Kinterarbeit

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Zeitungsjungen in New York (1908)

Kinderarbeit ist von Kindern zu Erwerbszwecken verrichtete Arbeit.[1]

Definitionen

Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) definiert die Obergrenze für Kinderarbeit unter normalen Umständen als 15 Jahre (Mindestalter-Konvention 138). Obwohl Konvention 138 nur von etwa einem Viertel der ILO-Mitgliedsstaaten ratifiziert wurde, ist diese Definition international anerkannt.[2]

Ein Kind wird als arbeitend bezeichnet, wenn es wirtschaftlich aktiv ist. Regierungen und internationale Organisationen behandeln eine Person üblicherweise dann als wirtschaftlich aktiv, wenn sie auf regelmäßiger Basis Arbeit verrichtet, für die sie entlohnt wird, oder die in Ergebnissen resultiert, die für den Markt bestimmt sind. Schätzungen zum Umfang der Kinderarbeit können sich stark erhöhen, wenn auch unbezahlte oder nicht auf den Markt gerichtete Arbeit berücksichtigt wird. So erhöht sich laut einer Studie zum Umfang der Kinderarbeit in Tamil Nadu im Jahr 1983 die Schätzung für den Anteil der 5–14-Jährigen von 13 auf 33 %, wenn eine liberalere Definition als die der ILO verwendet wird.[2]

Dabei unterscheidet die ILO häufig zwischen "child work" und "child labor", wobei "child labor" den geringer geschätzten Teil von "child work" bezeichnet, während "child work" auch einfachere Hausarbeit umfassen und einen Lernwert haben kann.[2]

Die UN-Kinderrechtskonvention (KRK) definiert Kinderarbeit als Tätigkeiten von unter 18-Jährigen, die ihnen schaden oder sie am Schulbesuch hindern (KRK, Artikel 32).

Geschichte der Kinderarbeit

Kinderarbeit in einer Fabrik (USA, 1908).

Die Kinderarbeit gibt es bereits seit Menschengedenken, aber mit der Industrialisierung nahm sie im 18. und 19. Jahrhundert in Europa und den USA Ausmaße an, die die Gesundheit und Bildung der Bevölkerung massiv beeinträchtigten. Kinder ab vier, sechs oder acht Jahren arbeiteten in dieser Zeitepoche nicht nur als Hilfskräfte und Dienstboten, sondern auch zu einem großen Teil in der Textilindustrie, in Kohlegruben und Minen, zwischen 10 und 16 Stunden täglich. Manche Arbeiten im Bergbau konnten nur von Kindern wegen ihrer geringen Körpergröße ausgeführt werden.[3] Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war ein Drittel der Fabrikarbeiter in den USA zwischen sieben und zwölf Jahren alt.

Kinder, die arbeiteten, hatten neben hohen Gesundheitsrisiken nur eine minimale Schulbildung. Nach einer Untersuchung im Jahr 1819 konnten von 715 Kindern, die arbeiteten, nur 455 lesen, 351 ein wenig schreiben und 234 etwas rechnen. Die Kinderarbeit ermöglichte den Familien ein zusätzliches und oft dringend notwendiges Einkommen. Die Unternehmen, die Kinder beschäftigten, fühlten sich daher als Wohltäter. Dabei beuteten sie die Kinderarbeiter aus, die meist nur den Bruchteil des Lohnes eines erwachsenen Arbeiters bekamen.

Glashütte Eleonorenhain (heute Lenora) / Böhmen 1890 Kinderarbeit beim Eintragen

In England übernahmen, wie Friedrich Engels in seiner Untersuchung Die Lage der arbeitenden Klasse in England (1845) festhielt, die Spinn- und Webmaschinen einen zunehmenden Anteil der Arbeit, welche vormals Körperkraft erfordert hatte, und das verbleibende Zusammenknüpfen gebrochener Fäden erledigten nunmehr meist Frauen und Kinder zu geringerem Lohn.[4] Im Verlauf des 19. Jahrhunderts schränkten mehrere Fabrikgesetze („Factory Acts“) die Kinderarbeit schrittweise ein. In Europa war England 1833 das erste Land, das die Kinderarbeit beschränkte, wenig später erließ Preußen 1839 mit dem Preußischen Regulativ ein noch fortschrittlicheres und weitreichenderes Schutzgesetz. Ausschlaggebend dafür war nicht die mangelnde Qualität der Rekruten, wie in Folge der marxistischen Forschung lange angenommen wurde, sondern die massive Verletzung der Schulpflicht.[5]

Der US-amerikanische Fotograf Lewis Wickes Hine (1874–1940) hat zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Auftrag des National Child Labor Committee die Kinderarbeit dokumentiert.

