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Kali Yuga
Das Kali Yuga (Sanskrit, n., कलियुग, kaliyuga „Zeitalter der Kali“), das letzte der vier gegenwärtigen Yugas, war das finstere Zeitalter, mit dessen Beginn, den Rudolf Steiner für das Jahr 3101 v. Chr.[1] ansetzt, die letzten Reste des alten Hellsehens am Ende der Urpersischen Zeit (5067 - 2907 v. Chr.) für den weitaus größten Teil der Menschheit schlagartig erloschen sind. Das Kaliyuga währte 5000 Jahre und endete somit nach Rudolf Steiner 1899.
„Dann kam aber ein anderes Zeitalter, ein Zeitalter, in dem auch dieses Vertrautsein mit der geistigen Welt aufhört, wo sozusagen sich die Tore zuschließen gegenüber der geistigen Welt. Der Blick der Menschen wurde da immer mehr und mehr beschränkt auf die äußere sinnliche Welt und den Verstand, der die Eindrücke der Sinne verarbeitet, so daß die Menschen über die geistige Welt nur noch nachdenken konnten. Das ist die niedrigste Art, etwas über die geistige Welt zu wissen. Das, was die Menschen jetzt noch wirklich wußten aus ihrem eigenen Erleben heraus, das ist die sinnlich-physische Welt. Wollten die Menschen etwas wissen über die geistige Welt, so mußten sie dies durch ihr Nachdenken erreichen. Es ist das diejenige Zeit, wo der Mensch am ungeistigsten wurde und deshalb auch sich am meisten in der Sinnenwelt festlegte und festsetzte. Das war aber notwendig, um sein Selbstbewußtsein nach und nach bis zur höchsten Höhe entfalten zu können. Denn nur durch den groben Widerstand der äußeren Welt konnte der Mensch lernen, sich von der Welt zu unterscheiden und als Eigenwesenheit sich selber zu empfinden. Dieses letztere Zeitalter nennt man auch Kali Yuga oder das finstere Zeitalter.
Ich bemerke ausdrücklich, daß man diese Ausdrücke auch für größere Epochen gebrauchen kann, so zum Beispiel die Bezeichnung Krita Yuga schon anwenden kann für einen noch größeren Zeitraum. Denn bevor jenes goldene Zeitalter da war, das geschildert worden ist, war der Mensch mit seinem Erleben an noch höheren Welten beteiligt, daher könnte man alle diese noch älteren Zeiten mit diesem Namen umfassen. Aber wenn man sozusagen in den Ansprüchen sich mäßigt, wenn man noch zufrieden ist mit jenem Maß von geistigem Erleben, das geschildert worden ist, dann kann man in dieser Weise einteilen, wie es nun geschehen ist. Für alle solche Zeitalter kann man ganz bestimmte Zeiträume angeben. Nun geht zwar die Entwicklung langsam und allmählich vonstatten, aber es gibt Grenzen, von denen man sagen kann: Vorher war hauptsächlich dieses und nachher war jenes Lebensverhältnis und Bewußtsein vorherrschend. So müssen wir rechnen, daß in dem Sinne, wie wir zuerst davon gesprochen haben, Kali Yuga etwa im Jahre 3101 vor unserer Zeitrechnung beginnt. Da sehen wir, daß unsere Seelen in immer neuen Verkörperungen auf der Erde erschienen sind, in denen sich der Blick der Menschen vor der geistigen Welt immer mehr verschlossen hat und so auch immer mehr eingeengt wurde auf die äußere Sinneswelt. Da sehen, wir, daß tatsächlich unsere Seelen mit jeder neuen Verkörperung in immer neue Verhältnisse hineinkommen, in denen immer Neues gelernt werden kann. Was wir im Kali Yuga gewinnen können, das ist, uns in unserem Ich-Bewußtsein zu festigen. Vorher war das nicht möglich, denn da mußte man eben erst das Ich in sich aufnehmen.“ (Lit.: GA 118, S. 21f)
Kali Yuga und Sintflut
Der Begriff «Sintflut» wird gemeinhin auf den Untergang der Atlantis und die damit verbundenen nacheiszeitlichen Überschwemmungen bezogen, die das Antlitz der Erde nachhaltig veränderten und das Zeitalter der Kulturepochen einleiteten. Tatsächlich aber beziehen sich viele überlieferte Sintflut-Sagen nicht auf dieses physische Ereignis, sondern vielmehr auf den Beginn des Kali Yugas, mit dem die Mehrzahl der Menschen den Einblick in die geistige Welt innerhalb weniger Wochen verlor. Während dieser Übergangszeit verdunkelte sich das Bewusstsein beinahe vollständig ehe es dann immer tiefer in die Sinneswelt eintauchte. Seelisch wurde dieses dramatische Ereignis wie ein Ertrinken in der Sinneswelt empfunden. Die seelische Erschütterung war so stark, dass dabei auch viele Menschen zugrunde gingen.
