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GA 148
Aus der Akasha-Forschung. Das Fünfte Evangelium
Achtzehn Vorträge aus den Jahren 1913 und 1914 in verschiedenen Städten. Mit Notizbucheintragungen und einem Handschriftfaksimile (Zyklus 38).
In seinen Vortragsreihen über die vier Evangelien gab Rudolf Steiner seinen Zuhörern tiefe Einblicke in den spirituellen Gehalt dieser Offenbarungsinhalte. Im Verlaufe dieser Vortragstätigkeit kam es auch zu Darstellungen von geisteswissenschaftlichen Forschungsergebnissen über das eigentliche geschichtliche Leben des Jesus von Nazareth vom 12. Lebensjahr bis zur Jordantaufe. Diese Forschungsergebnisse bezeichnete Rudolf Steiner als «Fünftes Evangelium».
Inhalt
Kindheits- und Jugenderlebnisse des Jesus von Nazareth – Seine tiefen Erkenntnisleiden am Versiegen der alten großen Geistesströmungen – Die Offenbarung des mkrokosmischen Vaterunser – Die Beziehung zu den Essäern und zu Johannes dem Täufer – Erlebnisse auf dem Gang zur Jordantaufe
Über das Leben des Jesus von Nazareth zwischen dem 12. und 30. Lebensjahr berichten die vier Evangelien nichts. Doch liegen in diesem Zeitraum wichtige Entwicklungsschritte. Nach den Erkenntnissen der Geisteswissenschaft entfalten sich die Wesensglieder des Menschen annähernd in Siebenjahresperioden. In südlicheren Ländern ging diese Entwicklung schon zu Christi Zeiten etwas rascher und vollzog sich in etwa sechsjährigen Zyklen. Heute ist dies auch in unseren westlichen Kulturkreisen weitgehend der Fall. Mit dem 12. Lebensjahr des nathanischen Jesus erlangte dessen schon bei der Geburt vom Nirmanakaya des Buddha durchleuchteter Astralleib seine Eigenständigkeit. Zu dieser Zeit trat auch das Ich des salomonischen Jesus, das Zarathustra-Ich, in ihn über.
Durch seine Forschungen in der Akasha-Chronik konnte Rudolf Steiner in seinen Vorträgen über das „Fünfte Evangelium“ (Lit.: GA 148) insbesondere den Lebensabschnitt vom 18. bis zum 30. Lebenjahr erhellen. In diesen Zeitraum fällt die Entwicklung der seelischen Wesensglieder. Legt man wieder Sechsjahresperioden zugrunde, so wird mit dem 18. Lebensjahr die Empfindungsseele geboren, mit dem 24. Lebensjahr die Verstandes- oder Gemütsseele und mit dem 30. Lebensjahr die Bewusstseinsseele, die mit der Jordan-Taufe vom Christus-Ich ergriffen und durchleuchtet wird.
Die Stimme der Bath-Kol
Nach den Ereignissen im Tempel, wo plötzlich, nachdem das Ich des Zarathustra in den Leib des nathanischen Jesus übergegangen war, große Weisheit aus dem Jesus von Nazareth sprach, wurden große Erwartungen in ihn gesetzt. Man sah in ihm den kommenden Schriftgelehrten. Er selbst aber wurde immer schweigsamer und verinnerlichte sich bis zu seinem 18. Lebensjahr immer mehr. Es war, wie wenn die Sonne der alten Zarathustra-Lehre neu in ihm im Gewand der jüdischen Gelehrsamkeit aufleuchtete. Große sittliche Ideale gingen ihm in seiner Seele auf, doch was er von den jüdischen Gelehrten hörte, die sein Elternhaus besuchten, erfüllte ihn mit Bitterkeit, denn er sah, wie viel Unsicheres und zum Irrtum Neigendes darin enthalten war. Ganz besonders bedrückte es ihn, dass er immer wieder hören musste, dass jener Geist, der noch zu den Propheten inspirierend gesprochen hatte, nun nicht mehr vernommen werden konnte. Nur eine viel schwächere Stimme vermeinten manche Schriftgelehrten noch ab und an zu vernehmen, die Stimme der Bath-Kol (hebr., Tochter der Stimme). Bald begann Jesus selbst die Stimme der Bath-Kol zu vernehmen, doch was er vernahm, machte ihn nur noch trauriger, denn die Stimme selbst sagte ihm, dass sie nicht mehr bis zu den wahren geistigen Höhen hinaufreiche und überhaupt bald verstummen würde. Eine Fortsetzung der alten Offenbarungen war von ihr nicht zu erwarten.
