Fideismus

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Fideismus (von lat. fides „Glaube“) ist eine Glaubenshaltung bzw. eine religionsphilosophische Erkenntnislehre, wonach sich Glaube und Vernunft prinzipiell ausschließen und dennoch – wider die Vernunft – am religiösen Glauben festzuhalten sei. Dem Glauben wird also ein absoluter Vorrang vor der Vernunft beigemessen.[1] Der Fideismus wurde von der katholischen Kirche offiziell verworfen, spielt aber in der evangelischen Tradition eine wichtige Rolle. Fideismus als religions- und glaubensphilosophischer Begriff geht auf Joseph de Maistre und Louis de Bonald zurück und wurde später von Félicité de Lamennais[2] weiterentwickelt.

Wichtige Vertreter einer fideistischen Religionsphilosophie sind unter anderem Tertullian (entsprechend dem ihm zugeschriebenen geflügelten Wort Credo, quia absurdum est) und in der evangelischen Tradition Martin Luther (Vernunft als Hure), Sören Kierkegaard (der absurde Sprung in den Glauben, Glaube als existentielles Wagnis) und Karl Barth. Auch Wittgenstein wird des Öfteren als Fideist verstanden.

Als Gegenbegriff zum Fideismus kann der Rationalismus betrachtet werden, wonach alle (auch religiöse) Erkenntnis für die menschliche Vernunft zugänglich ist.

Entstehungsgeschichte

Der Fideismus wurde durch Joseph de Maistre und Louis de Bonald begründet, dann durch Félicité de Lamennais (Essai sur l’indifférence en matière de religion I–IV, 1817–1823) fortgebildet. Ähnliches findet sich auch bei Louis Eugène Marie Bautain. Diese Theologen waren der Ansicht, dass einzige Quelle des Glaubens und deswegen auch Ursprung des religiösen Wissens eine übernatürliche Offenbarung sei.[3] Bautain vertrat wie Immanuel Kant die Auffassung, dass die begrenzte Vernunft das Suprarationale nicht erfassen könne. Infolgedessen müsse jede Erkenntnis in religiösen Fragen durch die Bezugnahme auf die Offenbarung gewonnen werden. Ähnlich vertrat Lamennais eine im Ansatz skeptische Theologie, demnach Gott für den Menschen nicht erkannt werden könne, einzig er habe sich ihnen offenbart und es seien darüber Quellen hinterlassen worden. Das traditionalistische Argument lautet, dass in der Niederschrift und Weitergabe jener Offenbarung ein Zugang zu Erkenntnisse über Gott möglich sei.

Diese Lehre, die eine Grenze der Vernunft in übernatürlichen Fragen akzeptierte und somit im Gegensatz zur natürlichen Theologie steht, wurde in der folgenden Zeit von der katholischen Kirche bekämpft und 1838 offiziell verurteilt. Im Jahre 1840 musste Bautain eine Erklärung unterschreiben, die ihm von Papst Gregor XVI. vorgelegt wurde. Darin musste er anerkennen, dass es neben der Offenbarung auch „auf dem Weg einer rein natürlichen Erkenntnis [eine] Gewißheit über das Dasein Gottes“ geben könne.[4]

Der Fideismus fand vor allem in Frankreich, aber auch in Deutschland und Belgien Anklang.

Siehe auch

Weblinks

 Wiktionary: Fideismus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Der Philosoph Thomas Metzinger schreibt in seinem Essay „Spiritualität und intellektuelle Redlichkeit“:
    „Fideismus nennt man in der Philosophie die Idee, dass es völlig legitim ist, an einer Überzeugung auch dann festzuhalten, wenn es keine guten Gründe oder Evidenzen für sie gibt, sogar angesichts überzeugender Gegenargumente. Der Fideismus ist also der reine Glaubensstandpunkt. Für den Fideisten ist es legitim, an bestimmten Überzeugungen festzuhalten, nicht nur ohne irgendwelche positiven Argumente oder Evidenzen für sie, sondern selbst angesichts starker Gegenargumente und starker empirischer Belege gegen eigene Überzeugungen.“ Vgl.:
    Thomas Metzinger: Spiritualität und intellektuelle Redlichkeit. (PDF) April 2014, S. 16, abgerufen am 9. Juni 2022.
  2. Essai sur l’indifferénce en matière de religion I–IV, 1817–1823.
  3. Wörterbuch Theologie (Memento vom 24. Oktober 2014 im Internet Archive). Website fernkurs-wuerzburg.de. Abgerufen am 25. Juli 2011.
  4. Josef Neuner, Heinrich Roos: Der Glaube der Kirche in den Urkunden der Lehrverkündigung, herausgegeben von Karl Rahner, Friedrich Pustet, Regensburg 1965 (7. Auflage), S. 34.
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