Hamed Abdel-Samad

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Hamed Abdel-Samad (2013)

Hamed Abdel-Samad (arab. حامد عبد الصمد, DMG Ḥāmid ʿAbd aṣ-Ṣamad; * 1. Februar 1972 bei Kairo[1], Ägypten) ist ein deutsch-ägyptischer Politologe und Autor, der besonders durch populärwissenschaftliche Werke und die Sendung Entweder Broder bekannt wurde.

Leben

Abdel-Samad wurde als drittes von fünf Kindern eines sunnitischen Imams geboren. In seiner Biografie erwähnt er, im Alter von vier Jahren von einem 15-Jährigen vergewaltigt worden zu sein und mit elf Jahren von einer fünfköpfigen Gruppe Jugendlicher auf einem Friedhof.[2] 1995 kam er im Alter von 23 Jahren nach Deutschland. Bald darauf heiratete er eine 18 Jahre ältere „rebellische linke Lehrerin mit Hang zur Mystik“.[2]

Abdel-Samad studierte Englisch und Französisch [3] in Kairo[4] sowie Politik in Augsburg und später Japanisch in Japan.[2] Er arbeitete als Wissenschaftler in Erfurt und Braunschweig sowie in Japan, wo er sich für Shintoismus und Buddhismus interessierte. In Japan lernte er seine spätere zweite Ehefrau kennen, deren Vater Däne und deren Mutter Japanerin ist.

Er lehrte und forschte bis Ende 2009 am Institut für Jüdische Geschichte und Kultur an der Universität München (Dissertationsthema: „Bild der Juden in ägyptischen Schulbüchern“).[5]

Abdel-Samad wurde 2010 als Teilnehmer der Deutsche 2. Deutschen Islamkonferenz vom damaligen Bundesinnenminister Thomas de Maizière berufen. Seit November 2011 ist Abdel-Samad im Beirat der Giordano-Bruno-Stiftung. 2013 war er Redner auf der 2. Kritischen Islamkonferenz.

Mordaufruf

Nachdem Abdel-Samad am 4. Juni 2013 bei einem Vortrag in Kairo der Muslimbruderschaft „islamischen Faschismus" vorgeworfen und gesagt hatte, „dass dieser Faschismus in der Entstehungsgeschichte des Islams zu begründen“ sei, wurden am nächsten Tag im Internet Mordaufrufe gegen ihn veröffentlicht. Am 7. Juni rief Assem Abdel-Maged, ein Führer der Gamaa Islamija und Verbündeter von Staatspräsident Mohammed Mursi, im ägyptischen Fernsehen zum Mord an Abdel-Samad auf, weil dessen Äußerungen eine Beleidigung des Propheten gewesen seien.[6] Übliche Aufenthaltsorte von Abdel-Samad in Kairo wurden im Internet veröffentlicht. Abdel-Samad forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Guido Westerwelle öffentlich auf, den Mordaufruf schärfstens zu kritisieren und den ägyptischen Präsidenten Mursi aufzufordern, diesen ebenfalls zu verurteilen.[7] Mahmoud Shaaban, Professor an der al-Azhar-Universität in Kairo, wiederholte den Mordaufruf, und Abdel-Samad forderte in der Zeitung al-Ahram seinen Schutz durch die ägyptische Justiz.[8] Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung wandte sich über die Süddeutsche Zeitung an die ägyptische Regierung, und das Auswärtige Amt erklärte dem Geschäftsträger der ägyptischen Botschaft, die ägyptische Regierung solle Veröffentlichungen von Mordaufrufen unterbinden.[9] Unterdessen verkündete Assem Abdel-Maged, bei den für den 30. Juni angekündigten Demonstrationen gegen Präsident Mursi seien seine Mitstreiter nicht für Gewalt verantwortlich.[10] Abdel-Samad war derweil in Ägypten untergetaucht und berichtete sowohl von falscher Gleichsetzung der Opposition mit seiner Meinung als auch von der Unterstützung durch Andersdenkende.[11] Weder der Präsident noch die Justiz von Ägypten reagierten auf seine Bedrohung.[12] Schließlich forderte Außenminister Westerwelle über Facebook, die ägyptische Regierung solle gegen die Urheber des Mordaufrufs vorgehen, das Auswärtige Amt sei in direktem Kontakt mit Abdel-Samad und habe ihm konkrete Hilfe angeboten.[13] Als die angekündigten Demonstrationen gegen Präsident Mursi stattfanden, war Abdel-Samad wieder in Deutschland und begann eine Vortragsreise.[14] Am 7. Juli 2013 wurde wegen Straßenschlachten nach der Absetzung Präsident Mursis ein Haftbefehl auf Assem Abdel-Maged ausgestellt, der zum Mord an Abdel-Samad aufgerufen hatte.[15]

