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Whistleblower

Aus AnthroWiki
FBI-Ermittler Mark Felt war unter dem Pseudonym Deep Throat für die Washington-Post-Reporter Bob Woodward und Carl Bernstein der wichtigste Informant der Watergate-Affäre, die 1974 zum Rücktritt des US-Präsidenten Richard Nixon führte.
Der ehemalige CIA-Mitarbeiter Edward Snowden brachte im Sommer 2013 tausende geheime Dokumente über die weltweite Überwachung durch britische und US-Geheimdienste an die Öffentlichkeit und löste damit eine globale politische Affäre aus.
Daniel Ellsberg brachte 1971 die geheimen Pentagon-Papiere an die Öffent­lich­keit und enthüllte damit die Täuschung der Öffent­lich­keit über den Vietnamkrieg durch mehrere US-Regierungen.

Ein Whistleblower[1] (im deutschen Sprachraum zunehmend auch Hinweisgeber, Enthüller oder Aufdecker) ist der Anglizismus für eine Person, die für die Öffentlichkeit wichtige Informationen aus einem geheimen oder geschützten Zusammenhang veröffentlicht.

Allgemeines

Zu den von Whistleblowern offengelegten Missständen beziehungsweise Straftaten gehören typischerweise Korruption, Insiderhandel, Menschenrechtsverletzungen, Datenmissbrauch oder allgemeine Gefahren, von denen der Whistleblower an seinem Arbeitsplatz oder in anderen Zusammenhängen erfahren hat. Im Allgemeinen betrifft dies vor allem Vorgänge in der Politik, in Behörden und in Wirtschaftsunternehmen.

Whistleblower genießen in Teilen der Öffentlichkeit ein hohes Ansehen, weil sie für Transparenz sorgen und sich als Informanten selbst in Gefahr begeben, selbst strafbar machen oder anderweitige gravierende Auswirkungen auf ihr Leben und ihre Arbeit riskieren. Häufig werden Whistleblower gemobbt und ihr Arbeitsverhältnis gekündigt. Sie werden auch wegen Geheimnisverrats vor Gericht gebracht (vgl. Vergeltung). Hieran zeigt sich die Ambivalenz im Verhalten von Gesellschaft und Rechtsstaat: Whistleblower erfahren zwar meist die Unterstützung der Bürger und können sich somit auf eine moralische Legitimität stützen, der jedoch oftmals eine Illegalität dieses Handelns gegenübersteht – Rechtfertigung und juristische Folgen fallen also auseinander.[2] Besonders bei hochbrisanten Themen wie Waffenhandel, organisierter Kriminalität oder Korruption auf Regierungsebene gab es Fälle, bei denen Whistleblower Auftragsmorden zum Opfer fielen, auf ungeklärte Weise in relativ jungem Alter plötzlich verstarben oder vermeintlich Suizid begingen. In einigen Ländern genießen Whistleblower daher besonderen gesetzlichen Schutz.

Die gelieferten Informationen sind meist sensibler Natur und können zur Rufschädigung von Personen und Institutionen beitragen. Es gab auch Fälle, bei denen Regierungen oder Regierungschefs aufgrund solcher Veröffentlichungen zurücktreten mussten, wie bei der Watergate-Affäre in den USA. Daher versuchen die veröffentlichenden Medien, Organisationen oder Enthüllungsplattformen wie etwa Wikileaks in der Regel, die Glaubwürdigkeit und Echtheit der Informationen vor ihrer Publizierung gründlich zu überprüfen. Damit schützen sie sich auch vor späteren Vorwürfen mangelnder Sorgfalt und Manipulierbarkeit. Whistleblower sind oft die zentrale oder einzige Quelle für investigative Journalisten, die an der Aufdeckung von politischen Affären oder Wirtschaftsskandalen arbeiten.

Herkunft des Begriffs

Die Herkunft des Begriffs „Whistleblower“ in diesem Zusammenhang ist nicht eindeutig belegt. Es besteht eventuell eine semantische Beziehung zu dem deutschen Begriff „verpfeifen“. Als mögliche Herkunft gelten sowohl englische Polizisten, die mittels einer Trillerpfeife andere Polizisten auf einen Verbrecher aufmerksam machten, als auch Schiedsrichter beim Fußball, die durch Pfeifen das Spiel nach Regelverstößen unterbrechen.[3][4]

Der Anglist Anatol Stefanowitsch vermutet, dass sich das Wort von der englischen Redeweise to blow a whistle ableitet, was laut dem American Heritage dictionary of idioms allgemein das Aufdecken von Fehlverhalten bzw. ursprünglich das Beenden einer Tätigkeit bedeute.[5] Das Substantiv whistle-blower taucht im englischen Sprachgebrauch erstmals in den 1970er Jahren in der heute üblichen Bedeutung auf. Im Deutschen existiert der Begriff etwa seit Mitte der 1980er Jahre und ist seit 1997 belegt.[6]

