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Avesta

Aus AnthroWiki
(Weitergeleitet von Vendidad)

Das Avesta oder Awesta (mittelpersisch transliteriert: ’p(y)st’k, transkribiert: abestāg) ist eine Textsammlung der von Zarathustra gestifteten Religion des Zoroastrismus, das die Lehre des Propheten Zarathustra beschreibt.

Wann genau das Avesta entstanden ist, darüber streiten sich die Gelehrten - mündlich tradiert wurde es schon in vorhistorischer Zeit. Die schriftliche Aufzeichnung der Texte erfolgte etwa ab dem 5. Jahrhundert n. Chr. Erhaltene handschriftliche Quellen sind erst ab dem 13. Jahrhundert n. Chr. vorhanden. Erste Niederschriften liegen nachweisbar ab dem Jahre 1278 vor.

Obwohl eine der ältesten und wichtigsten Religionsurkunden der Menschheit, wurde die Avesta der europäischen Wissenschaft erst durch die Bemühungen Abraham Anquetil-Duperrons zugänglich gemacht, der 1755 nach Ostindien reiste, um von den Parsenpriestern ein Exemplar des Avesta zu erlangen, und in der Tat nach einem siebenjährigen Aufenthalt in Indien nicht nur den Avesta, sondern auch eine vollständige persische Übersetzung desselben mitbrachte, die ihm ein Parsenpriester in die Feder diktiert hatte. Er gab hiervon 1771 eine französische Übersetzung heraus, die jedoch (insbesondere bei englischen Gelehrten) starken Zweifeln an der Echtheit und dem Alter des Originals begegnete.

Erst durch die Schrift des dänischen Sprachforschers Rasmus Christian Rask Über das Alter und die Echtheit der Zendsprache (1826) wurden diese Zweifel vermittels einer näheren Untersuchung der Sprache des Originals selbst, auf welche sich Anquetil gar nicht eingelassen hatte, dauerhaft beseitigt und seitdem hat die Erforschung des Avesta nach Sprache und Inhalt rasche Fortschritte gemacht.

Es hat sich dabei mit Gewissheit ergeben, dass der Avesta in der Tat das letzte Überbleibsel des sehr umfangreichen Kanons heiliger Schriften ist, die im Osten des Iran, wahrscheinlich in Baktrien, schon vor der Gründung des persischen Weltreichs entstanden war. Sehr früh wurden diese Schriften auch bei den Persern angenommen und wurden durch diese den Griechen bekannt. Deren Angaben über den Inhalt decken sich mit denen des Originals.

Nach einer Sage der Parsen wurde der Avesta von Alexander dem Großen in Ekbatana verbrannt; wahrscheinlicher ist es, dass er während der langen Fremdherrschaft der Griechen und der Parther in Vergessenheit geriet, weshalb sich zum Zeitpunkt der Wiederherstellung der alten zoroastrischen Religion unter der Dynastie der Sassaniden (seit 226 n. Chr.) nur noch Überreste von den insgesamt 21, die gesamte religiöse und weltliche Lehre des Zoroaster und seiner Jünger enthaltenden Büchern (nosk) des alten Werkes vorfanden. Diese waren in die damals übliche, der Pehlevischrift ähnlichen Schriftart, die so genannte Zendschrift, umgeschrieben und mit einer Übersetzung in das Pehlevi oder Mittelpersisch versehen worden. Das damals gesammelte Avesta enthielt zudem eine Menge zervanistischer Mythen. Diese wurden in der Zeit zwischen Yezdegerd II. und Chosrau I. ausgeschlossen, sind aber zum Teil in anderen Pehlehvischriften (Bundahisn, Denkart) enthalten.

Wahrscheinlich rühren von dieser Umschrift die meisten der zahlreichen Fehler und Textverderbnisse her, welche den Avesta entstellen und seine Deutung erschweren. Er hatte übrigens auch noch später, nach der Sassanidenzeit, manche Unbill zu überstehen, da nach der Eroberung Irans durch die Araber die alte Religion des Landes bekämpft wurde. Nur in Indien konnte sich eine größere Anzahl von Parsen erhalten, die dorthin aus Persien geflüchtet waren und die verbliebenen Bruchstücke des Avesta mitgebracht hatten.

