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Emissionstheorie (Sehen)

Aus AnthroWiki
(Weitergeleitet von Intromissionstheorie)

Die Emissionstheorie, manchmal auch Extramissionstheorie genannt, geht davon aus, dass die visuelle Wahrnehmung durch Sehstrahlen bzw. Lichtstrahlen entsteht, die von den Augen ausgesandt werden. Diese Theorie, die von verschiedenen Philosophen des Altertums vertreten wurde, steht im Gegensatz zur gegnerischen Intromissionstheorie - heute Rezeptionstheorie genannt -, die ebenfalls von ihren Zeitgenossen vertreten wurde und besagt, dass das Sehen durch Lichtstrahlen entsteht, die vom betrachteten Objekt ausgehen und von den Augen aufgefangen werden.

Ursprung

Die Emissionstheorie ist tief in unserer phänomenologischen Erfahrung verwurzelt, da das Auge von Natur aus auf Objekte gerichtet ist, was dazu führt, dass das Sehen mit der Erfahrung des Blicks verwechselt wird.[1] Jahrtausendelang glaubte man sogar, dass das Auge das Licht ausstrahlt, mit dem es die Objekte wahrnimmt.[2] Diese Vorstellung, die in der antiken Dichtung häufig anzutreffen ist, macht aus dem menschlichen Blick ein Feuer, das vom Auge ausgeht.[3]

Dieser Glaube stützte sich für manche auch auf die Tatsache, dass die Augen einiger Tierarten, wie z. B. Katzen, im Dunkeln sichtbares Licht auszustrahlen scheinen - obwohl man heute weiß, dass dies auf die starke Reflexionsschicht des Tapetum lucidum ihrer Netzhaut zurückzuführen ist.[4]

Varianten der Emissionstheorie

Für Pythagoras (580 - 495 v. Chr.) und seine Anhänger beruht das Sehen auf einem vom Auge ausgehenden Sehstrahl, der "in gerader Linie auf das trifft, was der Blick erreicht.[5]

Empedokles

Empedokles (490 - 430 v. Chr.) entwickelte die Theorie, dass die gesamte Welt aus vier Elementen besteht: Feuer, Luft, Erde und Wasser. Aphrodite hat das menschliche Auge aus diesen vier Elementen geschaffen und sie ist es, die das innere Feuer entzündet, das aus dem Auge leuchtet und das Sehen ermöglicht. Empedokles postuliert auch eine Wechselwirkung zwischen den Strahlen, die das Auge aussendet, und denen einer externen Quelle wie der Sonne. Dieser Strom dringt in das Auge des Betrachters ein, wo ein dynamisches Gleichgewicht zwischen Feuer und Wasser herrscht.[6]

Platon

Platon (428 - 348 v. Chr.) beschäftigte sich in seinen Dialogen Timaios, Theaitetos und Menon mit dem Phänomen des Sehens. Er greift die Auffassung von Empedokles auf und baut sie in sein philosophisches System ein. Während er an der Emissionstheorie festhält, akzeptiert er zugleich die Existenz von Lichtstrahlen, die aus einer anderen Quelle stammen und zum Sehen beitragen[2]:

„Von diesen Werkzeugen aber verfertigten sie zuerst die Leiter des Lichtes, die Augen, und befestigten sie aus folgender Ursache im Gesichte: Soviel nämlich vom Feuer nicht die Eigenschaft hat zu brennen, sondern das milde Licht zu verbreiten, welches jedem Tage eigentümlich ist, bildeten sie zu einem Körper. Nämlich das in uns befindliche, hiermit verwandte reine Feuer ließen sie glatt und dicht aus den Augen ausströmen, indem sie ihr ganzes Gewebe, und zwar vorzugsweise den mittleren Teil von ihm, so fest zusammenzogen, daß es alles andere Feuer von dichterer Beschaffenheit zurückhält und nur das von jener Art rein hindurchläßt. Sobald daher das Tageslicht diese Ausströmung des Sehstrahles in sich aufnimmt, so strömt eben damit Gleichartiges zu Gleichartigem aus, und beides verschmilzt durch diese seine Verwandtschaft in gerader Richtung vom Auge zu einem einzigen Körper, wo nur immer das von innen ausströmende Feuer an demjenigen, welches von den äußeren Gegenständen her mit ihm zusammentrifft, im Gegenstoße einen Halt findet. Und da nun dieser Lichtkörper eben wegen seiner durchweg gleichartigen Beschaffenheit auch in allen seinen Teilen die gleichen Eindrücke empfängt, so teilt er von allen Gegenständen, mit welchem derselben er nur immer in Berührung tritt und welcher andere mit ihm, ihre Bewegungen dergestalt dem ganzen Leibe mit, daß sie durch diesen bis zur Seele hindurchdringen, und erzeugt so die Empfindung, auf welche eben wir den Ausdruck »wir sehen« anwenden. Sobald dagegen das ihm verwandte Feuer des Tages in Nacht dahingegangen, so wird und bleibt der Sehstrahl vom Auge abgeschnitten; denn da er nunmehr zu Unähnlichem heraustritt, so verändert er auch sich selber und erlischt, indem er nicht mehr mit der umgebenden Luft eine Verbindung eingeht, weil diese kein Feuer hat. Er hört daher auf, eine Gesichtswahrnehmung hervorzubringen, und führt überdies auch den Schlaf herbei.“