Geschichte der Kinderarbeit in Deutschland

Kinder wurden früher häufig in Bergwerken eingesetzt, so etwa sog. Scheidejungen und Grubenjungen.

Mit dem Preußischen Regulativ gehörte Deutschland zu den ersten Ländern, die sich des Problems von staatlicher Seite annahmen. Das Gesetz untersagte es, die 9- bis 16-Jährigen länger als zehn Stunden täglich arbeiten zu lassen, Sonntag- und Nachtarbeit wurde für sie verboten.[6] Im Jahr 1853 wurde das Mindestalter für die Fabrikarbeit auf zwölf Jahre angehoben. Die Umsetzung des Gesetzes gelang nicht immer, und noch 1858 arbeiteten 12.500 Kinder im Alter von 8 bis 14 Jahren in preußischen Fabriken. Als Folge der Kinderarbeit wurde in Preußen die Gewerbeaufsicht gegründet.

Im Königreich Bayern und Großherzogtum Baden wurden 1840 Kinderschutzbestimmungen erlassen, in den anderen deutschen Ländern erst in den 1860er Jahren.

Ein am 1. Januar 1904 in Kraft getretenes Kinderschutzgesetz untersagte im Deutschen Kaiserreich die Beschäftigung von Kindern unter zwölf Jahren in gewerblichen Unternehmen.[7] Die Kinderarbeit in Familienbetrieben war 1906 für unter 10-Jährige erlaubt.

siehe auch Jugendarbeitsschutzgesetz#Geschichte

Geschichte der Kinderarbeit in der Schweiz

In der Schweiz konnten zwischen 1800 und 1950 Bauern von den Behörden Verdingkinder, d. h. Waisen- und Scheidungskinder, auf einem Verdingmarkt ersteigern. Solche Kinder wurden meistens zu Zwangsarbeit eingesetzt.

Vor allem im 19. Jahrhundert bis hinein in die 1920er Jahre zogen jährlich Kinder aus Tirol, Südtirol, Vorarlberg und der Schweiz zu Fuß über die Alpen nach Oberschwaben, um dort den Sommer über vor allem in der Landwirtschaft zu arbeiten (siehe dazu den eigenen Artikel Schwabenkinder).

Situation heute

Ein Kind als Mitglied eines jugendlichen Teams in einer Ziegelei 2008 in Paraguay

Nach Angaben von UNICEF arbeiten heute 190,7 Millionen Kinder zwischen fünf und 14 Jahren, die meisten davon in der Landwirtschaft, in kleinen Werkstätten, als Arbeiter in Steinbrüchen, als Straßenverkäufer oder Dienstmädchen. Besonders viel Kinderarbeit gibt es dabei in Asien, im Pazifikraum und in Afrika südlich der Sahara:

  • Asien und Pazifik: 122,3 Millionen
  • Afrika südlich der Sahara: 49,3 Millionen
  • Lateinamerika und Karibik: 5,7 Millionen
  • Sonstige Regionen: 13,4 Millionen

Kinderarbeit im Tourismus

Kinder verkaufen Futter für Affen in Wat Tham Khan (Thailand)

Laut der Internationalen Arbeitsorganisation sind weltweit mindestens 10 % der Beschäftigten im Tourismus Kinder. Davon werden laut UNICEF etwa eine Million sexuell ausgebeutet.

