Horus (Ägyptische Mythologie)

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(Weitergeleitet von Horus)
Horus in Hieroglyphen
Ideogramm
G5

Horusfalke
im Altägyptischen auch:
HHr
r

Horus
(r.w)
in den Sargtexten auch:
N31i

Transkription r.w
griechisch Horos
Koptisch ϩⲱⲣ
(Hôr)
Horus
Horus als Falke

Horus (oder Horos) war ein Hauptgott der frühen ägyptischen Mythologie. Ursprünglich ein Himmelsgott, war er außerdem Königsgott, ein Welten- oder Lichtgott und Beschützer der Kinder. Das selbst schutzbedürftige Horuskind wurde als Hor-pa-chered bzw. Har-pa-chered („Horus, das Kind“) verehrt. In Gestalt des Harsiese bzw. Harsiesis („Horus, Sohn der Isis“) wurde es insbesondere als Sohn der Isis aufgefaßt. In seiner Erscheinungsform als auf der schwimmenden Insel Chemmis in den Sümpfen des Nildeltas heranwachsendes Kind wurde er Harachbit (auch Hor-ach-bit, Haremachbit, Hor-em-ach-bit) genannt. Zur Zeit des Hellenismus wurde das Horus-Kind schließlich als Harpokrates (griech.  Ἁρποκράτης) bezeichnet und bildete zusammen mit Serapis und Isis eine besonders in Alexandria verehrte Göttertriade.

Name

Horus ist die latinisierte Form des ägyptischen Wortes r.w, das vielfach auch als Hor wiedergegeben wird. Übersetzt wird es mit „der Ferne“ oder „Der oberhalb ist“ und bezieht sich auf seinen Status als Himmelsgott. Wie andere Götter, so erhielt aber auch Horus verschiedene Beinamen:[1]

  • Der von Hierakonpolis.
  • Der große Gott, der Herr des Himmels.
  • Der große Gott, der Buntgefiederte.
  • Der vom Abaton.
  • Der Fürst von Buhen.

Darstellung

Abbildungen des Gottes Horus zählen sicherlich zu den zahlreichsten eines Gottes in Ägypten. Er ist sowohl in Texten als auch in bildlichen Darstellungen fast allgegenwärtig. Horus wird als Falke oder auch als Mensch mit Falkenkopf, auf dem zuweilen eine Doppelkrone sitzt, dargestellt. In der römischen Zeit erfolgte die Darstellung des Gottes als Legionär.[2]

Geschichtliche Entwicklung

Horus hat in der geschichtlichen Entwicklung der ägyptischen Mythologie zahlreiche Veränderungen erfahren: Es entstanden unterschiedliche Wesensformen in Falkengestalt, die jeweils in einen eigenen Mythos eingebettet sind und deswegen unterschiedliche Eigenschaften und Kultorte haben. Der gesamte Mythos um Horus ist deshalb sehr vielschichtig und erscheint zuweilen sehr kompliziert.

Das älteste Wesen des Gottes Horus war jedoch das eines Himmelsgottes. Die beiden Himmelskörper Sonne und Mond galten als die Augen des Gottes, wobei das rechte Auge das Sonnenauge und das linke das Mondauge ist. Um beide Augen ranken sich verschiedene Mythen. Seine Flügelspitzen berührten die Grenzen der Erde. Ein aus der Frühzeit stammendes Bildsymbol, das ein Flügelpaar, die von Re stammende Sonnenbarke und einen darüber sitzenden Falken zeigt, wird als Kontamination verschiedener Himmelsbilder angesehen. Diese Darstellung gilt als Vorläufer der später häufig auftauchenden Symbols der „Flügelsonne“ (Behedeti).[3] In seiner Bedeutung als Emblem eines siegreichen Volkes avancierte Horus zum Kriegsgott und zum kriegsbringenden Führer,[4] wodurch der Glaube entstand, der König (Pharao) sei dessen irdische Verkörperung. Seit dieser Zeit trugen die Könige Ägyptens den Falkengott Horus in ihrer Titulatur. Die Bedeutung von Horus als Himmels- und Königsgott wird als gleich alt bzw. zeitgleich angesehen. Dadurch, dass die Könige zur selben Zeit den Gott Re verehrten, kam es zu einer Identifizierung des Horus mit der Sonne. Der zur Staatsreligion gegensätzlichen Vorstellung des Volkes zufolge war Horus jedoch zwischenzeitlich mit dem Sohn des Osiris gleichgesetzt worden. Die so entstandenen Wechselbeziehungen beider Identifizierungen eines Gottes führten zu einer verschiedenen Mythenbildung. Trotz der Unterschiede dieser beiden Horus-Götter verschmolzen die Ägypter den Sonnen-Horus in späterer Zeit mit dem gleichnamigen Gott des Osiriskultes zu einem Gott Horus. Allerdings führte dieser Verschmelzungsprozess in verschiedenen Kultzentren zu verschiedenen Ergebnissen, so das es schließlich fünfzehn verschiedene Horus-Götter gab. Trotz dieser vielen Sonderformen kann durch die Abstammungsgeschichte, die Horus im Mythos zugeschrieben wurde, eine grobe Einteilung vorgenommen werden:

  • Als Sohn von Atum oder Re, von Geb oder Nut, gehört Horus zum Sonnenkult.

weitere Formen des Gottes Horus

Name Darstellung in Hieroglyphen Transkription kurze Beschreibung/Bedeutung Namensvariante
Behedeti
G5F18D46X1O49

(Horus von Edfu)
F18D46X1O49

(Der von Edfu)
Ḥrw Bḫdtj „Der von Edfu“. Ursprünglich aus dem 4./5. unterägyptischen Gau. Horus von Edfu
Harachte
G5N27
X1 Z4
Ḥrw3ḫtj Der horizontische Horus, „Horus der beiden Horizonte“. Gott der Morgensonne. Eine Unterform des Gottes Horus. Hor-Achti
Harendotes
G5Aa27W24M17X1
I9
Ḥ r-n ḏ -jt=f „Horus, der seinen Vater schützt“. Schutzgottheit.
Harmachis
G5Aa15
N27
Ḥrw m ḫt „Horus im Horizont“. Personifikation der aufgehenden Sonne. Berühmteste Darstellung: Große Sphinx von Gizeh. Houroun (franz.)
Haroeris
G5G36
D21
A40
Ḥr wr Horus der Große oder Horus der Alte Her-ur
Harpare r.w-p3-Rʿ Horus, die Sonne. Kind in der Triade von Month und Rat-taui. Wird in Medamud, Armant und at-Tōd verehrt. Der Gott schützt den König vor Krankheit und Unheil. Harp-Re
Harpokrates
G5G40F32
D21
D46
A40
r.w-p3-rd Horus, das Kind. Fruchtbarkeitsgott; Personifikation der aufgehenden Sonne und des Gottessohnes.
Harsiese
G5G39Q1X1
H8
Ḥr z3 3st Horus, Sohn der Isis. Bezeichnung für den Gott Horus als Kind. Harsiesis
Semataui
F36N16
N16
auch
G5F36N16
N16
Sm3-t3wj „Vereiniger der beiden Länder“. Harsomtus, Somtus


Haroeris ist beispielsweise eine sehr frühe Abspaltung des Gottes. Entsprechend der jeweiligen Wesensform erfolgt auch die bildliche Darstellung unterschiedlich. So wird z. B. Harpokrates seit dem Alten Reich als nacktes Kind mit der Jugendlocke und einem Finger im Mund dargestellt.[6] Besonders deutlich werden diese Unterschiede aber erst durch die Hieroglyphenschreibungen, die Transkription und die Übersetzung.

Bedeutung für das Königtum

Horus-Name von Wadji im Serech

Horus war der Königsgott. Der Falke selbst stellte in vorgeschichtlicher Zeit ein Totem dar, das von den Nomadenstämmen im oberägyptischen Bereich als späteres Gauzeichen, verehrt wurde. Der König wurde bereits seit Beginn der Vor- und Frühdynastischer Zeit mit dem Himmelsgott gleichgesetzt:[7] Horus offenbarte sich in der Person des Königs; der lebende König war Horus.

Horus im Königstitel

Für alle Könige Ägyptens war die Herrschaft des Horus Vorbild. Sie nahmen den Titel „Lebender Horus“ an, und so ist der Horusname der älteste ägyptische Königstitel. Er ist z. B. bereits für die Könige Hat Hor und „Skorpion I.“ belegt. Dieser Titel wird mit der Abbildung eines Falken eingeleitet, der auf einem Serech, der sogenannten Palastfassade, sitzt, und die den Namen des Königs umschließt. Auf der sogenannten Narmer-Palette, die in die 0. Dynastie datiert, ist ein Falke abgebildet, der als Horus bezeichnet wird. Bis in die 4. Dynastie war der Horusname der einzige Name des Königs (Pharaos), es kam aber noch in der selben Dynastie der Goldhorusname als weiterer Königstitel hinzu.