Für Platon findet beim Sehen „also nicht eine Verschmelzung mit der Welt statt, sondern mit einem Prinzip außerhalb des Menschen, das göttlichen Ursprungs ist und das Sehen ermöglicht.“[3]

Im Theaitetos kommt er auf das Thema zurück und argumentiert in Bezug auf die Farbe:

„... was du weiße Farbe nennst, daß dies nicht selbst etwas Besonderes ist außerhalb deiner Augen noch auch in deinen Augen, und daß du ihm ja keinen Ort bestimmst, denn sonst wäre es schon, wenn es bestimmt irgendwo wäre, und beharrte, und würde nicht bloß im Entstehen [...] Folgen wir nur dem eben vorgetragenen Satz, daß nichts an und für sich ein Bestimmtes ist, und es wird uns deutlich werden, daß Schwarz und Weiß und jede andere Farbe aus dem Zusammenstoßen der Augen mit der zu ihr gehörigen Bewegung entstanden ist, und was wir jedesmal Farbe nennen, wird weder das Anstoßende sein noch das Angestoßene, sondern ein dazwischen jedem besonders Entstandenes.“

Platon: Theaitetos[8]

Aristoteles

Die von Aristoteles (384 - 322 v. Chr.) in der Abhandlung «Über die Seele» vertretene Theorie unterscheidet sich von der Platons dadurch, dass er sich einen Zwischenort zwischen Auge und Objekt[9] vorstellt, der als "das Diaphane" oder "die Transparenz" bezeichnet wird und an dem sich die sichtbaren Objekte befinden. Die Farbe ist ein wesentlicher Bestandteil seiner Theorie und die Voraussetzung für die Sichtbarkeit selbst: "Das Sichtbare ist nämlich Farbe, und Farbe ist das, was sich auf der Oberfläche des Sichtbaren befindet".[10] Die Farbe ist das, was sich auf der Oberfläche des Sichtbaren befindet. Er stellt klar, dass Licht für die Wahrnehmung von Farbe und damit für das Sehen unerlässlich ist. Wie Jean-Marc Luce anmerkt, "übernimmt er von Demokrit die Idee, dass das Sichtbare von der Oberfläche der Dinge kommt, ersetzt aber die Ausflüsse durch die Farbe."[10] Außerdem ist Bewegung notwendig: "Die Farbe bewegt die Transparenz, z. B. die Luft, und diese, die kontinuierlich ist, bewegt ihrerseits das Sinnesorgan".[10] Die Farbe ist die Grundlage für die Bewegung des Sinnesorgans.

In seinem Werk «De Sensu» lehnt er die Auffassung der Emission ab: "Es ist aber ganz absurd zu sagen, dass die Sehkraft durch etwas, das aus ihr hervorgeht, sieht und sich bis zu den Gestirnen erstreckt, oder dass sie, aus dem Auge hervorgegangen, sich in einer gewissen Entfernung mit dem äußeren Licht verbindet, wie einige sagen."[11]

Während Aristoteles auf diese Weise die Emissionstheorie in Frage stellt, gibt er jedoch nicht völlig die Annahme auf, dass auch das Auge Lichtstrahlen aussendet. Dies geht aus einer Passage in seinem Werk «Über Träume» hervor:

„Denn bei Spiegeln, die sehr sauber sind, geschieht es, daß, wenn Frauen während der Menstruation in den Spiegel schauen, die Oberfläche des Spiegels wie ein blutartiger Nebel wird; und wenn der Spiegel neu ist, ist es nicht leicht, einen derartigen Fleck abzuwischen, ist er jedoch alt, so ist es leichter. Der [460 a] Grund ist, wie gesagt, daß das Gesicht nicht nur durch Zutun der Luft etwas erleidet, sondern auch etwas (darin) bewirkt und eine Bewegung verursacht, wie es auch die glänzenden Gegenstände tun; auch das Auge gehört ja zu denjenigen Gegenständen, die glänzend sind und Farbe besitzen.“

Aristoteles: Über Träume[12]

Euklid

Um 300 v. Chr. schrieb Euklid eine optische Abhandlung mit dem Titel «Optika» (griech. Ὀπτικά), in der er die Eigenschaften des Lichts untersuchte. In diesem Werk, das das älteste zu diesem Thema ist, bietet er eine bemerkenswerte Analyse der Optik aus physikalischer Sicht.[13] Unter der Annahme, dass sich das Licht in einer geraden Linie bewegt, beschreibt er die Gesetze der Reflexion und untersucht sie auf mathematische Weise: "Diese Geometrisierung des Blicks ermöglicht Berechnungen der Größe von Objekten, die ähnlichen visuellen Eindrücken entsprechen."[14] Indem er das Sehen als einen Kegel analysiert, dessen Spitze das Auge ist, schlägt er "ein Darstellungssystem vor, das es ermöglicht, den Sehfluss in Strahlen zu zerlegen, die vom Sehorgan ausgehen und die Dinge erreichen. Diese Geometrisierung des Blicks ermöglicht Berechnungen der Größe von Objekten, die ähnlichen visuellen Eindrücken entsprechen."[14]