Beispiel Indien

Kinderarbeit in Indien - Artikel in der deutschen Wikipedia

Genau zwanzig Jahre nach einem Gesetz, das nur die Beschäftigung an „gefährlichen Arbeitsplätzen“ – etwa in Fabriken – unter Strafe stellte, erfolgt 2006 eines, das auch die Arbeit von Kindern unter 14 Jahren in fremden Haushalten und Restaurants umfasst. Skeptiker meinen, dass auch dieses Gesetz wie bisher kaum eingehalten würde. Sie fordern Zusammenarbeit der Arbeitgeber, Nichtregierungsorganisationen und der Regierung und Programme, die es Familien z. B. ermöglichen, ihre Kinder zur Schule zu schicken. Inzwischen kam ans Licht, dass oft Kinder für gefährliche Knochenarbeit mit Presslufthämmern an indischen Steinbrüchen eingesetzt werden. Deshalb verweist Misereor auf das Xertifix-Natursteinsiegel einer unabhängigen Organisation. Die österreichische Hilfsorganisation Jugend Eine Welt verweist auch auf Kinderarbeit in der Feuerwerksindustrie in Indien. Kinder und Jugendliche hantieren mit gefährlichen und hochgiftigen Stoffen, die schwere gesundheitliche Folgen haben. Bisher existiert jedoch noch kein Gütesiegel für Feuerwerkskörper.[8]

Insbesondere das Prinzip Sumangali erlaubt es, soziale Ängste zur Durchsetzung von Kinderarbeit zu nutzen. Es wird insbesondere in der indischen Textilindustrie genutzt.

Bekämpfung von Kinderarbeit

Eine Kindergewerkschaft ist eine organisierte Gruppe oder Gewerkschaft, in der arbeitende Kinder und Jugendliche sich aktiv und kollektiv für die eigenen Rechte einsetzen. Im Allgemeinen entsteht die Organisation mit externer Unterstützung, etwa durch eine Nichtregierungsorganisation.

Der Verein Xertifix engagiert sich gegen ausbeuterische Kinder- und Sklavenarbeit in der Natursteinbranche.

Goodweave ist ein Gütesiegel für zertifizierte Teppiche ohne ausbeuterische Kinderarbeit.

Ursachen und Folgen der Kinderarbeit

Die wichtigste Ursache für Kinderarbeit ist die Armut der Eltern. So ergab die Auswertung umfangreicher Daten über Privathaushalte in Entwicklungsländern, dass die meisten Eltern ihre Kinder niemals zur Arbeit schicken würden, wenn sie nicht äußerste Not dazu zwingen würde. Die Kinderarbeit führt umgekehrt aber auch zu einem erhöhten Angebot an billigen Arbeitskräften und damit zu niedrigen Löhnen. Die Kinderarbeit ist also auch eine Ursache für die Elternarmut.[9]

Rechtliche Bewertung der Kinderarbeit

Die Vereinten Nationen sichern Kindern 1989 mit der UN-Kinderrechtskonvention das Recht zu, vor wirtschaftlicher Ausbeutung geschützt zu werden. 2002 wurde mit dem ersten Welttag gegen Kinderarbeit ein internationaler Gedenktag eingerichtet, der jährlich am 12. Juni stattfindet. Seit 2003 wird im Rahmen dieses Gedenktages auch verstärkt auf den Kinderhandel (Versklavung) hingewiesen.

In Deutschland ist Kinderarbeit durch das Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) definiert: Arbeit von Kindern oder Jugendlichen, die noch der Vollzeitschulpflicht unterliegen, ist mit im Gesetz festgelegten Ausnahmen, beispielsweise für leichte Tätigkeiten für Kinder ab 13 Jahren, verboten. Die Beschäftigung von Kindern bei Veranstaltungen kann durch die Gewerbeaufsicht genehmigt werden. Der Arbeitgeber muss dann vor Beginn der Arbeiten von Kindern Ausnahmegenehmigungen beantragen, die mit Auflagen, Hinweisen und/oder Bedingungen versehen sein können.

