Mischwesen

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Sphinx von Gizeh

Mischwesen oder auch Chimären (griech. Χίμαιρα, Chímaira, „die Ziege“) sind imaginativ zu schauende Lebewesen, die sich aus Teilen von zwei oder mehreren Lebewesen zusammensetzen.

Schon bei den ältesten Skulpturen, Zeichnungen und Felsritzungen der Menschheit kamen nicht nur Darstellungen von Tieren und Menschen, sondern auch von anthropozoomorphen Mischwesen aus Kombinationen von Mensch und Tier vor. Diese Darstellungsform hält bis in die ägyptische Hochkultur an, in der die Götter als Humanoide mit Tierköpfen dargestellt wurden.

Im archäologischen Sprachgebrauch werden abweichend vom allgemeinen Sprachgebrauch als „Monster“ Mischwesen bezeichnet mit Tierkörpern und Tierköpfen (z. B. Greif, Mantikor oder Drachen), meist aber Tierkörper mit menschlichem Köpfen wie die oder der Sphinx (Menschenkopf und Löwenkörper), Zentauren (Menschenoberkörper und Pferdeleib) oder Meerjungfrauen (Frauenoberkörper und Fischunterleib).

Den Gegensatz bildet der Begriff „Dämon“ der ein theriokephales, (tierköpfiges) Mischwesen mit mindestens menschengestaltigen Beinen bezeichnet, so z. B. den Ziegendämon.

Steinzeit

Der Löwenmensch aus dem Hohlenstein-Stadel, um 32.000 v. Chr.

Die ältesten steinzeitlichen Zeichnungen stellen ganz vereinzelt Dämonen, also tierköpfige Mischwesen dar. Es wird vermutet, dass sie die in Trance, Rausch oder Traum erlebte Verwandlung des Schamanen in ein Tier, die schamanistische Reise, darstellen. Möglich ist auch, dass Tierschädel oder Tierköpfe beim Tanz als maskenhafte Kopfbedeckung getragen wurden. Möglich ist auch, dass dadurch die Zugehörigkeit der mit Tierkopf gezeichneten Menschen zu einem nach dem Tier bezeichneten Clan oder mit diesem Tier als Totem verbundenen Stamm gekennzeichnet werden soll. Bei steinzeitlich lebenden Menschen in Afrika und Nordamerika gab es bei einigen Stämmen bis in die Neuzeit zusätzlich zu den Stammestotems auch persönliche Totems von Einzelpersonen und Totems von Männerbünden wie Jäger- und Kriegergruppen. Schließlich ist auch möglich, dass hier ein Geistwesen oder Gott bzw. eine Göttin dargestellt wird. Vermutlich wurden im Lauf der Zeit Mischwesen aus vielen hier genannten Gründen gezeichnet.

In der eiszeitlichen Kunst sind Darstellungen von Tieren häufig, von Menschen selten und von Mischwesen noch seltener. Als älteste Darstellung eines Mischwesens gilt ein Mensch mit Löwenkopf aus einem Mammutstoßzahn geschnitzt, aus dem Hohlenstein-Stadel im süddeutschen Lonetal, der zur Kulturstufe des Aurignacien (ca. 35.000 bis 22.000 v. Chr.) gehört. Siehe Hauptartikel Löwenmensch. In der Höhle von Lascaux findet sich eine Zeichnung eines Menschenkörpers mit Phallus, der einen Vogelkopf trägt.

Ein Steinbockkopf der zweifelsfrei Schamdreieck und Vulva erkennen lässt, also mit einem Frauenkörper dargestellt ist, fand sich auf einem Hirschgeweihstab aus Las Caldas im spanischen Asturien. Das Stück stammt aber erst aus der Zeit um ca. 14.000 v. Chr. der Kulturstufe des Magdalénien.

Auf einem Lochstab ebenfalls aus dem Magdalénien aus dem Abri Mège in der französischen Dordogne finden sich zwischen Pferden, Vögeln und Schlangen auch drei Wesen mit menschlichen Beinen und ziegenartigen Köpfen, die als „Teufelchen“ benannt wurden.

Tierköpfige Mischwesen fanden sich unter den Höhlenmalereien in den Höhlen von Gabillou, Les Trois Frères, Fontanet, Altamira, Chauvet, Candamo, Pech-Merle, Los Casares, Les Combarelles und Hornos de la Pena.

In der erstgenannten Höhle von Gabillou fand sich die bekannte Gestalt eines Menschen mit Bisonkopf, die der „Zauberer“, „Le Sorcier“, genannt wird.

Stark vertreten in der nacheisenzeitlichen Kunst der Felsbilder in der Sahara waren hundeköpfige Menschen (z. B. im Messak-Gebirge in Libyen). Die Kynokephalen attackieren in den Bildern starke Tiere wie Nashörner, Büffel, Elefanten und Flusspferde.

Im nordwestlichen Saudi-Arabien, der so genannten Jubba-Felskunst finden sich wieder ziegenköpfige Gestalten mit Menschenkörpern.

