Sesch-ni-medu-netjer Sš-nj-mdw.w-nṯr „Schrift der Gottesworte“
Die ägyptischen Hieroglyphen (altgriech.ἱερόςhierós, deutsch‚heilig‘, γλυφήglyphḗ ‚Eingrabung, Eingeritztes‘) sind die Zeichen des ältesten bekannten ägyptischen Schriftsystems, das von etwa 3200 v. Chr. bis 394 n. Chr. im Alten Ägypten und in Nubien für die früh-, alt-, mittel- und neuägyptische Sprache sowie für das sogenannte ptolemäische Ägyptisch benutzt wurde.[1] Die ägyptischen Hieroglyphen hatten ursprünglich den Charakter einer reinen Bilderschrift. Im weiteren Verlauf kamen Konsonanten- und Sinnzeichen hinzu, so dass sich die Hieroglyphenschrift aus Lautzeichen (Phonogrammen), Bildzeichen (Ideogrammen) und Deutzeichen (Determinativen) zusammensetzt.
Mit ursprünglich etwa 700 und in der griechisch-römischen Zeit etwa 7000 Zeichen gehören die ägyptischen Hieroglyphen zu den umfangreicheren Schriftsystemen.[2] Eine Reihenfolge ähnlich einem Alphabet existierte ursprünglich nicht. Erst in der Spätzeit wurden Einkonsonantenzeichen vermutlich in einer alphabetischen Reihenfolge angeordnet, die große Ähnlichkeiten mit den südsemitischen Alphabeten zeigt.[3]
Die Bezeichnung „Hieroglyphen“ ist die eingedeutschte Form des altgriechischenἱερογλυφικὰ γράμματα oder ‚heilige Einkerbungen‘, das aus ἱερός und γλύφω, zusammengesetzt ist. Diese Bezeichnung ist die Übersetzung des ägyptischenzẖ3 n.j mdw.w nṯr ‚Schrift der Gottesworte‘, das die göttliche Herkunft der Hieroglyphenschrift andeutet.
Geschichte
Frühzeit und Entstehung
Nach der altägyptischen Überlieferung hat Thot, der Gott der Weisheit, die Hieroglyphen geschaffen. Die Ägypter nannten sie daher „Schrift der Gottesworte“.
Die Anfänge dieser Schrift lassen sich bis in die prädynastische Zeit zurückverfolgen. Die früher gewöhnlich zugunsten der Keilschrift entschiedene Frage, ob die sumerische Keilschrift oder die ägyptischen Hieroglyphen die früheste menschliche Schrift darstellen, muss wieder als offen gelten, seit die möglicherweise bislang ältesten bekannten Hieroglyphenfunde aus der Zeit um 3200 v. Chr. (Naqada III) in Abydos aus dem prädynastischen Fürstengrab U‑j zum Vorschein gekommen sind.[4] Die nach Meinung Günter Dreyers voll ausgebildeten Hieroglyphen befanden sich auf kleinen Täfelchen, die – an Gefäßen befestigt – vermutlich deren Herkunft bezeichneten. Einige der frühen Zeichen ähneln sumerischen Schriftzeichen. Daher ist eine Abhängigkeit nicht ganz auszuschließen, aber auch in umgekehrter Richtung möglich. Diese Fragen werden kontrovers diskutiert.[5]
Die Hieroglyphenschrift begann offenbar als Notationssystem für Abrechnungen und zur Überlieferung wichtiger Ereignisse. Sie wurde rasch mit den zu kommunizierenden Inhalten weiterentwickelt und tritt bereits in den ältesten Zeugnissen als fertiges System auf.