Im Gegensatz dazu legalisierte Bolivien in einem Versuch, die Wirtschaft des Landes zu fördern, 2014 die Kinderarbeit im Gegensatz zu Empfehlungen der ILO bereits ab einem Alter von 10 Jahren.[10]

Strittige Fragen

Die Antwort auf die Frage, was als ausbeuterische und was als unproblematische Kinderarbeit gilt, hat sich im Laufe der Geschichte stark gewandelt; sie wird heute noch regional unterschiedlich beantwortet. Insbesondere die Internationale Arbeitsorganisation befürwortet ein generelles weltweites Verbot von Kinderarbeit, von dem es nur in engen Grenzen Ausnahmen geben solle. Gegen diese Haltung wird seit einiger Zeit eingewandt, dass sie die konkreten Interessen betroffener Kinder und ihrer Eltern nicht ernst genug nehme.

Position der ILO

Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) legt in Art. 2 Abs. 3[11] der am 26. Juni 1973 beschlossenen „Konvention 138“ („Mindestalter-Konvention“) die Altersgrenze, bis zu der Kinderarbeit im Normalfall verboten werden sollte, auf 15 Jahre fest. Aber die Konvention 138 wurde nur von etwa einem Viertel der ILO-Mitgliedsstaaten ratifiziert.[12] Deutschland unterzeichnete die Mindestalter-Konvention am 8. April 1976.[13]

Die ILO betrachtet heute folgende Formen der Kinderarbeit als ausbeuterisch und setzt sich für die weltweite Abschaffung dieser Formen der Kinderarbeit ein:

Der weltweite Zuwachs an Wohlstand im Falle einer vollständigen Abschaffung der Kinderarbeit würde Berechnungen der ILO zufolge 4 Billionen US-Dollar ausmachen; die Kosten betrügen in diesem Fall 760 Milliarden US-Dollar.[14]

Gegenpositionen

In manchen Gegenden in armen Ländern, etwa im Süden Indiens, setzt allmählich eine Neubewertung der Kinderarbeit ein. Dort gibt es inzwischen teilweise eine gewerkschaftliche Organisation der Kinderarbeiter; Ziel ist dabei nicht die Abschaffung der Kinderarbeit, sondern eine „menschlichere Gestaltung“ (beschränktere Arbeitszeiten, kein Verstecken der Kinderarbeit mehr, Gesundheitsschutz, etwas bessere Löhne). Stärker sind Organisationen arbeitender Kinder in einigen Ländern Lateinamerikas und Afrikas. Sie haben sich als weltweite Kinderbewegung organisiert und 2004 in Berlin ein Welttreffen durchgeführt.[15]

Kritische Sozialwissenschaftler, vor allem im Umkreis von Manfred Liebel, werfen der ILO vor, „tunnelartig begrenzt“ auf das Phänomen Kinderarbeit zu blicken. Folgende Thesen halten diese Wissenschaftler der ILO entgegen:

  1. Nicht nur in der Schule erfolge Lernen; es gebe Bildungskonzepte und reformpädagogische Schulen, die gezielt Lernen mit Arbeitserfahrungen verknüpften.
  2. „Menschenwürdige Arbeit“ (decent work) sei nicht nur für Jugendliche eine mögliche Lösung ihrer Probleme, sondern auch für arbeitende Kinder, die bei der Arbeit berufliche Qualifikationen erwerben könnten.
  3. Kinderarbeit sei nicht immer ein „Entwicklungshindernis“; sie behindere nicht immer die Überwindung von Armut.
  4. Im Zentrum aller Überlegungen müsse die Frage stehen, was zur Verbesserung der Situation arbeitender Kinder beitragen könnte; den arbeitenden Kindern und ihren Organisationen müsse Gehör geschenkt und mit ihnen müsse im gegenseitigen Respekt ein ernsthafter Dialog begonnen werden.[16] Die arbeitenden Kinder müssten ebenso wie die erwachsenen Arbeiter dabei unterstützt werden, bessere Arbeitsbedingungen zu erreichen.