Bekanntschaft mit dem Mithras-Kult
Bedingt durch sein Zimmermanns-Handwerk machte der Jesus in dieser Zeit und auch später noch viele Reisen durch Palästina. Da lernte er auch den Mithras-Kult kennen, dessen Fortsetzung in gewissem Sinn später der katholische Kultus wurde, gleichsam als Musterbeispiel des heidnischen Kultus. Durch seine hohe hellseherische Kraft, die er als Naturanlage hatte, konnte er genau verfolgen, was bei den kultischen Zeremonien wirklich geschah. Und da sah er, wie durch die Opferhandlung mancherlei dämonische Wesenheiten herbeigerufen wurden:
„Diese Wanderungen dauerten fort bis ins zwanzigste, zweiundzwanzigste, vierundzwanzigste Jahr hinein. Es waren immer Bitternisse, die er in seiner Seele empfand, wenn er also das Walten sah der Dämonen, der gleichsam von Luzifer und Ahriman hervorgebrachten Dämonen, und sah, wie das Heidentum es in vieler Beziehung sogar so weit gebracht hatte, die Dämonen für Götter hinzunehmen, ja sogar in den Götzenabbildungen Bilder zu haben wilder dämonischer Mächte, die angezogen wurden von diesen Bildern, von diesen Kultushandlungen, und in die betenden Menschen übergingen, die betenden Menschen, die in gutem Glauben daran teilnahmen, von sich besessen machten.“ (Lit.: GA 148, S. 62)
Das umgekehrte Vaterunser
Diese Erlebnisse kamen zu einem gewissen Abschluss mit dem 24. Lebensjahr des Jesus von Nazareth. Da kam er wieder einmal an eine heidnische Kultstätte, die aber von den Priestern längst verlassen war. Und ringsherum lagerte sich nur trauriges, von allerlei furchtbaren seelischen und bis ins Körperliche gehenden Krankheiten behaftetes Volk. Unendliche Liebe und Mitlied zu diesem leidenden Volk erfüllte die Seele des Jesus und das wurde auch von den Menschen gefühlt. Als er an den Altar herantrat, wollten sie in ihm den neuen vom Himmel gesandten Priester sehen. Und mit Entsetzen mussten sie sehen, dass er wie tot hinfiel. Mit seinem Bewusstsein wurde Jesus in hohe geistige Welten entrückt, bis in die Sonnensphäre. Da vernahm er eine inspirierende Stimme, wie er früher die Bath-Kol vernommen hatte, aber jetzt war diese Stimme bedeutsam verwandelt. Die Worte, die er da vernahm und die Rudolf Steiner als das umgekehrte Vaterunser bezeichnet hat, lauteten so, wenn man sie sinngemäß in unsere Sprache übersetzt:
Amen |
Als der Jesus wieder aus seiner Entrückung erwachte, waren die Menschen um ihn entflohen und seinem hellsichtigen Blick zeigten sich nur die Dämonen, die mit diesen Menschen verbunden waren.
Um diese Zeit, als die zweite Periode in der Seelenentwicklung des Jesus von Nazareth seit seinem 12. Lebensjahr mit den eben beschriebenen Erlebnissen abgeschlossen war, starb sein Vater, der zu Hause geblieben war. Das war etwa im 24. Lebensjahr des Jesus.
Begegnung mit dem Essäer-Orden
In dem Jesus lebte nicht nur das Wissen des Weisen, sondern er hatte auch so tief in das Elend der Menschen hineingeblickt, wie keiner vor ihm. So war er durch das Leben in gewisser Weise ein Eingeweihter geworden, ohne dass er im eigentlichen Sinn eine Eingeweihtenschulung durchgemacht hatte. Und tief in seiner Seele brannte dabei die Frage, wie man all diesem Jammer, all diesem Elend, das er nicht nur mit äußeren Augen, sondern hellsichtig gesehen hatte, Einhalt gebieten könnte.