Menschengestalten stark stilisiert mit T-förmigen Köpfen und M-förmigen Köpfen, die stark an den Ziegendämon erinnern, wurden im westtürkischen Latmos-Gebirge im Umfeld der antiken Stadt Herakleia gefunden. Die tierischen Attribute bleiben lange erhalten, so gibt es noch Darstellungen die Alexander den Großen mit Widdergehörn zeigen.

In der Kunst der Eiszeit und der frühen Nacheiszeit finden sich in Europa, Afrika und Vorderasien ausschließlich Dämonen, also Mischwesen mit Menschenkörper, wenigstens aber, wenn sie einen Tieroberkörper haben mit Menschenbeinen. Es wurde noch kein Wesen mit Tierkörper und Menschenkopf aufgefunden. Viele der tierköpfigen Menschen, darunter der Älteste, der Löwenköpfige vom Hohlenstein-Stadel bei Ulm und der bisonköpfige „Zauberer“ von Trois-Frere, scheinen zu tanzen. Bei einigen glaubt man den Gebrauch von Flöten zu erkennen. Dies ist der Hauptgrund, dass die meisten Steinzeitforscher annehmen, dass es sich hier nicht um mit Tierschädeln geschmückte Menschen handelt, sondern dass sie annehmen, das hier Schamanen sich mittels Tanz in Trance versetzen, um sich in Tiere zu verwandeln, die mit der jenseitigen Welt Kontakt aufnehmen können. Aus diesem Grund würden auch manchmal die Füße nach der Art des jeweiligen Tieres dargestellt. So findet sich in der Höhle von Altamira ein nach Menschenart aufgerichtetes Wesen mit Vogelkopf, menschlichen Armen und menschlichem Phallus, aber den Füßen eines Bären.

Ägypten

Ammit

Reich an Mischwesen ist die Mythologie Ägyptens.

Am bekanntesten ist die Sphinx, mit dem Körper eines männlichen Löwen und zumeist mit einem Menschenkopf. Daneben waren auch Widder-, Falken- und Sperberköpfe gebräuchlich.

Ammut oder Ammit, eine Gottheit der ägyptischen Mythologie, setzt sich aus den größten und gefährlichsten Tieren Ägyptens zusammen: dem Kopf eines Krokodils, dem Vorderkörper eines Löwen und dem Hinterteil eines Nilpferds. Sie hat den Beinamen „große Fresserin“, übersetzt: „Fresserin der verurteilten Toten“, da sie im Laufe des Totengerichts die Herzen der Verstorbenen frisst, wenn ihre Seelen von Sünde belastet waren. Die Seele kann dann nicht weiter existieren.

Griechenland

Herakles und die Lernäische Hydra, Attische Vase 540-530 v. Chr.; Musée du Louvre, Paris

Hauptartikel: Chimäre (Mythologie)

In der griechischen Mythologie war die Chímaira eine Tochter der Ungeheuer Echidna und Typhon, ihre Geschwister waren die Hydra, der Kerberos und die Sphinx. Sie lebte in dem Ort Chimaira in Lykien, wo sie Mensch und Tier bedrohte.

Chimäre

Homer beschreibt sie in der Ilias als feuerspeiendes Mischwesen mit drei Köpfen: dem eines Löwen, im Nacken dem einer Ziege, und als Schwanz hat sie den Kopf einer Schlange oder den eines Drachen. König Iobates gab Bellerophon, einem Enkel des Sisyphos, den Auftrag, die Chimäre zu töten. Hierzu stellte ihm eine griechische Gottheit (Athene oder Poseidon) ihrerseits ein Mischwesen, das geflügelte Pferd Pegasus, zur Verfügung: Aus der Luft konnte er die Chimäre mit seinen Pfeilen erlegen. König Iobates freute sich darüber so sehr, dass er dem Bellerophon seine Tochter zur Frau gab.

Von dieser Erzählung ausgehend wurde der Begriff Chimäre auf alle Mischwesen ausgedehnt. Abgesehen davon brachte die Griechische Mythologie die bekanntesten Mischwesen ins Bewusstsein des Abendlandes, wie die aggressiven Zentauren und Harpyien, gefährliche Mantikore und die sanftmütigen geflügelten Pferde Pegasus und Celeris.

Rom

Die Kenntnis der griechischen Mischwesen wurde den Römern durch die jahrhundertelang in Italien bestehenden griechischen Kolonien und die Etrusker vermittelt, so wurde in der römischen Mythologie z. B. die Faunen später mit den griechischen Satyr, den Begleitern des Pan, gleichgesetzt.

Japan

Im japanischen Volksglauben gibt es die Nue, mit dem Kopf eines Affen, dem Körper eines Tanuki, den Beinen eines Tigers und einer Schlange als Schwanz.

Liste von Mischwesen

Siehe auch

Literatur

  • K. Schmidt: Sie bauten die ersten Tempel, Das rätselhafte Heiligtum der Steinzeitjäger, C. H. Beck 2006, S. 210 ff.
  • F. Schlette & D. Kaufmann (Hrsg.) (1989) Religion und Kult in ur- und frühgeschichtlicher Zeit, Berlin.

Weblinks


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