In der Mitgliederzeitschrift der GEW Berlin vertritt Manfred Liebel den Standpunkt:

„Ein generelles Verbot der Kinderarbeit bedeutet für Kinder eher Nachteile als Vorteile. Es berücksichtigt nicht die spezifischen Lebensumstände der Kinder und ihrer Familien und kann dort, wo das Arbeitseinkommen der Kinder für das Überleben unverzichtbar ist, die Familien in noch größere Not stürzen. Weder berührt es die Gründe, die Kinder veranlassen zu arbeiten, noch respektiert es deren Willen, ihrer Familie beizustehen. Es versetzt die Kinder, die weiter einer Arbeit nachgehen müssen, in eine Situation der Illegalität und macht sie rechtloser und wehrloser.“[17]

Auch die entwicklungspolitische Organisation Aktion 3. Welt Saar spricht sich gegen ein Verbot der Kinderarbeit aus. In ihrer „Flugschrift“ „Kinderarbeit – wem nützt sie?“[18] weist auch sie auf die Gefahr hin, dass das Verbot die Kinderarbeit nicht beenden, sondern nur in die Illegalität drängen würde, wo dann „in einem noch rechtloseren Rahmen agiert“ würde. Denn „die ökonomische Notwendigkeit ihrer [der Kinder] Arbeit wird durch ein Verbot nicht aufgehoben, sondern eher noch verschärft“. Die Aktion 3. Welt Saar schlägt in ihrer Flugschrift auch einen konkreten Maßnahmenkatalog vor:

  1. Die Anerkennung der schon seit den 70er Jahren existierenden Organisationen der arbeitenden Kinder und Jugendlichen durch die ILO und andere internationale Organisationen, damit sie „ihre Interessen vertreten und ihre Rechte durchsetzen können – lokal, national und international“.
  2. Einen stärkeren Fokus auf die Durchsetzung der UN-Kinderrechtskonvention.
  3. Fairer Handel sollte ausgebaut werden, damit Eltern genug verdienen können und damit die ökonomische Notwendigkeit der Kinderarbeit entfällt.
  4. Das Projekt „Kommunen kaufen Produkte ohne Kinderarbeit“. Hintergrund ist, dass „die Aufträge der Kommunen in Deutschland 360 Milliarden Euro umfassen. Mit etwa 60 % aller öffentlichen Aufträge sind sie die größten Auftraggeber“. Nach der Idee der Aktion 3. Welt Saar sollen die Kommunen mit gutem Beispiel vorangehen und „auf Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit verzichten“. So habe zum Beispiel die Gemeinde Rehlingen-Siersburg schon im Dezember 2005 einen solchen Beschluss gefasst, im April 2007 hat sich auch der saarländische Landtag diesem Entschluss angeschlossen.

Die Kinderhilfsorganisation Terre des Hommes tritt für „würdige Arbeit“ von Kindern ein:

„Kinderarbeit ist nicht per se ausbeuterisch. Mädchen und Jungen arbeiten mit und lernen dabei zum Beispiel durch Mithilfe im Haushalt die grundlegenden Fertigkeiten der Hauswirtschaft oder durch Mithilfe im elterlichen Betrieb verschiedene Handwerks- oder Landbebauungstechniken. Durch Mithilfe und Arbeit werden wichtige gesellschaftliche Werte vermittelt, wie zum Beispiel Zusammenarbeit und Einsatz für eine Gemeinschaft. Arbeit kann ein Mittel zur Selbstverwirklichung sein und kann materielle und soziale Bedürfnisse befriedigen. Werden Kinder ihrem Alter und ihren Fähigkeiten entsprechend an Arbeiten beteiligt, erlangen sie Selbstbewusstsein und lernen, gemeinsam mit anderen produktiv für die Gemeinschaft zu sein.“

In Deutschland gibt es bei vielen Kindern und deren Eltern kein Verständnis für das rigorose Verbot der Kinderarbeit: In einem „Bericht über die Kinderarbeit“[19]

„Nach den Feststellungen der Länder zeigen sich Kinder häufig an der Aufnahme einer Beschäftigung interessiert. Eine Beschäftigung werde zumeist aufgrund finanzieller Gesichtspunkte angestrebt. Daneben spiele aber auch das Interesse an der Arbeit selbst eine Rolle. Die Eltern hätten meist keine Einwände gegen die Erwerbstätigkeit ihrer Kinder. Sie machten geltend, durch eine Beschäftigung könnten die Kinder die Freizeit sinnvoll nutzen und eigenes Geld verdienen. Zudem biete sie den Kindern nach Auffassung vieler Eltern die Gelegenheit, erste Erfahrungen im Berufsleben zu sammeln. Angesichts dessen betrachte ein Teil der Eltern und Kinder die geltenden rechtlichen Bestimmungen zur Kinderarbeit in erster Linie als Beschränkungen und nicht als Maßnahmen zum Schutz der Kinder. Infolgedessen brächten sie für staatliche Kontrollen wenig Verständnis auf. Das Unrechtsbewusstsein bei Rechtsverstößen sei mitunter nicht sehr ausgeprägt. Der Sinn des grundsätzlichen Verbots von Kinderarbeit im gewerblichen und industriellen Bereich werde infrage gestellt.“

