Privatoffenbarung

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Die hl. Hildegard von Bingen bei der Niederschrift ihrer Visionen, Miniatur aus dem Rupertsberger Codex des Liber Scivias.

Eine Privatoffenbarung ist die Bezeichnung der römisch-katholischen Kirche für eine Offenbarung Christi, Mariens oder eines Engels an einen Menschen als Privatperson, die als für die Gläubigen unverbindlich, wenn auch gegebenenfalls nicht ohne Bedeutung definiert wird.

Kirchliche Anerkennung

In der römisch-katholischen Kirche kann eine Privatoffenbarung „anerkannt“ werden, aber dies bedeutet nur, dass ihrem Inhalt nach im Sinne eines nihil obstat nichts gefunden wurde, was der heiligen Schrift, der kirchlichen Tradition und dem Lehramt der Kirche – nach katholischem Verständnis die drei Quellen der Glaubenswahrheit – im Widerspruch steht. Es wird also keine Aussage darüber getroffen, ob die jeweilige Privatoffenbarung tatsächlich übernatürlichen Ursprungs ist, dies bleibt vielmehr dem Glauben des Einzelnen überlassen.

Am 24. Februar 1978 legte die vatikanische Glaubenskongregation Normen für die kirchliche Beurteilung von Privatoffenbarungen fest.[1]

Erscheinungen, Visionen, Botschaften

Von der Anzahl her gesehen finden die meisten neueren Privatoffenbarungen seit dem 18. Jahrhundert im Rahmen von Marienerscheinungen statt, z. B. in Lourdes, La Salette, Fatima oder bei Maria von Agreda.

Nicht marianische Privatoffenbarungen, bei denen häufig Engel oder nicht näher definierte Stimmen als den Seher begleitende oder die Schauungen erläuternde Protagonisten auftreten, die teilweise mit Jesus Christus, dem Heiligen Geist oder einem bestimmten Heiligen identifiziert werden, finden sich in den Erlebnissen und Berichten vieler Mystiker und Visionäre wie Hildegard von Bingen, Angela von Foligno, Jeanne d’Arc, Teresa von Ávila, Anna Katharina Emmerick oder Therese Neumann. Da der theologische Begriff der Privatoffenbarung neueren Ursprungs ist und im Mittelalter begrifflich nicht zwischen „offizieller“ (kirchlicher bzw. biblischer) und „privater“ Offenbarung unterschieden wurde, werden solche älteren mystischen Berichte heute nur selten mit dem Begriff in Verbindung gebracht, obwohl sich die Erfahrungen nicht grundlegend zu unterscheiden scheinen. Sie fallen in der kirchlichen Bewertung ebenso unter diese Definition.

Gewisse Schwierigkeiten für die Frage der Verbindlichkeit des Glaubens an die Echtheit „privater“ Offenbarungen oder Botschaften ergeben sich dann, wenn die betreffenden Seher oder Medien von der Kirche durch Kanonisation bestätigt und zu Kirchenlehrern erhoben worden sind, womit die Überlieferungen zu solchen Heiligen einen quasi „offiziellen“ Charakter erhalten. Der von Katholiken geforderte Glaube an die Richtigkeit der kirchlichen Entscheidung bezieht sich jedoch auf die grundlegende Beurteilung der Person und ihrer Heiligkeit, nicht aber auf alle Einzelheiten ihrer mystischen oder übernatürlichen Erkenntnisse, Wunder, privaten Lehren oder Botschaften.

Die Stellung der Anthroposophie aus römisch-katholischer Sicht und die Christengemeinschaft

Aus römisch-katholischer Sicht handelt es sich bei der Geisteswissenschaft Rudolf Steiners um Privatoffenbarungen. Dies stößt sich allerdings mit dem Wissenschaftsanspruch der Anthroposophie. So kann man hier von einer generellen Unvereinbarkeit beider - der römisch-katholischen und der anthroposophischen - Auffassungen sprechen. Hinzu kommt noch, dass kirchlicherseits mit einer Neuoffenbarung im Rahmen der Wiederkunft Christi gerechnet wird. Da diese allerdings aus anthroposophischer Perspektive bereits längst eingetreten ist, so kann u.a. auch die Anthroposophie als eine solche Neuoffenbarung gewertet werden.

Die Auffassung der Christengemeinschaft hierzu nimmt eine Sonderstellung ein.

"In diesem Zusammenhang äußerte Michael Debus (Pfarrer der Christengemeinschaft) überraschend und zugespitzt die Auffassung, die Anthroposophie sei letztlich eine Privatoffenbarung Rudolf Steiners und habe keinen Anspruch auf öffentliche Bedeutung. Steiner habe auch für sich keine Autorität beansprucht. Interessanterweise wurde dem Referenten von keinem der anwesenden Anthroposophen widersprochen. In der anschließenden Diskussion versuchte Michael Debus noch einmal sein Verständnis von „Privatoffenbarung“ zu präzisieren, indem er im Gegenüber zur notwendigen kirchenamtlichen Approbation einer Privatoffenbarung in der katholischen Kirche klarstellte, dass nur der Einzelne selbst eine solche Privatoffenbarung anerkennen könne. Sie müsse deshalb nicht auch für den Nachbarn gelten. In eben diesem Sinne habe Rudolf Steiner keinen Glaubensanspruch in Bezug auf seine Offenbarungserkenntnisse erhoben."[2]

Auch die Schauungen und Visionen ("Zeitreisen") der Judith von Halle werden katholischerseits als Privatoffenbarung angesehen. Dies gilt aber nicht für die Anthroposophie, insoweit sie sich als Erkenntniswissenschaft höherer Welten versteht.

Einzelnachweise

Literatur

  • Ramon de Luca: Echt oder unecht? Die Unterscheidungskriterien der Kirche bei Privatoffenbarungen, Verax-Verlag, Müstair/GR 1998, ISBN 3-909065-03-1.
  • Prosper Lambertini/Benedikt XIV.:De beatificatione et canonizatione servorum Dei, 1734-1738.
  • R.P. Joannis Martinez de Ripalda: De ente supernaturali disputationes theologicae, Ed. Parisiis 1871-1873, Tomus VII, (Disputatio VII: De Revelatione Privata).
  • Card. Juan de Lugo: Disputationes scholasticae et morales, Ed. Parisiis 1891-1894, Tomus I De virtude fidei divinae
  • Johannes B. Scaramelli: Regeln zur Unterscheidung der Geister, Kral-Verlag, Abensberg 1974.
  • Giovanni Battista Scaramelli: Wegbegleitung in der mystischen Erfahrung, Echter-Verlag, Würzburg 2001, ISBN 3-429-02295-9.
  • Patrick Diemling: Neuoffenbarungen. Religionswissenschaftliche Perspektiven auf Texte und Medien des 19. und 20. Jahrhunderts, Dissertation, Potsdam, Universitätsverlag 2012; ISBN 978-3-86956-209-4.
  • Mark Miravalle: Privatoffenbarung im Lichte der Kirche, Übersetzt aus dem Englischen von Gerda Mathews, Vlg. dip3 Bildungsservice GmbH, Wilhering (Österreich) 2013, ISBN 978-3-902686-48-0.

Weblinks

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