Osiris

Aus AnthroWiki
Osiris in Hieroglyphen
ausgeschrieben
Q1
D4

Sitz des Auges (Wsjr)
oder
mit Determinativ
Q1
D4
A40
Osiris
Der Erdengott Geb und die Himmelsgöttin Nut.
Osiris Statue, Ägyptischen Museum, Kairo
Schwarzmilan (Milvus migrans)

Osiris (übersetzt etwa: „Sitz des Auges”, in verschiedenen ägyptischen Lesearten auch: Asar, Azar, Asari, Aser, Ausar, Ausir, Wesir, Usir, Usire oder Ausare; griech. Ὄσιρις), der wie seine Schwester und spätere Gattin Isis zur Götter-Neunheit von Heliopolis zählt, ist der ägyptische Gott des Jenseits, der Wiedergeburt und der Toten, aber auch der Gott der Vegetation, der schwellenden Nilflut und der Fruchtbarkeit. Sein Hauptkultort war Abydos, wo damals alljährlich in jedem vierten Monat ihm geweihte Mysterienspiele augeführt wurden. Zusammen mit Isis und Horus bildet er die Trias von Abydos. Der Osirismythos gilt als einer der wichtigsten Mythen der ägyptischen Religion. In der Osiris-Gestalt der klassischen Epoche sind verschiedene Lokalgötter der Frühzeit verschmolzen worden.

Als irdischer Repräsentant des Sonnengottes Re regierte Osiris gemeinsam mit seiner Gattin Isis als weiser Herrscher über das ägyptische Land, ehe er von seinem Bruder Seth ermordet wurde und zum jenseitigen Totenrichter aufstieg. Isis, Osiris, Seth und dessen Gattin Nephthys waren Kinder des Erdengottes Geb (ägyptische Mythologie), den die Griechen später mit Hades gleichsetzten, und seiner Schwester, der Himmelsgöttin Nut (ägyptische Mythologie).

Darstellung

Osiris wird in menschlicher Gestalt dargestellt, meist mit grüner Hautfarbe, mit Atefkrone aus Pflanzenstängeln und Straußenfedern, und trägt meist einen weißen langen Anzug mit rotem Gürtel. Eine Anlehnung an seine Gestalt, die er im zweiten Leben annahm, nachdem Anubis seinen zerstückelten Körper zusammenfügte und mumifizierte. Durch seine spätere Rolle als Herrscher des Jenseits wird er auch mit den Königsinsignien, Krummstab (Symbol des guten Hirten) und Dreschflegel (Symbol der Fruchtbarkeit), ausgestattet und dargestellt.

Mythos

Hauptartikel: Osirismythos

Der Osirismythos ist einer der wichtigsten Mythen der ägyptischen Religion. Einzelne Elemente des Mythos findet man, ausgehend von den Pyramidentexten des Alten Reiches bis in die griechisch-römische Zeit. In geschlossener Erzählform ist der Mythos jedoch erst von dem griechischen Autor Plutarch in seinem Werk Über Isis und Osiris überliefert. Diese Fassung stimmt jedoch in einigen wichtigen Passagen nicht mit den ägyptischen Originaltexten überein, die in sich aber auch nicht vollkommen konsistent sind.

Rudolf Steiner schildert den Osirismythos kurz so:

„Es herrschte in früherer Zeit lange noch auf Erden, zum Segen der Menschheit, Osiris, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, welcher später charakterisiert ist in dem, daß die Sonne stand im Zeichen des Skorpion. Da war es, daß der Bruder Typhon oder Set den Osiris tötete. Er tötete ihn in der Weise, daß er ihn veranlaßte, sich in einen Kasten zu legen, welchen er schloß und dem Meere übergab. Isis, die Schwester und Gemahlin des Osiris, suchte ihren Bruder und Gemahl, und als sie ihn gefunden hatte, brachte sie ihn nach Ägypten. Aber da strebte der böse Typhon wieder nach der Vernichtung des Osiris, er zerstückelte ihn. Isis sammelte nun die einzelnen Teile und begrub sie an verschiedenen Orten. - Man zeigt auch heute noch in Ägypten verschiedene Osirisgräber. - Dann gebar Isis den Horus, und Horus rächte seinen Vater Osiris an Typhon. Osiris wurde wiederum in die Welt der göttlich-geistigen Wesen aufgenommen, und ist zwar nicht mehr auf der Erde tätig, aber er ist dort für den Menschen tätig, wenn dieser zwischen Tod und einer neuen Geburt in der geistigen Welt weilt. Daher stellte man sich auch den Weg des Toten in Ägypten vor als den Weg zum Osiris.“ (Lit.:GA 106, S. 85f)

Die ägyptische Mythologie beschreibt, dass Osiris und Isis einander bereits im Mutterleib liebten und wechselsetig Schutz und Geborgenheit spendeten. Deshalb wurden sie als Erwachsene ein Paar. Seit der Geburt ist Osiris das Gegenstück zu seinem Bruder Seth. Er schätzte die guten Dinge, während sein Bruder vom ersten Atemzug nur von Hass und Wut getrieben wurde. Seth nahm seine Schwester Nephthys zur Frau, die Zwillingsschwester der Isis. Dies und der Gegenpol der zwei Götter führten zur gegenseitigen Verabscheuung, und sie begannen sich für lange Zeit zu bekriegen.

