Kommunikationswissenschaft

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Kommunikationswissenschaft ist eine wissenschaftliche Forschungsdisziplin im Bereich Sozial- und Geisteswissenschaften, die sich mit Vorgängen der menschlichen Kommunikation befasst. Die Forschungsinhalte unterscheiden sich zwischen den verschiedenen Universitäten zum Teil erheblich. Eine Ausrichtung befasst sich insbesondere mit Massenkommunikation und wird oft auch Publizistikwissenschaft genannt. Unter anderem ist Zeitungswissenschaft ein Vorläufer dieser Integrations- und Sozialwissenschaft, mit Ansätzen auch aus dem Recht, der Psychologie und den Wirtschaftswissenschaften. Eine andere Ausrichtung beschäftigt sich vorrangig mit Individualkommunikation und hat Berührungspunkte zu Linguistik (vor allem Pragmatik), Philosophie, Semiotik und Soziologie.

Das Arbeitsgebiet der Kommunikationswissenschaft überschneidet sich mit der Medienwissenschaft, bei der meist die Fragen nach der Programmgestaltung, der Organisation und Technik im Vordergrund stehen. Verwandte Bereiche sind auch Sprechwissenschaft und Sprecherziehung.

Forschungsfelder

Die einzelnen Forschungsfelder der Kommunikationswissenschaft verdeutlicht am einfachsten die Lasswell-Formel: (1) Wer sagt (2) was (3) auf welchem Weg (4) zu wem (5) mit welchem Effekt?. Anhand des Prozesses der öffentlichen Kommunikation, der hier beschrieben wird, lassen sich die Forschungsfelder der Kommunikationswissenschaft systematisieren: (übergeordnet) Forschung zu institutionellen Rahmenbedingungen und Organisationen, (1) Kommunikatorforschung (Journalistik und Public Relations), (2) Medieninhaltsforschung, (3) Medienforschung/Medienanalyse, (4) Mediennutzungsforschung und (5) Medienwirkungsforschung.[1]

Kommunikatorforschung

Die Kommunikatorforschung befasst sich mit Medienakteuren und ihrer Einbindung in bestimmte Organisationen: Welche Einstellungen, Motivation, Interessen, Ausbildung usw. haben Journalisten, PR-Fachleute usw.? Welchen Zwängen unterliegen sie, worin sind sie frei, wie arbeiten sie, wie entscheiden sie sich für Themen und Darstellungsweisen? Hierunter fällt auch die Gatekeeper-Forschung, welche sich mit dem Journalisten als Einflussfaktor auf Kommunikationsinhalte beschäftigt. Bereiche der Kommunikatorforschung sind vor allem die Journalistik, die PR-Wissenschaft sowie die Werbeforschung.

Medieninhaltsforschung

Die Medieninhaltsforschung befasst sich mit den Inhalten, d. h. Aussagen und Darstellungsweisen dessen, was die Medien übermitteln (Medieninhalte). Sie differenziert sich einerseits anhand der Kontroverse darüber, was objektiv feststellbarer Inhalt ist, andererseits nach dem Erkenntnisinteresse, etwa der Einschätzung journalistischer Qualität, dem Abgleich von Realität und Berichterstattung (wenn man einen solchen Vergleich für möglich hält), Existenz und Eigenschaften einer eigenen "Medienrealität" sowie der Frage, was warum berichtet wird und warum anderes nicht, den Inszenierungsstrategien von Medienschaffenden und in den Medien präsenten Akteuren, der Ausdifferenzierung von Genres usw.

Medienforschung/Medienanalyse

Die Medienanalyse untersucht das Medium an sich, beispielsweise welche Zwänge von einem Medium ausgehen oder welche Beschränkungen es gibt.