Verbreitung
Die ägyptischen Hieroglyphen wurden zunächst überwiegend in der Verwaltung, später für alle Belange in ganz Ägypten benutzt. Außerhalb Ägyptens wurde diese Schrift regelmäßig nur im nubischen Raum verwendet, zunächst zur Zeit der ägyptischen Herrschaft, später auch, als dieses Gebiet eigenständig war. Um 300 v. Chr. wurden die ägyptischen Hieroglyphen hier von einer eigenen Schrift der Nubier, der meroitischen Schrift abgelöst, deren einzelne Zeichen jedoch ihren Ursprung in den Hieroglyphen haben. Die althebräische Schrift des 9. bis 7. Jahrhunderts v. Chr. benutzte die hieratischen Zahlzeichen, war ansonsten aber ein von der phönizischen Schrift abgeleitetes Konsonantenalphabet. Mit den Staaten des Vorderen Orients wurde vorwiegend in akkadischer Keilschrift kommuniziert. Es ist anzunehmen, dass sich die Hieroglyphen wesentlich schlechter zur Wiedergabe fremder Begriffe oder Sprachen eigneten als die Keilschrift.
Wie groß der Anteil der Schriftkundigen an der Bevölkerung Ägyptens war, ist unklar, es dürfte sich nur um wenige Prozent gehandelt haben: Die Bezeichnung „Schreiber“ war lange synonym mit „Beamter“. Außerdem gab es in griechischer Zeit in den Städten nachweislich viele hauptberufliche Schreiber, die Urkunden für Analphabeten ausstellten.
Späte Tradition und Untergang
Von 323 bis 30 v. Chr. beherrschten die Ptolemäer (makedonische Griechen) und nach ihnen das römische und byzantinische Reich Ägypten, die Verwaltungssprache war deshalb Altgriechisch. Das Ägyptische wurde nur noch als Umgangssprache der eingesessenen Bevölkerung benutzt. Trotzdem wurde die Hieroglyphenschrift für sakrale Texte und das Demotische im Alltag verwendet. Die Kenntnis der Hieroglyphen wurde auf einen immer enger werdenden Kreis beschränkt, dennoch wurden ptolemäische Dekrete oft in Hieroglyphen geschrieben. So enthalten ptolemäische Dekrete die Bestimmung, dass sie „in Hieroglyphen, der Schrift der Briefe (d. h.: Demotisch) und in griechischer Sprache“ veröffentlicht werden sollten. Gleichzeitig wurden die Zeichen auf mehrere Tausend vervielfacht, ohne dass das Schriftsystem als solches geändert wurde.
In dieser Form begegneten interessierte Griechen und Römer dieser Schrift in der Spätantike. Sie übernahmen bruchstückhaft Anekdoten und Erklärungen für Lautwert und Bedeutung dieser geheimen Zeichen und gaben sie an ihre Landsleute weiter.
Mit der Einführung des Christentums gerieten die Hieroglyphen endgültig in Vergessenheit. Die letzte datierte Inschrift stammt von 394 n. Chr. Aus dem 5. Jahrhundert n. Chr. stammt die Hieroglyphica des Horapollon, die eine Mischung aus richtigen und falschen Informationen zur Bedeutung der Hieroglyphen enthält, indem sie auch phonetische Zeichen als Logogramme auffasst und durch sachliche Übereinstimmungen zwischen Bild und Wort erklärt.
Entzifferung
In der islamischen Welt keimte das Interesse an den Hieroglyphen im 9. Jahrhundert wieder auf. So versuchte der irakische Gelehrte Ibn Wahshiyya im 9. oder 10. Jahrhundert eine Deutung mehrerer dutzend Zeichen und einiger Zeichengruppen, wobei er erkannte, dass die Schrift eine wesentliche phonetische Komponente hat, und einzelne Lautwerte korrekt zuwies.[6][7]
Während der Renaissance entstand auch in Europa ein Interesse an den Hieroglyphen. Die Angaben Horapollons führten die Bemühungen des deutschen Jesuiten und Universalgelehrten Athanasius Kircher und einiger anderer Gelehrten in die Irre. Kirchers Entzifferungsversuche wurden bald als falsch erkannt.