Eines Tages erfuhr Isis, dass ihre Schwester Nephthys sich als sie ausgegeben und danach mit Osiris geschlafen hatte. Nephthys bekam große Furcht, dass ihr Gatte Seth dies herausfinden könnte, weshalb sie das bald geborene Kind von Osiris aussetzte. Mit Hilfe von Hunden fand Isis dieses Kind, nahm es mit und zog es auf. Später wurde es als Anubis, Gott der Einbalsamierer und Beschützer der Verstorbenen, ihr Wächter und Begleiter.

Zu der Zeit, als Isis dieses Kind fand, tötete Seth seinen Bruder, indem er ihn bei einem Gastmahl überlistete. Er heuerte 72 Männer als Mitverschwörer an und ließ einen Sarkophag anfertigen, der genau seinem Bruder Osiris angemessen war. Scheinbar wie im Scherz bot er den Sarg demjenigen, der genau hineinpasste. Nachdem es schon alle anderen Gäste versucht hatten, probierte es zuletzt auch Osiris. Daraufhin versiegleten die 72 Helfershelfer den Sarg mit Blei und warfen auf Seths Befehl in den Nil.

Die Zahl 72 ist dabei von hoher realsymbolischer Bedeutung, vornehmlich in der jüdisch-christlichen Tradition, die ihrerseits wesentlich von der ägyptischen Religion beeinflusst wurde. Sie spiegelt die kosmischen Verhältnisse wider, die für die Entwicklung des einzelnen Menschen und für die Menschheitsentwicklung insgesamt entscheidend sind. 72 Jahre währt die kosmisch bestimmte durchschnittliche Lebensdauer des Menschen, wobei 72 * 360 = 25920 etwa die Länge des Platonischen Weltenjahres ist. 72 Jahre entsprechen damit ziemlich genau einem Tag des großen Weltenjahres. Ein Zwölftel dieses Weltenjahres, also 2160 Jahre, ergibt die Dauer einer Kulturepoche, die damit einem Weltenmonat mit 30 Weltentagen entspricht (72 * 30 = 2160). Überdies ist 72 die Zahl der Namen Gottes in der jüdischen Kabbala.

Als Isis von der Mordtat erfuhr, machte sie sich auf die Suche nach dem Leichnam ihres Gemahls. Der Sarg war unterdessen bis nach Byblos getrieben, einer Hafenstadt nördlich von Beirut (hebr. בְּאֵרוֹת) im Libanon, wo er von einem Akazienbaum umwachsen wurde, dessen Stamm dann als Stützpfeiler für ein Gebäude am Hofe des Königs verwendet wurde. So konnte Isis den Leichnam bergen.

Durch die Ermordung des Osiris war das Jenseits entstanden, und so wurde Isis auserwählt, es mit dem Diesseits zu verbinden. Zusammen mit Isis bewachte Nephthys die letzte Pforte der Unterwelt, durch die der Sonnengott zur Oberwelt reiste. Mit Isis beweinte und belebte sie die Verstorbenen, und beide besuchten häufig den Leichnam ihres Bruders und Geliebten Osiris.

Daraufhin zerstückelte Seth die Leiche des Osiris und verstreute sie im ganzen Land. Aus diesem Grunde sprach man immer von mehreren Gräbern des Osiris. Als Isis dies erfuhr, machte sie sich auf den Weg dorthin, segelte in einem Papyrusboot durch die Sümpfe und suchte alle Stücke ihres Geliebten wieder zusammen. Mit Hilfe der Magie fügte die trauernde und verzweifelte Isis mit Anubis die Überresten ihres geliebten Gemahls wieder zusammen und verwandelte sich zum Schwarzmilan, einem habichtartigen Greifvogel, um mit den Flügeln dem Toten das Leben wieder einzuhauchen. Auf wunderbare Weise konnte sie so von ihrem Gemahl ihren gemeinsamen Sohn, den neuen Sonnengott Horus, empfangen. Um Seth nicht zu früh zu nahe zu kommen, wurde er auf der im Nildelta vermutlich nahe der Stadt Buto (altägypt. Djebout) gelegenen mythischen schwimmenden Insel Chemmis (altägyptisch Achbit, Ach-bit) geboren und aufgezogen.

„Auch geben die Ägypter die Ursache an, weshalb die Insel schwimme. Nämlich vorher wäre sie nicht schwimmend gewesen, bis Leto, eine von den ersten acht Gottheiten, welche in Buto wohnte, wo sie eben jenes Orakel hat, den Apollon von der Isis zur Verwahrung erhielt und ihn auch glücklich rettete, indem sie ihn auf jener Insel, die jetzt schwimmen soll, verbarg, damals, als Typhon alles durchsuchte, um des Osiris Sohn ausfindig zu machen.“

Herodot, Historien, Buch II

Als Horus herangewachsen war und die Geschichte über seinen Vater erfuhr, empfand er nur noch Hass für Seth und übte jeden Tag, um ihn in einem Kampf schlagen und töten zu können. Nachdem Osiris seinen Sohn Horus auf der Erde besucht und ihm Mut zum Kampf gegen Seth geschenkt hatte, begann der unerbittliche Kampf, der vier ganze Tage anhielt. Horus ging dabei als Sieger hervor und wurde der neue König von Ägypten. Da jedoch Isis den angeketteten Seth befreite, war er besonders aus großer Zuneigung, Beachtung und Liebe zu seinem Vater Osiris so erbost und empört darüber, dass er ihr die Krone vom Haupt riss. Deshalb wurde gegen ihn die Todesstrafe in Form seiner Zerstückelung verhängt.

Isis und Osiris

Osiris und Isis verhalten sich zueinander wie das aktive Denken (Osiris) zu den passiven Gedanken, Vorstellungen und Begriffen.