Ptolemäus

Claudius Ptolemäus (100-168) nähert sich dem Sehen ganz anders als Euklid, indem er sich sowohl mit dem experimentellen als auch mit dem psychologischen Gesichtspunkt befasst und so die Physik mit der Psychologie des Sehens versöhnt. Er klassifiziert verschiedene Arten von visuellen Illusionen nach Farbe, Position, Größe, Form und Bewegung. Er zeigt, dass die wahrgenommene Größe eines Objekts nicht auf eine Frage des Blickwinkels reduziert werden kann, und führt den Begriff der Wahrnehmungskonstanz als Funktion des Blickwinkels und der Entfernung ein.[15] Wie Euklid akzeptiert auch er die Emissionstheorie, geht aber davon aus, dass sich die Lichtstrahlen, die das Auge verlassen, genauso bewegen wie die, die in das Auge eintreten, da das Licht durch seinen Weg geformt wird und nicht als ein sich bewegendes Objekt.[16]

Galenos

Auch der Arzt Galenos von Pergamon (130-200) erklärte das Phänomen des Sehens mit der Emissionstheorie. Obwohl seine Abhandlung «Über die Optik» verloren gegangen ist, lässt sich seine Position anhand von Andeutungen in seinen Werken über die Anatomie rekonstruieren, in denen er die Physiologie des Auges mit großer Genauigkeit beschrieb.[17] So setzte er die Existenz eines " pneuma luminis" voraus, einer Art leichten Atems, "der fortwährend aus dem Gehirn ausströmt ": Diese Lichtemissionen werden durch die Linse "in Richtung des betrachteten Objekts geschleudert und kehren dann in die Linse zurück, um durch die Röhre des Sehnervs in den dritten Ventrikel des Gehirns geleitet zu werden, wo sich der Sitz der Seele befinden sollte."[18]

Dank seiner medizinischen Autorität sollte die Emissionstheorie noch ein weiteres Jahrtausend lang dominieren.[19]

Einige Bemerkungen Leonardo da Vincis (1452-1519) in seinen Notizbüchern deuten darauf hin, dass er diese Emissionstheorie immer noch teilte.[20]

Einzelnachweise

  1. Winer, G. A., Cottrell, J. E., Gregg, V., Fournier, J. S., & Bica, L. A. (2002). Fundamentally misunderstanding visual perception: Adults' beliefs in visual emissions. American Psychologist, 57(6-7), 417-424. doi:10.1037/0003-066X.57.6-7.417
  2. Hochspringen nach: 2,0 2,1 Nicholas J. Wade et Michael T. Swanston, Visual Perception. An Introduction, New York, Routledge, 2013
  3. Hochspringen nach: 3,0 3,1 Jean-Marc Luce, Vision et subjectivité dans l'Antiquité, Pallas, no 92,‎ 2013, p. 11-26 jstor
  4. Gezienus ten Doesschate (1962), Oxford and the revival of optics in the thirteenth century. Vision Research, 1, 313-342.
  5. Anonym. Des « théories de la vision » à l'« anthropologie du regard » : nouvelles perspectives de recherche? Cahiers des études anciennes,‎ 2014 online
  6. R. E. Siegel. Theories of vision and color perception of Empedocles and Democritus; some similarities to the modern approach. Bulletin of the History of Medicine, nos 33, 145,‎ 1959
  7. Platon: Sämtliche Werke. Band 3, Berlin [1940], S. 125-126. zeno.org
  8. Platon. Theaitetos. In: Platon: Sämtliche Werke. Band 2, Berlin [1940], S. 578. zeno.org.
  9. Luce 2013, S. 12.
  10. Hochspringen nach: 10,0 10,1 10,2 Aristoteles, De Anima II, 7 (418a-419b).
  11. Aristoteles, De Sensu, 438a
  12. Aristoteles: Über Träume, (459 b30) pdf
  13. Wade & Swanston 2013, S. 34.
  14. Hochspringen nach: 14,0 14,1 Luce 2013, S. 14.
  15. Wade & Swanston 2013, S. 34.
  16. Anne Rooney, The History of Physics, The Rosen Publishing Group, 2012, S. 36-37.
  17. Claudii Galeni Opera omnia. I–XX. Hrsg. von Karl Gottlob Kühn, Leipzig 1821–1833 (= Medicorum Graecorum opera quae exstant, 1–20); Neudruck Hildesheim: Olms, 1965
  18. Jean J. De Laey, The Eye of Vesalius, Acta Ophthalmologica,‎ 2011
  19. https://web.stanford.edu/class/history13/earlysciencelab/body/eyespages/eye.html, abgerufen am 12. April 2023
  20. Winer et al. 2002, S. 417.
Dieser Artikel basiert auf einer für AnthroWiki adaptierten Fassung des Artikels Théorie de l'émission (vision) aus der freien Enzyklopädie fr.wikipedia.org und steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike. In Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.