Entführung

Am 24. November 2013 wurde Hamed Abdel-Samad unter zunächst ungeklärten Umständen vor dem Al-Azhar-Park in Kairo verschleppt und zwei Tage an einem unbekannten Ort festgehalten.[16][17] Die Bundesregierung forderte kurz darauf „schnellstmögliche Aufklärung“ von Ägypten.[18] Das Auswärtige Amt bestätigte, dass es kurz vor dem Verschwinden Abdel-Samads mit diesem Kontakt hatte. Der Bruder von Abdel-Samad gab an, dieser habe ihm gesagt, er fühle sich verfolgt. Kurz darauf sei Abdel-Samad nicht mehr erreichbar gewesen.[19] Am 26. November 2013 tauchte Abdel-Samad seinem Bruder zufolge mit Verletzungen an Auge und Kopf wieder auf[20][21] und begab sich in die Obhut der deutschen Botschaft.[22] Es stellte sich heraus, dass er nicht aus politischen oder religiösen Gründen, sondern wegen Geldstreitigkeiten entführt worden war.[23][24]

Auswanderungsankündigung

Am 14. Juli 2014 hatte Abdel-Samad auf dem sozialen Netzwerk Facebook angekündigt, Deutschland nach neunzehn Jahren Aufenthalt zu verlassen.[25] Als Grund nannte er unter anderem, dass Deutschland für Leute wie ihn immer ungemütlicher werde und dass daraus ein nicht mehr auszuhaltender Druck auf ihm lasten würde. Der Eintrag wurde zwar nachträglich gelöscht, doch hatten zahlreiche Blogs und Online-Zeitungen bereits die Meldung verbreitet.

Kritik an Merkel-Aussage

Das im Zuge des Anschlages auf Charlie Hebdo vom ehemaligen Bundespräsident Wulff übernommene Bekenntnis der Bundeskanzlerin Merkel, dass der Islam zu Deutschland gehöre, kritisierte Samed als hilf- und fantasielos. Rehabilitation von Religion sei nicht Aufgabe von Politikern. Zum Islam gehöre auch die Trennung in Gläubige und Ungläubige und dass Frauen fast keine Rechte hätten. Es gebe kritische islamische Passagen, auf die sich auch Terroristen beriefen, die zu hinterleuchten seien und einer erklärenden Distanzierung bedürften.[26]

Werk

Einer breiten Öffentlichkeit wurde Abdel-Samad durch seine Autobiographie Mein Abschied vom Himmel (2009) bekannt. Es sei weder eine Abrechnung mit seiner Kultur noch ein Aufruf zum Glaubensverlust. Er wolle lediglich die Widersprüche seines Lebens verstehen.[2] Nach der Veröffentlichung in Ägypten sprach eine Gruppe eine Fatwa gegen Abdel-Samad aus, und er stand unter Polizeischutz.[2]

Abdel-Samad ist der Meinung, dass nur ein „Islam light“ in Europa eine Zukunft hat, ein Islam ohne Schari’a, Dschihad, Geschlechter-Apartheid, Missionierung und Anspruchsmentalität.[27] Er kritisiert, aus Angst oder aus politischem und wirtschaftlichem Kalkül würde eine Appeasement-Politik gegenüber dem Islam betrieben, während die Ängste der eigenen Bevölkerung (vor dem Islam) aus der politischen Debatte ausgeblendet würden. Dieses Verhalten schlage in der deutschen Bevölkerung in Ressentiments um.[28]