„Die Kräfte, welche der Menschheitsentwickelung ursprünglich zugrunde liegen, müssen nach altägyptischer Anschauung in einer Zweiheit erfaßt werden, in einer solchen Zweiheit, daß man das eine Element derselben mit dem Namen Osiris und das andere mit dem Namen Isis belegt: Osiris-Isis. Wenn wir in uns selber blicken und dabei die Empfindungen, das Gefühl des alten Ägypters gebrauchen, so können wir uns sagen: Wir haben in uns zunächst das aktive Denken. Man braucht sich nur zu erinnern, wie gedacht werden muß, wenn ein Gedanke zuletzt entsteht, wenn wir zum Beispiel den Gedanken eines Dreieckes in uns haben. Da muß das aktive, das tätige Denken vorangehen, um den Gedanken eines Dreieckes zu bilden. Nachdem wir in der Seele tätig waren, können wir uns passiv zu dem Ergebnis unseres Denkens, zu unseren Gedanken und Vorstellungen wenden. Wir sehen zuletzt in unserer Seele die Gebilde unseres aktiven Denkens. Wie nun das Denken zu den Gedanken, wie das Vorstellen zu den Vorstellungen, wie das Tätige zu dem, was aus dem Tätigen wird und zuletzt vor uns steht, so verhält sich Osiris zu Isis. Man möchte auch sagen: Das Tätige erscheint uns wie ein Väterliches, wie ein männliches Prinzip: das Osiris-Prinzip, wie ein Kämpfendes, das dann unsere Seele erfüllt, anfüllt mit Gedanken und Empfindungen. Und wie der Mensch hier steht, sagte sich der alte Ägypter, wie die Stoffe, die in seinem Blut leben oder seine Knochen bilden, nicht immer in seinem Blut und in seinen Knochen waren, sondern draußen im Weltenraume zerstreut vorhanden waren, wie dieser ganze physische Leib ein Zusammenschluß von physisch verfolgbaren Stoffen ist, die hereinwandern in die menschliche Form, während sie vorher draußen im Universum ausgebreitet waren, so ist es mit unserer Denkkrafb sie ist in uns Vorstellungskraft. So wie die Stoffe in unserem Blut einmal drinnen sind in der Menschenform und das andere Mal draußen ausgebreitet sind, so ist die Osiris-Kraft als Denkkraft in uns tätig und ausgebreitet im geistigen Weltall als Osiris, als die das ganze Weltall durchlebende und durchwebende Osiris-Kraft, die ebenso einzieht in den Menschen wie die Stoffe, die dann das Blut und die Knochen im Körperhaften des Menschen zusammensetzen. Und in die Gedanken und Vorstellungen und Begriffe fließen ein die um das Universum webenden und lebenden Isis-Kräfte. So müssen wir uns zunächst den Aufblick in der Seele des alten Ägypters zu Osiris und Isis vorstellen.“ (Lit.:GA 60, S. 355f)

Osiris und Christus

In der Nacht vom 5. auf den 6. Januar wurde im hellenistischen Ägypten das Fest des aus der Jungfrau Kore (= Persephone) geborenen Sonnengottes Aion gefeiert, der auch mit Osiris als irdischer Erscheinung des Re gleichgesetzt wurde. Am folgenden Tag, dem 6. Januar, wurde heilbringendes Wasser aus den Fluten des Nil geschöpft.[1] Es wurde mit diesem Osirisfest auf das zur Erde herabsteigende menschheitliche Manas bzw. Geistselbst hingewiesen, das in der lemurischen Zeit gleichsam zerstückelt wurde in den einzelnen Menschenleibern sein Grab fand und erst durch eine Art von allgemeiner Taufe aus dem Wasser heraus wiedergeboren wurde. Später wurde von den Christen auf diesen Tag das Dreikönigsfest bzw. das Epiphaniasfest festgelegt, das an die Jordan-Taufe erinnert.

„... der 6. Januar ist dasselbe Datum, an welchem im alten Ägypten das sogenannte Osirisfest gefeiert wurde, das Fest des wiedergefundenen Osiris. Osiris wird bekanntlich überwunden von seinem Gegner Typhon, er wird von der Isis gesucht und wiedergefunden. Dieses Wiederfinden des Osiris, des Sohnes Gottes, wird dargestellt durch das Fest vom 6. Januar. Das Dreikönigsfest ist dasselbe Fest, nur daß es christlich geworden ist. Dieses Fest finden wir auch bei den Assyrern, den Armeniern und den Phöniziern. Überall ist es da ein Fest, das verknüpft ist mit einer Art von allgemeiner Taufe, wo aus dem Wasser heraus eine Wiedergeburt stattfindet. Das deutet schon den Zusammenhang an mit dem wiedergefundenen Osiris. Was ist überhaupt der verschwundene Osiris? Der verschwundene Osiris stellt uns dar jenen Übergang, der stattfindet zwischen den Zeiten vor der Mitte der lemurischen Rasse und den Zeiten nach der Mitte der lemurischen Rasse. Vor der Mitte der lemurischen Rasse gab es keinen Menschen, der mit Manas begabt war. Erst in der Mitte der lemurischen Zeit senkte sich Manas herab und befruchtete die Menschen. In jedem einzelnen Menschen wird ein Grab geschaffen für das in die Menschheit aufgeteilte Manas (Geistselbst) – für Osiris, der dargestellt wird als zerstückelt. Es ist die manasische Gottheit, die aufgeteilt worden ist und in den Menschen wohnt. Gräber des Osiris heißen die menschlichen Körper in der ägyptischen Geheimsprache. Manas ist so lange nicht befreit, bis die wiedererscheinende Liebe Manas befreien kann.

