Welt zurecht zu finden, in der die mitgebrachten kulturellen Traditionen nutzlos waren. (nach George Herbert Mead)
  16. Hieraus ergibt sich eine sehr schwierige Fragestellung mit Bezug auf das Eigentliche der Dreigliederungsidee Rudolf Steiners, die an anderer Stelle ausführlich zu erörtern ist.
  17. Niklas Luhmann: Die Realität der Massenmedien, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, 4. Aufl. 2010 (Luhmann beschreibt die Massenmedien als ein autopoietisches System mit dem Code Information/Nichtinformation); zum Pressewesen innerhalb eines dreigegliederten Organismus vgl. GA 337a S. 68ff.
  18. Vgl. z.B. Bernhard Waldenfels: In den Netzen der Lebenswelt. Frankfurt am Main 1985; s.a. Freies Geistesleben, Zivilgesellschaft und Lebenswelt.
  19. Bezüglich der deskriptiven Fakten kann man sich besser an Marx halten als an Luhmann. Ein Vertreter einer Kombination von Systemtheorie auf Basis Maturana/Varela (wie Luhmann) und Marxismus ist Klaus Türk (Lit.:Klaus Türk: Die Organisation der Welt. Herrschaft durch Organisation in der modernen Gesellschaft. Westdt. Verlag, Opladen 1995.)
  20. Näheres dazu siehe den Artikel Freies Geistesleben, Zivilgesellschaft und Lebenswelt, wo die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den Begriffen "Kultur", "Lebenswelt" und "freies Geistesleben" näher erörtert werden, und im Anschluß daran eine Bestimmung des Freien Geisteslebens im Sinne der sozialen Dreigliederung im Unterschied zu anderen, scheinbar das Gleiche oder ähnliches meinende Konzepten, versucht wird.
  21. Quelle
  22. Vgl. auch FN 4, der dort angeführte Gedanke impliziert das Gegenteil von Baeckers Ansichten: Die Dysfunktionalität des Geisteslebens wäre Resultat zu weit gehender Systembildung. Vgl. dazu auch Soziale Dreigliederung#Wachsender Organismus vs. künstliche Organisiertheit.
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