Ökonomen wie Fabrizio Zilibotti argumentieren, dass ein striktes Verbot der Erwerbsarbeit für Kinder in Entwicklungsländern dazu führen könne, dass diese dann unbezahlt auf dem heimischen Hof mitarbeiten müssten, wodurch sich ihre Bildungs- und Aufstiegschancen weiter verschlechtern würden.[20]

Auch der Ökonom Matthias Döpke (Professor an der Northwestern University in Illinois, USA) meint, dass internationale Boykotte gegen Kinderarbeit eher verschlimmern als verbessern.[21]

Döpke und Zilibotti schrieben 2009 zusammen zwei 'working paper' zu dem Thema.[22][23]

Marxistische Sicht auf die Debatte um das Verbot der Kinderarbeit

Im ersten Quartal 2010 setzte sich die marxistische Theoriezeitschrift GegenStandpunkt[24] mit der Thematik Kinderarbeit und der damit einhergehenden Diskussion zwischen Befürwortern und Gegnern eines Verbots der Kinderarbeit auseinander. Aus marxistischem Verständnis der globalem Marktwirtschaft heraus werden von ihr sowohl Befürworter als auch Gegner eines Verbots kritisiert.

So wird grundlegend bei dem „Skandal der Kinderarbeit“ auf das „skandalöse Prinzip der Lohnarbeit“ im Allgemeinen hingewiesen und in Bezug auf Kinderarbeit konkretisiert:

„Kinderarbeit rechnet sich: Für eine Gewinnrechnung, die mit Kosten und Überschüss kalkuliert, für die der niedrige Preis und die ausgiebige Arbeitsleistung der eingekauften Arbeitskräfte daher ein entscheidendes Mittel ist, für die lohnen sich billige, überreichlich vorfügbare, wehrlose Kinderarbeiter - und das sogar ganz besonders. […] Billigkeit des Lohns und rücksichtslose Verausgabung der Arbeitskraft sind Bedingungen von ‚Beschäftigung‘; die Not, Geld verdienen zu müssen, macht Lohnarbeiter erpressbar; […] Kinderarbeit ist ein besonders eklatanter Fall der Kalkulation mit rentabler Arbeit.“

Sowohl die Position von Befürwortern eines Verbots, die in Kinderarbeit „Auswüchse“ des Marktprinzips sehen, als auch Gegner eines Verbots, die von einer Verbesserung der Lebensumstände der Kinder durch die ungehinderte Umsetzung von Profitinteressen ausgehen, werden also als zu kurz gedacht kritisiert.

Kinderleistungssport

Da mit ca. 7 Jahren Training zu rechnen ist, bevor eine Höchstleistung erreicht wird, ist das Leistungstraining in Sportarten, deren Höhepunkt sehr früh liegt (z. B. Gerätturnen vor der Pubertät, also 20 Stunden Training/Woche mit 12 Jahren), als Kinderarbeit zu klassifizieren, da in den Leistungskadern Geld verdient wird.[25] In bestellten juristischen Gutachten hat sich der DOSB zwar gegen den Vorwurf gewehrt, Kinderarbeit zu organisieren, das Problem bleibt jedoch bestehen, dass auch in Deutschland und anderen westlichen Industrienationen mit fremdbestimmtem Training (=Arbeit) Geld verdient wird.[26]