Was ist die wiedererscheinende Liebe? Was entstanden war mit der Manasbefruchtung in der Mitte der lemurischen Zeit – etwas vorher und etwas nachher –, das war das Einziehen des Leidenschaftsprinzipes in die Menschheit. Vor dieser Zeit hat es kein eigentliches Leidenschaftsprinzip gegeben. Die Tiere der vorhergehenden Zeiten waren Kaltblüter. Und auch der Mensch selbst war damals noch nicht mit warmem Blute begabt. Die Menschen der Mondenzeit, und entsprechend auch die Menschen der dritten Erden-Runde, kann man insofern mit Fischen vergleichen, als sie die gleiche Wärme mit ihrer Umgebung hatten. Der Geist Gottes brütete über den Wassern, heißt es in der Bibel von dieser Zeit. Das Prinzip der Liebe war noch nicht im Innern der Wesen, sondern draußen als sich offenbarendes irdisches Kama (das heißt irdische Leidenschaft). Das Kama ist die egoistische Liebe. Der erste Bringer der egoismusfreien Liebe ist nun Christus, der in Jesus von Nazareth erscheinen sollte.“ (Lit.: Beiträge 60, S. 4))

„Und dann kam eine spätere Zeit, in der man nicht mehr so tief hineindringen konnte in die Weltengeheimnisse. Es war diejenige Zeit, die ich in meiner «Geheimwissenschaft» die chaldäisch-ägyptische Menschheitskultur nannte. Auch da blickte man noch hinauf zur Sonne, aber man sah jetzt die Sonne nicht mehr als die strahlende, man sah das bloß Leuchtende, das bloß Glänzende. Und Ra, dessen irdischer Repräsentant Osiris war, erschien als die eigentlich um die Erde sich bewegende Sonne, die da glänzte. So waren gewisse Geheimnisse dadurch verlorengegangen, daß man nicht mehr als Initiierter der alten Zeit in vollständiger innerer Klarheit den strahlenden Weltengott sehen konnte, sondern daß man jetzt nur dasjenige sehen konnte, was mehr aus Urkräften heraus, aus astralischen Kräften heraus von der Sonne kommt. Zarathustra sah in der Sonne noch ein Wesen; er konnte zu jener Zeit noch in der Sonne ein Wesen sehen. Die ägyptischen, die chaldäischen Initiierten, sie sahen in der Sonne nur die Kräfte, welche als Lichtkräfte, welche als Bewegungskräfte von der Sonne nach der Erde kamen. Sie sahen schon nurmehr etwas niedrigeres als ein geistiges Wesen: sie sahen geistige Taten, aber nicht ein geistiges Wesen. Und als denjenigen, der auf der Erde das repräsentiert, was man von den Kräften der Sonne als Mensch in sich trägt, bezeichneten diese alten ägyptischen Eingeweihten den Osiris.“ (Lit.:GA 211, S. 181)

„Osiris stellte ja für die Ägypter gewissermaßen dasjenige dar, was ihnen eine Art Repräsentant war des noch nicht gekommenen Christus; aber sie stellten sich auf ihre Art das Sonnenwesen vor in Osiris. Sie stellten sich vor, daß dieses Sonnenwesen in einer gewissen Weise verlorengegangen sei, und daß es wieder gesucht werden muß. Wir können uns nicht vorstellen, daß unser Sonnenwesen, der durch das Mysterium von Golgatha gegangene Christus, für die Menschheit verlorengehen könnte, da er einmal heruntergestiegen ist aus geistigen Höhen, sich mit dem Menschen Jesus von Nazareth verbunden hat und fortan bei der Erde bleibt. Er ist da, und der entsprechende Weihnachtsgesang darf jedes Jahr verkünden: Uns wird der Heiland geboren –, indem er damit ausdrückt das nicht Vorübergehende dieses Ereignisses, sondern das Ewige desselben, indem er damit ausdrückt, daß nicht nur damals in Bethlehem der Jesus geboren worden ist, sondern daß er im Grunde genommen immerfort geboren wird, das heißt, bei dem Erdensein verbleibt. Also dasjenige, was uns der Christus ist, das kann nicht verlorengehen.“ (Lit.:GA 202, S. 234f)

„Die sieben Rischis wiesen darauf hin, daß diese Wesenheit vorhanden ist, Zarathustra, daß der okkulte Blick, der auf die Sonne gerichtet ist, diese Wesenheit schaut, die ägyptische Kultur, daß diese Wesenheit der Erde noch so fremd ist, daß der Mensch sie erst antrifft nach dem Tode; die vierte Kulturperiode durfte darauf hinweisen, daß innerhalb unserer Erdenentwickelung die Bedingungen eingetreten waren, daß drei Jahre hindurch eine menschliche Wesenheit unmittelbar inspiriert werden konnte von diesem Geist der Weisheit. Und es war dadurch möglich, zu erkennen, daß tatsächlich die Sphäre dieses Sonnengeistes der Weisheit umfassender ist als die Sphäre der Geister der Bewegung, weil sie nun den gesamten Kulturprozeß der Erde umfaßt. Das heißt, dasjenige, was man in der Sprache der heiligen Rischis als Vischvakarman bezeichnet, in der des Zarathustra als Ahura Mazdao, in der der ägyptischen Kultur, wenn man wirklich versteht, was hinter dem Namen steckt, als Osiris, und was man bezeichnete in der Sprache des vierten Kulturzeitraumes mit dem Wort Christus, das hat hereingeleuchtet durch das Tor des Sonnengeistes der Weisheit. — Ebensowenig als ich gesagt habe, daß es nur der Geist der Bewegung ist, der durch den Buddha hereingeleuchtet hat, sowenig sage ich, daß es nur der Sonnengeist der Weisheit ist, der durch den Christus hereingeleuchtet hat. Er war das Tor, um hinauszurichten den okkulten Blick in unendliche Sphären, worin die Geister der höheren Hierarchien vorhanden sind; aber der Einlaß war der Geist der Weisheit, der Sonnengeist der Weisheit. Wie die Sonne sich zu den Planeten verhält, so verhält sich der Sonnengeist der Weisheit zu den Geistern der Bewegung, die ihrerseits in solchen Geistern zum Ausdruck kommen wie der, der den Buddha inspiriert hat.“ (Lit.:GA 136, S. 179f)