Zu vielen weiteren Themen siehe auch

Siehe auch

Literatur

  • Tatiana Bazzichelli (Hrsg.): Whistleblowing for Change. Exposing Systems of Power and Injustice. transcript, Bielefeld 2021, ISBN 978-3-8376-5793-7. (PDF; 27 MB)
  • Antje Bultmann (Hrsg.): Auf der Abschußliste – Wie kritische Wissenschaftler mundtot gemacht werden sollen. Knaur-Verlag, München 1997, ISBN 3-426-77265-5.
  • Dieter Deiseroth, Hartmut Graßl (Hrsg.): Whistleblower-Enthüllungen. Berliner Wissenschafts-Verlag, Berlin 2016, ISBN 978-3-8305-3641-3 (Dokumentation zur Verleihung der Whistleblower-Preise 2015)
  • Dieter Deiseroth: Welchen Nutzen bringt das Whistleblowing von Beschäftigten? / Wo liegen gravierende Missstände im stationären Pflegebereich? In: Pro Alter, Heft 3/2006, S. 16–28, ISSN 1430-1911. (Das Heft enthält noch weitere Beiträge zum Thema Whistleblowing)
  • Dieter Deiseroth: Whistleblowing in Zeiten von BSE – Der Fall der Tierärztin Dr. Margrit Herbst. Berlin-Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-8305-0258-3.
  • Dieter Deiseroth: Berufsethische Verantwortung in der Forschung, Möglichkeiten und Grenzen des Rechts. LIT-Verlag, Münster 1997, ISBN 3-8258-3160-4.
  • Dieter Deiseroth, Annegret Falter: Zivilcourage im BSE-Skandal – und die Folgen. Whistleblower-Preis 2001 für die Tierärztin Dr. Margrit Herbst. (Memento vom 11. Juli 2004 im Internet Archive) VDW-Materialien. Berlin 2002. (PDF)
  • Dieter Deiseroth, Dietmar Göttling: Der Fall Nikitin. Whistleblower-Preis 1999. MIRZ-Schriftenreihe. G. Emde, Pittenhart 2000, ISBN 3-923637-56-X.
  • Tom Devine: The Whistleblower’s Survival Guide: Courage Without Martyrdom, Government Accountability Project. Tom Devine, Washington DC 1997, Teil 1 (Memento vom 27. September 2007 im Internet Archive) (PDF), 2 (Memento vom 27. September 2007 im Internet Archive), 3 (Memento vom 27. September 2007 im Internet Archive), 4 (Memento vom 27. September 2007 im Internet Archive).
  • Julian Dörr, Verena Diersch: Zur Rechtfertigung von Whistleblowing. Eine ordnungsethische und legitimitätstheoretische Perspektive der Whistleblower-Fälle Carl von Ossietzky und Edward Snowden. In: Zeitschrift für Politik, 64. Jg., H. 4, S. 468–492, ISSN 0044-3360.
  • Stephan Fahrig: Die Zulässigkeit von Whistleblowing aus arbeits- und datenschutzrechtlicher Sicht. (PDF) In: NZA-Online. 01/2011, S. 1. (PDF; 95 kB)
  • Thomas Faust: Verwaltung zwischen Transparenz und dienstlicher Diskretion: Beamtenstatusgesetz ermöglicht das sogenannte „Whistleblowing“. In: Innovative Verwaltung Wiesbaden 31.2009, 4, ISSN 0948-3616, S. 22–24.
  • Gerrit Forst: Strafanzeige gegen den Arbeitgeber – Grund zur Kündigung des Arbeitsvertrags? In: Neue Juristische Wochenschrift 2011, S. 3477 ff.
  • Gerrit Forst: Whistleblowing im internationalen Vergleich – Was kann Deutschland von seinen Nachbarn lernen? In: Europäische Zeitschrift für Arbeitsrecht. (EuZA) 6, München 2013, ISSN 1865-3030, S. 37–82.
  • Gerrit Forst: Whistleblowing und Datenschutz – Brauchen wir eine spezielle Regelung? In: Recht der Datenverarbeitung 2013, ISSN 0178-8930, S. 122–132.
  • Bernd Hahnfeld, 20 Jahre Whistleblower-Preis (PDF; 264 kB) Köln, April 2020, abgerufen am 25. Februar 2021
  • Halupczok: 111 Gründe Edward Snowden zu unterstützen. Eine Hommage an den wichtigsten Whistleblower der Welt. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2013, ISBN 978-3-86265-376-8.
  • Nico Herold: Die beamtenrechtliche Zulässigkeit des „Whistleblowing“. In: Zeitschrift für Beamtenrecht 2013, Nr. 1–2, S. 8–14.
  • Nico Herold: Whistleblower. Entscheidungsfindung, Meldeverhalten und kriminologische Bewertung. Nomos, Baden-Baden 2016, ISBN 978-3-8487-2691-2.
  • Nico Herold: Zur Kontroll-Funktionalität von Whistleblowing-Systemen im Lichte aktueller empirischer Erkenntnisse. In: Boers, K./Schaerff, M. (Hrsg.): Kriminologische Welt in Bewegung. Forum Verlag Godesberg GmbH, 2018, S. 228–242.
  • Nico Herold: Government-Whistleblowing – Enthüllung und Kontrolle von staatlichen Missständen. In: Kritische Justiz, Jg. 52 (2019), Nr. 3, S. 336–348.
  • Mark Hertsgaard: Die Aufrechten. Whistleblowing in der Ära Snowden. Hanser, München 2016, ISBN 978-3-446-25509-8.
  • Katrin Kanzenbach: Die Implementierung und Ausgestaltung eines Best-Practice Hinweisgeber- bzw. Whistleblower-Systems unter arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten – Eine Handlungsempfehlung für Unternehmen. Shaker, 3. April 2013, ISBN 3-8440-1595-7.
  • R. Knyrim, G. Trieb: Whistleblowing-Hotlines. Fachartikel zum Datenschutz- und Arbeitsrecht. ARD 5681/5/2006.
  • Ralf Kölbel, Nico Herold: Whistleblowing. Eine kriminologische Analyse aus Anlass der aktuellen kriminalpolitischen Debatte. In: Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform. 93 (2010), S. 425–441.
  • Ralf Kölbel, Nico Herold: Wirtschaftskontrolle durch Whistleblowing? Empirische Befunde zu Entscheidungsprozessen von Hinweisgebern. In: Neue Kriminalpolitik 27/4 (2015), S. 375–387.
  • Ralf Kölbel, Nico Herold: Whistle-Blowing from the Perspective of General Strain Theory. In: Deviant Behavior 40/2 (2019), S. 133–155.
  • Zora Ledergerber: Whistleblowing unter dem Aspekt der Korruptionsbekämpfung. Stämpfli, Bern 2005, ISBN 3-7272-0695-0.
  • Klaus M. Leisinger: Whistleblowing und Corporate Reputation Management. Hampp, München / Mering 2003, ISBN 3-87988-731-4.
  • Carsten Momsen, Thomas Grützner, Andreas Oonk: Whistleblowing als außerordentlicher Kündigungsgrund? (Zugleich Anmerkung zu EGMR, Urteil vom 21. Juli 2011, Az. 28274/08 (Heinisch v. Deutschland)). (PDF; 114 kB) In: Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik. 2011, Heft 08/09, S. 754.
  • Alexander Mulle: Whistleblowing und Arbeitsrecht. Ein Leitfaden für ArbeitnehmerInnen und Belegschaftsorgane. Reihe: Beiträge zu besonderen Problemen des Arbeitsrechts, Band 31 (2013), ISBN 978-3-7035-1632-0.
  • Michael Müller: Whistleblowing – ein Kündigungsgrund? In: Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht. München 2002, ISSN 0176-3814, S. 424–437.
  • Gero v. Pelchrzim: Whistleblowing und der strafrechtliche Geheimnisschutz nach § 17 UWG. In: Corporate Compliance Zeitschrift. -CCZ. München 2009, ISSN 1865-3952, S. 25–29.
  • Björn Rohde-Liebenau: Whistleblowing – Beitrag der Mitarbeiter zur Risikokommunikation. Edition der Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf 2005, ISBN 3-86593-036-0.
  • Claudia Tödtmann: Rechtsfall Whistleblowing, Wenn Angestellte Geheimnisse verraten. wiwo.de, 15. August 2014