Da lernte Jesus den strengen Essäerorden kennen, der seinen Hauptsitz am Toten Meer hatte (Qumran). In diesem Essäerorden, wo man auch um das Elend der Welt wusste, hatte sich allmählich die Anschauung herausgebildet, dass die Welt nur dann ihren rechten Fortgang nehmen würde, wenn eine besonders weise Seele ersteht, die als eine Art Messias wirken könnte. Tief berührt waren die Essäer von der Weisheit und Reife, die in der Seele des Jesus lebte, und so ließen sie in den inneren Kreis ihres Ordens treten, auch ohne dass er die Erprobungen der niederen Grade durchzumachen hatte und ohne dass er ein regelrechtes Mitglied wurde.
„Und Jesus von Nazareth lernte kennen in seinem Verkehr mit den Essäern, im fünfundzwanzigsten, sechsundzwanzigsten, siebenundzwanzigsten, achtundzwanzigsten Lebensjahr und noch darüber hinaus, fast alles, was der Essäerorden zu geben hatte.“ (Lit.: GA 148, S. 68)
In dieser Zeit empfing Jesus auch wichtige hellsichtige Impressionen, die sich an den Lehren der Essäer entzündeten. Und da kam es schließlich auch zu einem Geistgespräch mit dem Buddha, der ihm in seiner gegenwärtigen Geistgestalt gegenübertrat:
„In diesem bedeutsamen Geistgespräch erfuhr Jesus von Nazareth von dem Buddha, daß dieser etwa sagte: Wenn meine Lehre so, wie ich sie gelehrt habe, völlig in Erfüllung gehen würde, dann müßten alle Menschen den Essäern gleich werden. Das aber kann nicht sein. Das war der Irrtum in meiner Lehre. Auch die Essäer können sich nur weiter fortbringen, indem sie sich aussondern von der übrigen Menschheit; für sie müssen übrige Menschenseelen da sein. Durch die Erfüllung meiner Lehre müßten lauter Essäer entstehen. Das aber kann nicht sein.“ (Lit.: GA 148, S. 69)
Bei den Essäern lernte Jesus einen anderen, fast gleichaltrigen Mann kennen, der Kleider von Kamelhaar trug wie die Essäer, ihnen aber doch nur als Laienbruder angehörte. Er war beeindruckt von den Lehren der Essäer, aber er hatte niemals die Lehre des Judentums vollständig in sich auswechseln können mit der Lehre der Essäer. Dieser Mann war niemand anders als Johannes der Täufer. Mit ihm hatte Jesus von Nazareth viele Gespräche. Bei einem dieser Gespräche schien im die physische Leiblichkeit Johannes des Täufers vor seinem Blick zu verschwinden und dafür leuchtete die Vision des Elias vor ihm auf.
Diese beiden Begegnungen, die mit dem Buddha und die mit Johannes/Elias, waren sehr bedeutsam für Jesus von Nazareth. Und dazu kamen noch weitere Erlebnisse. Es gab eine Regel bei den Essäern, dass sie nur durch Tore schreiten durften, die nicht mit Bildern versehen waren. In Jerusalem hatte man für sie extra unbemalte Tore eingerichtet:
„Schon seit längerer Zeit hatte Jesus von Nazareth etwas Besonderes beobachten können: Wenn er an Orte kam, wo Essäertore waren, wo bildlose Tore waren, da konnte Jesus von Nazareth durch solche Tore nicht schreiten, ohne wiederum eine bittere Erfahrung zu machen. Er sah diese bildlosen Tore, aber für ihn waren geistige Bilder an diesen Toren; für ihn erschien zu beiden Seiten eines solchen Tores immer dasjenige, was wir jetzt kennengelernt haben in den verschiedenen geisteswissenschaftlichen Auseinandersetzungen unter dem Namen Ahriman und Luzifer. Und allmählich hatte sich ihm das Gefühl, der Eindruck in der Seele gefestigt, daß die Abneigung der Essäer gegen die Torbilder etwas zu tun haben müsse mit dem Herbeizaubern solcher geistiger Wesenheiten, wie er sie an diesen Toren erschaute, daß Bilder an den Toren Abbilder von Luzifer und Ahriman seien.“ (Lit.: GA 148, S. 70)
Nicht gleich vermochte der Jesus das damit verbundene Geheimnis zu durchschauen. Aber eines Tages, als er durch das Tor des Hauptgebäudes des Essäerklosters schritt, da sah er Luzifer und Ahriman von diesem Tore fliehen und es entstand in ihm die brennende Frage: Wo fliehen diese beiden hin?