Begriff

Der Name Avesta kommt nicht vor der Zeit der Sassaniden vor und bedeutet wahrscheinlich "Gesetz" oder "heiliger Text" (Avesta, auf den altpersischen Keilinschriften Abastâ).

Der Begriff Zend (oder Zand) dagegen bezieht sich auf mittelpersische Kommentare und Übersetzungen, welche die Priester wegen der verlorengegangenen Kenntnisse der alten Sprache der Avesta (Avestisch) erstellt hatten.

Teile des Avesta

Die einzelnen Teile des Avesta sind:

Der Yasna

Der Yasna („Anbetung“, „Opfer“) zerfällt in 72 Kapitel (hâds). Es ist der wichtigste Teil des Avesta und enthält die Gathas („Gesänge“) in Versen (Yasna 28–34. 43–46, 47–50, 51 und 53) und den Yasna Haptanhaiti in Prosa (Yasna 35–41).[1] Einer der bekanntesten Gesänge aus dem ältesten Teil des Avesta ist die Klage der Kuh.

Die frühesten Kapitel des Yasna und die späteren sind erst von Geistlichen erstellt worden, die den Gläubigen zunächst auf das Gebet einstimmen und schließlich zu den wahren Gesängen des Propheten führen. Die Gathas oder Gesänge stellen das Fundament für die spätere Dogmatik und Moral in den restlichen, später erstellten Teilen des Avesta.

Die ältesten Handschriften des Yasna sǎda (reiner Yasna) sind über 400 Jahre alt. Nach den Bezeichnungen von Karl Friedrich Geldner sind das C1 (C nach dem Herkunftsort Cambridge) und H1 (H nach dem Herkunftsort Hoshangji Jamaspji, Dastur in Poona). Die beiden Manuskripte weisen kein Datum auf. Sie werden von der Wissenschaft vor 1700 n. Chr. datiert.[2]

Der Vendidâd

Der Vendidâd oder Vidêvdâd (auch Videvdad geschrieben; avestisch: vî-daêvô-dâta, „gegen die Dēvs gegeben“ bzw. „das widerdämonische Gesetz“[3] oder „Gesetz gegen die Dēvs“; von Dēv: „Dämon“) enthält in seinen 22 „Fargards“ Fragmente sehr verschiedenartigen Inhalts, die nur bezüglich der überall durchgehenden Einkleidung in Dialoge zwischen Ormuzd – z. T. auch Ormudz geschrieben – oder Ahura Mazda und seinem Propheten Zoroaster miteinander übereinstimmen. Der erste Fargard enthält die zoroastrische Schöpfungssage, der zweite die Sage von Yima und dem goldenen Zeitalter, die folgenden größtenteils Vorschriften über Bußen und Sühnen, durch die man die Folgen der verschiedenen Sünden oder Verunreinigungen, die man auf sich geladen hat, abwehren könne.

Der Begriff Dēv (Pahlavi-Sprache, avestisch: Daêva, neupersisch: Div) bezeichnete ursprünglich alte iranische Gottheiten, die auch in der indischen Götterwelt eine, wenn auch in der Bewertung sehr unterschiedliche Entsprechung fanden. Bereits in den ältesten Abschnitten der Gathas finden „Dêvs“ als „falsche Götter“[4] Erwähnung. Im Verlauf der weiteren iranischen Geschichte ist eine weitere Sinnverschiebung hin zu mit übermenschlichen Kräften ausgestatteten Personifizierungen des Bösen festzustellen, die meist als „Dämonen“ wiedergegeben werden.

Die ältesten erhaltenen Manuskripte des Vendidâd stammen aus der Tradition Pahlavi Vendidâd und wurden in den Jahren 1323–1324 n. Chr. kopiert. Nach der Bezeichnung von Karl Friedrich Geldner[5] handelt es sich um K1 (nach dem Standort Universitätsbibliothek Kopenhagen) und L4 (nach dem Standort London).[6][7]