Mediennutzungsforschung

Die Mediennutzungsforschung beschreibt die Zusammensetzung der Rezipientenschaft sowie die Motive, das Ausmaß, die Eigenschaften und Muster der Mediennutzung: Welche soziodemografischen und psychografischen Beschreibungen lassen sich von Lesern, Zuschauern und Zuhörern anfertigen? Welches Zeitbudget und welche Aufmerksamkeit widmen sie der Mediennutzung?

Medienwirkungsforschung

Die Medienwirkungsforschung, also die Erforschung der Effekte der durch (Massen-)Medien vermittelten Kommunikation, beschäftigt sich mit der Kernfrage, was die Medien mit den Menschen machen. Dabei geht es einerseits um die Auswirkungen auf das Individuum (die Psyche mit Kognitionen und Emotionen), andererseits um die Folgen für die Gesellschaft oder ihre Segmente, z. B. Politik, Wirtschaft, Sport, Religion und andere gesellschaftliche Bereiche. Die Analyse der öffentlichen Meinung(en) spielt dabei eine besondere Rolle.

Teildisziplinen

Des Weiteren werden einige klassische Teildisziplinen der Kommunikationswissenschaft unterschieden[1]:

Teildisziplinen, deren Forschungsgegenstände und Interessen sich mit anderen Fächern überschneiden und damit transdisziplinär ausgerichtet sind, sind:

Zur Geschichte der Kommunikationswissenschaft siehe auch

Zu den Theorien siehe auch

Begriffe der Kommunikation

  • Kommunikation vermittelt ganz allgemein Bedeutung zwischen Lebewesen.[2] → Soziale Kommunikationsprozesse (im Gegensatz zu technischen) bilden also den Mittelpunkt des Interesses. Genauer: symbolisch vermittelte Interaktion.[3]
  • Massenkommunikation: jener Prozess, bei dem technische Verbreitungsmittel Aussagen öffentlich indirekt und einseitig an ein disperses Publikum vermitteln.[4]
  • Hyperkommunikation: systemtheoretische Auffassungen, die auf Hypertext Bezug nehmen.
  • Biokommunikation: Untersucht zeichenvermittelte, regelgeleitete Interaktionen zwischen nicht-menschlichen Lebewesen (z. B. bei Bakterien, Viren, Pilzen, Pflanzen und Tieren). Im Rahmen einer anderen Bedeutung des Begriffs wird zwischen (notwendiger) physiko-chemischer Interaktion (bei nicht-lebendigen Entitäten) und (verhaltensvariabler) Bio-Kommunikation bei nicht-menschlichen Lebewesen differenziert.
  • Interaktion: soziales Handeln (= intentionales Verhalten). Da Kommunikation nichts anderes ist als soziales Handeln mit Hilfe von Symbolen, setzt C. F. Graumann die Begriffe Kommunikation und Interaktion gleich.
  • Sprache: Verständigung mit Hilfe von Symbolen.
  • Kommunikator: Journalist(en), Moderator(en), Kommentator(en) oder PR-Praktiker (Kommunikatorseite).
  • Aussage: präziser wäre das Ausgesagte. Das Ausgesagte umfasst sowohl den Inhalt als auch die Form von Botschaften.
  • Medium: (lat. Mittel) ein umstrittener Begriff, allgemein Verbreitungstechniken oder -mittel. Medien erster Ordnung: technische Einrichtungen (Druckmaschinen, Video-Schnittsysteme, Bildschirme etc.) - also bloße Kommunikationskanäle oder Infrastruktur. Medien zweiter Ordnung: Formen der Arbeitsorganisationen (Redaktionen, Nachrichtenagenturen o.ä.)? Informations-Verarbeitungsmuster? Die Kommunikationswissenschaft hat sich hier noch nicht geeinigt. Die etwas holprige Definition zu Medien von Ulrich Saxer: „[…] komplexe institutionalisierte Systeme um organisierte Kommunikationskanäle von spezifischem Leistungsvermögen.“[5]
  • Rezipient: Eine Person, die eine Aussage empfängt und entschlüsselt. Wenden sich mehrere Rezipienten derselben Aussage zu, spricht man von Publikum. Recht einheitlich verwendeter Begriff.