Das Gespräch mit der Stiefmutter
Zu dieser Zeit, das war nun schon kurz vor der Jordan-Taufe, führte Jesus ein intimes Gespräch mit seiner Stiefmutter leiblicherseits, in der er ihr erstmals von all den Zweifeln sprach, die in seiner Seele lebten und wie all die alte überlieferte Weisheit das Elend der Menschen nicht lindern könnte. Er wusste noch nicht genau, dass er die Zarathustra- Seele in sich trug, aber die alte Zarathustra-Lehre, die Zarathustra-Weisheit, der alte Zarathustra-Impuls stiegen während des Gespräches in ihm auf. Von all seinen Erlebnissen sprach er zu seiner Stiefmutter, von den Irrtümern der Schriftgelehrten und von der Stimme der Bath-Kol, die er vernommen hatte. Und merkwürdig ruhig hörte sie ihm zu, wie er von der Wertlosigkeit all dessen sprach, was ihr das Heiligste war, aber sie war eben von tiefster Liebe zu ihm erfüllt. Auch von seinen Erlebnissen bei den Essäern erzählte er, insbesondere davon, wie er Luzifer und Ahriman vom Tor des Essäertempels hatte fliehen sehen und plötzlich verstand er, was das zu bedeuten hatte:
„Als ich einstmals nach einem intimen, wichtigsten Gespräch mit den Essäern wegging, da sah ich am Haupttore, wie Luzifer und Ahriman davonliefen. Seit jener Zeit, liebe Mutter, weiß ich, daß die Essäer durch ihre Lebensweise, durch ihre Geheimlehre sich selber vor ihnen schützen, so daß Luzifer und Ahriman vor ihren Toren fliehen müssen. Aber sie schicken dadurch Luzifer und Ahriman weg von sich zu den anderen Menschen hin. Die Essäer werden glücklich in ihren Seelen auf Kosten der anderen Menschen; sie werden glücklich, weil sie sich selber vor Luzifer und Ahriman retten!“ (Lit.: GA 148, S. 83)
Tief erschüttert war die Mutter von diesen Worten des Jesus, in denen seine ganze Seele, sein ganzes Ich lag. Sein ganzer Schmerz ergoss sich in die Seele der Mutter und sie fühlte sich wie eins mit ihm. Jesus aber fühlte, als ob alles, was seit seinem zwölften Jahre in ihm lebte, fortgegangen wäre während dieses Gespräches. Wie außer sich fühlte er sich, wie wenn sein Ich weggegangen wäre. Die Mutter aber fühlte, wie wenn sich ein neues Ich in sie hineinversenkt hätte; sie war eine neue Persönlichkeit geworden. Eine bedeutsame Verwandlung begann sich mit dem Jesus zu vollziehen und ebenso mit seiner Mutter.
„Je mehr er davon sprach, desto mehr wurde die Mutter voll von all der Weisheit, die in ihm lebte. Und alle die Erlebnisse, die seit seinem zwölften Jahre in ihm gelebt hatten, sie lebten jetzt auf in der Seele der liebenden Mutter! Aber von ihm waren sie wie hingeschwunden; er hatte gleichsam in die Seele, in das Herz der Mutter dasjenige hineingelegt, was er selber erlebt hatte seit seinem zwölften Jahre. Dadurch wandelte sich die Seele der Mutter um.“ (Lit.: GA 148, S. 84)
Der Weg zur Jordan-Taufe
Tagelang ging nun der Jesus wie traumverloren, wie von Sinnen im Haus herum, so dass seine Brüder schon meinten, er hätte den Verstand verloren. Dann ging er, wie von einer inneren Notwendigkeit getrieben, zum Jordan hin, wo Johannes seine Jünger taufte. Und mit der Jordan-Taufe geschah es nun, dass sich die Christus-Wesenheit in ihn herabsenkte.
