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Parmenides
Parmenides von Elea (griech. Παρμενίδης; * um 520/515 v. Chr.; † um 460/455 v. Chr.) war einer der bedeutendsten griechischen Philosophen aus der Zeit der Vorsokratiker und lebte in der von Griechen begründeten süditalienischen Stadt Elea. Sein Freund und Schüler war Zenon von Elea. Im Zentrum von Parmenides Lehre und auch aller anderen Eleaten stand die Unveränderlichkeit des Seins; alle Veränderung, alles Werden und Vergehen, ist ihm nur Schein, entspringend dem Wahn der Sterblichen.
Über die Natur
In seinem Gedicht Über die Natur schildert Parmenides, wie er mit einem Rossegespann, geleitet von Mädchen, bis vor das von Dike, der Göttin der Gerechtigkeit, bewachte Tor geführt wird, wo sich die Pfade des Tages und der Nacht scheiden. Er wird eingelassen und soll hier durch der Göttin "verläßliches Reden und Denken" alles erfahren, "der wohlgerundeten Wahrheit unerschütterliches Herz und der Sterblichen Wahngedanken, denen verläßliche Wahrheit nicht innewohnt."[1] So erfährt er zunächst:
„Dies ist nötig zu sagen und zu denken, daß [nur] das Seiende existiert. Denn seine Existenz ist möglich, die des Nichtseienden dagegen nicht; das heiß' ich Dich wohl zu beherzigen.“
Rudolf Steiner bemerkt zum Denken des Parmenides:
„Parmenides sieht in der äußeren Natur, welche die Sinne betrachten, das Unwahre, Täuschende; in der Einheit, dem Unvergänglichen, das der Gedanke ergreift, allein das Wahre.“ (Lit.: GA 18, S. 57)
Denken und Sein ist für Parmenides ein und dasselbe:
„Denn [das Seiende] denken und sein ist dasselbe.“
„Denken und des Gedankens Ziel ist ein und dasselbe; denn nicht ohne das Seiende, in dem es sich ausgesprochen findet, kannst Du das Denken antreffen. Es gibt ja nichts und wird nichts anderes geben außerhalb des Seienden, da es ja das Schicksal an das unzerstückelte und unbewegliche Wesen gebunden hat. Darum muß alles leerer Schall sein, was die Sterblichen [in ihrer Sprache] festgelegt haben, überzeugt, es sei wahr: Werden sowohl als Vergehen, Sein sowohl als Nichtsein, Veränderung des Ortes und Wechsel der leuchtenden Farbe.“
„Man wird die Bedeutung dieser Weltanschauung, die man die eleatische nennt (Parmenides und Zenon sind aus Elea), erkennen, wenn man den Blick darauf lenkt, daß ihre Träger mit der Ausbildung des Gedanken-Erlebens so weit fortgeschritten sind, daß sie dieses Erleben zu einer besonderen Kunst, zur sogenannten Dialektik gestaltet haben. In dieser «Gedanken-Kunst» lernt sich die Seele in ihrer Selbständigkeit und inneren Geschlossenheit erfühlen. Damit wird die Realität der Seele als das empfunden, was sie durch ihr eigenes Wesen ist, und als was sie sich dadurch fühlt, daß sie nicht mehr, wie in der Vorzeit, das allgemeine Welt-Erleben mitlebt, sondern in sich ein Leben - das Gedanken-Erleben - entfaltet, das in ihr wurzelt, und durch das sie sieb eingepflanzt fühlen kann in einen rein geistigen Weltengrund. Zunächst kommt diese Empfindung noch nicht in einem deutlich ausgesprochenen Gedanken zum Ausdruck; man kann sie aber als Empfindung lebendig in diesem Zeitalter fühlen an der Schätzung, welche ihr zuteil wird. Nach einem «Gespräche» Platos wurde von Parmenides dem jungen Sokrates gesagt: er solle von Zenon die Gedankenkunst lernen, sonst müßte ihm die Wahrheit ferne bleiben. Man empfand diese «Gedankenkunst» als eine Notwendigkeit für die Menschenseele, die an die geistigen Urgründe des Daseins herantreten will.“ (Lit.: GA 18, S. 57)
Parmenides stand mit seinen Ansichten im schroffen Gegensatz zu Heraklit, der die beständige Veränderlichkeit alles Seins betonte:
„Von einer ganz anderen Seite als die bisher genannten Denker suchten Parmenides und seine Anhänger den Welterscheinungen beizukommen. Sie gingen davon aus, daß uns unsere Sinne kein treues, wahrhaftes Bild der Welt liefern können. Heraklit hat aus dem Umstande, daß sich alles ewig verwandelt, gerade den Schluß gezogen, daß es nichts Bleibendes gibt, sondern daß der ewige Fluß aller Dinge dem wahren Sein entspricht. Parmenides sagte genau umgekehrt: weil sich in der Außenwelt alles verwandelt, weil hier ewig alles entsteht und vergeht, deswegen können wir das Wahre, das Bleibende nicht durch Beobachtung der Außenwelt gewinnen. Wir müssen das, was diese Außenweit uns darbietet, als Schein auffassen und können das Ewige, das Bleibende nur durch das Denken selbst gewinnen. Die Außenwelt ist ein Sinnentrug, ein Traum, der ganz etwas anderes ist, als was uns die Sinne vorgaukeln. Was dieser Traum wirklich ist, was sich ewig gleich bleibt, das können wir nicht durch Beobachtung der Außenwelt gewinnen, das offenbart sich uns durch das Denken. In der Außenwelt ist Vielfältigkeit und Verschiedenheit; im Denken enthüllt sich uns das Ewig-Eine, das sich nicht ändert, das sich immer gleich bleibt. So spricht sich Parmenides in seinem Lehrgedicht «Uber die Natur» aus. Wir haben es da also mit einer Weltanschauung zu tun, welche die Wahrheit nicht aus den Dingen selbst holen will, sondern welche den Urgrund der Welt aus dem Denken heraus zu spinnen sucht.“ (Lit.: GA 51, S. 24f)
„In schroffen Gegensatz zu Heraklit stellt sich deshalb Parmenides. Mit all der Einseitigkeit, die nur einer kühnen Philosophennatur möglich ist, verwarf er jegliches Zeugnis der sinnlichen Wahrnehmung. Denn eben diese in jedem Augenblick sich ändernde Sinnenwelt verführt zu der Ansicht des Heraklit. Dafür sprach er als den Quell aller Wahrheit einzig und allein die Offenbarungen an, die aus dem innersten Kern der menschlichen Persönlichkeit hervordringen, die Offenbarungen des Denkens. Nicht was vor den Sinnen vorüberfließt, ist das wirkliche Wesen der Dinge - nach seiner Ansicht, sondern die Gedanken, die Ideen, welche das Denken in diesem Strome gewahr wird und festhält!