Studium

Das Studium der Kommunikationswissenschaft ist (meist in Kombination mit der verwandten Medienwissenschaft, teilweise auch unter der Bezeichnung Publizistikwissenschaft) an zahlreichen Universitäten in Deutschland, Österreich und der Schweiz möglich. Die Vergabe der Studienplätze erfolgt wegen der hohen Studiennachfrage des Fachs anhand eines örtlichen Auswahlverfahrens (Numerus clausus), häufig werden zusätzlich auch Eignungs- und Auswahltests durchgeführt. Die Hochschulen legen besonderen Wert auf sehr gute Deutschkenntnisse, gute Kenntnisse der englischen und teilweise einer weiteren Fremdsprache.

Siehe auch

Literatur

  • Stavros Arabatzis: Der Imperativ der Medien, ISBN 978-3-658-15878-1, S. 47.
  • Stavros Arabatzis: „Die imperative Sprache der Medien und ihr neuer Gebrauch“, in: Weimarer Beiträge. Zeitschrift für Literaturwissenschaft, Ästhetik und Kulturwissenschaften, Heft Nr. 3, 2015, 61. Jahrgang, Passagen Verlag Wien 2015, S. 414–436, ISSN 0043-2199.
  • Klaus Beck: Kommunikationswissenschaft. 4. Auflage. UVK, Konstanz 2015 (UTB basics), ISBN 978-3-8252-4370-8, 253 S.
  • Günter Bentele, Hans-Bernd Brosius, Otfried Jarren (Hrsg.) (2003): Öffentliche Kommunikation. Handbuch Kommunikations- und Medienwissenschaft. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, ISBN 3-531-13532-5.
  • Manfred Bruhn, Franz-Rudolf Esch, Tobias Langner (Hrsg.) (2009): Handbuch Kommunikation. Wiesbaden: Gabler, ISBN 978-3-8349-0377-8.
  • Roland Burkart (2002): Kommunikationswissenschaft. Grundlagen und Problemfelder. Umrisse einer interdisziplinären Sozialwissenschaft. Stuttgart: UTB, ISBN 3-8252-2259-4.
  • Bernhard Debatin: Der schmale Grat zwischen Anpassung und Integration. Kritische Anmerkungen aus Anlass des 100-jährigen Jubiläums der deutschen Kommunikationswissenschaft. In: Publizistik, Heft Nr. 1, 2017, 62. Jahrgang, S. 7–23, ISSN 0033-4006.
  • Lutz Hachmeister (1986): Theoretische Publizistik. Studien zur Geschichte der Kommunikationswissenschaft in Deutschland. Berlin: Spiess, ISBN 3-89166-044-8.
  • Lutz Hachmeister, Michael Meyen (2008): Kommunikationswissenschaft. In: Lutz Hachmeister (Hrsg.): Grundlagen der Medienpolitik. München: DVA, ISBN 978-3-421-04297-2.
  • Christina Holtz-Bacha, Arnulf Kutsch (Hrsg.) (2002): Schlüsselwerke für die Kommunikationswissenschaft. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, ISBN 978-3-531-13429-1.
  • Christina Holtz-Bacha, Arnulf Kutsch, Wolfgang R. Langenbucher, Klaus Schönbach (Hrsg.) (1955ff): Publizistik. Vierteljahreshefte für Kommunikationsforschung. Opladen: Westdeutscher Verlag.
  • Elisabeth Klaus (²2005): Kommunikationswissenschaftliche Geschlechterforschung. Zur Bedeutung der Frauen in den Massenmedien und im Journalismus. Wien: Lit-Verlag, ISBN 978-3-8258-5513-0.
  • Dieter Krallmann, Andreas Ziemann (2001): Grundkurs Kommunikationswissenschaft, Stuttgart: UTB, ISBN 978-3-8252-2249-9
  • Klaus Merten, Siegfried J. Schmidt, Siegfried Weischenberg (Hrsg.) (1994): Die Wirklichkeit der Medien. Eine Einführung in die Kommunikationswissenschaft. Opladen: Westdeutscher Verlag, ISBN 3-531-12327-0.