Osiris als Gestalt des reinen Geistlebens

Horus – Osiris – Isis

Die Forschungen von Heinz Grill zu Osiris ergeben, dass jeder Mensch in der Nacht in den geistigen Welten auf diese Gottheit trifft:[2]

Horus ist nach der ägyptischen Mythologie im Bilde der aufgehenden Sonne benannt, Re ist die Gottheit der Mittagssonne, der Stunde des Zenits, und Atum ist die Gottheit der im Rot versinkenden Abendsonne. Osiris, die höchste Gottheit, regiert die Nachtphase. Sie ist die göttliche Gestalt des reinen Geistlebens, denn in der Nacht, wenn alles Treiben auf der Erde zur Ruhe gelangt und der physische Körper des Menschen schläft, wandert seine Seele hinauf in die geistigen Welten und trifft dort auf die Gottheit Osiris. Die Gottgestalt Osiris, hier in der Mitte des Bildes dargestellt, hat es nie in der irdischen Welt gegeben. Sie steht als große Gottheit in der jenseitigen Welt.“

Die kosmische Gestalt des Osiris

Verlauf der Mondphasen während eines Monats. Die zunehmenden Phasen entsprechen Osiris, die abnehmenden Isis.

Osiris war ursprünglich mit der Sonne verbunden. Als sich die Erde, die damals noch den Mond in sich enthielt, von der Sonne ablöste, ging Osiris mit der Mond-Erde mit, die damals noch ein ganz flüssiges Gebilde war, das nunmehr von außen von der Sonne beschienen wurde. Die Sonne behielt damals noch das Luftelement für sich. Es zog in die Erden-Monden-Welt erst ein, als dem Menschen gemäß der biblischen Erzählung durch Jahve der Odem des Lebens eingehaucht wurde (1 Mos 2,7 LUT). Damit trennte sich die zunächst noch einheitliche Wesenheit Osiris-Seth. Seth, in der griechischen Mythologie Typhon, der Windhauch, genannt, löste sich von der Sonne und zog in den paradiesischen Menschen ein – und damit auch Geburt und Tod. Das geschah in der lemurischen Zeit, in der sich im Zuge des Sündenfalls nun auch der Mond von der Erde abtrennte. Mit dem Mond ging Osiris gleich Jahve mit. Seine kosmische Gestalt hängt seitdem äußerlich besehen mit dem Mondphasenzyklus zusammen, wobei die 14 zunehmenden Phasen von Neumond bis Vollmond Osiris entsprechen, die 14 abnehmenden Phasen von Vollmond bis Neumond hingegen Isis. Eine vollständige Lunation dauert entsprechend der synodischen Periode des Mondes durchschnittlich 29,53 Tage. Die 2 x 14 Mondphasen vom Neumond zum Vollmond und weiter zum nächsten Neumond haben laut Rudolf Steiner die etwa 28 paarigen Nervenstränge veranlagt, die vom Rückenmark ausgehen. In der Regel hat der Mensch meist jedoch 31 Spinalnervenpaare. Die überzähligen Nervenstränge entstehen durch die Differenz zwischen Sonnenjahr und Mondenjahr.

„In der Gestalt des Osiris sah der Ägypter die Wirkung des Sonnengestirns auf unsere Erde in der Zeit, als noch Nebeldünste um die Erde wogten, als noch keine Luft da war, und er sah, daß, als im Menschen die Luftatmung anfing, daß in dem Momente die einheitliche Wesenheit, Osiris-Set sich trennte. Set oder Typhon bewirkt, daß der Lufthauch in uns eingeht. Typhon, der Windhauch, löste sich von dem Licht der Sonne, und Osiris wirkt nur als Licht der Sonne. Es ist aber auch derselbe Moment, in dem Geburt und Tod in das Wesen des Menschen hereinzog. In das, was formend und entformend war, was bis dahin etwa so war, als ob wir einen Rock anziehen und ausziehen, war eine große Änderung getreten. Wenn der Mensch damals hätte empfinden können, in der Zeit, als noch nicht die von der Sonne ausgehenden Wirkungen die Erde selbst verlassen hatten, die Wirkungen, die von jenen hohen Wesenheiten ausgingen, die später mit der Sonne hinausgegangen sind, so hätte er mit Dankbarkeit hinaufgesehen zu diesen Sonnenwesen. Als die Sonne aber sich nunmehr immer mehr von der Erde trennte, als dann immer mehr das, was Dunstsphäre war - die allerdings damals für den Menschen das Reich seiner höheren Natur war –, sich verfeinerte, da bekam der Mensch, der immer weniger die direkte Einwirkung der Sonne wahrnehmen konnte, das Bewußtsein davon, was die Kräfte in seiner niederen Natur waren, und er kam dazu, daß er dort sein Ich erfaßte. Wenn er in seine niedere Natur untertauchte, da wurde er sich seiner selbst erst bewußt.