„Seit jenem Gespräche mit seiner Mutter war gewichen das Ich des Zarathustra und dasjenige, was vorher gewesen war, was er bis zum zwölften Jahre war, das war wiederum da, nur gewachsen, noch größer geworden. Und hinein in diesen Leib, der jetzt nur in sich trug die unendliche Tiefe des Gemütes, das Gefühl des Offenseins für unendliche Weiten, senkte sich der Christus. Der Jesus war jetzt durchdrungen vom Christus; die Mutter aber hatte auch ein neues Ich, das sich in sie hineinversenkt hatte, erlangt; sie war eine neue Persönlichkeit geworden.“ (Lit.: GA 148, S. 84)
Da zeigt nun die okkulte Forschung eine weitere bedeutsame Tatsache, welche die Mutter betrifft und die sich zugleich mit der Jordan-Taufe abspielte und die Verwandlung der Mutter zur Vollendung brachte. Sie war damals fünfundvierzig oder sechsundvierzig Jahre alt, da fühlte sie sich in ihrer Seele durchdrungen von dem Ich der Mutter des nathanischen Jesus, die schon früh gestorben war, so wie sich zugleich der Jesus von dem Christus durchdrungen fühlte. Sie fühlte sich seitdem ganz so wie jene junge Mutter, die einstmals den Lukas-Jesusknaben geboren hatte. Es war wie eine Wiedergeburt zur Jungfräulichkeit, zu einer begierdelosen Reinheit der Seele.
„In demselben Augenblicke, als diese Taufe im Jordan geschah, fühlte auch die Mutter etwas wie das Ende ihrer Verwandlung. Sie fühlte - sie war damals im fünfundvierzigsten, sechsundvierzigsten Lebensjahre -, sie fühlte sich mit einem Male wie durchdrungen von der Seele jener Mutter, welche die Mutter des Jesusknaben war, der in seinem zwölften Jahre das Zarathustra-Ich empfangen hatte, und die gestorben war. So wie der Christus-Geist auf Jesus von Nazareth herabgekommen war, so war der Geist der anderen Mutter, die mittlerweile in der geistigen Welt weilte, herniedergekommen auf die Ziehmutter, mit der Jesus jenes Gespräch hatte. Sie fühlte sich seitdem wie jene junge Mutter, die einstmals den Lukas-Jesusknaben geboren hatte.“ (Lit.: GA 148, S. 85)
Nach dem Gespräch mit seiner Mutter und noch vor der Jordan-Taufe begegnete Jesus noch zwei Essäern, dann einem Mann, der im Leben zu hohen Würden aufgestiegen, aber von Luzifer verführt worden war, und schließlich einem Aussätzigen, der in der Gewalt Ahrimans war. Diese Begegnungen spiegelen sich in der Versuchungsgeschichte wider, die sich kurz nach der Jordan-Taufe ereignete:
„Als nun dieses Wesen Jesus von Nazareth sich auf den Weg machte zu dem Täufer Johannes, da - so erzählt das Fünfte Evangelium - begegnete der Jesus von Nazareth zunächst zwei Essäern. Zwei Essäer waren es, mit denen er oftmals bei den Gelegenheiten, von denen ich gesprochen habe, Gespräche geführt hatte. Aber da das Ich des Zarathustra aus ihm herausgegangen war, so kannte er die beiden Essäer nicht sogleich. Sie aber erkannten ihn, denn es hatte sich natürlich jenes bedeutungsvolle physiognomische Gepräge, welches diese Wesenheit durch das Innewohnen des Zarathustra bekommen hatte, für den äußeren Anblick nicht geändert. Die beiden Essäer sprachen ihn an mit den Worten: Wohin geht dein Weg? - Der Jesus von Nazareth antwortete: Dahin, wohin noch Seelen eurer Art nicht blik-ken wollen, wo der Schmerz der Menschheit die Strahlen des vergessenen Lichtes fühlen kann!