Entscheidende Fortschritte wurden durch den Stein von Rosetta möglich, der während Napoleons Ägyptenfeldzug bei Schanzarbeiten nahe der Stadt Rosetta gefunden wurde. Er enthält ein griechisch, hieroglyphisch-ägyptisch und demotisch geschriebenes Dekret aus der Ptolemäerzeit, wodurch er einen idealen Anknüpfpunkt für weitere Untersuchungen darstellte. 1802 gelang dem Schweden Johan David Åkerblad die Entzifferung einzelner demotischer Wörter auf dem Stein von Rosetta, 1814 erreichte der englische Physiker Thomas Young weitere Fortschritte beim Verständnis des demotischen Textes, außerdem erkannte er die Verwandtschaft des Demotischen mit den Hieroglyphen. Zwei Jahre später entdeckte er für viele hieratische Zeichen ihre hieroglyphischen Gegenstücke. Jean-François Champollion zeigte anhand der Kartuschen für Ptolemaios VIII., Kleopatra II. und Kleopatra III., dass auch die Hieroglyphen phonetische Zeichen besaßen.[8] Durch den Vergleich mit weiteren bekannten Königsnamen, besonders Namen römischer Kaiser, gewann Champollion die Lautwerte vieler Hieroglyphen, zunächst Ein-, dann auch Mehrkonsonantenzeichen. Auf diesen Entdeckungen aufbauend konnte Champollion durch den Vergleich ägyptischer Texte mit dem Koptischen zahlreiche weitere Zeichen entziffern und damit Grammatik und Wortschatz des Ägyptischen erschließen. 1822 hatte Champollion es geschafft, die Hieroglyphen vollständig zu entziffern.
Altägyptische Schriftsysteme
Je nach Schreibmaterialien und Verwendungszweck lassen sich verschiedene Schriften unterscheiden: zunächst die Hieroglyphen und eine kursive Variante, das Hieratische. Obwohl die Zeichen unterschiedliche Formen annahmen, blieb das Funktionsprinzip der Hieroglyphenschrift erhalten. Die viel jüngere demotische Schrift stammt wiederum von der hieratischen Schrift ab und hat nur noch wenig Ähnlichkeit mit den Hieroglyphen.
Hieroglyphen
Hieroglyphen sind eine auf die Verwendung an Tempel- und Grabwänden ausgerichtete Monumentalschrift. Das Schriftsystem enthält neben orthographischen Aspekten viele Eigenheiten, die sich ausschließlich mit der ornamentalen Wirkung, der Platzausnutzung oder magischen Sichtweisen erklären lassen. Wie einige besonders gut erhaltene Beispiele noch zeigen – so etwa die Inschriften in den Gräbern im Tal der Könige –, wurden die Hieroglyphen ursprünglich vielfach farbig geschrieben. Die Farbe entsprach teils der Naturfarbe des dargestellten Gegenstandes, teils war sie rein konventionell festgelegt. In Einzelfällen konnte allein die Farbe zwei ansonsten formgleiche Schriftzeichen unterscheiden; dies gilt besonders für mehrere Hieroglyphen mit rundem Umriss.
Ägyptische Wörter werden auch innerhalb eines Textes durchaus variabel geschrieben. Die Hieroglyphenschrift ist trotz der starken Bildhaftigkeit (derer sich die Ägypter bewusst waren), kaum eine Bilderschrift.
Hieratische Schrift
Die hieratische Schrift ist ebenso alt wie die Hieroglyphenschrift. Sie ist eine kursive Variante der Hieroglyphenschrift, die zum Schreiben mit einer Binse auf Papyrus oder ähnlich geeignetem Material (wie Ostraka aus Kalkstein oder Ton) konzipiert war. Zunächst wurde sie auch für allgemeine Texte verwendet, religiöse Texte wurden im Mittleren Reich teilweise auf Papyrus in Hieroglyphen geschrieben; erst mit der Einführung des Demotischen als Alltagsschrift wurde sie auf die Niederschrift religiöser Texte beschränkt. Daher rührt auch ihr von Herodot überlieferter griechischer Name.
