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Eduard von Hartmann

Aus AnthroWiki
Eduard von Hartmann, Photographie

Karl Robert Eduard von Hartmann (* 23. Februar 1842 in Berlin; † 5. Juni 1906 in Berlin) war ein deutscher Philosoph.

Leben

Hartmann wurde geboren als Sohn des Generals Robert von Hartmann, trat 1858 in das Gardeartillerieregiment ein und besuchte die Artillerieschule, nahm, durch ein Knieleiden genötigt, 1865 als Premierleutnant seinen Abschied, promovierte 1867 in Rostock und lebte danach als Privatmann in Berlin.

Werk

Nachdem er mit 22 Jahren den „Gedanken als seinen Beruf“ erkannt hatte, begann er gegen Ende 1864 „ohne Plan“ ein Werk niederzuschreiben, welches heute als das philosophische Hauptwerk Hartmanns gilt. In dieser, rasch Aufsehen erregenden Philosophie des Unbewußten (Berlin 1869; 9. Aufl. 1882, 2 Bde.) versuchte er eine Synthese aus Aspekten der Philosophien Arthur Schopenhauers, Leibniz', Schellings und Hegels.

Hartmann bezeichnet darin seinen Standpunkt als einen die Extreme der logischen Idee (bei Hegel) und des blinden Willens (Schopenhauer) in der Einheit des „Unbewussten“, das „Wille und Vorstellung“ sei, aufhebenden Monismus. Das „Unbewusste“ ist für sein System etwa dasselbe, was für Spinoza die Substanz, für Fichte das absolute Ich, für Hegel die Idee ist.

Hegels größter Irrtum sei gewesen, das Unlogische, den gleichberechtigten Gegensatz des Logischen, als inneren Bestandteil des Logischen aufzufassen; derjenige Schopenhauers dagegen, die Vorstellung als bloßes „Hirnprodukt“ und den Willen, das Wesen der Welt, als von jeder Vorstellung entblößt zu betrachten. Das Unbewusste sei beides, Wille und Vorstellung, Reales und Ideales, Unlogisches und Logisches, zugleich. Der „Weltprozess“ sei die Folge des ideellen Gegensatzes dieser beiden Attribute, der mit der Besiegung des Unlogischen (des Willens) durch das Logische (die Vorstellung) enden würde. Die Aufhebung des Wollens durch das letztere erfolge universell, nicht (wie bei Schopenhauer) individuell; nicht als Erlösung des einzelnen Menschen (etwa durch Selbstmord), sondern der ganzen Erscheinungswelt von der Qual des Daseins.

Die pessimistische Ansicht von der „Unseligkeit“ (dem Überschuss der Unlust über die Lust) in der Welt hat daher bei Hartmann nicht den Quietismus, die „feige persönliche Entsagung und Zurückziehung“, die „Verneinung der Welt“ (wie bei Schopenhauer), sondern vielmehr „volle Hingabe der Persönlichkeit an den Weltprozess um seines Ziels, der allgemeinen Welterlösung, willen“, also die positive „Bejahung des Willens zum Leben“, statt der „Entzweiung“ die „Versöhnung“ mit dem Leben zur Folge. In dieser nachdrücklichen Abweisung beschaulicher Tatlosigkeit liegt eine deutliche Abgrenzung zu Schopenhauer. In der Ablehnung gegen dessen Pessimismus fand Hartmann in seiner ersten Gattin eine Fürsprecherin, als sie unter ihrem Mädchennamen Agnes Taubert 1873 Der Pessimismus und seine Gegner veröffentlichte.

Auf Schellings positive Philosophie wies Hartmann in einer besonderen Schrift hin. Er verstand sie als Synthese der Lehren Hegels und Schopenhauers. Wie in diesem seinem ersten Hauptwerk seine Metaphysik, so hat Hartmann in seinem zweiten: Phänomenologie des sittlichen Bewusstseins (Berlin 1878, 2. Aufl. 1886), seine Moralphilosophie, in einem dritten seine Religionsphilosophie dargestellt und zwar in einem ersten, historisch-kritischen Teil: Das religiöse Bewusstsein der Menschheit im Stufengang seiner Entwickelung (Berlin 1882), in einem zweiten, systematischen Teil: Die Religion des Geistes (Berlin 1882), d. h. das religiöse Bewusstsein auf der Stufe des konkreten Monismus und seiner Immanenzlehre.