Warum nun ist die Wesenheit, welche wir als Osiriswesenheit kennen, verfinstert worden? Das Licht hörte mit dem Weggang der Sonne zu wirken auf, aber Jahve blieb zunächst auf der Erde, bis der Mond sich trennte. Osiris war der Geist, welcher so die Kraft des Sonnenlichtes in sich enthielt, daß er später, als der Mond sich trennte, mit dem Monde mitging, und die Aufgabe erhielt, vom Monde aus das Sonnenlicht auf die Erde zu lenken. Zuerst haben wir also die Sonne herausgehen sehen; Jahve bleibt mit seiner Schar, mit Osiris in der Erde zurück. Der Mensch lernt atmen. Zugleich aber trat der Mond heraus; Osiris zieht mit dem Monde heraus und erhält die Aufgabe, das Sonnenlicht vom Monde zu reflektieren auf die Erde. Osiris wird in einen Kasten gelegt, das heißt, er zieht sich mit dem Monde zurück. Vorher hatte der Mensch die Osiriswirkung von der Sonne her; jetzt erhielt er die Empfindung, daß das, was ihm früher von der Sonne kam, ihm jetzt vom Monde zuströmte. Der Mensch sagte sich damals, wenn der Mond herunterstrahlte: Osiris, du bist es, der mir vom Monde das Licht der Sonne strahlt, das zu deinem Wesen gehört.

Aber dieses Licht der Sonne wird täglich in einer anderen Gestalt zurückgestrahlt. Wenn der Mond in schwacher Sichel am Himmel steht, dann haben wir die erste Gestalt; wenn er am zweiten Tage gewachsen ist, die zweite, und so durch vierzehn Tage durch haben wir vierzehn Gestalten bis zum Vollmond. Osiris wendet sich durch vierzehn Tage in den vierzehn Gestalten der beleuchteten Mondesscheibe der Erde zu. Es ist von tiefer Bedeutsamkeit, daß diese vierzehn Gestalten, vierzehn Wachstumsphasen, der Mond, das heißt, Osiris annimmt, um das Licht der Sonne uns zuzustrahlen. Dieses, was da der Mond tut, das ist im Kosmos gleichzeitig damit verknüpft, daß der Mensch atmen gelernt hat. Erst als diese Erscheinung in ihrer Art voll am Himmel war, erst da konnte der Mensch atmen, und damit war er verknüpft mit der physischen Welt, und es konnte der erste Keim des Ichs in der menschlichen Wesenheit entstehen.

Die spätere ägyptische Erkenntnis hat das alles, was hier geschildert worden ist, empfunden und so erzählt: Osiris regierte früher die Erde, dann aber trat Typhon auf, der Wind. – Das ist die Zeit, in der die Wasser soweit herabfallen, daß die Luft auftritt, wodurch der Mensch zum Luftatmer wird. Das Osirisbewußtsein hat Typhon besiegt, er hat Osiris getötet, ihn in einen Kasten gelegt und dem Meere übergeben. Wie könnte man denn das kosmische Ereignis bedeutungsvoller ausdrücken im Bilde? Erst regiert der Sonnengott Osiris, dann wird er hinausgetrieben im Monde. Der Mond ist der Kasten, der in das Meer des Weltenraumes hinausgedrängt wird; nunmehr ist Osiris im Weltenraum. Wir erinnern uns nun aber auch daran, daß in der Sage gesagt wird, daß, als Osiris wiedergefunden wurde, als er auftauchte im Weltenraum, er in vierzehn Gestalten erschien. Die Sage erzählt: Osiris wurde in vierzehn Glieder zerstückelt und in vierzehn Gräbern begraben. Hier haben wir einen wunderbaren Hinweis in dieser tiefgründigen Sage auf den kosmischen Vorgang. Die vierzehn Gestalten des Mondes, die Mondphasen, sind die vierzehn Stücke des zerstückelten Osiris. Der ganze Osiris ist die ganze Mondscheibe.

Das erscheint ja nun zunächst so, als wenn das alles nur ein Symbolum wäre. Wir sehen aber schon, daß das seine wirkliche Bedeutung gehabt hat. Und jetzt kommen wir auf etwas, ohne das uns niemals die Geheimnisse des Kosmos klarwerden. Wenn nicht eingetreten wäre eine solche Konstellation von Sonne, Mond und Erde, wenn der Mond nicht in vierzehn Gestalten erschienen wäre, dann wäre etwas anderes nicht eingetreten, denn diese vierzehn Gestalten haben etwas ganz Besonderes bewirkt. Jede derselben hat einen großen, gewaltigen Einfluß auf den Menschen in seiner Entwickelung auf der Erde gehabt. Nun werde ich Ihnen etwas Sonderbares sagen müssen, es ist aber wahr. Damals, als das alles noch nicht geschehen war, als Osiris noch nicht hinausgegangen war, da hatte der Mensch in seiner Lichtgestalt nicht einmal der Anlage nach etwas, was heute von größter Wichtigkeit ist. Wir wissen, daß das Rückenmark sehr wichtig ist. Von ihm gehen Nerven aus. Diese waren nicht einmal der Anlage nach vorhanden in der Zeit, als der Mond noch nicht heraus war. Die vierzehn Gestalten des Mondes, in der Anordnung, wie sie aufeinander folgen, wurden die Veranlassung, daß sich vierzehn Nervenstränge an das Rückenmark des Menschen angliederten. Die kosmischen Kräfte wirkten so, daß den vierzehn Phasen oder Gestalten des Mondes diese vierzehn Nervenstränge entsprechen. Das ist die Folge der Osiriswirkung.