Das Hieratische bildet die gleichen Elemente wie die Hieroglyphen ab. Dadurch, dass sie schnell geschrieben wurden, flossen die Zeichen häufiger ineinander und abstrahierten im Laufe der Zeit immer stärker von den bildhaften Hieroglyphen; dennoch blieben die Prinzipien des Schriftsystems die gleichen. Die folgende Tabelle stellt einigen Hieroglyphen ihre hieratischen Entsprechungen gegenüber:
Hieroglyphen
Hieratisch
Zeichennummer
A1
D4
F4
N35
V31
Z2
Kursivhieroglyphen
Am Ende des Alten Reiches spaltete sich aus dem frühen Hieratisch eine Schriftform ab, die auf Särge und Papyri geschrieben wurde und sich im Gegensatz zum Hieratischen zwar an das Schreibmaterial anpasste, aber den hieroglyphischen Formen nahe blieb. Bis zur 20. Dynastie wurden religiöse Texte in dieser Schrift geschrieben, danach wurde sie weitgehend vom Hieratischen abgelöst.
Demotische Schrift
Um 650 v. Chr. wurde eine noch flüssigere und stärker von den Hieroglyphen abstrahierende Kursivschrift entwickelt, die demotische Schrift, auch Volksschrift genannt. Sie entstand als Kanzleischrift und wurde zur Gebrauchsschrift in Ägypten, bis sie im 4./5. Jahrhundert n. Chr. von der koptischen Schrift, einer um einige demotische Zeichen ergänzten Form der griechischen Schrift, abgelöst wurde. Auch wenn die demotische Schrift ihre Grundprinzipien mit den Hieroglyphen teilt, kann sie aufgrund größerer Abweichungen kaum noch als Subsystem der Hieroglyphen verstanden werden.
Die Hieroglyphenschrift
Schriftrichtung
Ursprünglich wurden die Hieroglyphen meist in Spalten (Kolumnen) von oben nach unten und von rechts nach links geschrieben, aus graphischen Gründen konnte die Schreibrichtung jedoch variieren. In seltenen Fällen wurden Hieroglyphen als Bustrophedon geschrieben. Die Schriftrichtung ist sehr leicht festzustellen, da die Zeichen immer in Richtung Textanfang gewandt sind, also dem Leser „entgegenblicken“. Am deutlichsten wird dies bei der Darstellung von Tierformen oder Menschen. In einzelnen Fällen wie beispielsweise auf den Innenseiten von Särgen liegt jedoch eine retrograde Schrift vor, in der also die Zeichen gerade dem Textende zugewandt sind; dies gilt etwa für viele Totenbuchmanuskripte und könnte spezielle religiöse Gründe haben (Totenbuch als Texte aus einer „Gegenwelt“ o. Ä.).
Die Worttrennung wurde in der Regel nicht angegeben, jedoch lässt sich das Ende eines Wortes häufig an dem das Wort abschließenden Determinativ erkennen.
Funktionen der Schriftzeichen
Ägyptische Hieroglyphen können die Funktion von Phonogrammen, Ideogrammen oder Determinativen übernehmen. Die meisten Hieroglyphen können eine oder maximal zwei dieser Funktionen übernehmen, einzelne auch alle drei. Welche Funktion ein Zeichen hat, zeigt der Kontext, in vielen Fällen lassen sich die Verwendungen kaum abgrenzen. So ist das Zeichen
Ideogramm in
rˁ(w) (Sonnengott) „Re“, in der vollständigeren Schreibung des gleichen Wortes als
dient es nur als Determinativ; das Zeichen
wird im Wort
pr(j) „herausgehen“ als Phonogramm pr aufgefasst, während es in
pr(w) „Haus“ als Logogramm fungiert. Aufschluss darüber, ob und wie ein Zeichen gelesen werden kann, gibt im Allgemeinen die Zeichenliste der Egyptian Grammar von Alan Gardiner,[10] die jedoch nicht vollständig und in Einzelfällen überholt ist.
