Quanteninformation

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Unter Quanteninformation versteht man die in quantenmechanischen Systemen vorhandene Information, die nicht mit den Gesetzen der klassischen Informationstheorie beschrieben werden kann.

Die Theorie der Quanteninformation liefert die Grundlage für Quantencomputer, Quantenkryptographie und andere Quanteninformationstechnologien. Außerdem besteht die Hoffnung, mit ihrer Hilfe die Quantenmechanik besser zu verstehen.

Grundlagen

Quantenmechanische Systeme haben einige Eigenschaften, die sie grundlegend von klassischen Systemen unterscheiden.

Verschränkung

Die Verschränkung ist der interessanteste Aspekt der Quanteninformation, sie wurde von Albert Einstein spukhafte Fernwirkung[1] genannt. Für zwei verschränkte Systeme gilt, dass keines der Systeme für sich genommen einen definierten Zustand hat, sondern nur das aus beiden Systemen zusammengesetzte Gesamtsystem. Dies gilt auch dann, wenn die beiden Teilsysteme nicht (mehr) miteinander wechselwirken und beliebig weit voneinander entfernt sind. Verschränkte Zustände sind die Grundlage des EPR-Paradoxons.

Die Verschränkung von Zuständen ist letztlich eine Folge der Anwendung des Superpositionsprinzips auf zusammengesetzte Systeme: Wenn das System 1 im Zustand und das System 2 im Zustand ist, dann ist das kombinierte System im Zustand (|System 1 in Zustand und System 2 in Zustand ), oder kurz . Im Formalismus der Quantenmechanik ist dies ein Produkt der beiden Zustände (nämlich das Tensorprodukt ). Analog kann das Gesamtsystem auch im Zustand sein. Das Superpositionsprinzip fordert nun aber, dass auch ein Zustand des Systems ist. Da dieser Zustand sich für zwei komplexe Zahlen und ungleich 0 jedoch nicht als Produkt schreiben lässt, kann man den Einzelsystemen keinen eigenständigen Zustand mehr zuschreiben.

Komplementarität

Für ein Quantensystem sind niemals die Werte aller Observablen gleichzeitig definiert. Ist der Wert einer Observablen exakt definiert, so ist der Wert anderer Observablen völlig unbestimmt. Misst man diese Observable, so ist das Ergebnis rein zufällig. Solche Observablen nennt man komplementär. Zusätzlich gibt es noch Observablen, deren Wert zwar auch nicht festgelegt ist, bei denen jedoch abhängig vom Wert der ersten Observablen die verschiedenen Werte unterschiedlich wahrscheinlich sind.

Wird eine solche Observable gemessen, so wird der Wert der vorherigen Observable entsprechend unbestimmt. Eine wichtige Folge davon ist, dass wir durch Messung eines einzelnen Quantensystems unmöglich den exakten Zustand herausfinden können, in dem es sich vor der Messung befunden hat.

Beispiel

Für ein Spin-1/2-System kann eine Spinkomponente in beliebiger Raumrichtung gemessen werden. Die möglichen Werte sind stets entweder (Spin up) oder (Spin down).

Für das Spin-1/2-System sind die Spin-Komponenten in x-, y- und z-Richtung zueinander komplementär. Kennt man den z. B. Spin in z-Richtung, so kann man keinerlei Voraussage über den Spin in x-Richtung machen, beide Ergebnisse sind gleich wahrscheinlich.

Misst man hingegen z. B. in einem Winkel von 60° zur z-Richtung, so erhält man mit Wahrscheinlichkeit 3/4 denselben Wert, den das System vor der Messung in z-Richtung hatte, und mit Wahrscheinlichkeit 1/4 den anderen Wert.

Misst man bei bekanntem Spin in z-Richtung den Spin in x-Richtung, so ist danach der Spin in x-Richtung bekannt, der Spin in der komplementären z-Richtung wird aber durch die Messung unbestimmt. Eine erneute Messung des Spins in z-Richtung wird mit gleicher Wahrscheinlichkeit beide Werte liefern; der vorherige Wert in z-Richtung ist gelöscht.