„Gewiß, es verbindet sich mit dieser Sintflutüberlieferung vielerlei, was sich auf frühere Zeiten bezieht. Aber eines ist okkult zu verfolgen, daß die Völker - und fast alle Völker, die gute historische Denkmäler oder Sagen hinterlassen haben - eine Zeit, die ungefähr dreitausend Jahre vor dem Mysterium von Golgatha liegt, ansetzen für das Stattfinden der Sintflut. So daß, wenn wir von da aus dreitausend Jahre zurückgehen, wir zu dem kommen, was die Sintflutsage als letztes Ereignis, das sie meinte, eben im Auge hatte. Nun würde heute die Zeit nicht hinreichen, um die Gründe darzulegen, daß mit dieser letzten Sintflut, die dreitausend Jahre vor unserer Zeitrechnung liegen soll, keine große Katastrophe, keine Überschwemmung im physischen Sinne gemeint sein kann. Daß damit auch nicht die atlantische Katastrophe gemeint ist, ist selbstverständlich, denn diese liegt ja noch weiter zurück. Es muß also damit etwas ganz anderes gemeint sein.“ (Lit.: GA 133, S. 121f)
„Da bitte ich Sie, sich an eine Sache zu erinnern, die ich öfter ausgeführt habe: daß für die Anschauung der ersten nachatlantischen Kulturperiode, deren Lehrer die großen heiligen Rishis waren, der menschliche Ätherleib in Betracht kommt, der damals hauptsächlich tätig war, während in der urpersischen Kulturzeit der menschliche Astralleib, der Empfindungsleib besonders tätig war, in der ägyptisch-chaldäischen Zeit die Empfindungsseele, in der griechischlateinischen Zeit die Verstandes- oder Gemütsseele, in unserer heutigen Epoche die Bewußtseinsseele, und jetzt gehen wir der Zeit entgegen, in welcher nach und nach in der Kulturerscheinung das hervortritt, was wir das Geistselbst nennen. Indem sich der Mensch so entwickelte, ging mit dem, was seine Seele erlebte, etwas sehr Bedeutsames vor. Denken Sie nur einmal, daß der alte Inder, der Urinder, von dem die Veden nichts mehr wissen, sozusagen so die Welt anschaute, wie sich dieses Weltbild ergab, wenn vorzugsweise der Ätherleib tätig war. Denn durch den Ätherleib kann der Mensch nicht so nach außen schauen, wie er heute nach außen schaut. Er kann nicht eine solche Anschauung, ein solches Weltbild gewinnen, wie es das heutige ist, sondern durch den Ätherleib kommt alles von innen. Der heutige Mensch bekommt nur noch ein schwaches, mattes Bild von der Art, wie die Anschauung durch den Ätherleib zustande kommt, wenn er sich erinnert, wie seine Träume sind. Nur waren das im höchsten Grade lebendige Träume und Visionen, was in der urindischen Zeit die Menschen voneinander wußten. Begegnete ein Mensch dem andern auf dem Wege, so konnte er ihn nicht mit dem äußeren Auge so sehen wie heute. Das zu glauben, wäre ein Vorurteil. Allerdings, er sah ein Bild, das er vor sich hatte. Der Mensch war noch umgeben von einer Art aurischen Wolke, und was er physisch vor sich hatte, war wie in eine Art Nebel eingehüllt. Er nahm ganz anders wahr.“ (Lit.: GA 133, S. 122f)
„Für die zweite nachatlantische Kulturperiode kam nach und nach die Fähigkeit durch, nach außen zu schauen, aber merkwürdigerweise blieb die Fähigkeit, in den Weltenraum hinauszuschauen, noch bestehen. Während nach unten noch alles verschwommen blieb, schaute der alte Perser klar in die Sternenwelt. Daher ist es verständlich, daß der Zarathustrismus die Menschen gleich auf das, was aus dem Weltenraume kommt, auf das Sonnenlicht hinwies in seinem Ahura Mazdao, dem Ormuzd. Das kam deshalb, weil dasjenige jetzt tätig war, was wir den astralischen Leib nennen. Am Ende dieses Zeitraumes bereitete sich schon das vor, nach außen zu schauen. Langsam kommen die Impulse heran, die Dinge so zu sehen, wie jetzt gesehen wird. Also der Impuls wurde der Menschheit gegeben, nach und nach auf den physischen Plan hinauszuschauen. Und dieser Impuls kam an die Menschen so heran, daß die Menschen allmählich zu einer ganz neuen Art des Anschauens übergingen, nach und nach dämmerte das bei der Menschheit auf.“ (Lit.: GA 133, S. 123)