Der Horus-Thron

Durch die Krönung zum König Ägyptens wurde der Herrscher zum Horus. Dies drückte sich nicht nur durch den Horusnamen selbst aus. Texte auf Stelen sprechen davon, dass der König auf den „Horusthron der Lebenden“ kam: der König saß auf dem Throne des Horus. Eine der bekanntesten Stelen, auf der dieser Satz ebenfalls zu finden ist, ist wohl die Restaurationsstele Tutanchamuns, wo es u. a. heißt: „Erschienen auf dem Horusthron der Lebenden" und "um einen König für immer zu schaffen, einen Horus, der dauert für alle Zeit.“[8]

Verehrung und Kultorte

Statue des Horus im Tempel von Edfu

Der wichtigste Kultort des Horus war Edfu. Hier wurde er zusammen mit seiner Frau Hathor und dem gemeinsamen Sohn als Dreiheit verehrt. In Kom Ombo wurde er als Haroeris und als Sohn des Re verehrt, in Heliopolis hingegen als Harachte, dem Gott der Morgensonne. Weitere Kultorte waren Hierakonpolis, Letopolis und Wawat, ein Gebiet, das südlich vom 1. Katarakt, im unteren Teil Nubiens, lag. Als alter Stadtgott von Hierakonpolis und spätere Gottheit Unterägyptens galt er schließlich als Herr des Fruchtlandes von ganz Ägypten.[9] Als Harpokrates wurde er hingegen unter anderem in Achmim, Philae, Edfu, Alexandria, Pelusium und dem Fajum verehrt.

In der ägyptischen Mythologie

Durch die geschichtliche Entwicklung und seine verschiedenen Wesensformen ist Horus in der ägyptischen Mythologie in unterschiedlichen Mythen vertreten. Sowohl Harsiese (Horus, Sohn der Isis) als auch Harpokrates (Horus, das Kind) zählen zum Osiris-Mythos, wohingegen die Wesensformen des Horus als Haroeris, Horus-Behedeti, Harachte und Harmachis an den Sonnenkult gebunden sind. Und so sind auch die Schilderungen über seine Herkunft unterschiedlich. In der Mythologie um Osiris ist er der Sohn des Osiris und der Isis. Aber auch Hathor (übersetzt mit: Haus des Horus) wurde als seine Mutter angesehen, wobei die Inschriften des Tempels in Edfu sie als seine Gemahlin bezeichnen. Als Horus der Ältere (Haroeris, auch Her-ur oder Her-wer) waren er und Isis die Eltern der vier Horussöhne (auch Kanopengötter) Amset, Hapi, Duamutef und Kebechsenuef. Den Horussöhnen oblag nicht nur der Schutz der Kanopen, sondern sie wurden auch von ihrem Vater als Wächter über die vier Himmelsrichtungen bestimmt, in die sie als Krönungsboten entsandt wurden.

Der Streit zwischen Horus und Seth

Dieser wohl bekannteste Mythos um Horus ist die grundlegende Frage um die Thronfolge nach dem Tod seines Vaters Osiris, der zwischen ihm und dessen Bruder Seth ausgefochten wird:

Das Kleinkind Horus, Harsiese (Sohn der Isis), wurde von Isis durch die Begattung ihres verstorbenen Gatten Osiris empfangen. Isis zog ihn in den Sümpfen bei Buto auf. Als Horus schließlich zum Mann herangereift war, begann er, Krieg gegen Seth zu führen, um den Thron seines Vaters zurück zu gewinnen. Er hatte viele andere Götter als Verbündete und errang im Kampf den Titel Harendotes: Der Beschützer seines Vaters. Obwohl Horus in den Kämpfen gegen Seth und seine Streitmachten sehr erfolgreich war, erholte sich dieser immer wieder von seinen Wunden und Horus konnte ihn nicht besiegen. Der Krieg zog sich hin und der listreiche Seth versuchte für sich Vorteile zu erringen, indem er den Streit um die Thronfolge vor ein Göttergericht brachte.

