Kategorienfehler

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Ein Kategorienfehler (eng. category-mistake) wird von einem Sprecher begangen, wenn er einen sprachlichen Ausdruck auf eine Weise verwendet, die nicht dem logischen Typ des Ausdrucks entspricht. Der logische Typ eines Ausdrucks ist die Klasse seiner logisch richtigen Verwendungsweisen. Diese Klasse kann als eine Menge von Sätzen betrachtet werden, die einen Rahmen für die Einsetzung sprachlicher Ausdrücke bilden. Ein solcher Rahmen kann etwa die Form haben: „Aristoteles war ein griechischer …“. Mögliche Einsetzungen in die mit „…“ gekennzeichnete Leerstelle sind z. B. „Philosoph“, „Dichter“, „Bildhauer“, „Politiker“ usw. Auch wenn nicht alle dieser Einsetzungen wahre Sätze ergeben, sind es doch sinnvolle Sätze. Einsetzungen wie „Planet“, „Syllogismus“ oder „Gedanke“ dagegen führen zu unsinnigen Sätzen. Ausdrücke, die bei Einsetzung in verwandte Satzrahmen sinnvolle Sätze ergeben, gehören einer Kategorie an, sie sind vom gleichen logischen Typ. Dass ein Kategorienfehler begangen wurde, lässt sich daran erkennen, dass die Einsetzung eines Ausdrucks einen unsinnigen Satz produziert.

Ryles Kategorienfehleranalyse

Den Begriff „Kategorienfehler“ oder „Kategorienverwechslung“ (category mistake) führt Gilbert Ryle in seinem Hauptwerk Der Begriff des Geistes als Analyseinstrument zur Stützung seiner These ein, dass philosophische Probleme, die sich an Begriffe wie Geist, Wille oder Bewusstsein knüpfen, aus einer falschen Verwendung dieser Begriffe resultieren. Ein prominentes Beispiel dafür ist das Leib-Seele-Problem. Mit seiner Analyse will Ryle zeigen, dass solche philosophischen Probleme bei genauerer Betrachtung gar keine Probleme sind. Ryle sieht daher die Aufgabe der Philosophie darin, „Kategoriengewohnheiten durch Kategoriendisziplin zu ersetzen“.[1]

In Der Begriff des Geistes gibt Ryle zahlreiche Beispiele,[2] mit deren Hilfe er den Begriff des Kategorienfehlers zu erklären versucht. So spricht er etwa von einem Besucher der Oxforder Universität, dem die verschiedenen Einrichtungen wie Hörsäle, Seminarräume, Laboratorien, Mensa oder Bibliothek gezeigt werden. Der Besucher ist nach seinem Rundgang unzufrieden, denn er wollte die Universität sehen und stattdessen zeigt man ihm verschiedene Räume und Orte. Wenn der Besucher die Frage stellt: „Wo ist jetzt eigentlich die Universität?“, begeht er einen Kategorienfehler. Er verwendet den Ausdruck „Universität“ so, als gehöre er der gleichen Kategorie wie „Hörsaal“, „Labor“ oder „Mensa“ an. Ein anderes Beispiel ist Folgendes: Angenommen jemand berichtet davon, sich ein neues Paar Handschuhe gekauft zu haben und bekäme darauf zur Antwort: „Ich sehe, du trägst einen linken und einen rechten Handschuh, aber wo ist das Paar Handschuhe, von dem du sprichst?“ Der Fragende begeht den Fehler, den Ausdruck „ein Paar Handschuhe“ derselben Kategorie wie „rechter Handschuh“ und „linker Handschuh“ zuzuordnen.

„Wenn zwei Begriffe zu derselben Kategorie gehören, ist es korrekt konjunktive Aussagen zu konstruieren, die sie verkörpern. Also kann ein Käufer sagen, dass er einen linken Handschuh und einen rechten Handschuh gekauft hat, aber nicht, dass er einen Handschuh für die linke Hand, einen Handschuh für die rechte Hand und ein Paar Handschuhe kaufte. ‚Sie kam in einer Flut von Tränen und einer Sänfte nach Hause‘ ist ein bekannter Witz, der auf der Absurdität des Verbindens von Begriffe verschiedener Typen basiert. Es wäre genauso lächerlich gewesen, die Disjunktion zu konstruieren ‚Sie kam entweder in einer Flut von Tränen oder in einer Sänfte nach Hause‘. Das Dogma des Geistes in der Maschine tut genau das. Es behauptet, dass es sowohl Körper als auch Geist gibt; dass dort physische Prozesse und mentale Prozesse auftreten; dass es da mechanische Ursachen für körperliche Bewegungen und psychische Ursachen von körperlichen Bewegungen gibt. Ich werde argumentieren, dass diese und andere analoge Konjunktionen absurd sind; aber es muss bemerkt werden, dass das Argument nicht zeigen wird, dass einer der unrechtmäßig verbundenen Sätze an sich absurd ist. Ich leugne zum Beispiel nicht, dass es mentale Prozesse gibt. Eine lange Division ist ein mentaler Prozess und ebenso auch einen Witz machen. Aber ich sage, dass die Phrase ‚es treten mentale Prozesse auf‘ nicht dasselbe bedeutet wie ‚es treten physikalische Prozesse auf‘, und deshalb macht es keinen Sinn die zwei zu verbinden oder zu trennen.“