Siehe auch

Literatur

  • Benjamin Pütter: Kleine Hände – großer Profit: Kinderarbeit – Welches ungeahnte Leid sich in unserer Warenwelt verbirgt. Heyne Verlag, München 2017, ISBN 978-3-641-21121-9
  • Murray, Una; Quinn Patrick; Blanco Allais, Frederico (IPEC Genf): Gebt Mädchen eine Chance. Kinderarbeit überwinden, ein Schlüssel für die Zukunft, Edition Aumann, Coburg 2011, ISBN 978-3-942230-73-5
  • Nikolas Dörr: 165 Jahre Einschränkung der Kinderarbeit in Preußen. Ein Beitrag zum Beginn der Sozialgesetzgebung in Deutschland. In: MenschenRechtsMagazin, 2/2004, Seite 141–151, Menschenrechtszentrum der Universität Potsdam (Hrsg.), Potsdam 2004 Online (PDF; 147 kB)
  • Eric V. Edmonds, Nina Pavcnik: Child Labor in the Global Economy. Journal of Economic Perspectives. Vol. 19, Nr. 1, Winter 2005, S. 199–220.
  • Klaus Heidel: Strategiepapiere zur Armutsbekämpfung: Kinder zuerst! Eine Fallstudie über die PRSP-Prozesse in Äthiopien, Kenia und Sambia in kinderrechtlicher Perspektive. Hg. v. Kindernothilfe und Werkstatt Ökonomie, Heidelberg, September 2005 (online: http://www.woek-web.de/web/cms/upload/pdf/forum_kinderarbeit/publikationen/heidel_2005_prsps_kinder_zuerst.pdf)
  • Manfred Liebel, Bernd Overwien, Albert Recknagel (Hrsg.): Was Kinder könn(t)en. Handlungsperspektiven von und mit arbeitenden Kindern. Frankfurt/Main 1999
  • Manfred Liebel: Kindheit und Arbeit. Wege zum besseren Verständnis arbeitender Kinder in verschiedenen Kulturen und Kontinenten. Frankfurt / Main und London 2001
  • Bernd Overwien (Hrsg.): Von sozialen Subjekten. Kinder und Jugendliche in verschiedenen Welten. Frankfurt/Main 2005
  • Andrea Kleeberg-Niepage: Kinderarbeit, Entwicklungspolitik und Entwicklungspsychologie. Arbeitende Kinder als Herausforderung für die universalisierte eurozentrische Konstruktion von Kindheit. Verlag Dr. Kovac. Hamburg. 2007. 380 Seiten. ISBN 978-3-8300-3370-7
  • Heinrich von der Haar: Kinderarbeit in Deutschland – Dokumentation und Analyse. Verlag Kulturmaschinen Berlin 2010, 213 Seiten, ISBN 978-3-940274-26-7
  • Georg Wimmer: Kinderarbeit – ein Tabu : Mythen, Fakten, Perspektiven Wien : Mandelbaum Kritik & Utopie, 2015., ISBN 978385476-643-8
  •  Kaushik Basu, Pham Hoang Van: The Economics of Child Labor. In: American Economic Review. 88, Nr. 3, 1998, ISSN 0002-8282, S. 412–427 (http://myweb.lmu.edu/ahealy/474_psets/articles/article3_childlabor.pdf).