Als Phonogramme werden solche Zeichen bezeichnet, die einen bestimmten Lautwert wiedergeben. Grundsätzlich gibt es wie im traditionellen Arabisch oder Hebräisch keine Zeichen für Vokale, sondern nur Zeichen für Konsonanten. Dabei verfügt das hieroglyphische Ägyptisch über Zeichen für einzelne Konsonanten (so genannte Einkonsonantenzeichen) und Zeichen für Folgen von Konsonanten (Mehrkonsonantenzeichen), wie zum Beispiel das Zweikonsonantenzeichen
/w/+/n/ wn oder das Dreikonsonantenzeichen
/ḥ/+/t/+/p/ ḥtp. Für die Verwendung eines Mehrkonsonantenzeichens war es unerheblich, ob in der Aussprache des Wortes zwischen den Konsonanten ein Vokal vorhanden war oder nicht.[11]
Der Lautwert der Phonogramme hängt in vielen, aber nicht in allen Fällen, historisch mit dem gesprochenen Wort zusammen, das durch die jeweiligen Zeichen dargestellt wird: zum Beispiel steht
für den IPA-Lautwert /r/ (Transkription: r) und stellt einen Mund, ägyptisch
r3 dar. Ebenso steht
für den Lautwert tp und stellt einen Kopf, ägyptisch
Ein einfaches hieroglyphisches Alphabet wird in der modernen Wissenschaft mit gut zwei Dutzend Zeichen gebildet, die jeweils einen einzelnen Konsonanten wiedergeben, also eine Art „konsonantisches Alphabet“ darstellen.[13] Obwohl schon mit den Einkonsonantenzeichen die Wiedergabe des Ägyptischen möglich gewesen wäre, waren die Hieroglyphen aber nie eine reine Alphabetschrift. Die Einkonsonantenzeichen werden heute gerne zum Lernen der altägyptischen Sprache und zur Wiedergabe moderner Eigennamen verwendet, wobei hier die moderne wissenschaftliche Behelfsaussprache der Zeichen zugrunde gelegt wird, die in vielen Fällen nicht mit der ursprünglichen ägyptischen Lautung identisch ist. Aus wissenschaftshistorischen Gründen werden nämlich in der ägyptologischen Behelfsaussprache fünf bzw. sechs Konsonanten als Vokale ausgesprochen, obwohl sie in der klassischen ägyptischen Sprache Konsonanten bezeichnet hatten.
Schon vor etwa 5000 Jahren gab es im Alten Ägypten ein entwickelt additives, nach Zehnerpotenzen geordnetes Zahlensystem, bei dem es für jede Zehnerpotenz zwischen 1 und 1.000.000 ein eigenes Zeichen gab:
Die Zahl 1913, die aus einem Tausender-Zeichen, neun Hunderter-Zeichen, einem Zehner-Zeichen und drei Einer-Zeichen besteht, würde z.B. so geschrieben:
Da die Hieroglyphen für den alltäglich Gebrauch viel zu umständlich waren, wurde schon ab Mitte des 3. Jahrtausends v. Chr. handschriftlich die hieratische Schrift benutzt und die Blöcke mit lauter gleichartigen Zeichen zu einem einzigen Zeichen zusammengefasst. Dabei wurden vier Zeichen für die Zehnerpotenzen 1, 10, 100 und 1.000 sowie 32 (4 mal 8) Zeichen für deren Vervielfachungen, also insgesamt 36 Zahlzeichen. für die Schreibung der Zahlen 1 bis 9.999 verwendet.