Nun entspricht der Mondesentwickelung noch etwas anderes. Diese vierzehn Phasen sind ja nur die Hälfte der Erscheinungen des Mondes. Der Mond hat vierzehn Phasen vom Neumond bis zum Vollmond und vierzehn Phasen vom Vollmond bis zum Neumond. Während der vierzehn Tage, die zum Neumond gehen, ist keine Osiriswirkung da. Da wird der Mond von der Sonne so beschienen, daß er allmählich seine unbeleuchtete Fläche der Erde als Neumond zuwendet. Diese vierzehn Phasen vom Vollmond bis zum Neumond haben auch ihre Wirkung, und diese Wirkung wird für das ägyptische Bewußtsein erreicht durch die Isis. Diese vierzehn Phasen werden von der Isis regiert. Durch die Isiswirkung gehen vierzehn andere Nervenstränge vom Rückenmark aus. Das gibt im ganzen achtundzwanzig Nervenstränge, die den verschiedenen Phasen des Mondes entsprechen. Da sehen wir den Ursprung ganz bestimmter Glieder des Menschenorganismus, aus den kosmischen Ereignissen heraus. Mancher wird nun sagen: Das sind ja nicht alle Nervenstränge, das sind ja nur achtundzwanzig. – Es wären nur achtundzwanzig, wenn das Mondenjahr mit dem Sonnenjahr zusammenfiele. Das Sonnenjahr ist aber länger, und die Differenz des Sonnenjahrs gegenüber dem Mondenjahr hatdie überzähligen Nervenstränge bewirkt. So ist dem Menschen eingegliedert worden in seinen Organismus von dem Monde aus die Isiswirkung und die Osiriswirkung. Damit ist aber noch etwas anderes verknüpft.

Bis zu dem Moment, als der Mond von außen zu wirken begann, gab es noch keine Zweigeschlechtlichkeit. Es gab bis dahin nur einen Menschen, der sozusagen beides war, männlich und weiblich. Jene Trennung geschah erst durch die abwechselnde Wirkung von Isis und Osiris vom Monde her, und je nachdem die Osirisnerven oder die Isisnerven eine besondere Wirkung auf den Organismus ausüben, je nachdem wird der Mensch männlich oder weiblich. Ein Organismus, in dem vorzugsweise die Isiswirkung herrscht, wird männhch, ein Leib, in dem die Osiriswirkung vorherrscht, wird weiblich. Natürlich wirken in jedem Mann und in jedem Weib beide Kräfte, Isis und Osiris, aber so, daß beim Manne der Ätherleib weiblich ist, und bei der Frau der Ätherleib männlich ist. Hier haben wir etwas von dem wunderbaren Zusammenhang, wie das Einzelwesen mit den Stellungen im Kosmos zusammenhängt.“ (Lit.:GA 106, S. 79ff)

Der Tod des Osiris im Zeichen des Skorpions

„Die Ägypter hinwiederum haben sich gesagt: Jene Zeit, in der die Menschen noch unmittelbar mit den Imaginationen lebten, das war die Zeit, in der Osiris auf Erden gewandelt hat. – Sie meinten natürlich nicht einen Osiris, sondern man meinte, daß es überhaupt eine Zeit gab, in der die Menschen auf der Erde in Imaginationen lebten, und diese Artung der Menschenseelen, in Imaginationen leben zu können, die bezeichnete man eben dadurch, daß man sagte: Osiris herrschte auf Erden. Verlorengegangen, getötet worden war dieses Leben in Imaginationen. Osiris ist von seinem Bruder – das heißt von derjenigen Kraft der Menschenseele, die zwar auch noch auf das Übersinnliche geht, aber nicht mehr die imaginativen Fähigkeiten entwickeln will –, von Typhon getötet worden. Es ist nicht mehr das alte Hellsehen vorhanden. Die Kräfte, die im alten Hellsehen tätig waren, sind jetzt bei den Toten. Deshalb ist Osiris der Totenrichter. Der Mensch trifft ihn, wenn er durch die Pforte des Todes gegangen ist. Mit dem Todesgeheimnis zusammen brachten die Menschen, welche die Osirismythe in den Mittelpunkt ihres Denkens stellten, die Gestalt des Osiris und der Isis. Aber es liegt in den Einzelheiten, durch die die Osirismythe ausgestaltet worden ist, all das, was ich so sage, eigentlich drinnen. Es ist auch der Zeitpunkt angegeben, in dem der Sage nach Osiris getötet worden ist von Typhon.

Und geradeso, wie wir hinweisen konnten auf eine ganz bestimmte Himmelskonstellation, welche die Magier des Morgenlandes kannten als diejenige Konstellation, in der die neue Weltenzeit herankommen solle – wir haben in den Weihnachtsvorträgen darauf hingewiesen, daß an einer gewissen Konstellation der «Jungfrau» die Magier des Morgenlandes erkannt haben, daß sie ihre Opfer dem neuen Weltenheiland darzubringen haben –, so haben auch diejenigen, die an die Osirismythe ihre Gedanken anschlössen, zurückverwiesen auf ganz bestimmte Sternenkonstellationen. Sie haben gesagt: Osiris wurde getötet – sie wollten sagen: Hingeschwunden ist das alte Leben in den Imaginationen –, als die im Herbste untergehende Sonne im siebzehnten Grad des Skorpion stand, und an dem entgegengesetzten Punkte der Vollmond im Stier oder in den Plejaden aufging. Diese Konstellation des im Stier in einem bestimmten Jahrpunkte aufgehenden Vollmondes im Zusammenhange mit der Skorpionstellung der Sonne, diesen Zeitpunkt der Entwickelung haben die Osirisbekenner als denjenigen angegeben, in dem Osiris von der Erde verschwunden ist, das heißt, in dem er nicht mehr da war.“ (Lit.:GA 180, S. 152)

