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Sexualpraktik

Aus AnthroWiki
Altindische Darstellung des Geschlechtsverkehrs in einer Illustration zum Kamasutra

Als Sexualpraktik (sexuelle Praktiken) werden alle Handlungen bezeichnet, die subjektiv dem Erreichen sexueller Lust dienen und auf die sexuelle Befriedigung zielen.

Darunter fallen nicht nur offensichtlich sexuelle Handlungen, wie die Manipulation der Genitalien, sondern alles, was für die Beteiligten sexuell stimulierend ist. Viele dieser Praktiken können daher auch in nichtsexuellen Zusammenhängen auftauchen (zum Beispiel der Kuss).

Sexuelle Praktiken bei Tieren

Giraffen bei der Kopulation

Betrachtet man die gesamte Klasse der Säugetiere, sind fortpflanzungsorientierte Techniken am verbreitetsten, also im weiteren Sinne Balzrituale und im engeren Sinn der vaginale Geschlechtsverkehr in der A-tergo-Stellung. Evolutionsforscher bewerten die selten beobachtete Missionarsstellung (Gesicht zu Gesicht; Stellung, die mit dem aufrechten Gang des Menschen in Verbindung stünde) teilweise als progressives Spezifikum, da sich bei der Zuwendung der Gesichter leichter die Emotionen des Partners erkennen lassen und entsprechende Reaktionen möglich sind. Die Missionarsstellung findet sich vereinzelt auch im Tierreich bei den Hominiden, insbesondere unter den Bonobos.[1]

Häufig kommt bei Säugetieren ein oraler Kontakt mit Geschlechtsteilen und Afterbereich vor. Biologen haben außerdem ein gewisses Maß an homosexueller Praxis bei allen beobachteten verschiedengeschlechtlichen Arten festgestellt, manchmal als Ersatzhandlung bei Mangel an paarungsbereiten gegengeschlechtlichen Individuen. So versuchen sich paarungsbereite Stiere bei Mangel an Kühen zuweilen gegenseitig zu besteigen. Bei manchen Affenarten ist die eigene sowie gegenseitige Stimulation der Geschlechtsteile üblich – unabhängig davon, ob das andere Tier fremd- oder gleichgeschlechtlich ist, etwa bei den Bonobos. Es gibt mittlerweile zahlreiche Beobachtungen und Belege darüber, dass das Sexualleben bei vielen Tierarten äußerst kreative Komponenten hat, mitunter kurios anmutende: so die nasale Penetration bei Delfinen[2] oder bei der Vogelart Büffelweber die Stimulation der Genitalien des Weibchens durch das Männchen mit Hilfe eines speziellen Pseudophallus (unechter Phallus) aus Bindegewebe, der nicht der Spermienübertragung dient.

Sexuelle Praktiken beim Menschen

Der Mensch hat eine Vielzahl von sexuellen Praktiken entwickelt, da seine Sexualität in besonderem Maße kulturell überformt ist und über die reine Fortpflanzungsfunktion hinaus als Mittel zum bewussten Lustgewinn und als Ausdruck liebevoller Beziehungen dient.

Autosexualität, Selbstbefriedigung

Sexuelle Praktiken, die eine einzelne Person ausübt, werden unter den Begriffen Autosexualität oder Selbstbefriedigung (auch Onanie, Ipsation oder Masturbation) zusammengefasst. Selbstbefriedigung im Allgemeinen kann auch unter Zuhilfenahme der verschiedensten Gegenstände (Sexspielzeug u. Ä.) durchgeführt werden.

Sexuelle Praktiken zwischen zwei oder mehr Menschen

Vaginalverkehr, indische Miniatur (1790)
Analverkehr, Gemälde von Paul Avril
Oralverkehr, Lithografie von Francesco Hayez
Gegenseitige Masturbation, Zeichnung von Martin van Maële
Voyeurismus basiert allein auf der Lust des Anschauens – Merkur und Herse, Grafik von Gian Giacomo Caraglio

Sexuelle Praktiken zwischen zwei (verschieden- oder gleichgeschlechtlichen) Personen umfassen die Stimulation der erogenen Zonen sowie des gesamten Körpers (Stimulation der primären und sekundären Geschlechtsorgane) sowie die verschiedensten Arten von Geschlechtsverkehr. Der Begriff Geschlechtsverkehr bezeichnet je nach Gebrauch entweder sexuelle Praktiken, bei denen ein oder mehrere primäre Geschlechtsorgane beteiligt sind, Penetration durch den Penis (vaginal, anal, oral) oder nur den vaginalen Geschlechtsverkehr. Mit Petting bezeichnet man alle Formen körperlichen Kontakts, die den Koitus nicht einbeschließen, aber bewusst darauf angelegt sind, sexuelle Erregung hervorzurufen.