Eigenzustände

Von zwei Observablen, deren Werte gleichzeitig definiert sein können (also das Gegenteil von komplementären Observablen) sagt man, sie vertauschen bzw. kommutieren. Das bezieht sich zwar eigentlich auf eine Eigenschaft der mathematischen Objekte (Operatoren), mit denen sie in der Quantenmechanik beschrieben werden, man kann es aber auch auf die Tatsache beziehen, dass für diese, und nur für diese, die Reihenfolge, in der man sie misst, egal ist, man also die zugehörigen Messungen vertauschen kann.

Zustände, in denen der Wert einer Observablen eindeutig festgelegt ist, nennt man Eigenzustände der Observablen, und den zugehörigen Wert der Observablen Eigenwert.

Superpositionsprinzip

Sind |Zustand 1> und |Zustand 2> zwei mögliche orthogonale Zustände eines quantenmechanischen Systems, und sind a und b zwei komplexe Zahlen mit |a|²+|b|²=1, so gibt es einen weiteren möglichen Zustand des Systems, der sich als

|neuer Zustand> = a|Zustand 1> + b|Zustand 2>

schreiben lässt. Hierbei führt ein gemeinsamer Faktor bei a und b zum selben Zustand, ansonsten gehört zu jedem Paar von a und b ein anderer Zustand.

Falls |Zustand 1> und |Zustand 2> verschiedene Eigenzustände einer Observablen mit unterschiedlichem Eigenwerten w1 und w2 sind (solche Zustände nennt man orthogonal), so ist im Zustand |neuer Zustand> die Wahrscheinlichkeit, bei Messung der Observablen den Wert w1 zu erhalten, gerade |a|², und die Wahrscheinlichkeit, den Wert w2 zu erhalten, |b|².

Beispiel

Für ein Spin-1/2-System ergeben die Superpositionen der Zustände |Spin up in z-Richtung> und |Spin down in z-Richtung> gerade alle Zustände der Form |Spin up in Richtung n> und |Spin down in Richtung n>, wobei n die Richtung angibt.

Unitäre Zeitentwicklung

Solange nicht gemessen wird, gehen zueinander orthogonale Zustände immer in orthogonale Zustände über. Außerdem gilt das Prinzip der Wahrscheinlichkeitserhaltung: Die Summe der Wahrscheinlichkeiten einer möglichen Messung muss zu jedem Zeitpunkt 1 ergeben.

Weitere Aussagen

Aus diesen quantenmechanischen Grundlagen folgen u. a. die folgenden wichtigen Aussagen:

  • No-Cloning-Prinzip: Ein unbekannter Quantenzustand kann nicht kopiert werden. Das heißt, es gibt keine Möglichkeit, ein zweites System so zu präparieren, dass es bekanntermaßen denselben Zustand hat wie ein existierendes System in unbekanntem Zustand, ohne dass der ursprüngliche Zustand des Original-Systems zerstört wird. Das heißt, entweder hat das Originalsystem hinterher einen Zustand, der nichts mit dem Originalzustand zu tun hat, oder es befindet sich in einer Verschränkung mit einem anderen System und hat daher als Einzelsystem überhaupt keinen definierten Zustand mehr.
  • Das einfachste quantenmechanische System hat genau zwei orthogonale Zustände (eine Messung kann maximal zwei unterschiedliche Ergebnisse haben). Ein solches System nennt man Qubit, und es spielt eine ähnliche Rolle in der Quanteninformation wie das Bit in der klassischen Information.
  • In n Qubits lassen sich maximal n klassische Bits speichern und zuverlässig wieder extrahieren. Allerdings ist dabei nicht notwendigerweise jedes klassische Bit in genau einem Qubit gespeichert.

Anwendungen

Die besonderen Eigenschaften der Quanteninformation führen dazu, dass sie für einige Anwendungen sehr interessant ist.

Die Quantenkryptographie nutzt vor allem das Komplementaritätsprinzip: Wenn der Lauscher nicht weiß, in welcher Basis ein Qubit codiert ist, ist es für ihn praktisch unmöglich, dieses auszulesen. Zudem wird durch seinen Lauschversuch die Information zerstört, so dass unbemerktes Lauschen nicht möglich ist. Zudem geben Quantensysteme gute Zufallszahlengeneratoren für die Generierung von Schlüsseln für klassische Verfahren.

In Quantencomputern werden vor allem das Superpositionsprinzip und die Verschränkung verwendet, um effizienter zu rechnen (Quantenparallelität). Der Shor-Algorithmus nutzt beispielsweise diese Prinzipien, um große Zahlen schnell in Primfaktoren zerlegen zu können.

