Zentripetalkraft

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Zentripetalkraft

Die Zentripetalkraft (auch Radialkraft) ist die Komponente der äußeren Kraft zum Mittelpunkt des Krümmungskreises, die auf einen Körper wirken muss, damit sich dieser im Inertialsystem auf einer gekrümmten Bahn bewegt.[1] Sie steht senkrecht auf dem Geschwindigkeitsvektor im Inertialsystem. Die Zentripetalkraft genügt dem Prinzip von Actio und Reactio, da zu ihr eine Gegenkraft an einem anderen Körper existiert. Die Zentrifugalkraft ist dagegen eine Scheinkraft.

Ohne diese Kraft würde sich der Körper nach dem Trägheitsgesetz gleichförmig in Richtung des momentanen Geschwindigkeitsvektors (dem Tangentialvektor der Bahn) bewegen, wie dies z. B. bei Funken beobachtet wird, die sich von einer Schleifscheibe ablösen.

Die Bewegung auf einer vorgegebenen Bahn, z. B. bei Achterbahnen oder im Straßenverkehr, erfordert eine Zentripetalbeschleunigung (auch Radialbeschleunigung), die sich aus dem Krümmungsradius der Bahn und der Geschwindigkeit ergibt. Die dafür notwendige Zentripetalkraft ist das Produkt aus Zentripetalbeschleunigung und Masse.

Abweichend von der hier wiedergegebenen modernen Definition ist in älteren Texten die Zentripetalkraft oft die Kraft, mit der ein feststehendes Kraftzentrum die Körper anzieht. Dies wird heute als Zentralkraft bezeichnet.

Etymologie und Begriffsgeschichte

Der Begriff Zentripetalkraft leitet sich von petere (lateinisch für streben nach, sich begeben) ab. Er wurde als vis centripeta von Isaac Newton eingeführt. Newton verwendete den Begriff allerdings nicht im heutigen Sinne, sondern im Sinne einer anziehenden Zentralkraft.[2] Den Namen prägte Newton als Gegensatz zu der von Christian Huygens zuvor eingeführten Zentrifugalkraft.[3][4]

Unterschied von Zentripetalkraft und Zentralkraft

Zentralkraft

Während eine Zentralkraft stets auf den gleichen Punkt (oder von ihm weg) gerichtet ist, zeigt die Zentripetalkraft zum Mittelpunkt des momentanen Krümmungskreises. Nur bei einer reinen Kreisbewegung ist die Zentripetalkraft eine Zentralkraft. Bei einer elliptischen Planetenbahn z. B. ist die Zentralkraft an jedem Punkt auf das in einem der Brennpunkte der Ellipse feststehende Kraftzentrum gerichtet. Eine Zentralkraft kann am Ort des Körpers stets zerlegt werden in die Zentripetalkraft, die zum jeweiligen Zentrum der Bahnkrümmung gerichtet ist, und in eine dazu senkrechte Tangentialkomponente. Die Zentripetalkraft ändert nur die Richtung der Geschwindigkeit des Körpers, die Tangentialkomponente nur den Betrag der Geschwindigkeit. Letztere sorgt z. B. bei Planeten dafür, dass sie sich nahe der Sonne schneller bewegen als in größerer Entfernung.

Beispiele

  • Wenn ein Auto eine Kurve durchfährt, ist dies nur dadurch möglich, dass eine zur Innenseite der Kurve gerichtete Zentripetalkraft wirkt. Sie ergibt sich aus der Summe der Seitenkräfte, die zwischen Reifen und Fahrbahn entstehen und auf das Fahrzeug einwirken. Fehlt diese Kraft (z. B. bei Glatteis), so bewegt sich das Auto geradlinig weiter, wird also aus der Kurve getragen. Der Fahrzeuginsasse bewegt sich auf der gleichen Kreisbahn wie das Auto, weil der Sitz auf ihn eine Zentripetalkraft ausübt.
  • Die Erde bewegt sich (annähernd) auf einer Kreisbahn um die Sonne. Diese Kreisbewegung wird durch die von der Sonne auf die Erde ausgeübte Gravitationskraft verursacht, die in dieser Näherung sowohl eine Zentralkraft als auch eine Zentripetalkraft ist. Genauer betrachtet ist die Erdbahn, wie die Bahnen aller Planeten, keine Kreisbahn, sondern eine Ellipsenbahn (sofern man von den kleinen Störungen durch die Gravitation des Mondes und der anderen Planeten absieht). Die Gravitation zeigt als Zentralkraft auf die Sonne, die sich in einem der Ellipsenbrennpunkte befindet. Diese Zentralkraft weicht leicht von der Zentripetalkraft ab, die zum momentanen Zentrum der Bahnkrümmung zeigt. Die Differenz zwischen Zentralkraft und Zentripetalkraft ist eine Tangentialkomponente, die dafür sorgt, dass die Erde sich in Sonnennähe (im Perihel) schneller bewegt als in Sonnenferne.
  • Bewegen sich Elektronen senkrecht zu einem homogenen Magnetfeld, so werden sie durch die Lorentzkraft senkrecht zur Richtung der Bewegung und des Magnetfelds in eine Kreisbahn abgelenkt. In diesem Beispiel ist also die Lorentzkraft die Zentripetalkraft.
  • Bei Luftwirbeln ist die Zentripetalkraft der Druckgradient, d. h. im Wirbelkern herrscht Unterdruck.