Weblinks

Commons: Kinderarbeit - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema
 Wiktionary: Kinterarbeit – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Duden - Deutsches Universalwörterbuch, 6., überarbeitete Auflage. Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich: Dudenverlag 2007. Abgerufen am 15. Mai 2013.
  2. 2,0 2,1 2,2 Basu, K. (1999): Child Labor: Cause, Consequence, and Cure, with Remarks on International Labor Standards. Journal of Economic Literature, Vol. 37, S. 1083–1119. (PDF; 182 kB)
  3. Edward P. Thompson: Die Entstehung der englischen Arbeiterklasse, Band 1, Frankfurt a. M. 1987, S. 360 ff.
  4. Friedrich Engels, Die Lage der arbeitenden Klasse in England, Kapitel 9, Spiegel / Projekt-Gutenberg
  5. Kastner: Kinderarbeit, S. 8 f. u. 13–70 et passim.
  6. Regulativ über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter in den Fabriken vom 9. März 1839 [1]
  7. Zur Kinderarbeit bis zum Ersten Weltkrieg und deren gesetzlichen Regelung vgl. Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914, I. Abteilung: Von der Reichsgründungszeit bis zur Kaiserlichen Sozialbotschaft (1867–1881), 3. Band: Arbeiterschutz, bearbeitet von Wolfgang Ayaß, Stuttgart/Jena/New York 1996; Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914, II. Abteilung: Von der Kaiserlichen Sozialbotschaft bis zu den Februarerlassen Wilhelms II. (1881–1890), 3. Band: Arbeiterschutz, bearbeitet von Wolfgang Ayaß, Darmstadt 1998; Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914, III. Abteilung: Ausbau und Differenzierung der Sozialpolitik seit Beginn des Neuen Kurses (1890–1904), 3. Band, Arbeiterschutz, bearbeitet von Wolfgang Ayaß, Darmstadt 2005.
  8. Christine Möllhoff: Im Teufelskreis der Armut. Frankfurter Rundschau online, 6. Oktober 2009
  9. Quelle: Spektrum der Wissenschaft, Januar 2004
  10. UPI News:Bolivia lowers legal working age to 10 to boost economy, abgerufen am 20. Juli 2014
  11. ILO: C138 - Minimum Age Convention, 1973 (No. 138)
  12. Kaushem Basu: Basu, K. (1999): Child Labor: Cause, Consequence, and Cure, with Remarks on International Labor Standards. Journal of Economic Literature, Vol. 37, S. 1083–1119. (PDF; 182 kB)
  13. ILO: Ratifications for Germany
  14. Zur Schule statt in den Steinbruch. taz vom 5. Februar 2004 http://www.taz.de/index.php?id=archivseite&dig=2004/02/05/a0191
  15. „Rechte für arbeitende Kinder!“ – Dokumentation des Zweiten Welttreffens der Bewegungen arbeitender Kinder und Jugendlicher. In: Zweites Welttreffen 2004 der Bewegungen arbeitender Kinder und Jugendlicher. Mai 2004, abgerufen am 5. März 2010.
  16. Philip Meade: Stellungnahme: Der neue ILO-Bericht zur Kinderarbeit – ein Dokument der Selbstgerechtigkeit (Memento vom 8. Januar 2009 im Internet Archive) i Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft (bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis). ProNATs e.V. – Initiativkreis gegen Ausbeutung und für die Stärkung der arbeitenden Kinder, 2006.
  17. blz – die Mitgliederzeitschrift der GEW Berlin. Ausgabe 9/2007 Archivierte Kopie (Memento vom 25. März 2008 im Internet Archive) i Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft (bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis)
  18. Kinderarbeit – wem nützt sie?, Aktion 3. Welt Saar, Winter 2009/2010 (PDF; 651 kB)
  19. Bericht der Bundesregierung über die Kinderarbeit in Deutschland. 2. Juni 2000. Bundestags-Drucksache 14/3500; Link erreichbar über http://www.aktiv-gegen-kinderarbeit.de/welt/europa/deutschland
  20. Patrick Bernau: „Kauft T-Shirts aus Kinderhand – Gegen Kinderarbeit helfen keine Boykotte, im Gegenteil: Sie verschärfen das Problem sogar (Memento vom 31. Januar 2012 im Internet Archive) i Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft (bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis)“ (PDF; 25 kB) – FAS vom 22. November 2009, S. 36
  21. GEO 7/2010, S. 126f; www.socialpolitik.org (PDF; 75 kB)
  22. “Do International Labor Standards Contribute to the Persistence of the Child Labor Problem?”, NBER Working Paper 15050, 2009 (NBER = National Bureau of Economic Research)
  23. Child labour: Is international activism the solution or the problem? (www.voxeu.org / CEPR = Centre for Economic Policy Research)
  24. GegenStandpunkt: „Streit unter Weltverbesserern: Pro und contra Verbot der Kinderarbeit“, 1–10, S. 9
  25. Arnd Krüger: Wann sollen Kinder mit Sport beginnen? Peter Lösche (Hrsg.): Göttinger Sozialwissenschaften heute. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1990, 278 – 308.
  26. Fahlbusch-Wendler, Christine: Die Zulässigkeit der staatlichen Förderung des Kinderhochleistungssports in der Bundesrepublik Deutschland. Ahrendburg: Czwalina, 1982


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