Wie so vieles, was als Gegenschlag auf eine Einseitigkeit erfolgt, so wurde auch die Denkweise des Parmenides verhängnisvoll. Sie verdarb das europäische Denken auf Jahrhunderte hinaus. Sie untergrub das Vertrauen in die Sinneswahrnehmung. Während nämlich ein unbefangener, naiver Blick auf die Sinnenwelt aus dieser selbst den Gedankeninhalt schöpft, der den menschlichen Erkenntnistrieb befriedigt, glaubte die im Sinne des Parmenides sich fortentwickelnde philosophische Bewegung die rechte Wahrheit nur aus dem reinen, abstrakten Denken schöpfen zu sollen.
Die Gedanken, die wir in lebendigem Verkehr mit der Sinnenwelt gewinnen, haben einen individuellen Charakter, sie haben die Wärme von etwas Erlebtem in sich. Wir exponieren unsere Person, indem wir Ideen aus der Welt herauslösen. Wir fühlen uns als Überwinder der Sinnenwelt, wenn wir sie in die Gedankenwelt einfangen. Das abstrakte, reine Denken hat etwas Unpersönliches, Kaltes. Wir fühlen immer einen Zwang, wenn wir die Ideen aus dem reinen Denken herausspinnen. Unser Selbstgefühl kann durch ein solches Denken nicht gehoben werden. Denn wir müssen uns der Gedankennotwendigkeit einfach unterwerfen.
Parmenides hat nicht berücksichtigt, daß das Denken eine Tätigkeit der menschlichen Persönlichkeit ist. Er hat es unpersönlich, als ewigen Seinsinhalt, genommen. Das Gedachte ist das Seiende, hat er gesagt. Er hat dadurch an die Stelle der alten Götter einen neuen gesetzt. Während die ältere, religiöse Vorstellungsweise den ganzen, fühlenden, wollenden und denkenden Menschen als Gott an die Spitze der Welt gesetzt hatte, nahm Parmenides eine einzelne menschliche Tätigkeit, einen Teil aus der Persönlichkeit heraus und machte daraus ein göttliches Wesen.“ (Lit.: GA 30, S. 106f)
Zuletzt vergleicht Parmenides die Vollkommenheit des Seins mit der vollkommenen Gestalt einer Kugel:
„Aber da eine letzte Grenze vorhanden, so ist [das Seiende] abgeschlossen nach allen Seiten hin, vergleichbar der Masse einer wohlgerundeten Kugel, von der Mitte nach allen Seiten hin gleich stark. Es darf ja nicht da und dort etwa größer oder schwächer sein. Denn da gibt es weder ein Nichts, das eine Vereinigung aufhöbe, noch kann ein Seiendes irgendwie hier mehr, dort weniger vorhanden sein als das Seiende, da es ganz unverletzlich ist. Denn [der Mittelpunkt,] wohin es von allen Seiten gleichweit ist, zielt gleichmäßig auf die Grenzen.“
Siehe auch
- Parmenides - Artikel in der deutschen Wikipedia
Literatur
- Rudolf Steiner: Die Rätsel der Philosophie in ihrer Geschichte als Umriß dargestellt, GA 18 (1985), ISBN 3-7274-0180-X pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
- Rudolf Steiner: Methodische Grundlagen der Anthroposophie, GA 30 (1989), ISBN 3-7274-0300-4 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
- Rudolf Steiner: Über Philosophie, Geschichte und Literatur, GA 51 (1983), ISBN 3-7274-0510-4 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
- Joachim Stiller: Parmenides - Das Lehrgedicht "Über die Natur" PDF
Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
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Weblinks
- Vier parallele Übersetzungen des Lehrgedichts "Über die Natur" - drei in Englisch, eine auf Deutsch
- Parmenides - Lehrgedicht Über die Menschwerdung des Geistes - Kritische Neuübersetzung, neue Ergebnise und Lösungen zum Lehrgedicht von Friedrich Koplin
- Friedrich Koplin: Zenon hat recht! Wir sind die Dummen! Die „Aporien“ des Zenon und das Lehrgedicht des Parmenides
Einzelnachweise
Dieser Artikel basiert auf einer für AnthroWiki adaptierten Fassung des Artikels Parmenides aus der freien Enzyklopädie de.wikipedia.org und steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike. In Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar. |