Mathematische Herleitung

Ein Objekt bewegt sich auf einer Kreisbahn. Für die Zeitpunkte und befindet sich das Objekt in bzw. (Momentaufnahmen). Die Geschwindigkeiten und veranschaulichen die Änderung der Bewegungsrichtung.

Bewegt sich ein Objekt mit gleichbleibender Bahngeschwindigkeit auf einer Kreisbahn, so ist die Geschwindigkeit des Objekts in jedem Moment senkrecht zum Radius des Kreises gerichtet. Die nebenstehende Zeichnung veranschaulicht diese Verhältnisse für die Zeitpunkte und

Zunächst lassen sich die Zusammenhänge rein geometrisch betrachten: Der in der Skizze blau dargestellte Pfeil entsteht durch Parallelverschiebung des Pfeils Ihre Längen entsprechen der Länge des Pfeils Für die Längen dieser drei Pfeile gilt also:

Zudem sind die Dreiecke und ähnlich im geometrischen Sinn, denn:

  • Sowohl und als auch und sind jeweils Seiten eines gleichschenkligen Dreiecks.
  • Die von den oben genannten Seiten eingeschlossenen Winkel und sind gleich groß, weil die Schenkel der Winkel paarweise orthogonal sind: ist orthogonal zu , und aufgrund der Parallelität von und sind auch und orthogonal.

Aus der Ähnlichkeit der Dreiecke und folgt:

Multipliziert mit erhalten wir:

Eine Division durch die Zeitspanne ergibt:

Wird nun hinreichend klein gewählt, so gilt:

  • Der vom Objekt zurückgelegte Weg entspricht einem Abschnitt auf der Kreisbahn, und ist die Bahngeschwindigkeit des Objekts.
  • Die Beschleunigung ist die Zentripetalbeschleunigung, die das Objekt in Richtung Kreismittelpunkt erfährt.

Unter diesen Bedingungen wird die Gleichung zu oder

Ist nun das kreisende Objekt nicht nur ein geometrischer Punkt, sondern ein Objekt mit der Masse , so muss es eine Kraft geben, die das Objekt auf seiner Bahn hält. Bei gleichbleibender Bahngeschwindigkeit muss die Kraft zum Kreismittelpunkt gerichtet sein und wird „Zentripetalkraft“ genannt. Nach dem 2. Newtonschen Gesetz gilt für den Betrag der Zentripetalkraft und somit:

Diese Zentripetalkraft wirkt auf jeden Körper mit der Masse , der sich mit der Geschwindigkeit auf einer Kreisbahn mit dem Radius bewegt.

Betrachten wir jetzt die um den ortsfesten Mittelpunkt rotierende Masse als Körper mit der Winkelgeschwindigkeit so kann die Bahngeschwindigkeit des Körpers durch beschrieben werden. lässt sich dann als schreiben und kann somit durch ersetzt werden. Also gilt:

Vektorielle Darstellung

Die Beschleunigung eines Punktes, der sich auf einer beliebigen Bahnkurve bewegt, ist die zweite Ableitung des Ortsvektors vom Ursprung des Inertialsystems zum Punkt P nach der Zeit:

In der Regel ist die Bahnkurve in Parameterform in Abhängigkeit vom Weg s gegeben. Die zeitliche Ableitung kann dann auch durch Ableitungen nach dem Weg ausgedrückt werden:

Die Zentripetalbeschleunigung zum lokalen Krümmungsmittelpunkt ist der erste Term der Gleichung:

Mit Hilfe der Frenetschen Formeln lässt sich die zweite Ableitung der Bahnkurve nach dem Weg durch den Hauptnormalenvektor und den Krümmungsradius ausdrücken:

Man erhält somit den bekannten Zusammenhang, dass die Zentripetalbeschleunigung proportional zum Quadrat der Geschwindigkeit und umgekehrt proportional zum Radius der Bahn ist:

Im Spezialfall einer reinen Kreisbewegung können die Vektoren für den Abstand und für die Winkelgeschwindigkeit benutzt werden. Damit lässt sich die Zentripetalbeschleunigung als Vektorprodukt darstellen:

Generell gilt:

Siehe auch

Literatur

  • Isaac Newton: Philosophiae Naturalis Principia Mathematica. Cambridge, London 1726, neu hrsg. v. Alexandre Koyré, I. Bernard Cohen. London 1971.
  • David Halliday, Robert Resnick: Physics, Part I and II Combined. New York 1978, Third Edition, S. 59–62. ISBN 0-471-02456-2

Weblinks

Commons: Zentripetalkraft - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema

Einzelnachweise

  1. M. Alonso, E. J. Finn: Physik, 3. Auflage
  2. Principia, Definition 5 am Anfang des Werks
  3. I. Bernard Cohen: Newtons Third Law and Universal Gravity. In: Paul B. Scheurer, G. Debrock: Newtons Scientific and Philosophical Legacy. Kluwer, Dordrecht 1988, S. 47. ISBN 90-247-3723-0
  4. I. Bernard Cohen: Introduction to Newtons Principia. London 1971, S. 53, 296.


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