Gilbert Ryle: Der Begriff des Geistes, S. 16f[3]

Hintergrund

Ryle gibt in Der Begriff des Geistes selbst keine formale Definition des Kategorienfehlers. In seiner Bestimmung der Kategorie als logischer Typ eines sprachlichen Ausdrucks und dem Vorschlag, Kategorien als eine Menge von Satzrahmen zu definieren,[4] lassen sich jedoch deutliche Anleihen bei den Untersuchungen Bertrand Russells erkennen. Dieser bezeichnet prädikative Sätze der Form „x ist ein φ“ als Satzfunktionen.[5] Einsetzungen für die Satzfunktion φx ergeben nach dem Bivalenzprinzip der klassischen Logik entweder wahre oder falsche Aussagen. Die Menge aller Einsetzung in x, für die aus φx eine wahre Aussage wird, heißt Extensionsbereich.[6] Russell definiert den Extensionsbereich einer Satzfunktion als logischen Typ. Schon vor Ryle konstatierte Russell, dass die Probleme, die sich aus Begriffen wie Geist, Materie, Bewusstsein oder Wille ergeben, auf die Vagheit und Unbestimmtheit dieser Begriffe zurückzuführen sind.[7] Auch er sah die Aufgabe der Philosophie in der „Kritik und Klärung von Begriffen, die leicht als fundamental betrachtet und unkritisch hingenommen werden können“.[8] Ryles Begriff des Kategorienfehlers ist daher in gewisser Weise ein Analogon des Russellschen Begriffs des Typenfehlers.[9] Jedoch glaubte Russell, dass keiner der problematischen Begriffe typenbestimmt gemacht werden könne und damit auch in keiner exakten Wissenschaft von Bedeutung sei. In diesem Punkt gehen Russells und Ryles Ansichten auseinander. So sehr Ryle selbst noch in der Tradition des Neopositivismus steht und seine Anleihen bei Russels Logischem Atomismus unverkennbar sind, führt dessen „over-logical approach“[10] nach Ryle in dieselbe Misere zurück, aus der er eigentlich herausführen sollte. Er macht den Logikern den Vorwurf, selbst einen Kategorienfehler zu begehen. Sprachliche Ausdrücke ließen sich nicht „in ein vorgefertigtes Register logischer Klassen oder Typen eintragen“,[11] was auch für philosophische Begriffe gelte. Der Kategorienfehler der Logiker besteht für Ryle darin, dass sie den Begriff der Analyse wie den Begriff des Sehens verwendeten. Analysieren im philosophischen Sinne heiße jedoch Argumentieren. „Aber die Tatsache, daß die Fähigkeit, ein Argument zu verwenden, die Fähigkeit mit sich bringt, die Implikation zu ‚sehen‘, [...] bedeutet nicht, daß es [...] kausal notwendig ist, kurz vor oder während [der] Verwendung des Arguments einen solchen Akt des ‚Sehens‘ auszuführen.“[12] Mit seinem Vorschlag einer informellen Logik als Arbeitsgebiet des Philosophen macht Ryle daher der formalen Logik ihren philosophischen Anspruch streitig. Der Begriff des Kategorienfehlers ist somit ein gutes Beispiel für die Wende, die von der Philosophie der normalen Sprache innerhalb der Wende zur Sprache vollzogen wurde.

Kritik

Ryle hat selbstkritisch eingeräumt, dass er den Begriff Kategorie „amateurhaft“ und „inexakt“ verwende und ohne erklärenden Anspruch.[13] Sein Ansatz, allein in der Sprachlogik eine Definition von Kategorienfehlern zu suchen, ist unzureichend, und die Verbesserungsversuche durch andere Autoren können als gescheitert gelten. Es fehlen Kriterien dafür, ob ein Satz sinnlos ist oder nicht.