Dazu kommen Praktiken, welche nicht per se sexuell sein müssen, aber von den Beteiligten als sexuell stimulierend empfunden werden, aktive wie Rollenspiele, Verkleidungen, eine beabsichtigte Verzögerung oder Beschleunigung sexueller Handlungen (wie z. B. beim Quickie), Ortswechsel, auditive Stimulationen wie der Dirty Talk, und passive visuelle oder audiovisuelle Stimulationen (z. B. Stripclubs, Pornofilme etc.).

Sämtliche Formen sogenannter sexueller Belästigung, sexuellen Missbrauchs und Vergewaltigung sind demgegenüber abzugrenzen.

Vaginal

Beim Vaginalverkehr wird der Penis des Mannes in die Vagina der Frau eingeführt. Er kann in verschiedenen Stellungen (Missionarsstellung, a tergo oder auch Hündchenstellung genannt, reitend u. v. m.) praktiziert werden.

Anal

Der Begriff Analverkehr bezeichnet Geschlechtsverkehr, bei dem der Penis in den Enddarm des Partners, also durch den Anus eingeführt wird. Mit zunehmender sexueller Erregung ist eine vermehrte Entspannung der ringförmigen Muskulatur um den Anus möglich. Analverkehr ist sowohl zwischen Mann und Frau als auch zwischen Mann und Mann möglich und kann wie Vaginalverkehr in verschiedenen Positionen praktiziert werden.

Eine Sonderform des Analverkehrs stellt das Pegging dar, dabei wird der aktive Part durch die Frau mit Hilfe eines Dildos übernommen. Pegging kann sowohl in lesbischen als auch in heterosexuellen Beziehungen praktiziert werden.

Oral

Als Oralverkehr (auch „französischer“ Sex genannt) wird Geschlechtsverkehr mit Mund und Zunge bezeichnet. Die Kombination Mund/Penis hat den Namen Fellatio (auch als „Blasen“ oder englisch „blowjob“ umschrieben), bei Mund/Klitoris bzw. Mund/Vulva wird von Cunnilingus gesprochen. Bei der Fellatio kann das beim Orgasmus ejakulierte Sperma vom Partner im Mund aufgenommen und eventuell geschluckt werden. Eine gleichzeitige gegenseitige orale Stimulation nennt sich umgangssprachlich 69, wobei der Name die entgegengesetzte Körperausrichtung der Beteiligten andeutet. Der Anilingus stellt eine Sonderform des Oralverkehrs dar, bei welcher der Anus des Partners oral stimuliert wird. Beim Teabagging sind entsprechend die Hoden des Mannes das Ziel.

Manuelle Stimulation

Hierbei werden die Geschlechtsteile des Partners oder der Partnerin mit der Hand oder den Händen stimuliert (Masturbation). Die Vorlieben für die jeweilige Art der Berührung sind individuell sehr unterschiedlich.

Das Einführen der ganzen Hand in Vagina oder Rektum wird auch als Fisting bezeichnet. Es wird sowohl homo-, hetero- als auch autosexuell praktiziert.

Sexualpraktiken mit Fokus auf bestimmte Körperteile

Brustwarzen, Ohrläppchen und die Gehörgänge vieler Menschen sind sehr erogen. Ihre mechanische, taktile oder orale Stimulation kann bis zum Orgasmus führen. Gerade die Brustwarzen verändern sich dabei merklich, indem sie sich verfärben, zusammenziehen und/oder erigieren.

Sexuelle Praktiken ohne physischen Kontakt

Sonstige Sexualpraktiken

Paraphilien und Fetischismen (Auswahl)

Hauptartikel: Sexueller Fetischismus

Die folgenden sexuellen Praktiken werden bei bestimmten Paraphilien und Fetischismen, aber auch bei den entsprechenden sexuellen Präferenzen, die nicht pathologisch sind, ausgeübt. Soweit weitere Personen an den Praktiken beteiligt sind, finden diese normalerweise in gegenseitigem Einvernehmen mit den jeweiligen Partnern statt, sie beruhen auf Freiwilligkeit:

Zoophilie stellt eine Form der Paraphilien dar

Der Frotteurismus stellt eine besondere Form der Autosexualität dar.