Informationsgehalt

Klassisch wird der Informationsgehalt (Menge der Information) in Bit angegeben. In vielerlei Hinsicht äquivalent dazu ist in der Quanteninformation das Qubit. Jedoch ist die Frage, wie viel Information ein Qubit enthält, nicht letztgültig geklärt.

Während ein klassisches Bit sozusagen eindimensional ist, also nur eine Ja-Nein-Alternative, ist das Qubit dreidimensional. Am einfachsten ist das bei Spin-1/2-Systemen zu sehen, bei denen die Superpositionen direkt den Raumrichtungen entsprechen, in denen das Ergebnis einer Spinmessung festliegt, es gilt aber für jedes Qubit. So kann z. B. ein Photon

  1. linkszirkular oder rechtszirkular,
  2. horizontal oder vertikal und
  3. 45° oder −45° polarisiert sein.

Diese drei Polarisationenpaare bilden, wie die drei zueinander senkrechten Spinkomponenten des Spin-1/2-Teilchens, drei jeweils zueinander komplementäre Observable. Entsprechend sind beim Photon auch alle Überlagerungen dieser Zustände möglich. Ein Photon kann nicht nur links- oder rechtszirkular polarisiert sein, sondern auch zu 90 % linkszirkular und zu 10 % rechtszirkular (elliptische Polarisation). Das heißt: Von vielen Photonen, die so polarisiert sind, erscheinen bei einer Messung der zirkularen Polarisation 90 % linkszirkular polarisiert. Vor der Messung trägt aber jedes einzelne Photon die Eigenschaft der Überlagerung (siehe Schrödingers Katze).

Um den Zustand eines Photons exakt anzugeben, reicht also ein Bit, also eine Wahl zwischen 1 und 0, nicht aus. Vielmehr müssen beide Anteile angegeben werden, was einer reellen Zahl, also unendlich vielen Bits entspricht. Um ein Photon exakt nach Vorschrift zu präparieren, ist unendlich viel klassische Information nötig. Diese Beobachtungen legen nahe, dass ein Qubit unendlich viel Information enthält.

Andererseits ist es grundsätzlich unmöglich, diese Information aus einem einzelnen Photon wieder herauszubekommen. Denn wenn in einer Richtung die Polarisation bestimmt wird, wird gleichzeitig der Zustand des Photons zerstört, so dass keine Aussage über die ursprüngliche Wahrscheinlichkeitsverteilung gemacht werden kann. Bei der Messung des Photons erhält man also immer genau ein klassisches Bit Information. Zudem gibt es für unverschränkte Qubits immer genau eine (wenngleich bei Unkenntnis des Zustands unbekannte) Observable (z. B. beim Spin-1/2-Teilchen: eine Messrichtung für den Spin), deren Ergebnis durch den Zustand vollständig festgelegt wird; für die dazu komplementären Observablen (Spin-1/2: für die dazu senkrechten Messrichtungen) ist dann das Ergebnis der Messung völlig unbestimmt, der Zustand des Qubits enthält also keinerlei Information darüber, welches Ergebnis die Messung dieser Observablem ergeben wird. Diese Beobachtungen legen nahe, dass die Information eines Qubits gerade ein klassisches Bit beträgt.

Der Begriff der Information hängt eng mit den Begriffen Entropie, Energie und Temperatur zusammen und scheint in der Physik ähnlich fundamental zu sein.

Siehe auch

Literatur

  • Vlatko Vedral: Introduction to quantum information science. Oxford Univ. Pr., Oxford 2006, ISBN 0-19-921570-7
  • Dirk Bouwmeester: The physics of quantum information – quantum cryptography, quantum teleportation, quantum computation. Springer, Berlin 2001, ISBN 3-540-66778-4
  • Dieter Heiss: Fundamentals of quantum information – quantum computation, communication, decoherence and all that. Springer, Berlin 2002, ISBN 3-540-43367-8
  • Dagmar Bruss, Gerd Leuchs: Lectures on quantum information. Wiley-VCH, Weinheim 2007, ISBN 978-3-527-40527-5

Einzelnachweise

  1. Max Born, Albert Einstein: Albert Einstein, Max Born. Briefwechsel 1916 – 1955. München (Nymphenburger) 1955, S. 210.
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