Die Verhandlung dauerte achtzig Jahre, ohne dass die Götter des Tribunals zu einer Entscheidung gelangten. Die Mitglieder des Gerichts waren stets mit dem letzten Sprecher, den sie als Zeugen geladen hatten, einer Meinung und wechselten demzufolge immer wieder ihre Ansicht. Die meisten der Richter sprachen für Horus, während Re-Harachte, der den Vorsitz hatte, Seth begünstigte, da dieser der Sohn der Nut war. Schließlich setzten sich Schu und Thot für Horus ein, die die Gerechtigkeit vor der Gewalt aufrecht erhalten wollten. Isis, die davon ausging, dass der Streit nun beendet sei, verkündete, es sei der Wille des Gerichts, dass das „Auge“, das Symbol der Königsmacht an Horus gegeben werde. Re-Harachte, der sich so seiner Führung des Gerichts enthoben sah wurde zornig und hielt die Götter davon ab, Horus das Auge auszuhändigen. Seth hingegen bedauerte inzwischen, den Fall vor Gericht gebracht zu haben und da er von seinen Argumenten nicht mehr sehr überzeugt war, schlug er einen Zweikampf vor. Thot widersetzte sich und so war das Gericht erneut an einem toten Punkt angelangt.

Es erfolgte die Vorladung weiterer Götter, darunter der Widder von Mendes, der zusammen mit Ptah erschien, sowie die Göttin Neith. Diese sprach sich dafür aus, den Thron zuzuerkennen, und dass Seth eine Entschädigung erhalten müsse, indem sein Besitz verdoppelt würde und er zwei weitere Frauen (Astarte und Anath) bekommen sollte. Die göttlichen Richter glaubten jetzt endlich eine Lösung gefunden zu haben, allerdings war Re-Harachte verärgert. Nun gerieten die übrigen Götter in Zorn und nur Hathor gelang es, Re-Harachte zu besänftigen und dazu zu bewegen, sich wieder zum Gericht zu begeben.

Das Gericht trat nochmals zusammen, aber die Diskussion, ob die Thronfolgerechte des direkten Nachkommen wichtiger seien als die besondere Eignung eines anderen Thronanwärters, führte zu keiner Entscheidung. Isis war von Seth von der Verhandlung ausgeschlossen worden und bestach den Fährmann der Götter, Anti, sie zur Insel der Gerichtsverhandlung zu bringen. Hier verwandelte sie sich in ein junges Mädchen. Als Seth das Mädchen sah, verließ er seinen Platz und lauerte ihr auf und Isis erzählte ihm eine Geschichte: Ihr Mann, ein Hirte, sei gestorben und sie sei allein mit ihrem kleinen Jungen zurückgeblieben. Später sei ein Fremder gekommen, der drohte, den Sohn zu schlagen, das Vieh wegzunehmen und sie fortzujagen. Und so fragte sie Seth um Bestand gegen den Fremden. Seth, der ihr gefallen wollte, antwortete: Soll Vieh an Fremde fallen, wenn ein Mann einen Sohn zum Erben hat? Nach diesen Worten verwandelte sich Isis in einen Milan, flog davon und rief Seth zu, dass er sein eigenes Urteil gesprochen habe. Seth ärgerte sich, auf ihre List hereingefallen zu sein und beklagte sich darüber bei Re-Harachte. Dieser hingegen konnte jedoch nichts anderes tun, als das Urteil zu bestätigen und antwortete Seth, dass Seth sich selbst verurteilt habe. Re-Harachte wurde ungeduldig und befahl den Göttern, Horus sofort zu krönen.

Seth war damit nicht einverstanden und schlug erneut einen Zweikampf vor. Die Götter stimmten dem Kampf, in dem sich beide in Flusspferde verwandeln sollten, zu. Gewinner wäre derjenige, der am längsten unter Wasser bliebe. Isis war sich sicher, dass Seth, dessen natürliche Gestalt die des Flusspferdes war, ihren Sohn Horus töten würde. Sie befestigte eine Harpune an einem langen Seil und warf diese ins Wasser. Ihr erster Wurf jedoch traf Horus und als sie ihren Fehler bemerkte warf sie die Harpune erneut und traf dieses Mal Seth. Seth flehte seine Schwester an, er solle sie ihrer beider Mutter wegen wieder befreien und Isis befreite ihn. Wütend über diese Schwäche seiner Mutter sprang Horus aus dem Wasser und schlug ihr den Kopf ab.