Nicht auf (lebende) Menschen gerichtet

  • Objektophilie (emotionale und sexuelle Hingezogenheit zu Gegenständen, die oft sexuelle Handlungen mit dem nichtlebenden Liebesobjekt einschließt)[3]
  • Nekrophilie (sexuelle Aktivitäten jeglicher Art mit Leichen)
  • Zoophilie (sexuell ausgerichtete Begierde zu Tieren)

Stimulantien

Seit alters her werden zur Intensivierung des sexuellen Genusses in verschiedenen Kulturen Aphrodisiaka benutzt. Als aphrodisierend gelten viele Speisen und Gewürze (z. B. Sellerie, Zwiebeln, Chili, Kakao, Zimt oder Vanille), Duftsubstanzen und Räucherwerk sowie Rauschsubstanzen und Drogen (z. B. Alkohol, Cannabis oder Opium). Moderne Drogen, denen eine aphrodisierende Eigenschaft zugesprochen wird, sind u. a. Poppers, Kokain und Ecstasy. Neben gesundheitsgefährdenden Auswirkungen können Drogen auch zu einer Einschränkung oder zum Verlust der sexuellen Erregung führen und damit als Anaphrodisiakum wirken. Die Darstellung sexueller Praktiken, die sich ebenfalls seit alters her in Abbildungen, Skulpturen und erotischen Erzählungen vieler Kulturen zeigen, gehören wie die moderne Pornographie ebenfalls zu den sexuellen Stimulanzien.

Moral und gesellschaftliche Norm

Die Bewertung sexueller Praktiken ist kulturabhängig. So wurde in der westlichen Welt lange Zeit allein der Vaginalverkehr, teilweise nur in bestimmten Stellungen, als „normal“ akzeptiert. Die meisten anderen sexuellen Praktiken galten als Perversionen, also Entartungen. Sie wurden tabuisiert und sogar per Gesetz verboten.

Inzwischen gelten in Europa weitgehend nur noch vereinzelte gesetzliche Verbote für sexuelle Praktiken, die nicht auf Freiwilligkeit beruhen, weil sie das Prinzip der sexuellen Selbstbestimmung verletzen. Eine darüber hinausgehende staatliche Regulierung widerspricht dem verfassungsrechtlichen Verständnis der allgemeinen Handlungsfreiheit und in den meisten europäischen Rechtsordnungen gilt es als völlig unzulässig, Gesetze hierzu zu erlassen.

In Deutschland sind derzeit folgende sexuelle Praktiken verboten:

Sexuelle Handlungen mit/an Tieren (Zoophilie) sind entgegen landläufiger Meinung in Deutschland keine Straftat, sondern werden als Ordnungswidrigkeit verfolgt. Geht die sexuelle Handlung jedoch mit Schmerz oder Leid für ein Wirbeltier einher, verstößt diese Tierquälerei gegen das Tierschutzgesetz und ist eine Straftat.

Der wissenschaftliche Begriff der Perversion ist in den letzten Jahren zunehmend durch den neutraleren Begriff der Paraphilie oder der sexuellen Devianz abgelöst worden. Auch wird nicht mehr jede „anomale“ sexuelle Praktik als Devianz eingestuft. Eine Devianz liegt demnach nur noch vor, wenn eine bestimmte sexuelle Praktik notwendig zur sexuellen Befriedigung geworden ist (vergleiche Fetisch) oder sie das normale soziale Funktionieren einer Person behindert.

Ländernamen

Viele sexuelle Praktiken werden auch mit Ländernamen bezeichnet. Die Herkunft dieser Benennungen ist oft unbekannt, spiegelt aber wohl meist Vorurteile oder propagandistische Abwertung bzw. Projektion wider. In vielen Fällen herrscht kein Konsens über die Namensgebung. Beispiele hierfür siehe unten.

„albanisch“

Die albanische Variante von Sex meint das Reiben und Drücken des Penis in der Kniekehle des Partners. Der Mann liegt dabei beispielsweise auf dem Rücken, die Frau schlingt ihr Bein um seinen Penis und beginnt mit Auf- und Abwärtsbewegungen.