Ein viertes wichtiges Werk behandelt die Ästhetik, und zwar im ersten Teil Die deutsche Ästhetik seit Kant (Berlin 1886), im zweiten Teil Die Philosophie des Schönen (Berlin 1887).

Auch seine erste Gattin, Agnes, geborene Taubert, ist unter dem Namen A. Taubert mit der Schrift Der Pessimismus und seine Gegner (Berlin 1873) als Schriftstellerin aufgetreten.

Auseinandersetzung mit Nietzsche

Friedrich Nietzsche griff in seiner Schrift Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben (1874) Hartmanns Philosophie des Unbewussten scharf an. Auch in anderen Schriften setzte sich Nietzsche explizit oder implizit mit den Auffassungen Hartmanns auseinander, die er größtenteils für naiv befand. Hartmann als Erfolgsautor (für Nietzsche ein "Modephilosöphchen") ging auf die Kritik des noch kaum bekannten Nietzsche nicht ein. Erst nachdem Nietzsche in geistige Umnachtung gefallen und wenig später erstaunlich schnell zu Ruhm gekommen war, meldete Hartmann sich zu Wort. Nietzsches "Neue Moral" (Preuss. Jb., 1891; erw. in E.v.H.: Ethische Studien, 1898) sei im wesentlichen ein Plagiat Max Stirners und zudem von diesem weit klarer dargelegt worden. Nietzsche, der Stirner in keiner seiner Schriften erwähne, müsse diesen gekannt haben, da er sich in seiner Kritik von 1874 auf jenes kurze, nur ca. 30 (von fast 700) Seiten umfassende Kapitel seines Buches konzentriert habe, in dem er nachdrücklich auf "Stirners Standpunkt und seine Bedeutung in der Philosophie des Unbewussten" hingewiesen habe. Während Hartmann seine eigene Philosophie als Überwindung des Stirnerschen "exclusiven Egoismus" betrachtete ("dem man einmal ganz angehört haben muss, um die Grösse des Fortschritts zu fühlen"), wollte er dies Nietzsche nicht zugestehen und unterstellte ihm ein Zurückfallen auf "Stirners Standpunkt". Die Gründe seiner Polemik gegen den nun erfolgreichen Nietzsche waren offensichtlich. Seine Plagiatsthese war nach kurzer Debatte erledigt.