„Die Syntax als Kriterium der Kategorien-Bestimmung reicht keineswegs aus, sondern muss durch das Kriterium semantischer Bedeutungshaftigkeit bzw. Absurdität ergänzt werden.[14]

Ryle hat sich nicht mit der Kategorialforschung von Nicolai Hartmann und deren Methodik auseinandergesetzt. Hartmann analysierte die auf unterschiedlichen Organisationsebenen (Systemtheorie) zur adäquaten Beschreibung der Vorgänge erforderlichen neuen und eigenständigen Kategorien („kategoriales Novum“), beispielsweise der Bewusstseinsprozesse (Bewusstsein) gegenüber den neuronalen Prozessen (Neurophysiologie). Fundamentale Kategorienfehler entstehen, wenn etwa der Substanzbegriff im Sinne einer transzendenten Seele in die empirische Psychologie eingeführt oder die Wert- und Moralbegriffe in die Naturwissenschaft übertragen werden statt nur auf das Denken und Handeln der Naturwissenschaftler.

In einer Gegenbewegung zu Ryles auf die Sprachlogik beschränkten Interpretation von Kategorienfehlern könnten Hartmanns Untersuchungen „kategorialer Grenzüberschreitungen“ [15] in einer „post-analytischen“ Philosophie wieder aktuell werden. Insbesondere die Biologie und die Psychologie sind auf eine gründliche Diskussion angewiesen, welche eigenständigen Kategorien für diese Wissenschaftsbereiche adäquat sind, um einem einseitigen Reduktionismus, letztlich der Reduktion auf die Kategorien der Physik, zu begegnen.

Literatur

Primär

  • Nicolai Hartmann: Der Aufbau der realen Welt. Grundriss der allgemeinen Kategorienlehre. 2. Auflage. de Gruyter, Berlin 1949.
  • Bertrand Russell: Der logische Atomismus, in: Philosophische und politische Aufsätze. Stuttgart 1971.
  • Bertrand Russell: Einführung in die mathematische Philosophie. Hamburg 2004.
  • Bertrand Russell/Alfred North Whitehead: Principia Mathematica. Cambridge 1910–1913.
  • Gilbert Ryle: „Categories“, in: Collected Papers, Bd. 2. London 1971.
  • Gilbert Ryle: Der Begriff des Geistes. Stuttgart 1969.
  • Gilbert Ryle: Begriffskonflikte. Göttingen 1970.

Sekundär

  • Anthony Clifford Grayling: An Introduction to Philosophical Logic. Brighton [u. a.] 1982.
  • Andreas Kemmerling: „Kategorienfehler“, in: J. Ritter und G. Gründer (Hg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. IV. Basel 1976. S. 781–783.
  • Eike von Savigny: Die Philosophie der normalen Sprache. Frankfurt/M. 1969.
  • Peter Prechtl/Ansgar Beckermann: Grundbegriffe der analytischen Philosophie. Stuttgart 2004.
  • Thomas Zoglauer: Einführung in die formale Logik für Philosophen. Göttingen 2008. 4. Auflage.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. „Philosophy is the replacement of category-habits by category-disciplines ...“
    G. Ryle, Der Begriff des Geistes, S. 5.
  2. Ebd., S. 14 ff.
  3. „When two terms belong to the same category, it is proper to construct conjunctive propositions embodying them. Thus a purchaser may say that he bought a left-hand glove and a right-hand glove, but not that he bought a left-hand glove, a right-hand glove and a pair of gloves. 'She came home in a flood of tears and a sedanchair’ is a well-known joke based on the absurdity of conjoining terms of different types. It would have been equally ridiculous to construct the disjunction 'She came home either in a flood of tears or else in a sedan-chair’. Now the dogma of the Ghost in the Machine does just this. It maintains that there exist both bodies and minds; that there occur physical processes and mental processes; that there are mechanical causes of corporeal movements and mental causes of corporeal movement. I shall argue that these and other analogous conjunctions are absurd; but, it must be noticed, the argument will not show that either of the illegitimately conjoined propositions is absurd in itself. I am not, for example, denying that there occur mental processes. Doing long division is a mental process and so is making a joke. But I am saying that the phrase 'there occur mental processes' does not mean the same sort of thing as 'there occur physical processes', and, therefore, that it makes no sense to conjoin or disjoin the two.“
    G. Ryle, Der Begriff des Geistes, S. 16f.
  4. Vgl. G. Ryle, „Categories“.
  5. Vgl. B. Russell/A. N. Whitehead, Principia Mathematica.
  6. T. Zoglauer, Einführung in die formale Logik für Philosophen, S. 76.
  7. B. Russell, „Der logische Atomismus“, 47.
  8. Ebd.
  9. B. Russell, Einführung in die mathematische Philosophie, 153.
  10. A.C. Grayling, An Introduction to Philosophical Logic, 19.
  11. G. Ryle, Begriffskonflikte, 17.
  12. G. Ryle, Der Begriff des Geistes, 417.
  13. Gilbert Ryle: Dilemmas (Repr.). Cambridge University Press, Cambridge 1954/1976, S. 9.
  14. Kemmerling: Kategorienfehler, 1976, S. 781–783.
  15. Hartmann: Aufbau der realen Welt, 1940, S. 92.


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