Die beiden Essäer verstanden seine Rede nicht. Als sie merkten, daß er sie nicht erkannte, da sprachen sie zu ihm: Jesus von Nazareth, kennst du uns denn nicht? - Er aber antwortete: Ihr seid wie verirrte Lämmer; ich aber werde der Hirte sein müssen, dem ihr entlaufen seid. Wenn ihr mich recht erkennet, werdet ihr mir bald von neuem entlaufen. Es ist so lange her, daß ihr von mir entflohen seid! - Die Essäer wußten nicht, was sie von ihm halten sollten, denn sie wußten nicht, wie es möglich wäre, daß aus einer Menschenseele solche Worte kommen konnten. Und unbestimmt schauten sie ihn an. Er aber sprach weiter: Was seid ihr für Seelen, wo ist eure Welt? Warum umhüllt ihr euch mit täuschenden Hüllen? Warum brennt in eurem Innern ein Feuer, das in meines Vaters Hause nicht entfacht ist? Ihr habt des Versuchers Mal an euch; er hat mit seinem Feuer eure Wolle glänzend und gleißend gemacht. Die Haare dieser Wolle stechen meinen Blick. Ihr verirrten Lämmer, der Versucher hat eure Seelen mit Hochmut durchtränkt; ihr traft ihn auf eurer Flucht.
Als Jesus von Nazareth das gesagt hatte, sprach einer der Essäer: Haben wir nicht dem Versucher die Türe gewiesen? Er hat kein Teil mehr an uns. - Und Jesus von Nazareth sprach: Wohl wieset ihr dem Versucher die Türe, doch er lief hin und kam zu den anderen Menschen. So grinst er euch aus den Seelen der anderen Menschen von allen Seiten an! Glaubt ihr denn, ihr hättet euch dadurch erhöhen können, daß ihr die anderen erniedrigt habt? Ihr kommt euch hoch vor, aber nicht deshalb, weil ihr hochgekommen seid, sondern weil ihr die anderen erniedrigt habt. So sind sie niedriger. Ihr seid geblieben, wo ihr waret. Nur deshalb kommt ihr euch so hoch über den anderen vor. - Da erschraken die Essäer. In diesem Augenblick aber verschwand der Jesus von Nazareth vor ihren Augen. Sie konnten ihn nicht mehr sehen.
Nachdem ihre Augen für eine kurze Weile wie getrübt waren, fühlten sie den Drang, in die Ferne zu schauen. Und in der Ferne schauten sie etwas wie eine Fata Morgana. Diese zeigte ihnen, ins Riesenhafte vergrößert, das Antlitz dessen, der eben vor ihnen gestanden. Und dann hörten sie wie aus der Fata Morgana zu ihnen gesprochen die Worte, furchtbar ihre Seelen durchdringend: Eitel ist euer Streben, weil leer ist euer Herz, da ihr euch erfüllt habt mit dem Geiste, der den Stolz in der Hülle der Demut täuschend birgt! -Und als sie eine Weile wie betäubt von diesem Gesicht und diesen Worten gestanden hatten, verschwand die Fata Morgana. Aber auch der Jesus von Nazareth stand nicht mehr vor ihnen. Sie blickten sich um. Da war er schon weitergegangen, und fern von ihnen sahen sie ihn. Und die beiden Essäer gingen nach Hause und sagten keinem etwas, was sie gesehen hatten, sondern schwiegen die ganze übrige Zeit bis zu ihrem Tode...