Die Manuskripte aus der Tradition Vendidâd Sǎda sind jünger. Es handelt sich um die Manuskripte L2 (nach dem Standort London), M2 (nach dem Standort Königliche Hof- und Staatsbibliothek München) und MF 2 (nach dem Standort Mulla Firuz Bibliothek in Bombay). L2 wurde 1759 n. Chr. kopiert und befindet sich heute in der British Library.[8] M2 wurde 1657 n. Chr. kopiert und Mf 2 ist ein iranischer Vendidâd Sǎda aus dem Jahr 1618 n. Chr.[9]

Der Vendidâd Sǎda, der im Jahr 1723 nach Europa gebracht wurde und die Aufmerksamkeit europäischer Wissenschaftler auf sich zog, ist das Manuskript O2 (nach dem Standort Bodleian Library in Oxford).[10] Es stammt aus dem Jahr 1681 n. Chr.[11]

Der Vispered

Der Vispered (von vîspe ratavo, "alle Herren oder Genien") enthält in 23 Kards (Abschnitten) Gebete von ähnlicher Natur wie die im jüngern Teil des Yaçna, aber von viel geringerm Umfang. Die drei genannten Bücher zusammen bilden, in einer eigentümlichen Anordnung zusammengestellt, die zu gottesdienstlichen Zwecken viel gebrauchte Sammlung Vendidâd Sâde.

Die Yashts

Die Yashts, im ganzen 24, sind Anrufungen, je an eine bestimmte Gottheit (z. B. an Tistrya, an Mithra, an die Fravashis oder Seelen der Verstorbenen) gerichtet, deren Eigenschaften ausführlich aufgezählt und beschrieben werden. Sie sind daher eine wichtige Quelle der iranischen Mythologie.

Die fünf Ryâyish

Die fünf Ryâyish, die Stücke Aferîn und Afrigân und einige andre kleine Stücke und Fragmente werden häufig mit den Yashts unter dem Namen Khordeh Avesta ("kleinerer Avesta") zusammengefasst.

Literatur

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Jean Kellens: Avesta. In: Ehsan Yarshater (Hrsg.): Encyclopædia Iranica, Stand: 17. August 2011, eingesehen am 14. Oktober 2022 (englisch, inkl. Literaturangaben)
  2. Karl Friedrich Geldner: Avesta. Die heiligen Bücher der Parsen. 3 Bände, Stuttgart 1886–1895, S. II.
  3. Antonio Panaino: Religionen im antiken Iran. In: Wilfried Seipel (Hrsg.): 7000 Jahre persische Kunst. Meisterwerke aus dem Iranischen Nationalmuseum in Teheran: Eine Ausstellung des Kunsthistorischen Museums Wien und des Iranischen Nationalmuseums in Teheran. Kunsthistorisches Museum, Wien 2001, S. 22–29, hier: S. 26.
  4. Vgl. auch Antonio Panaino: Religionen im antiken Iran. In: Wilfried Seipel (Hrsg.): 7000 Jahre persische Kunst. Meisterwerke aus dem Iranischen Nationalmuseum in Teheran: Eine Ausstellung des Kunsthistorischen Museums Wien und des Iranischen Nationalmuseums in Teheran. Kunsthistorisches Museum, Wien 2001, S. 22–29, hier: S. 26.
  5. Karl Friedrich Geldner: Avesta. Die heiligen Bücher der Parsen. 3 Bände, Stuttgart 1886–1895, Prolegomena.
  6. British Library, MSS Avestan 4. MSS Avestan 4. Abgerufen am 25. November 2022.
  7. Jeans Kellens: Considérations sur l’histoire de l’Avesta (=Journal Asiatique. Band 286, Nr. 2). Paris 1998, S. 451–519, hier S. 458.
  8. British Library, MSS Avestan 2. MSS Avestan 2. Abgerufen am 25. November 2022.
  9. Karl Friedrich Geldner: Avesta. Die heiligen Bücher der Parsen. 3 Bände, Stuttgart 1886–1895, Prolegomena.
  10. Bodleian Library, MS. Bodley Or. 321. MS. Bodley Or. 321. Abgerufen am 26. November 2022.
  11. Karl Friedrich Geldner: Avesta. Die heiligen Bücher der Parsen. 3 Bände, Stuttgart 1886–1895, Prolegomena.
Dieser Artikel basiert auf einer für AnthroWiki adaptierten Fassung des Artikels Avesta aus der freien Enzyklopädie de.wikipedia.org und steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike. In Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.