„Als der urpersische Zeitraum zu Ende ging und der nächste wie eine Zukunftsmorgenröte heraufglänzte, da empfanden die Menschen : Wir werden nicht mehr so stark erleben, was als göttliches Erbstück aus alten Zeiten uns geworden ist, was innerliches menschliches Schauen ist, was visionäres Hellsehen ist, wo die Menschheit zusammengelebt hat in der atlantischen Zeit mit den göttlich-geistigen Welten. - Zurück haben die Menschen geschaut. Das Wichtigste für sie waren Erinnerungen, in denen auftauchte, gleich lebendigen Traumbildern, wie die Götter die Welt geformt hatten durch die lemurische und atlantische Zeit hindurch. Diese Erinnerungen wurden als etwas, was sich von der Menschheit zurückzog, empfunden, was allmählich verglomm. Und man empfand, daß jetzt etwas kommen wird, wo der Mensch eingreifen muß mit dem, was in ihm spricht über die Außenwelt, was ihm verdunkelt die Helle der inneren Geisteswelt, und was ihn zwingt, von innen nach außen zu schauen, um die äußere Welt als die seinige zu haben. Immer mehr kam diese Zeit heran.“ (Lit.: GA 133, S. 123f)
„Und so etwa würde man mit einem alten Inder, der in jenem Zeitalter lebte, empfunden haben : Es kommt Gottheit Pramati heran. Sie entreißt den Menschen der alten Führung durch die alten Götter; sie macht verschwinden, was durch inneres Hellsehen von der Welt gewonnen worden ist, sie zwingt den Menschen hinauszusehen in den physischen Plan. Die alte Götterwelt verdunkelt sich. Heran kommt eine Zeit, in welcher die Menschen nicht mehr aus ihren Seelen heraus in die Götterwelt sehen können, sondern wo sie in die äußere Welt sehen werden. Heran kommt Kali Yuga, das «schwarze Zeitalter», das nicht mehr helle, weiße Zeitalter der alten Göttlichkeit, das Zeitalter, in dem sich die alten Götter zurückziehen, das da eingeleitet wird durch Gottheit Pramati!
Kali Yuga: es wurde empfunden, indem man es anfangen ließ 3101 vor unserer Zeitrechnung, also gerade in der Zeit, in welche die indische Überlieferung auch die Sintflut versetzt. Denn sie sagte, die Sintflut fällt zusammen mit dem Herankommen des Kali Yuga. Und Kali Yuga wurde aufgefaßt als die Nachkommenschaft des Gottes Pramati.
Kali Yuga ist hereingebrochen. Wir wissen, daß erst in unserer Zeit das Kali Yuga zu Ende gegangen ist, und daß wir jetzt den Aufstieg finden müssen in die geistige Welt und daß es deshalb eine geistige Wissenschaft gibt! Denn, wie das Kali Yuga 3101 vor unserer Zeitrechnung begonnen hat, so hat es geendet im Jahre 1899. Deshalb ist 1899 ein wichtiges Jahr. Daher muß die Menschheit ihr Zukunftsideal so auffassen, daß sie jetzt wieder hinaufsteigen muß in die geistigen Welten.
Jenes Zeitalter, das dem Heraufkommen des Kali Yuga voranging, war aber auch dasjenige, das charakteristisch ist für die urpersische Zeit, wo man durch den Astralleib noch hinaufempfand die alten Erinnerungen. Jetzt aber mußte man sich nach außen wenden. Das war ein gewaltiger Übergang. Der vollzog sich bei vielen Menschen so, daß sie eine Zeitlang überhaupt nichts sahen, daß Finsternis durch die menschlichen Entwickelungskräfte sich ausbreitete über die Menschenseelen. Nicht durch lange Zeiten hindurch, sondern in der Tat nur durch Wochen währte diese Verfinsterung, dieser Schlafzustand, den die Menschheit durchgemacht hatte. Aber sie machte eben diesen Schlafzustand durch, und aus demselben kamen viele nicht wieder heraus. Es gingen viele dabei zugrunde, und nur wenige blieben zurück an den verschiedensten Punkten der Erde. Es reicht heute die Zeit nicht aus, um zu schildern, was für Zustände da auftraten. Kurz kann nur gesagt werden, daß die Zustände dadurch, daß eine große Anzahl von Menschen zugrunde ging, sehr, sehr unheimliche waren, und nur an wenigen Punkten der Erde wachten die Menschen aus der großen geistigen Flut wieder auf, die sich wie ein Schlaf über die Seelen ausbreitete. Und diesen Schlafzustand empfanden die meisten Seelen wie ein Ertrinken - und nur wenige wie einen Wiederaufgang. Dann kam eben das «schwarze Zeitalter», das entgötterte Zeitalter.“ (Lit.: GA 133, S. 124f)
Dieses Ereignis spiegelt sich auch in der griechischen Mythologie wider. Deukalion (griech. Δευκαλίων, von Δ(υ)εύς Dyēus, der böotischen Form für Zeus, und κᾶλον „brennbares (Holz), Schiff“; von καίειν „brennen, anzünden“), der Sohn des Prometheus (griech. Προμηθεύς „der Vorausdenkende“) und der Pronoia (griech. Πρόνοια „Vorsehung“), erhält von seinem Vater den Auftrag, ein Schiff zu bauen, das er gemeinsam mit seiner Frau Pyrrha (griech. Πύρρα) besteigt, die eine Tochter des Epimetheus und der Pandora war. Beide üblerleben so die „große Flut“. Nach der Bibliotheke des Apollodor überleben auch andere Menschen, die sich auf die „Berge“ geflüchtet haben.[2] Deukalions Sohn Hellen gilt als Stammvater der Hellenen. Die Ähnlichkeit zu dem in der Bibel überlieferten Bau der Arche Noah ist kaum zu übersehen. Auch die Erzählung von Utnapischtim im Gilgamesch-Epos weist in die selbe Richtung.