Als nun der Jesus von Nazareth auf diesem Wege zum Jordan hin, auf den er getrieben worden war, eine Weile weiterging, begegnete er einer Persönlichkeit, von der man sagen kann: in ihrer Seele war tiefste Verzweiflung. Ein Verzweifelter kam ihm in den Weg. Und der Jesus von Nazareth sagte: Wozu hat deine Seele dich geführt? Ich habe dich vor Äonen gesehen, da warst du ganz anders. - Da sprach der Verzweifelte: Ich war in hohen Würden; ich bin im Leben hoch gestiegen. Viele, viele Ämter habe ich durchlaufen in der menschlichen Rangordnung, und schnell ging es. Da sagte ich mir oftmals, wenn ich sah, wie die anderen in ihren Würden zurückblieben, und ich hochstieg: Was für ein seltener Mensch bist du doch; deine hohen Tugenden erheben dich über alle anderen Menschen! Ich war im Glück und genoß voll dieses Glück. - So sagte der Verzweifelte. Dann fuhr er fort: Dann kam mir einmal schlafend etwas vor wie ein Traum. Im Traume war es, wie wenn eine Frage an mich gestellt würde, und dann wußte ich gleich, daß ich mich im Traume selber schämte vor dieser Frage. Denn die Frage, die da an mich gestellt wurde, war die: Wer hat dich groß gemacht? - Und ein Wesen stand vor mir im Traume, das sagte: Ich habe dich erhöht, doch du bist dafür mein! - Und ich schämte mich; denn ich glaubte, nur meinen eigenen Verdiensten und meinen Talenten die Erhöhung zu verdanken. Und jetzt trat mir - ich fühlte, wie ich mich im Traume schämte - ein anderes Wesen entgegen, das sagte, daß ich kein Verdienst hätte an meiner Erhöhung. Da mußte ich im Traume vor Scham die Flucht ergreifen. Ich ließ alle meine Ämter und Würden hinter mir und irre herum, suchend und nicht wissend, was ich suche. -So sprach der Verzweifelte. Und als er noch so sprach, stand das Wesen wieder vor ihm, zwischen ihm und dem Jesus von Nazareth, und deckte mit seiner Gestalt die Gestalt des Jesus von Nazareth zu. Und es hatte der Verzweifelte ein Gefühl, daß dieses Wesen etwas mit dem Luziferwesen zu tun habe. Und während das Wesen noch vor ihm stehenblieb, entschwand der Jesus von Nazareth, und dann verschwand auch das Wesen. Dann sah aber der Verzweifelte bereits in einiger Entfernung, daß Jesus von Nazareth vorübergegangen war, und er zog seines Weges irrend weiter.
Als Jesus von Nazareth weiterging, traf er einen Aussätzigen. Auf die Frage des Jesus von Nazareth: Wozu hat der Weg deiner Seele dich geführt? Ich habe dich vor Äonen gesehen, doch da warst du anders -, sagte der Aussätzige: Mich haben die Menschen verstoßen, verstoßen wegen meiner Krankheit! Kein Mensch wollte mit mir etwas zu tun haben, und ich wußte nicht, wie ich für die Notdurft meines Lebens sorgen sollte. Da irrte ich in meinem Leide herum und kam einmal in einen Wald. Etwas, was ich in der Ferne sah wie ein leuchtender Baum, zog mich an. Und ich konnte nicht anders, als wie getrieben zu diesem leuchtenden Baume hinzugehen. Da war es, wie wenn aus diesem Lichtschimmer des Baumes etwas herauskäme wie ein Totengerippe. Und ich wußte: der Tod selber stand vor mir. Der Tod sagte: Ich bin du! Ich zehre an dir. - Da fürchtete ich mich. Der Tod aber sprach: Warum fürchtest du dich? Hast du mich nicht immer geliebt? - Und ich wußte doch, daß ich ihn nie geliebt hatte. Und während er so zu mir sprach: Warum fürchtest du dich? Hast du mich nicht geliebt? - verwandelte er sich in einen schönen Erzengel. Dann verschwand er, und ich verfiel in einen tiefen Schlaf. Erst am Morgen wachte ich wieder auf und fand mich an dem Baume schlafend. Von da ab wurde mein Aussatz immer schlimmer. - Und als er das erzählt hatte, stand das, was er an dem Baume gesehen hatte, zwischen ihm und dem Jesus von Nazareth und verwandelte sich in ein Wesen, von dem er wußte: Ahriman oder etwas Ahrimanisches stand vor ihm. Und während er es noch anschaute, verschwand das Wesen, und auch der Jesus von Nazareth verschwand. Jesus war schon eine Weile weitergegangen. Und der Aussätzige mußte weiterziehen.“ (Lit.: GA 148, S. 156ff)
Nach diesen drei Erlebnissen ging der Jesus zur Jordan-Taufe, wo sich der Christus-Geist in ihn herabsenkte. Damit begann das eigentliche Erdenleben des Christus in dem Leib des Jesus von Nazareth. Von diesem Zeitpunkt an dürfen wir erst von dem Christus Jesus sprechen.
Siehe auch
Literatur
- Rudolf Steiner: Aus der Akasha-Forschung. Das Fünfte Evangelium, GA 148 (1992), ISBN 3-7274-1480-4 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
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