Die historische Schreibpraxis
Schriftmedien
Die Ägypter verwendeten als Schriftmedien Stein, Ton und Rollen aus Papyrus, Leder und Leinen, die sie gelegentlich kunstvoll mit kolorierten Bildern versahen. Die Werkzeuge des Schreibers waren:
ein meist hölzernes Etui mit mehreren Schreibröhren, die am Ende entweder flachgehämmert oder schräg geschnitten waren,
eine Platte als Unterlage und zum Glätten des Papyrus,
ein Vorrat an schwarzer Tinte (aus Rußpulver, als Bindemittel wird Gummi arabicum verwendet),
und einer mit roter Tinte für Titel, Überschriften und Kapitelanfänge (siehe Rubrum), nicht jedoch für Götternamen (aus Zinnoberpulver, einer Quecksilber-Schwefel-Verbindung oder aus Bleioxid),
ein Fässchen für Wasser, mit dem die Tinte angerührt wird sowie
ein Messer zum Schneiden des Papyrus.
Der längste erhaltene Papyrus misst 40 Meter. Leder wurde vorwiegend für Texte von großer Bedeutung verwendet.
Der Beruf des Schreibers
Die Kenntnis des Schreibens war mit Sicherheit eine der Grundvoraussetzungen für alle Arten einer Laufbahn im Staat. Es gab auch keine eigene Bezeichnung für den Beamten – „sesch“ heißt sowohl „Schreiber“ als auch „Beamter“. Über das Schulsystem ist überraschend wenig bekannt. Für das Alte Reich wird das Famulussystem angenommen: Schüler lernten das Schreiben bei den Eltern oder wurden einem anderen Schreibkundigen unterstellt, der die Schüler zunächst für Hilfsarbeiten benutzte und ihnen dabei auch das Schreiben beibrachte.[16] Ab dem Mittleren Reich gibt es vereinzelte Belege für Schulen, die aus dem Neuen Reich gut bezeugt sind. Die Ausbildung zum Schreiber begann mit einer der Kursivschriften (Hieratisch, später Demotisch). Die Hieroglyphen wurden später gelernt und aufgrund ihrer Eigenschaft als Monumentalschrift nicht von jedem Schreiber beherrscht. Die Schrift wurde hauptsächlich durch Diktate und Abschreibübungen, die in einigen Fällen erhalten sind, gelehrt, faule Schüler wurden durch Züchtigungen und Gefängnisstrafen diszipliniert.
Aus dem Mittleren Reich stammt das Buch Kemit, das anscheinend speziell für den Schulunterricht geschrieben wurde. Die Lehre des Cheti beschreibt die Vorzüge des Schreiberberufes und zählt die Nachteile anderer, meist handwerklicher und landwirtschaftlicher Berufe auf.
W. V. Davies: Egyptian Hieroglyphs. 5th Imprint. British Museum Press, London 1992, ISBN 0-7141-8063-7, (Reading the past).
Karl-Theodor Zauzich: Hieroglyphen ohne Geheimnis. Eine Einführung in die altägyptische Schrift für Museumsbesucher und Ägyptentouristen (= Kulturgeschichte der antiken Welt. Nr. 6, ISSN0937-9746). 11. Auflage, von Zabern, Mainz 2000, ISBN 3-8053-0470-6.
Marc Collier, Bill Manley: Hieroglyphen. Entziffern, lesen, verstehen. Knaur, München 2001, ISBN 3-426-66425-9, (Originalausgabe: How to read Egyptian hieroglyphs. British Museum Press, London 1998, ISBN 0-7141-1910-5).
Gabriele Wenzel: Hieroglyphen. Schreiben und Lesen wie die Pharaonen. 3. Auflage, Nymphenburger, München 2003, ISBN 3-485-00891-5.
Bridget McDermott: Hieroglyphen entschlüsseln. Die Geheimsprache der Pharaonen lesen und verstehen. Area, Erftstadt 2006, ISBN 978-3-89996-714-2.
Petra Vomberg, Orell Witthuh: Hieroglyphenschlüssel. Harrassowitz, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-447-05286-3.
Hartwig Altenmüller: Einführung in die Hieroglyphenschrift (= Einführungen in fremde Schriften.) 2., überarbeitete und erweiterte Auflage, Buske, Hamburg 2010, ISBN 978-3-87548-535-6.