„Wir könnten herumgehen bei den verschiedenen Völkern und würden zu unserem Erstaunen finden, wie in den weitesten Kreisen die Menschen allerdings gewußt haben, daß die Sache so ist, daß eine Überflutung des Bewußtseins stattgefunden hat und daß im dritten nachatlantischen Kulturzeitalter durch die besondere Entwickelung der Empfindungsseele - das heißt durch das Schauen nach außen - etwas ganz Neues eintreten mußte. Die Inder haben es empfunden, indem sie sagten: Kali Yuga geht hervor als eine Nachfolgeschaft von Pramati. Wie haben die Griechen gesagt? Ganz dasselbe. Bei ihnen heißt Pramati nur Prometheus, was ganz dasselbe ist. Er ist der Bruder von Epimetheus. Dieser repräsentiert noch, was zurückschaut in die uralten Zeiten. Epimetheus ist der «Nachdenkende», Prometheus ist der, welcher schon vorherdenken muß in seinen Gedanken was draußen ist und draußen sich vollzieht. Und ebenso wie Pramati die Nachkommenschaft im Kali Yuga hat, so hat Prometheus seine Nachfolgeschaft: wir brauchen uns nur das Wort «Kali Yuga» dem Griechischen entsprechend zu bilden; da ist es «Kalion», und weil die Griechen empfanden, daß es das Zeitalter des schwarzen Götthchen ist, müssen wir das «Deu» - deus - vorsetzen und wir bekommen «Deukalion». Das ist dasselbe Wort wie Kali Yuga. Wir haben es dabei nicht mit einer Ausspintisiererei zu tun, sondern mit einer okkulten Tatsache. Daraus sehen wir also, daß die Griechen dasselbe wissen, was auch die Inder wissen. Das sei nur als ein Beispiel angeführt, das uns zeigen kann, wie die Menschen in ihren uralten heflseherischen Zuständen wohl wußten, um was es sich handelt, und wie sie in gewaltigen Bildern zum Ausdruck zu bringen wußten, was vorging. Denn die griechische Sage erzählt uns, wie Deukalion sich auf den Rat seines Vaters Prometheus einen hölzernen Kasten baute; in diesem rettete er sich und seine Gattin Pyrrha allein aus dem Untergange, als Zeus das Menschengeschlecht durch eine Flut vertilgen wollte. Deukalion und Pyrrha, die dann auf dem Parnaß gelandet wurden, sind so für die Griechen der Ausgang des neuen Menschengeschlechtes. Deukalion ist der Sohn des Prometheus. Und dazwischen fäflt die «Flut», die für die verschiedensten Völker sich zugetragen hat als ein Vorgang im Bewußtseinszustand.“ (Lit.: GA 133, S. 126)
Literatur
- Rudolf Steiner: Das Ereignis der Christus-Erscheinung in der ätherischen Welt, GA 118 (1984), ISBN 3-7274-1180-5 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
- Rudolf Steiner: Der irdische und der kosmische Mensch, GA 133 (1989), ISBN 3-7274-1330-1 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
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Einzelnachweise
- ↑ Nach H. P. Blavatsky und auch nach hinduistischer Tradition begann das finstere Zeitalter schon am 18. Februar 3102 v. Chr. mit dem Tode Krishnas.
- ↑ Bibliotheke des Apollodor 1,46.
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