Weblinks

Commons: Whistleblowers - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema
 Wiktionary: whistle-blower – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Von eng. whistleblower von eng. to blow the whistle (on) ‚auffliegen lassen‘, ‚stoppen‘, ‚verpfeifen‘, von ursprünglich ‚in die Pfeife blasen‘.
  2.  Julian Dörr, Verena Diersch: Zur Rechtfertigung von Whistleblowing: Eine ordnungsethische und legitimitätstheoretische Perspektive der Whistleblower-Fälle Carl von Ossietzky und Edward Snowden. In: Zeitschrift für Politik. 64, Nr. 4, 5. Dezember 2017, ISSN 0044-3360, S. 468–492, doi:10.5771/0044-3360-2017-4-468 (https://www.nomos-elibrary.de/index.php?doi=10.5771/0044-3360-2017-4-468).
  3. Winters v. Houston Chronicle Pub. Co., 795 S.W.2d 723, 727 (Tex. 1990) (Doggett, J., concurring).
  4. Marcia P. Miceli, Janet P. Near: Blowing the whistle: The organizational and legal implications for companies and employees. Issues in organization and management series. Lexington Books, New York 1992, ISBN 0-669-19599-5, S. 8.
  5. to blow the whistle on. In: Christine Ammer (Hrsg.): The American Heritage dictionary of idioms. Houghton Mifflin Harcourt, 1997, ISBN 0-395-72774-X, S. 68.
  6. Anatol Stefanowitsch: Whistleblower. Sprachlog, 15. Januar 2011, abgerufen am 15. Januar 2011.
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