„deutsch“

In Deutschland Missionarsstellung;[5] international (außerhalb Deutschlands) für sadistische oder masochistische Handlungen (Spanking, Strafe und Erziehungsspiele); in SM-Kreisen: Synonym für „englisch“

„englisch“

Erzieherische Rollenspiele mit teilweise sadistischen oder masochistischen Zügen (Spanking, Strafe und Erziehungsspiele) ohne die direkte Zufügung von körperlichen Schmerzen;[5] auch die Einengung von Bewegungen, Bondage, oder die Einschränkung von Hören, Sehen und Tasten (siehe Sensorische Deprivation); früher wurde als „englisch“ auch das Flagellieren beziehungsweise erotisches Spanking verstanden

„französisch“

Orale Sextechniken wie Fellatio und Cunnilingus;[5] auch „französische Schamhaare“ für eine Teilrasur der Scham, so dass noch ein Streifen der Intimbehaarung über der Vagina (Landing Strip) oder dem Penis stehen bleibt, und „französisch beidseitig“ (Neunundsechzig)

„griechisch“

Analverkehr,[5] Zuordnung eventuell mitbedingt durch die hochangesehene Stellung von Partnerschaften zwischen Männern in der Antike

„italienisch“

Massage des Penis in der Achselhöhle des Geschlechtspartners.[5] Dieser kann mit dem Arm dabei den Druck auf den Penis variieren.

„russisch“

Eine anale Praktik (Ölmassage) ohne Geschlechtsverkehr;[5] selten auch die Befriedigung des Mannes zwischen den Oberschenkeln einer anderen Person (Schenkelverkehr)

„schwedisch“

Auch „florentinisch“: Die Frau umfasst den Penis so, dass die Eichel von der Vorhaut freigelegt ist, und der Mann penetriert die Frau.[5] Die freiliegende Eichel bewirkt, dass der Mann durch die stärkere Reizung (im Allgemeinen) schneller zum Orgasmus gelangt. Durch Druck auf den Penis an der Wurzel kann auch die Erektion verstärkt (beziehungsweise erst herbeigeführt) werden und so das Eindringen in die Frau ermöglicht werden. Unter „schwedisch“ wird selten auch die gegenseitige Masturbation verstanden.

„spanisch“

Auch Intermammal, Busensex, Titjob oder „Tittenfick“ (vulgär) genannt: Hierbei wird der Penis des Mannes zwischen den Brüsten der Frau massiert.[5] Aber auch orale Sextechniken wie Fellatio und Cunnilingus werden praktiziert (Variante: „mit Aufnahme“, d. h. Fellatio mit Ejakulation im Mund)

„thailändisch“

Eine Ganzkörpermassage des Mannes mit dem Körper des Sexualpartners.[5]

Siehe auch

Literatur

  • Günter Speicher: Die großen Tabus (Macht und Ohnmacht der Moral). Econ Verlag, 1969.
  • Judith Mackay: The Penguin Atlas of Human Sexual Behavior. Sexuality and Sexual Practice Around the World. Penguin, Brighton 2000, ISBN 0-14-051479-1.
  • Stephan Dressler, Christoph Zink (Bearbeitung): Pschyrembel Wörterbuch Sexualität. Walter de Gruyter, Berlin / New York 2003, ISBN 3-11-016965-7.
  • Peter Fiedler: Sexuelle Orientierung und sexuelle Abweichung. Beltz, Weinheim/Basel 2004, ISBN 3-621-27517-7.
  • Jürgen Brater: Lexikon der Sex-Irrtümer. Ullstein, Frankfurt 2005, ISBN 3-548-36721-6.
  • Olivia Judson: Die raffinierten Sexpraktiken der Tiere. Heyne, 2006, ISBN 3-453-60014-2.
  • M. Calderón, G. Marko (Hrsg.): Let’s talk about (texts about) sex. Sex and Language. Sexualität und Sprache. Peter Lang GmbH, Europäischer Verlag der Wissenschaften, 2012, ISBN 3-631-61478-0, ISBN 978-3-631-61478-5.

Weblinks

 Wiktionary: Sexualpraktik – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Sexualität – Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema

Einzelnachweise

  1. Polygamie im Tierreich: Nur Männersache? (Memento vom 29. Juni 2008 im Internet Archive)
  2. Olivia Judson: Die raffinierten Sexpraktiken der Tiere. Heyne, Juli 2006, ISBN 3-453-60014-2. Das Buch befasst sich mit den neuesten Erkenntnissen über das Sexualverhalten der Tiere, etwa mit der sozialen Funktion und der (mitunter existentiellen) Bedeutung der sexuellen Befriedigung im Tierreich.
  3. Objektophilie − Sex mit dem Eiffelturm, focus.de, 26. September 2009
  4. § 184i StGB
  5. Hochspringen nach: 5,0 5,1 5,2 5,3 5,4 5,5 5,6 5,7 5,8 Lexikon der Liebe
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