Daraufhin beschlossen die Götter, Horus zu bestrafen, konnten ihn aber nicht finden. Seth hingegen fand ihn auf dem Berg, riss ihm die Augen aus und vergrub diese in der Erde. Als Seth zu den Göttern zurückkehrte, erklärte er, er habe Horus nicht finden können. In einer Fassung des Mythos wurde Horus am Hang liegend von Thot, in einem anderen von Hathor gefunden. Hathor wusch ihm die Augenhöhlen mit Gazellenmilch aus, wodurch er sein Augenlicht wieder erlangte. Gemeinsam kehrten sie zum Göttergericht zurück. Doch erneut brach ein Streit aus und Verleumdung, Betrug und Gewalt wurden beidseitig eingesetzt, um ein Ergebnis herbeizuführen. Isis vereitelte einen Anschlag von Seth gegen Horus und Horus versuchte Seth in einem Duell zu betrügen, in dem er Seth schwer verwundete. Es konnte immer noch keine Entscheidung getroffen werden und so rief das Gericht erneut Neith an, die jedoch nicht weiter helfen konnte.

Thot schlug schließlich vor, sich wegen eines letzten Urteils an Osiris zu wenden, der zugunsten seines Sohnes sprach. Dieser schimpfte die Götter für die lange Dauer der Urteilssprechung und, dass sie Horus so schlecht behandelt hatten. Osiris sagte, er sei der Gott der Vegetation und die anderen Götter würden ihm Dank für Korn und Vieh schulden, und, dass kein anderer Gott außer ihm solche Dienste geleistet habe. Diese Äußerung machte Re-Harachte wütend und er entgegnete Osiris, es gäbe auch ohne ihn Korn. Durch seine Antwort beendete Osiris den Streit und stellte die Machtverhältnisse für den Gott der Lebenden und der Toten fest. Er pries den höchsten Gott der Neunheit und berief sich darauf, dass Maat missachtet worden sei. Seine eigentliche Drohung, dass ihm „Boten mit den wilden Gesichtern“ zur Verfügung stünden, sprach er nicht aus: Diese Boten könnten das Herz eines jeden Gottes oder Sterblichen holen, der Böses vollbracht habe. Außerdem sei die Bestimmung, dass jedes Wesen in den Westen, das Land der Toten kommen würde. Und dort unterstünden alle dem Urteil von Osiris, der letztlich der Herr über alle sei. Diese Drohung blieb nicht wirkungslos: Das Urteil wurde eilends zugunsten von Horus gefällt und Seth in Ketten vor die Götter gebracht. Seth durfte unter der Bedingung weiterleben, dass er als Gott der Stürme und Winde das Boot von Osiris vorantreibe.

Horus trat sein Erbe an, erhielt den Titel „Horus, Herr beiden Länder“ und wurde Herrscher über Ober- und Unterägypten.[10]

In der griechischen Mythologie wurde Horus dem Gott Apollon gleichgesetzt.

Das Horus-Auge

Mythos

In einer Version des Mythos Der Widerstreit von Horus und Seth sticht Seth Horus beide Augen aus (siehe oben), in einer anderen Fassung hingegen verlor Horus im Kampf gegen Seth nur das linke Auge, das sogenannte Mondauge. Dieses wird als „Horus-Auge“, auch Udjat-Auge genannt, bezeichnet. Es ist das heile oder gesunde Auge. In beiden Fassungen des Mythos erhält Horus jedoch das Augenlicht zurück, indem Thot das Auge heilt.