Entzifferung
Lesley Adkins, Roy Adkins: Der Code der Pharaonen. Lübbe, Bergisch Gladbach 2002, ISBN 3-7857-2043-2.
Markus Messling: Champollions Hieroglyphen, Philologie und Weltaneignung. Kadmos, Berlin 2012, ISBN 978-3-86599-161-4.
Grammatiken mit Zeichenlisten
Adolf Erman: Neuaegyptische Grammatik. 2. völlig umgestaltete Auflage. Engelmann, Leipzig 1933, (Umfassende Darstellung der Eigenheiten der neuägyptischen Schreibungen: §§ 8–42).
Herbert W. Fairman: An Introduction to the Study of Ptolemaic Signs and their Values. In: Le Bulletin de l’Institut français d’archéologie orientale. Nr. 43, 1945, ISSN0255-0962, S. 51–138.
Alan Gardiner: Egyptian Grammar. Being an introduction to the study of hieroglyphs. Third edition, revised. Oxford University Press, London 1957, (Zuerst: Clarendon Press, Oxford 1927), (Enthält die ausführlichste Version der Gardiner-Liste, der Standard-Hieroglyphenliste, sowie eine umfangreiche Darstellung des Schriftsystems).
Elmar Edel: Altägyptische Grammatik (= Analecta Orientalia, commentationes scientificae de rebus Orientis antiqui. Bd. 34/ 39). Pontificium Institutum Biblicum, Rom 1955–1964, (Bietet in §§ 24–102 eine sehr umfangreiche Darstellung der Schreibregeln und der Prinzipien der Hieroglyphen), (Dazu erschienen: Register der Zitate. Bearbeitet von Rolf Gundlach. Pontificium Institutum Biblicum, Rom 1967).
Jochem Kahl: Das System der ägyptischen Hieroglyphenschrift in der 0.–3. Dynastie. Harrassowitz, Wiesbaden 1994, ISBN 3-447-03499-8, (= Göttinger Orientforschungen. Reihe 4: Ägypten. 29, ISSN0340-6342), (Zugleich: Tübingen, Univ., Diss., 1992).
James P. Allen: Middle Egyptian. An Introduction to the Language and Culture of Hieroglyphs. Cambridge 2000, ISBN 0-521-77483-7, (Lehrgrammatik mit Übungstexten, geht auch ausführlich auf den kulturellen Kontext der Texte ein).
Pierre Grandet, Bernard Mathieu: Cours d'égyptien hiéroglyphique. Nouvelle édition revue et augmentée, Khéops, Paris 2003, ISBN 2-9504368-2-X.
Friedrich Junge: Einführung in die Grammatik des Neuägyptischen. 3. verbesserte Auflage. Harrassowitz, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-447-05718-9, (Zu den Schreibmaterialien, der Transkription und Transliteration §§ 0.3 + 0.4; zu den Eigenheiten der neuägyptischen Schreibungen § 1).
Daniel A. Werning: Einführung in die hieroglyphisch-ägyptische Schrift und Sprache. Propädeutikum mit Zeichen- und Vokabellektionen, Übungen und Übungshinweisen, 3. verb. Ausg., Humboldt-Universität zu Berlin, Berlin 2015. DOI: 10.20386/HUB-42129.
Digitale Einführungsgrammatiken online
Daniel A. Werning: Digitale Einführung in die hieroglyphisch-ägyptische Schrift und Sprache. Berlin, Humboldt-Universität zu Berlin 2018-…, PID: http://hdl.handle.net/21.11101/0000-0007-C9C9-4.
Rainer Hannig: Großes Handwörterbuch Ägyptisch-Deutsch. (2800 – 950 v. Chr.). Die Sprache der Pharaonen. Marburger Edition. 4. überarbeitete Auflage. von Zabern, Mainz 2006, ISBN 3-8053-1771-9, (= Hannig-Lexica. Bd. 1); (= Kulturgeschichte der Antiken Welt. Bd. 64, ISSN0937-9746), (Enthält die Gardinerliste sowie eine erweiterte Zeichenliste).