Rudolf Steiner über Eduard von Hartmann

Eduard von Hartmann hatte, als er 1869 mit seiner «Philosophie des Unbewußten» auftrat, weniger eine Weltanschauung im Auge, die mit den Ergebnissen der modernen Naturwissenschaft rechnet, als vielmehr eine solche, welche die ihm in vielen Punkten ungenügend erscheinenden Ideen der idealistischen Systeme aus der ersten Jahrhunderthälfte auf eine höhere Stufe hebt, sie von Widersprüchen reinigt und allseitig ausgestaltet. Ihm schienen sowohl in Hegels wie in Schellings und auch in Schopenhauers Gedanken richtige Keime zu stecken, die nur zur Reife gebracht werden müßten. Der Mensch kann sich nicht mit der Beobachtung der Tatsachen begnügen, wenn er die Dinge und Vorgänge der Welt erkennen will. Er muß von den Tatsachen zu Ideen fortschreiten. Diese Ideen können nicht etwas sein, das durch das Denken willkürlich zu den Tatsachen hinzugefügt wird. Es muß ihnen in den Dingen und Vorkommnissen etwas entsprechen. Dieses Entsprechende können nicht bewußte Ideen sein, denn solche kommen nur durch die materiellen Vorgänge des menschlichen Gehirns zustande. Ohne Gehirn gibt es kein Bewußtsein. Man muß sich also vorstellen, daß den bewußten Ideen des menschlichen Geistes ein unbewußtes Ideelles in der Wirklichkeit entspricht. Wie Hegel, betrachtet auch Hartmann die Idee als das Wirkliche in den Dingen, das in ihnen vorhanden ist über das bloß Wahrnehmbare, der sinnlichen Beobachtung zugängliche, hinaus. - Der bloße Ideengehalt der Dinge könnte aber niemals ein wirkliches Geschehen in ihnen hervorbringen. Die Idee einer Kugel kann nicht die Idee einer anderen Kugel stoßen. Die Idee eines Tisches kann auch auf das menschliche Auge keinen Eindruck hervorrufen. Ein wirkliches Geschehen setzt eine wirkliche Kraft voraus. Um über eine solche eine Vorstellung zu gewinnen, lehnt sich Hartmann an Schopenhauer an. Der Mensch findet in der eigenen Seele eine Kraft, durch die er seinen eigenen Gedanken, seinen Entschlüssen Wirklichkeit verleiht, den Willen. So wie der Wille in der menschlichen Seele sich äußert, hat er das Vorhandensein des menschlichen Organismus zur Voraussetzung. Durch den Organismus ist der Wille ein bewußter. Wollen wir uns in den Dingen eine Kraft denken, so können wir sie uns nur ähnlich dem Willen, der einzigen uns unmittelbar bekannten Kraft, vorstellen. Nur muß man wieder vom Bewußtsein absehen. Außer uns herrscht also in den Dingen ein unbewußter Wille, welcher den Ideen die Möglichkeit gibt, sich zu verwirklichen. Der Ideen- und der Willensgehalt der Welt machen in ihrer Vereinigung die unbewußte Grundlage der Welt aus. - Wenn auch die Welt wegen ihres Ideengehaltes eine durchaus logische Struktur aufweist, so verdankt sie ihr wirkliches Dasein doch dem unlogischen, vernunftlosen Willen. Ihr Inhalt ist vernünftig; daß dieser Inhalt eine Wirklichkeit ist, hat seinen Grund in der Unvernunft. Das Walten des Unvernünftigen drückt sich in dem Vorhandensein der Schmerzen aus, die alle Wesen quälen. Der Schmerz überwiegt in der Welt gegenüber der Lust. Diese Tatsache, die philosophisch aus dem unlogischen Willenselemente des Daseins zu erklären ist, sucht Eduard von Hartmann durch sorgfältige Betrachtungen über das Verhältnis von Lust und Unlust in der Welt zu erhärten. Wer sich keiner Illusion hingibt, sondern objektiv die Übel der Welt betrachtet, kann zu keinem anderen Ergebnis gelangen, als daß die Unlust in weit größerem Maße vorhanden ist als die Lust. Daraus aber folgt, daß das Nichtsein dem Dasein vorzuziehen ist. Das Nichtsein kann aber nur erreicht werden, wenn die logisch-vernünftige Idee den Willen, das Dasein vernichtet. Als eine allmähliche Vernichtung des unvernünftigen Willens durch die vernünftige Ideenwelt sieht daher Hartmann den Weltprozeß an. Es muß die höchste sittliche Aufgabe des Menschen die sein, an der Überwindung des Willens mitzuwirken. Aller Kulturfortschritt muß zuletzt darauf hinauslaufen, diese Überwindung endlich herbeizuführen. Der Mensch ist mithin sittlich gut, wenn er an dem Kulturfortschritt teilnimmt, wenn er nichts für sich verlangt, sondern sich selbstlos dem großen Werke der Befreiung vom Dasein widmet. Er wird das zweifellos tun, wenn er einsieht, daß die Unlust immer größer sein muß als die Lust, ein Glück demnach unmöglich ist. Nur der kann in egoistischer Weise nach dem Glück Verlangen tragen, der es für möglich hält. Die pessimistische Ansicht von dem Überwiegen des Schmerzes über die Lust ist das beste Heilmittel gegen den Egoismus. Nur in dem Aufgehen im Weltprozesse kann der einzelne sein Heil finden. Der wahre Pessimist wird zu einem unegoistischen Handeln geführt. - Was der Mensch bewußt vollbringt, ist aber nur das ins Bewußtsein heraufgehobene Unbewußte. Dem bewußten menschlichen Mitarbeiten an dem Kulturfortschritt entspricht ein unbewußter Gesamtprozeß, der in der fortschreitenden Befreiung des Urwesens der Welt von dem Willen besteht. Diesem Ziel muß auch schon der Weltanfang dienstbar gewesen sein. Das Urwesen mußte die Welt schaffen, um sich allmählich mit Hilfe der Idee vom Willen zu befreien. «Das reale Dasein ist die Inkarnation der Gottheit, der Weltprozeß die Passionsgeschichte des fleischgewordenen Gottes, und zugleich der Weg zur Erlösung des im Fleische Gekreuzigten; die Sittlichkeit aber ist die Mitarbeit an der Abkürzung dieses Leidens- und Erlösungsweges.» (Hartmann, Phänomenologie des sittlichen Bewußtseins, 1879, S. 871.) Hartmann hat in einer Reihe umfassender Werke und in einer großen Zahl von Monographien und Aufsätzen seine Weltanschauung allseitig ausgebaut. Diese Schriften bergen geistige Schätze von hervorragender Bedeutung in sich. Dies ist namentlich deswegen der Fall, weil Hartmann es versteht, bei der Behandlung einzelner Fragen der Wissenschaft und des Lebens sich von seinen Grundgedanken nicht tyrannisieren zu lassen, sondern sich einer unbefangenen Betrachtung der Dinge hinzugeben. In besonders hohem Grade gilt dies von -seiner «Phänomenologie des sittlichen Bewußtseins», in der er die verschiedenen Arten menschlicher Sittenlehren in logischer Gliederung vorführt. Er hat damit eine Art «Naturgeschichte» der verschiedenen sittlichen Standpunkte gegeben, von der egoistischen Jagd nach Glück durch viele Zwischenstufen hindurch bis zu der selbstlosen Hingabe an den allgemeinen Weltprozeß, durch den das göttliche Urwesen sich von der Unseligkeit des Daseins befreit.