Zusammenhang mit dem menschlichen Organismus

Die Dreiheit von Isis, Osiris und Horus spiegelt sich auch im menschlichen Organismus wider. Jeder Mensch ist seinem Wesen nach doppelgeschlechtlich und vereinigt männliche und weibliche Elemente in sich. Osiris bringt durch den Kehlkopf als männliches Element das lebendige Wort hervor und zeugt gemeinsam mit Isis, die den Lungeflügeln als weiblichem Element entspricht, das Herz, durch das Horus zum Ausdruck kommt.

„Was ist der ursprüngliche Osiris, der unzerstückelte Osiris? Was ist der zerteilte Osiris? Was vorher noch eine Einheit war im Menschen, das ist jetzt zerstückelt in die achtundzwanzig Nerven. Wir haben gesehen, wie er in uns selbst zerstückelt liegt. Ohne das hätte niemals bewirkt werden können, daß die menschliche Gestalt entstanden ist. Was hat sich aber zunächst unter dem Einfluß von Sonne und Mond gebildet? Zunächst entstand durch das Zusammenwirken aller der Nervenstränge nicht nur äußerlich Männliches und Weibliches, sondern auch im Inneren des Menschen entstand etwas durch den Einfluß des männlichen und weiblichen Prinzips. Es entstand die innerliche Isiswirkung, und diese innerliche Isiswirkung, das ist die Lunge. Die Lunge ist der Regulator der Einflüsse des Typhon oder Set. Und das, was auf den Menschen von Osiris aus wirkt, das wirkt, indem es die weibliche Wirkung anregt, in männlicher Art so, daß produktiv gemacht wird die Lunge durch den Atem. Durch die Wirkungen, die ausgehen von Sonne und Mond, wird geregelt das männliche und weibliche Prinzip: in jedem Weiblichen ein Männliches – der Kehlkopf; in jedem Männlichen ein Weibliches – die Lunge.

Innerlich wirkt Isis und Osiris in jedem Menschen, in bezug auf seine höhere Natur. So ist jeder Mensch doppelgeschlechtlich, denn jeder Mensch hat Lunge und Kehlkopf. Jeder Mensch, ob Weib oder Mann, hat gleich viele Nerven. Und nunmehr, nachdem sich auf diese Weise Isis und Osiris der niederen Natur entrissen haben, da haben sie den Sohn geboren, den Schöpfer des zukünftigen Erdenmenschen. Beide haben hervorgebracht den Horus. Isis und Osiris haben gezeugt das Kind, gehütet und gepflegt von der Isis: das menschliche Herz, gehütet und gepflegt von den Lungenflügeln der Mutter Isis. Hier haben wir in der ägyptischen Vorstellung etwas, was uns zeigt, daß in diesen alten Mysterienschulen das, was höhere Natur des Menschen geworden war, als Männlich-Weibliches angesehen wurde: das, was der Inder als Brahma erkannte. Dem indischen Schüler, dem wurde schon im Urmenschen gezeigt, was später einmal als jene höhere Gestalt erscheint. Horus, das Kind wurde ihm gezeigt, und es wurde ihm gesagt: das alles ist entstanden durch den Urlaut, durch die Vâc, den Urlaut, der sich differenziert in viele Laute. – Und das, was der indische Schüler erlebte, das ist uns erhalten geblieben in einem merkwürdigen Spruch im Rigveda. Eine Stelle steht darinnen, die heißt: Und es kommen über den Menschen die sieben von unten, die acht von oben, die neun von hinten, die zehn aus den Gründen des Felsengewölbes und die zehn aus dem Inneren, während die Mutter sorgt für das zu tränkende Kind. – Das ist eine merkwürdige Stelle. Stellen wir uns einmal diese Isis, die ich als Lunge schilderte, diesen Osiris, den ich geschildert habe als Atmungsapparat, vor, und denken wir das alles: wie da die Stimme hineinwirkt, sich differenziert als Kehllaute, Lungenlaute, wie sie in Buchstaben sich differenziert. Diese Buchstaben kommen von verschiedenen Seiten: sieben kommen von unten aus der Kehle und so weiter. Das eigentümliche Wirken von allem, was mit unserem Luftapparat zusammenhängt, ist darin niedergelegt. Wo der Laut sich differenziert und gliedert, da ist die höhere Mutter, die das Kind hegt und pflegt – die Mutter: die Lunge; das Kind: das unter allen den Einflüssen gebildete menschliche Herz, aus dem die Impulse kommen, die Stimme zu beseelen.“ (Lit.:GA 106, S. 83f)

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Einzelnachweise

  1. Dreikönigsfest – Heilige drei Könige – Erscheinungsfest – Epiphanias Abschnitt „Geschichtliches zum Erscheinungsfest“ auf logo-buch.de
  2. Heinz Grill: Die Heilkraft der Seele. Der Lichtäther und der Lichtseelenprozess. 3. vollständig überarbeitete Auflage. Stephan Wunderlich Verlag, 2015, ISBN 978-3-9817200-2-0, S. 14.
Dieser Artikel basiert (teilweise) auf dem Artikel Osiris aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike. In Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.