Lichtsymbol
„Es ist in seinen Teilen geometrisch genau berechnet und wirkt deshalb sehr harmonisch.“
(Heinz Grill zum Horus-Auge)

Heinz Grill beschreibt das Horus-Auge als ein Lichtsymbol, das nach außen strahlt:[11]

„Das Horus-Auge wurde in den ägyptischen Sagen dem Mondgott zugeordnet. Diese Zuordnung wurde insbesondere deshalb getroffen, da der weise Mondgott Thot, der Schutzpatron der Wissenschaften, nach der Sage dieses Auge des Horus, nachdem es Seth, der Widersacher, zerstückelt hatte, wieder zusammenflickte. Das Gleichnis der Wiederherstellung liegt in diesem Auge. Es ist in seinen Teilen geometrisch genau berechnet und wirkt deshalb sehr harmonisch. Die Wiederherstellung eines kranken oder zerstückelten Zustandes in einen integren offenbart die Kostbarkeit dieses schönen und wertvollen ägyptischen Symbols. Nach genauer Betrachtung mussten die alten Ägypter dieses Symbol dem Mond zuordnen, da sie die Kraft der Regeneration und die Wiederherstellung des einmal Zerstörten in der Tat der Götter und darin den Mond, den Regent der tieferen und auch unbewussten Kräfteströme der Heilkunst, sahen. Indem das Auge aber wiederhergestellt ist, oder besser ausgedrückt, es nach Form und Maß zu einem Ganzen weiterentwickelt wurde, erstrahlt es sonnenhaft, wie ein nach außen gekehrtes lebendiges, funkelndes Bewusstsein.

Dieses Auge des Horus ist ein Lichtsymbol, es schenkt einerseits eine Erinnerung an eine wiederhergestellte Ordnung und andererseits vermag es den sonnenhaften Expressionen in einfacher Gestikulation nahezutreten. Wer es betrachtet, bemerkt, dass dieses Symbol wie eine Lampe nach außen erstrahlt, das Licht nicht zurückhält, es vielmehr mit seiner geometrischen Anordnung der Linien an die Peripherie bringt und als lichtes Symbol sympathisch erscheinen lässt. Das Auge blickt nach außen. Es wird vom Mond zur Sonne. Horus selbst ist ein Ausdruck für die morgendliche Sonne und für die Wiedergeburt der Ätherkräfte. Bezeichnenderweise ist am Morgen der Lichtäther sehr aktiv.“

Siehe auch

Literatur

  • Mary Barnett: Götter und Mythen des alten Ägypten. Verlag Gondrom 1998, ISBN 3-8112-1646-5
  • Hans Bonnet: Lexikon der ägyptischen Religionsgeschichte. Nikol-Verlag, Hamburg 2000, ISBN 3-937872-08-6
  • Rolf Felde: Ägyptische Gottheiten. Wiesbaden 1995
  • Lucia Gahlin: Ägypten - Götter, Mythen, Religionen. Edition XXL, ISBN 389736-312-7
  • Wolfgang Helck/Eberhard Otto: Kleines Lexikon der Ägyptologie. Harrasowitz, 1999, ISBN 3-447-04027-0
  • Veronica Ions: Die Götter und Mythen Ägyptens. Verlag Buch und Welt, 1988
  • Manfred Lurker: Lexikon der Götter und Symbole der alten Ägypter. Scherz Verlag, 1998, ISBN 3-502-16430-4
  • Günther Roeder: Ägyptische Mythen und Legenden. Zürich 1960, Artemis Verlag (Die Bibliothek der Alten Welt).

Weblinks

Commons: Horus - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema

Einzelnachweise

  1. Rolf Felde: Ägyptische Gottheiten. S. 25.
  2. Rolf Felde: Ägyptische Gottheiten. S. 25.
  3. W. Helck/E. Otto: Kl. Lexikon der Ägyptologie. S. 127.
  4. Veronica Ions: Die Götter und Mythen Ägyptens. S. 66.
  5. Veronica Ions: Die Götter und Mythen Ägyptens. S. 67.
  6. Rolf Felde: Ägyptische Gottheiten. S. 20.
  7. Manfred Lurker: Lexikon der Götter und Symbole der Alten Ägypter. S. 101.
  8. Hermann A. Schlögl: Echnaton - Tutanchamun. S. 129.
  9. Rolf Felde: Ägyptische Gottheiten. S. 26.
  10. Der vollständige Mythos in Übersetzung und mit Erläuterungen ist nachzulesen bei: Günther Roeder: Ägyptische Mythen und Legenden, in der vierbändigen Reihe Die ägyptische Religion in Texten und Bildern sowie bei Veronica Ions: Die Götter und Mythen Ägyptens.
  11. Heinz Grill: Die Heilkraft der Seele. Der Lichtäther und der Lichtseelenprozess. 3. vollständig überarbeitete Auflage. Stephan Wunderlich Verlag, 2015, ISBN 978-3-9817200-2-0, S. 50.
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