Fritz Lemmermayer

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Fritz Lemmermayer (1857-1932)
Neue Hebbel-Dokumente, gemeinsam mit D. v. Kralik, 1913

Fritz Lemmermayer (* 26. März 1857 in Wien; † 11. September 1932 in Wien) war ein österreichischer Schriftsteller, Journalist und engster Jugendfreund Rudolf Steiners in Wien. Später fand er auch, als einziger von Steiners Jugendfreunden, zur Anthroposophie.

Leben

Fritz Lemmermayer wurde als Sohn von Carl und Anna Lemmermayer geboren. Sein Vater war Porträtmaler, seine Mutter Pianistin. Zu ihr und zu seiner Schwester Marie hatte der scheue Knabe ein besonders inniges Verhältnis. Als Fritz acht Jahre alt war, starb der Vater und die Mutter musste nun unter schwierigen Verhältnissen für den Unterhalt von vier unmündigen Kindern sorgen und schon früh musste Fritz mitverdienen helfen.

Fritz besuchte die Mittelschule und begann nach abgelegter Reifeprüfung für kurze Zeit ein technisches und handelswissenschaftliches Studium. Ab 1876 studierte er dann Philosophie, Geschichte und Literatur und entdeckte seine Liebe zur Dichtkunst und schrieb schon bald für die verschiedensten Journale. Zu seinem großen Freundeskreis zählten auch die Dichter Robert Hamerling und Fercher von Steinwand. Vor allem aber war Fritz auch ein glühender Verehrer von Friedrich Hebbel und Richard Wagner, in dessen Haus er regelmäßig verkehrte. Sein anfänglicher Hang zur pessimistischen Philosophie Schopenhauers wich bald dem unverbrüchlichen Glauben an die heilbringenden Kräfte der Liebe. Als leidenschaftlicher Anti-Materialist wollte er sein Leben der Schaffung und Pflege geistiger Werte widmen.

1883 vollendete Fritz Lemmermayer seinen Roman "Der Alchemist", seine bedeutenste literarische Leistung, zu der auch Hamerling sehr anerkennende Worte fand. 1884 starb seine geliebte Schwester Marie, die mit dem Musiker Carl Udel, einem Vertrauten des Kronprinzen Rudolf, verheiratet gewesen war, wodurch Lemmermayer vieles aus dem Leben des Kronprinzen aus unmittelbarer Nähe erfahren hatte. 1886 starb auch Lemmermayers Mutter.

Rudolf Steiner lernte Lemmermayer im selben Jahr 1886 im Kreis der Dichterin Marie Eugenie delle Grazie kennen. Ein ausgedehnter Briefwechsel bezeugt die enge Freundschaft, die zwischen den beiden entstand (Lit.: GA 038). In «Mein Lebensgang» berichtet Steiner:

"Fritz Lemmermayer, mit dem ich später eng befreundet wurde, lernte ich an den delle Grazie- Nachmittagen kennen. Ein ganz merkwürdiger Mensch. Er sprach alles, wofür er sich interessierte, mit innerlich gemessener Würde. In seinem Äußeren war er ebenso dem Musiker Rubinstein wie dem Schauspieler Lewinsky ähnlich. Mit Hebbel trieb er fast einen Kultus. Er hatte über Kunst und Leben bestimmte, aus dem klugen Herzenskennen geborene Anschauungen, die außerordentlich fest in ihm saßen. Er hat den interessanten, tiefgründigen Roman «Der Alchymist» geschrieben und manches Schöne und auch Gedankentiefe. Er wußte die kleinsten Dinge des Lebens in den Gesichtspunkt des Wichtigen zu rücken. Ich denke, wie ich ihn einmal in seinem lieben Stübchen in einer Seitengasse in Wien mit anderen Freunden besuchte. Er hatte sich eben selbst seine Mahlzeit bereitet: zwei kernweiche Eier auf einem Schnellsieder; dazu Brot. Mit Emphase sprach er, während das Wasser wallte, uns die Eier zu sieden: «Das wird köstlich sein.»" (Lit.: GA 028, S. 141f)

1887 arbeitete Fritz Lemmermayer in Genua an der Sammlung und Herausgabe von Hebbels Briefen mit. Wenn Lemmermayers frühe Dichtungen und Prosaschriften vielfach auch nur epigonenhafte Züge trugen, so zeichnete ihn ganz besonders sein tiefes Einfühlungsvermögen in die Werke anderer aus. Die reiferen Gedichte seiner Spätzeit sind denen der großen österreichischen Lyriker des 19. Jahrhunderts, wie beispielsweise Nikolaus Lenaus, aber durchaus ebenbürtig. Als Mitarbeiter der "Wiener Literatur Zeitung" fand er besonders durch seine Kritiken und Essays großes Ansehen.

Lemmermayer und Steiner reihten sich auch in den Wiener Künstlerkreis ein, der sich wöchentlich im Haus des evangelischen Pfarrers Alfred Formey (1844-1901) und seiner Gattin Marie in der Dorotheergasse versammelte. Hier verkehrte auch Christine Hebbel, die Witwe Friedrich Hebbels.