Rainer Hannig, Petra Vomberg: Wortschatz der Pharaonen in Sachgruppen. Hannig Lexica Bd. 2, 2. Auflage, von Zabern, Mainz 2012, ISBN 978-3-8053-4473-9.
Wolfgang Kosack: Ägyptische Zeichenliste I. Grundlagen der Hieroglyphenschrift. Definition, Gestaltung und Gebrauch ägyptischer Schriftzeichen. Vorarbeiten zu einer Schriftliste. Christoph Brunner, Basel 2013, ISBN 978-3-9524018-0-4.
Wolfgang Kosack: Ägyptische Zeichenliste II. 8500 Hieroglyphen aller Epochen. Lesungen, Deutungen, Verwendungen gesammelt und bearbeitet. Christoph Brunner, Berlin 2013, ISBN 978-3-9524018-2-8.
Sonstiges
Christian Leitz: Die Tempelinschriften der griechisch-römischen Zeit. 3. verbesserte und aktualisierte Auflage. Lit, Münster 2009, ISBN 978-3-8258-7340-0, (= Quellentexte zur ägyptischen Religion. Bd. 1), (= Einführungen und Quellentexte zur Ägyptologie. Bd. 2), (Mit Verweisen auf ältere Verzeichnisse der ptolemäischen Hieroglyphen). Inhalt (PDF; 230 KB).
↑Günter Dreyer: Umm el-Qaab I, Das prädynastische Königsgrab U-j und seine frühen Schriftzeugnisse. von Zabern, Mainz 1998, ISBN 3-8053-2486-3.
↑Francis Amadeus Karl Breyer: Die Schriftzeugnisse des Prädynastischen Königsgrabes U-j in Umm el-Qaab: Versuch einer Neuinterpretation. In: The Journal of Egyptian Archaeology. Nr. 88, 2002, S. 53–65.
↑Simon Singh: Geheime Botschaften. Die Kunst der Verschlüsselung von der Antike bis in die Zeiten des Internet. dtv 2005, S. 247–265.
↑Heinz Grill: Die Heilkraft der Seele. Der Lichtäther und der Lichtseelenprozess. 3. vollständig überarbeitete Auflage. Stephan Wunderlich Verlag, 2015, ISBN 978-3-9817200-2-0, S. 60.
↑A. Gardiner: Egyptian Grammar: Being an introduction to the study of hieroglyphs. Oxford 1927.
↑Zu möglichen Ausnahmen vergleiche: Wolfgang Schenkel: Rebus-, Buchstabiersilben- und Konsonantenschrift. In: Göttinger Miszellen. Band 52, Göttingen 1981, S. 83–95.
↑laut Erik Hornung: Einführung in die Ägyptologie. Stand ; Methoden ; Aufgaben. 7., unveränderte Auflage, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2010, ISBN 978-3-534-23641-1, S. 22f.
↑ 14,014,114,2Vom Alten Reich über das Mittlere Reich bis zur zweiten Zwischenzeit; vgl. Alexandra von Lieven: Kryptographie im Alten und Mittleren Reich. In: Alexandra von Lieven: Grundriss des Laufes der Sterne – Das so genannte Nutbuch. The Carsten Niebuhr Institute of Ancient Eastern Studies (unter anderem), Kopenhagen 2007, ISBN 978-87-635-0406-5. S. 32.
↑Wolfgang Schenkel: Glottalisierte Verschlusslaute, glottaler Verschlusslaut und ein pharyngaler Reibelaut im Koptischen, Rückschlüsse aus den ägyptisch-koptischen Lehnwörtern und Ortsnamen im Ägyptisch-Arabischen. In: Lingua Aegyptia. Nr. 10, Göttingen 2002, S. 1–57, besonders S. 32 ff. ISSN0942-5659 (online)
↑H. Brunner: Schule. In: Lexikon der Ägyptologie. Harrassowitz, Wiesbaden 1984, Spalte 741–743, ISBN 3-447-02489-5.