Natura non facit saltus

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Natura non facit saltus (lat. „Die Natur macht keine Sprünge“; griech. Ἡ φύσις οὐδὲν ποιεῖ ἅλματα, Hē physis ouden poiei halmata) ist ein in der griechischen Philosophie schon von den Eleaten posuliertes und von Aristoteles verfeinertes Prinzip, wonach sich alle alle Naturvorgänge kontinuierlich und kausal, jedoch niemals sprunghaft und zufällig vollziehen. Daher könne auch niemals etwas aus dem Nichts entstehen oder ins Nichts verschwinden. Diese Denkungsart, die wohl die Gesetzmäßigkeiten des Geschaffenen in ihrem logischen Zusammenhang, aber niemals den Schöpfungsakt selbst erfassen kann, entspricht ganz den Fähigkeiten der Verstandesseele und hat die Philosophie, Theologie und Naturwissenschaft bis zum Ende des 19. Jahrhunderts nachhaltig geprägt. Aus dieser Gesinnung wurde später in den Naturwissenschaften etwa der Massenerhaltungssatz und etwas später der Energieerhaltungssatz formuliert. Aus theologischer Sicht bleibt die Creatio ex nihilo, die „Schöpfung aus dem Nichts“, Gott alleine vorbehalten und steht jenseits der menschlichen Begreifbarkeit. Die Scholastiker sprachen in diesem Sinn von Gott als der Ersten Ursache. Sie konnten sich dabei auf Aristoteles berufen, der bereits in seiner Metaphysik von einem „ersten unbewegten Bewegenden“ (altgriech. πρῶτον κινοῦν ἀκίνητον, prôton kinoun akinêton) gesprochen hatte[1]. Tatsächlich tritt mit jedem schöpferischen Akt durch einen verstandesmäßig nicht zu fassenden Sprung etwas völlig Neues in die Welt, das in keiner Weise aus dem Vergangenen abgeleitet werden kann. Spricht man dem Menschen diese Fähigkeit ab, verleugnet man seinen eigentlichen geistigen Wesenskern, sein Ich.

Mit der ab 1900 durch Max Planck angestoßenen Entwicklung der Quantentheorie wurde klar, dass das Prinzip Natura non facit saltus im Bereich atomarer Dimensionen ( 10-10 m) im physikalischen Sinn seine Gültigkeit verliert. Quantenphänomene sind grundsätzlich diskret und akausal. Quantentheoretisch beschreibbare Zustände können nicht kontinuierlich, sondern nur durch einen Quantensprung[2] ineinander übergehen. Wann und wo das geschieht, kann nicht exakt, sondern nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorhergesagt werden.

Einzelnachweise

  1. Aristoteles: Metaphysik, Buch XII, Kapitel 7: Der erste Bewegende und seine Tätigkeit, 1072a f.
  2. Im wissenschaftlichen Sprachgebrauch wird das Wort «Quantensprung» heute kaum mehr gebraucht, ist dafür aber zu einem populären Schlagwort geworden.