"Es war auch im Jahre 1888, als ich in das Haus des Wiener evangelischen Pfarrers Alfred Formey eingeführt wurde. Einmal in der Woche versammelte sich dort ein Kreis von Künstlern und Schriftstellern. Alfred Formey war selbst als Dichter aufgetreten. Fritz Lemmermayer charakterisierte ihn aus Freundesherzen heraus so: «Warmherzig, innig in der Naturempfindung, schwärmerisch, trunken fast im Glauben an Gott und Seligkeit, so dichtet Alfred Formey in weichen, brausenden Akkorden. Es ist, als ob sein Schritt nicht die harte Erde berührte, sondern als ob er hoch in den Wolken hindämmerte und träumte.» Und so war Alfred Formey auch als Mensch. Man fühlte sich recht erdentrückt, wenn man in dieses Pfarrhaus kam und zunächst nur der Hausherr und die Hausfrau da waren." (Lit.: GA 028, S. 157f)

1891 wurde Lemmermayer Vizepräsident des Schrifstellerbundes Iduna, benannt nach Iduna, der nordischen Göttin der Jugend und Unsterblichkeit, der als Gegengewicht gegen die Strömungen des Naturalismus und insbesondere gegen die von Hermann Bahr angeführte Gruppe Jung-Wien gegründet worden war. Ehrenpräsident des Bundes war Fercher von Steinwand und die Dichterin Auguste Hyrtl, Gattin des weltbekannten Anatomen Josef Hyrtls, der dem materialistischen Fortschrittsglauben kritisch gegenüberstand, wurde Vorstandsmitglied dieses Kreises, und auch Alfred Formey nahm daran teil.

Nachdem Steiner im Herbst 1890 nach Weimar gegangen war, um an der Herausgabe der Naturwissenschaftlichen Schriften Goethes für die große Weimarer Goethe-Ausgabe mitzuarbeiten, vertiefte sich die Freundschaft Lemmermayers mit Martin Greif. 1893 veröffentlichte Lemmermayer seine Tragödie "Simson und Delila", die mit den Worten endet: "Selig ist es, diese Welt des Wahns und der Wirrnis zu verlassen." - eine Sehnsucht, die Lemmermayer sieben Jahre später gemeinsam mit dem jungen Chefredakteur von "Trautes Heim", Hugo Astl-Leonhard, am 31. März 1900 durch einen Doppelselbstmord stillen wollte. Der Freund starb, doch Lemmermeyer überlebte.

Die nächsten 25 Jahre verbrachte Lemmermayer auf dem Schloss des Fürsten Elimar von Oldenburg in Brogyán, dem heutigen heute Brodzany in der Slowakei. Hier arbeitete er an der Übersetzung von 200 englischen Gedichten aus zwei Jahrhunderten, die allerdings 1910 vom Cotta-Verlag abgelehnt und erst 1998 aus dem Nachlass veröffentlicht wurde.

Am 24. September 1924 wurde Lemmemayer Opfer eines dramatischen Zwischenfalls. Während eines Spaziergangs auf dem Schlossgelände in Brodzany wurde er von mehreren Hunden angefallen und vom Hals bis zu den Füßen so schwer verletzt, dass er ein halbes Jahr lang das Bett hüten musste. Fieber, Thrombosen und eine doppelseitige Lungenentzündung brachten ihn an den Rand des Todes. Nur der aufopferungsvollen Pflege des damals 23-jährigen Heinz Robert von Wallpach war es zu verdanken, dass er Ende März 1925 erstmals sein Krankenlager verlassen und bald darauf in Begleitung seines Pflegers nach Wien übersiedeln konnte. Er verließ damit für immer den Ort, an den er sich so viele Jahre wie gebannt gefühlt hatte.

In Wien wohnte Lemmermayer bis zu seinem Tod in der Neubaugasse 29. Er lernte nun die Anthroposophie Rudolf Steiners näher kennen und schätzen und wurde 1926 Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft. 1927 erkrankte Lemmermayer an einer schweren und seltenen Art von Masern und an einer neuerlichen Lungenentzündung. Er verband sich nun immer mehr mit der Geisteswissenschaft Steiners und auf vielen Reisen durch Österreich, Deutschland, die Schweiz, Frankreich, Holland und England sprach er in seiner feinsinnigen Art von der gemeinsam mit Steiner in Wien verbrachten Zeit, und pflegte auch die Erinnerung an Robert Hamerling und Fercher von Steinwand. Daraus entstanden die 1929 veröffentlichten Erinnerungen an Rudolf Steiner, an Robert Hamerling und an einige Persönlichkeiten des österreichischen Geisteslebens der 80er Jahre. Darüber hinaus veröffentlichte Lemmermayer auch manche Artikel in der Wochenschrift «Das Goetheanum». Auf seinen Reisen lernte er auch viele bedeutende Anthroposophen kennen.

Fritz Lemmermayer starb am 11. September 1932 in Wien.

Werke

  • Der Alchimist (Roman), 1884
  • Im Labyrinth des Lebens (Gedichte), 1892
  • Simson und Delila (Tragödie), 1893
  • Belladonna (Roman), 1895
  • Haschisch (Orientalische Erzählungen), 1898
  • Das öde Haus. Armut und Übermut (2 Erzählungen), 1900
  • Novellen und Novelletten, 1903, 2. Aufl. 1909;
  • Leiden eines deutschen Fürsten. Herzog Elmar von Oldenburg (Biographische Skizze), 1905
  • Gedichte, 1928
  • Erinnerungen an Rudolf Steiner, an Robert Hamerling und an einige Persönlichkeiten des österreichischen Geisteslebens der 80er Jahre, Stuttgart 1929
als Herausgeber
  • Die deutsche Lyrik der Gegenwart (Anthologie), 1884;
  • Neue Hebbel-Dokumente, gemeinsam mit D. v. Kralik, 1913

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Weblinks

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