Da Hartmann den Zweckgedanken in sein Weltbild aufnimmt, so ist es begreiflich, daß ihm die auf dem Darwinismus ruhende naturwissenschaftliche Denkweise als eine einseitige Ideenströmung erscheint. Wie die Idee im Ganzen der Welt nach dem Ziele des Nichtseins hinarbeitet, so ist auch im einzelnen der ideelle Gehalt ein zweckvoller. In der Entwickelung des Organismus sieht Hartmann einen sich verwirklichenden Zweck; und der Kampf ums Dasein mit der natürlichen Zuchtwahl sind nur Handlanger der zweckvoll waltenden Ideen. (Philosophie des Unbewußten, 10. Aufl., Band III, S. 403.)“ (Lit.: GA 18, S. 515ff)

Schriften

Aufsätze in Zeitschriften

Literatur

  • Raphael von Koeber: Das philosophische System E. v. Hartmanns. Breslau 1884
  • Hans Vaihinger: Dühring und Lange. Iserlohn 1876
  • Oskar Schmidt: Die naturwissenschaftlichen Grundlagen der Philosophie des Unbewussten. Leipzig 1876
    • Eine Entgegnung auf letztere Schrift enthält Hartmanns Werk Das Unbewusste vom Standpunkt der Physiologie und Deszendenztheorie (2. Aufl., Berl. 1877).
  • Eine Übersicht der umfangreichen Hartmann-Literatur bietet Plümacher in Der Kampf ums Unbewusste (Berlin 1880) und Der Pessimismus in Vergangenheit und Gegenwart (Heidelberg 1884).
  • Wolfert von Rahden: Eduard von Hartmann "und" Nietzsche. Zur Strategie der verzögerten Konterkritik Hartmanns an Nietzsche. In: Nietzsche-Studien, 13(1984), S. 481-502
  • Der Briefwechsel Arthur Drews - Eduard von Hartmann. Herausgegeben von R. Mutter und E. Pilick. Rohrbach 1995. Mit einer Einführung in die Philosophie Hartmanns.
  • Jean-Claude Wolf: Eduard von Hartmann. Ein Philosoph der Gründerzeit. Würzburg 2006. ISBN 3-8260-3227-6
  • Jean-Claude Wolf (Hg.): Eduard von Hartmann. Zeitgenosse und Gegenspieler Nietzsches. Würzburg 2006. ISBN 3-8260-3228-4
  • Rudolf Steiner: Die Rätsel der Philosophie in ihrer Geschichte als Umriß dargestellt, GA 18 (1985), ISBN 3-7274-0180-X pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
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