Flüsse der Unterwelt

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Die Barke des Charon
(Luca Giordano, 1684–1686, Fresko in der Galerie des Palazzo Medici Riccardi, Florenz)
Überfahrt in die Unterwelt
(Joachim Patinir, 1515–1524, Museo del Prado, Madrid)
Charon – Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie
(Gustave Doré, 1861)

Die Flüsse der Unterwelt, die den Hades durchströmen, werden in der griechischen Mythologie beschrieben. Der mächtigste Strom ist der Acheron, über den der greise Fährmann Charon die Toten bis zum Eingang der Unterwelt führt, nachdem sie ihren Obolus geleistet haben. Manchmal wird statt dessen auch die Styx genannt, die, wie auch alle anderen Unterweltflüsse, in den Acheron mündet.

Der feurige Phlegethon, der nahe des Acherunischen Sees verläuft, führt kein Wasser, sondern Flammen, die alles verbrennen und niemals erlöschen. In einigen Darstellungen wird davon gesprochen, dass er kochendes Blut führt. Der eisige Kokytos, ein Seitenarm der Styx, ist der Fluss des Wehklagens, von dessen Wassern die Toten trinken und erkennen, dass sie ihr Leben in der Oberwelt unwiederbringlich verloren haben.

Der Eridanus wurde von den Ägyptern auch als der Strom des Lebens bezeichnet und bildete die Grenze zwischen dem Diesseits und Duat, dem Reich der Toten. Für die Griechen war er ein Fluss am Ende der Welt, der von dem gleichnamigen Flussgott Eridanos beherrscht wurde. Der Mythos erzählt, dass Phaethon, der Sohn des Helios, mit dem Sonnenwagen der Erde zu nahe kam und diese zu verbrennen drohte, bis Zeus den unvorsichtigen Phaethon in den Eridanos stürzte. Nach der Aeneis des Vergil ist der Eridanos ebenfalls ein Fluss der Unterwelt.[1]

Lethe ist der Fluss des Vergessens. Wenn der Tote nach seinem Eintritt in das Totenreich und nach einer Zeit der Läuterung aus seinen Fluten den Trunk des Vergessens trinkt, wird er von der leidvollen Erinnerung an seine Sünden im vorangegangenen Erdenleben befreit und kann danach unbelastet in das Elysium, d.h. in die eigentliche geistige Welt, das Devachan, eingehen. In Dantes Göttlicher Komödie entspringt der Strom der Lethe an der Spitze des Läuterungsberges.

Dante schildert im 14. Gesang des Infernos seiner «Göttlichen Komödie» die Entstehung der Unterweltflüsse so[2]:

94 ... „Wüst liegt ein Land im Meere fern,
Das Kreta hieß, und Keuschheit hat gewaltet,
Als noch die Welt stand unter seinem Herrn.
97 Ein Berg dort, Ida, war einst schön gestaltet,
Mit Quellen, Laub und Bäumen reich geschmückt,
Jetzt ist er öd, verwittert und veraltet.
100 Dorthin hat Rhea ihren Sohn entrückt,
Und, alle Späher listig hintergehend,
Des Kindes Schrei’n durch Lärmen unterdrückt.
103 Ein hoher Greis ist drin, grad’ aufrecht stehend,
Den Rücken nach Damiette hingewandt,
Nach Rom hin, wie in seinen Spiegel, sehend;
106 Das Haupt von feinem Gold; Brust, Arm und Hand
Von reinem Silber; weiter dann hernieder
Von Kupfer nur bis an der Hüften Rand;
109 Von tücht’gem Eisen bis zur Sohle nieder;
Nur von gebranntem Ton der rechte Fuß,
Doch ruht auf diesem meist die Last der Glieder
112 Das Gold allein ist von gediegnem Guß;
Die andern haben Spalt und träufeln Zähren,
Und diese brechen durch die Grott’ als Fluß,
115 Um ihren Lauf nach diesem Thal zu kehren,
Als Acheron, als Styx, als Phlegethon,
Und bilden, wenn sie zu den tiefsten Sphären
118 Durch diesen engen Graben hingeflohn,
Dort den Cocyt; doch nahst du diesem Teiche
Bald selber dich, drum hier nichts mehr davon.“
121 Und ich zu ihm: „„Wenn auf der Erd’, im Reiche
Des Tages, schon der kleine Fluß entstund,
Wie kommt es, daß ich ihn erst hier erreiche?““
124 Und Er zu mir: „Du weißt, der Ort ist rund,
Und ob wir gleich schon tief hernieder drangen,
Doch haben wir, da wir uns links zum Grund
127 Herabgewandt, den Kreis nicht ganz umgangen,
Und wenn du auch noch manches Neue siehst,
Mag Staunen drum dein Auge nicht befangen.“
130 „„Sprich noch, wo Phlegethon, wo Lethe fließt?
Du schweigst von der; von jenem hört’ ich sagen,
Daß er aus diesem Regen sich ergießt.““
133 So ich; und Er: „Gern hör’ ich deine Fragen,
Doch sollte wohl des rothen Wassers Sud[3]
Auf jene selbst die Antwort in sich tragen.
136 Nicht in der Hölle fließt der Lethe Flut,[4]
Dort siehst du sie beim großen Seelenbade,
Wenn die bereute Schuld auf ewig ruht.“

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vergil Aeneis 6.659
  2. nach der Übersetzung von Carl Streckfuß 1876
  3. [83] 134. Phlegethon bezeichnet einen brennenden Fluß. Das Sieden des durch den Graben hinfließenden Wassers gibt daher dieses als Phlegethon zu erkennen.
  4. 136. Lethe, der Strom, aus welchem man Vergessenheit trinkt, kann nicht in die Hölle fließen, in welcher das Andenken der Schuld ein Theil der Strafe ist. Wir finden diesen Fluß Ges. 28 V. 25 des Fegefeuers.