  • Katharina Lobinger: Visuelle Kommunikationsforschung: Medienbilder als Herausforderung für die Kommunikations- und Medienwissenschaft. Wiesbaden: Springer VS 2012
  • Martin Löffelholz & Thorsten Quandt (Hrsg.) (2003): Die neue Kommunikationswissenschaft. Theorien, Themen und Berufsfelder im Internet-Zeitalter. Eine Einführung. Wiesbaden, Westdeutscher Verlag, ISBN 3-531-13705-0.
  • Michael Meyen, Maria Löblich (2006): Klassiker der Kommunikationswissenschaft. Fach- und Theoriegeschichte in Deutschland. Konstanz: UVK, ISBN 3-89669-456-1.
  • Dieter Prokop (2005): Der kulturindustrielle Machtkomplex. Neue kritische Kommunikationsforschung über Medien, Werbung und Politik. Köln: Halem Verlag, ISBN 978-3-938258-12-5.
  • Heinz Pürer (2003): Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Ein Handbuch. Konstanz: UVK, ISBN 978-3-8252-8249-3.
  • Harald Rau (2013): Einladung zur Kommunikationswissenschaft. Stuttgart: UTB (Nomos), ISBN 978-3-8252-3915-2
  • Schäfer, Christian 2013: What can the history of communication studies tell us about its practical relevance in the future? The four 'currencies' of academic success and an alternative chronology of the subject’s development in Germany since 1945. In: Central European Journal of Communication (ISSN 1899-5101), 6. Jg., Heft 1, S. 105–121.
  • Siegfried J. Schmidt, Guido Zurstiege (2000): Orientierung Kommunikationswissenschaft. Was sie kann, was sie will. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, ISBN 3-499-55618-9.
  • Stefan Weber (Hrsg.) (2003): Theorien der Medien. Von der Kulturkritik bis zum Konstruktivismus. Konstanz: UVK, ISBN 3-8252-2424-4. (bietet einen guten Überblick über den derzeitigen Stand der Theorieentwicklung)
  • Gernot Wersig (2009): Einführung in die Publizistik- und Kommunikationswissenschaft: Erweitert und aktualisiert von Jan Krone und Tobias Müller-Prothmann. Nomos: Baden-Baden, ISBN 978-3-8329-4225-0. (Standardwerk/Lehrbuch: Einführung zum Thema einschliesslich der historischen Entwicklung von Kommunikationstechnik und Massenmedien)
  • Rudolf Stöber (2008): Kommunikations und Medienwissenschaft. Eine Einführung. München: C.H. Beck, ISBN 978-3-406-56807-7.
  • Bernward Wember: Wie informiert das Fernsehen? München List 1976, ISBN 978-3-471-79120-2
  • Leon Tsvasman (Hrsg.) (2006): Das große Lexikon Medien und Kommunikation. Kompendium interdisziplinärer Konzepte. Würzburg: Ergon Verlag, ISBN 3-89913-515-6. (bietet eine Orientierung in studienrelevanten Themenkomplexen)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Vgl. Bentele / Brosius / Jarren 2003: 9
  2. Gerhard Maletzke: Kommunikationswissenschaft im Überblick. Opladen: Westdt. Verlag 1998, S. 37.
  3. Burkart 2002: 20ff
  4. Vgl. Definition von Maletzke in Gerhard Maletzke: Psychologie der Massenkommunikation. Theorie und Systematik, Hamburg: Hans-Bredow-Institut 1963, S. 32.
  5. Saxer: Grenzen der Publizistikwissenschaft


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