Im Herbst 2010 unternahm er mit dem Journalisten Henryk M. Broder für die fünfteilige TV-Serie „Entweder Broder – Die Deutschland-Safari“ eine 30.000 km lange Autoreise durch Deutschland mit einem Abstecher nach Dänemark zu einem Besuch bei Kurt Westergaard. Beide erhielten dafür 2012 den Bayerischen Fernsehpreis.

Abdel-Samad ist in den deutschen Medien präsent, beispielsweise als Gast in Talkshows und durch Interviews zum Islam.[29] Als ein aus Ägypten stammender Politologe wurde er oft zum Arabischen Frühling befragt.[30]

Während der Revolution in Ägypten Anfang Februar 2011 reiste er zurück in seine Heimat und stellte sich auf die Seite der Protestierenden. Für deutsche Medien stand er während der Berichterstattung als Interviewpartner zur Verfügung. So erwähnte er in den Tagesthemen, dass Hosni Mubarak „kein Stabilitätsfaktor für Ägypten und die Region“ sei. Er hoffe, dass Mubaraks Herrschaft ein Ende finde.[31]

Den Militärputsch in Ägypten 2013 befürwortete er deutlich. Er sagte, die Aktion sei "kein wirklicher Putsch, sondern eine Geiselbefreiungsaktion gewesen“, und bezeichnete stattdessen die vorherige Amtsübernahme Mursis als „Putsch“.[32]

Das Werk Der islamische Faschismus: Eine Analyse entstand in der Folge des 2013 gehaltenen Vortrags. Abdel-Samad sieht darin neben der übereinstimmenden Entstehungszeit in den 1920er-Jahren inhaltliche Übereinstimmungen zwischen Islamismus und Faschismus. Das Werk wurde innerhalb der Massenmedien breit rezipiert und wurde zum Bestseller.

Seit Juni 2015 veröffentlicht Abdel-Samad einmal wöchentlich seine arabischsprachige YouTube-Sendung Box of Islam.[33]

Bücher

TV-Dokumentationen

Artikel

Siehe auch

Weblinks

Commons: Hamed Abdel-Samad - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema

Einzelnachweise

  1. Hamed Abdel-Samad. Droemer Knaur, abgerufen am 7. Januar 2014.
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 Ich bin zum Wissen konvertiert. taz.de. 8. September 2009, abgerufen am 8. Januar 2010.
  3. Hamed Abdel-Samad. Droemer Knaur, abgerufen am 7. Januar 2014.
  4. http://www.swr.de/swr1/bw/programm/leute/-/id=1895042/nid=1895042/did=5281022/1e3o8kj/index.html
  5. http://www.jgk.geschichte.uni-muenchen.de/personen/ehemalige/abdelsamad/index.html
  6. Ulf Kalkreuth (23. Juni 2013). Arabische Eiszeit – Der Publizist Hamed Abdel-Samad wird mit der Fatwa bedroht. ARD. Abgerufen am 13. Juli 2013.
  7. Islamkritik: Offener Mordaufruf gegen Publizisten Abdel-Samad. Spiegel Online (9. Juni 2013). Abgerufen am 13. Juli 2013.
  8. Mordaufruf: Islamkritiker Abdel-Samad abgetaucht. Spiegel Online (11. Juni 2013). Abgerufen am 13. Juli 2013.
  9. Islamisten rufen zu Mord an Deutsch-Ägypter auf. Süddeutsche Zeitung (11. Juni 2013). Abgerufen am 13. Juli 2013.
  10. Islamists brace for 30 June. Daily News Egypt (11. Juni 2013). Abgerufen am 13. Juli 2013.
  11. "Hier endet für mich die Diplomatie!". Die Welt (12. Juni 2013). Abgerufen am 13. Juli 2013.
  12. „Er darf nicht leben“. Frankfurter Allgemeine Zeitung (12. Juni 2013). Abgerufen am 13. Juli 2013.
  13. Guido Westerwelle (13. Juni 2013). Ich verurteile den Mordaufruf gegen den …. Facebook. Abgerufen am 13. Juli 2013.
  14. Ägypten: "Diese Massenbewegung ist gewaltig". Deutschlandfunk (1. Juli 2013). Abgerufen am 13. Juli 2013.
  15. Arrest warrants issued for Islamist leaders. Daily News Egypt (7. Juli 2013). Abgerufen am 13. Juli 2013.
  16. Bruder bestätigt Entführung. Youm7 (25. November 2013). Abgerufen am 25. November 2013.; Ägypten: Entführter publizist Hamed Abdel-Samad wieder aufgetaucht Entführung. Zeit Online (26. November 2013). Abgerufen am 26. November 2013.; Martin Niewendick, Deutsch-ägyptischer Autor Hamed Abdel-Samad entführt, auf ruhrbarone.de, 25. November 2013.; Islamkritiker Hamed Abdel-Samad: "Ein Wort und du bist tot"
  17. http://www.faz.net/aktuell/politik/publizist-verschwunden-bundesregierung-fordert-aufklaerung-ueber-schicksal-von-abdel-samad-12679944.html
  18. Publizist vermisst taz.de vom 25. November 2013.
  19. Weiter keine Spur von Abdel-Samad' tagesschau.de vom 26. November 2013.
  20. 'Deutsch-Ägypter wieder aufgetaucht welt.de vom 26. November 2013
  21. http://www.welt.de/politik/ausland/article122313275/Verletzter-Abdel-Samad-will-in-Deutschland-sprechen.html
  22. Mutmaßliche Entführung in Ägypten: Islamkritiker Abdel-Samad in Obhut der deutschen Botschaft, Spiegel Online, 26. November 2013
  23. http://www.spiegel.de/politik/ausland/hamed-abdel-samad-er-wurde-von-bekannten-verschleppt-a-935938.html
  24. http://www.spiegel.de/politik/ausland/islamkritiker-hamed-abdel-samad-erstes-interview-nach-entfuehrung-a-936567.html
  25. Islamkritiker Abdel-Samad verläßt Deutschland, Junge Freiheit, 14. Juni 2014
  26. Dietmar Neuerer: Islam-Bekenntnis der Kanzlerin: „Frau Merkel, Sie irren sich!“ Handelsblatt, 14. Januar 2015, abgerufen am 15. Januar 2015.
  27. Hamed Abdel-Samad: Und es gibt ihn doch – den Islam! - Tagesspiegel vom 5. Januar 2010.
  28. Hamed Abdel-Samad: "Die Muslime sind zu empfindlich" - Tagesspiegel vom 1. Dezember 2009.
  29. Interview Abdel-Samad 13. September 2010, Spiegel Online,
  30. http://www.ksta.de/politik/hamed-abdel-samad--die-ideen-sterben-nicht-mehr-,15187246,16105172,view,reader.html
  31. http://www.tagesschau.de/multimedia/video/video851674.html
  32. http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/abdel-samad-sturz-von-mursi-war-alternativlos-a-909815.html
  33. Box of Islam auf YouTube (arabisch).
  34. Mona Sarkis: Hamed Abdel Samads "Mein Abschied vom Himmel. Deutsche Welle, 21. Dezember 2009, abgerufen am 28. August 2012.
  35. Wolfgang Günter Lerch: Der "Untergang der islamischen Welt". Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17. November 2010, abgerufen am 28. August 2012.
  36. Walter Laqueur: Hamed Abdel-Samad prophezeit das Ende des Islam. Welt Online, 19. November 2010, abgerufen am 28. August 2012.
  37. Archivlink (Memento vom 12. April 2017 im Internet Archive) i Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft (bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis)


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