Gemeinnützigkeit

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Gemeinnützigkeit oder gemeinnützig ist ein Verhalten von Personen oder Körperschaften, das dem Gemeinwohl dient. Allerdings sind nur die dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten auch gemeinnützig im steuerrechtlichen Sinn, die im § 52 Abgabenordnung (AO) abschließend aufgezählt sind. Dazu gehören unter anderem die Förderung der Wissenschaft und Forschung, von Bildung und Erziehung, von Kunst und Kultur sowie des Sports sowie die Katastrophen- und humanitäre Hilfe. Andere durchaus dem Gemeinwohl dienende Zwecke müssen nicht zwangsläufig gemeinnützig in diesem Sinne sein, da diese von dem Rechtsbegriff nicht umfasst sind.

Relevant ist der Begriff auch abgabenrechtlich. Wenn eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse (Stiftungen) vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt worden ist, ist sie meist bei Ertragsteuern und Vermögensteuern begünstigt oder gänzlich befreit.

Nationales

Deutschland

Die Gemeinnützigkeit ist in Deutschland in § 52 Abs. 1 AO legal definiert. Es heißt: „eine Körperschaft verfolgt gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern.“

Gemeinnützigkeit gehört zu den steuerbegünstigten Zwecken:

  • Körperschaftsteuer: Einnahmen sind bis zu einem Betrag von 35.000 € jährlich steuerunschädlich (§ 64 Abs. 3 AO). Liegen die Einnahmen über dieser Grenze, entfällt die steuerliche Privilegierung, es sei denn, die Einnahmenerzielung gehört notwendigerweise zur gemeinnützigen Tätigkeit, dann liegt ein sog. Zweckbetrieb vor. In der Praxis sind lediglich die in § 66 bis § 68 AO benannten Zweckbetriebe von Bedeutung, z. B. Krankenhäuser, Wohlfahrtspflegeeinrichtungen, Wissenschaft, Bildung und Kultur unter den jeweiligen besonderen Voraussetzungen.
  • Umsatzsteuer: Wenn die Körperschaft zur Erreichung ihrer gemeinnützigen Zwecke unternehmerisch tätig wird und die erbrachten Leistungen nicht nach § 4 UStG von der Umsatzsteuer befreit sind, unterliegen die Leistungen der Umsatzsteuer – steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb – (zum ermäßigten Steuersatz siehe auch: § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG).

Viele gemeinnützige Organisationen in Deutschland sind zivilrechtlich als eingetragener oder nicht eingetragener Verein organisiert, dazu kommen Stiftungen, gemeinnützige GmbHs (gGmbH) und – seltener – gemeinnützige Aktiengesellschaften, zum Beispiel die Zoologischer Garten Berlin AG, die ebenfalls gemäß der Satzung gemeinnützigen Zwecken dienen können. Steuerbefreit sind nur Körperschaften, wozu auch nicht eingetragene Vereine gehören, nicht aber Personengesellschaften wie z. B. die BGB-Gesellschaft oder die oHG. Zuwendungen an Stiftungen können seit dem Jahr 2000 in größerem Umfang steuerlich geltend gemacht werden als Zuwendungen an andere gemeinnützige Einrichtungen.

Als freigemeinnützig bezeichnet man Einrichtungen, die von Trägern der kirchlichen und freien Wohlfahrtspflege, Kirchengemeinden, Stiftungen, Vereinen oder in neuerer Zeit vermehrt von gemeinnützigen GmbHs unterhalten werden. Gemeinnützige GmbHs werden seit Anfang der 1990er Jahre vermehrt durch natürliche Personen gegründet. Das Engagement dieser Personen wird unter dem Begriff Social Entrepreneurship zusammengefasst.

Voraussetzungen für die Anerkennung

Die folgenden Voraussetzungen müssen für die Anerkennung als steuerbegünstigte Körperschaft erfüllt sein:

  1. Die Körperschaft muss gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen.
  2. Der Zweck muss selbstlos, ausschließlich und unmittelbar verfolgt werden.
  3. Alle Voraussetzungen der Steuerbegünstigung müssen aus der Satzung ersichtlich sein. Die Satzung muss auch die Art der Zweckverwirklichung angeben.
  4. Die Satzung muss eine Regelung enthalten, dass das Vermögen der Körperschaft bei Auflösung oder Wegfall der steuerbegünstigten Zwecke auch zukünftig für steuerbegünstigte Zwecke verwendet wird (sog. Anfallklausel).
  5. Die tatsächliche Geschäftsführung muss der Satzung entsprechen (§ 59 AO).

Nach § 52 Abs. 2 AO sind u. a. folgende Ziele als gemeinnützig anzuerkennen (unvollständige Aufzählung):

Bei der Gründung einer steuerbegünstigten Körperschaft empfiehlt sich eine frühzeitige Abstimmung der Satzung (Verein) oder des Gesellschaftsvertrages (GmbH) mit dem Finanzamt, um aufwändige erneute Mitgliederversammlungen zur Satzungsänderung zu vermeiden, falls die bereits beschlossene Satzung nicht den Anforderungen der AO entspricht. Nach der Gründung kann beim Finanzamt der Erlass eines Feststellungsbescheides gemäß § 60a AO beantragt werden. Dieser Bescheid bestätigt jedoch nur, dass die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung vorliegen. Danach prüft das Finanzamt turnusmäßig alle drei Jahre, ob die Gemeinnützigkeitsgrundsätze eingehalten werden, und erteilt dann einen Freistellungsbescheid (Anwendungserlass zu § 59 AO). Dieser berechtigt dann höchstens fünf Jahre lang zur Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen (Spenden­bescheinigungen). Wegen des Steuergeheimnisses erteilten die Finanzämter in Deutschland keine Auskünfte zur Gemeinnützigkeit von Vereinen.[1]

Entzug der Gemeinnützigkeit

Die Anerkennung als gemeinnützig kann rückwirkend entzogen werden, wenn die Körperschaft einen vorrangig wirtschaftlichen Zweck verfolgt oder gemeinnütziges, gebundenes Vermögen zweckfremd verwendet (§ 61 bis § 64 AO).

Österreich

Gemeinnützige Vereine sind im Vereinsregister zu finden, gemeinnützige Kapitalgesellschaften und Privatstiftungen im Firmenbuch. Gemeinsam ist ihnen die Gemeinnützigkeit nach §§ 34–47 f Bundesabgabenordnung (BAO).[2] Eine spezielle Rechtsform des Gemeinnützigen gibt es im Allgemeinen nicht.[3]

Der § 35 BAO definiert:

„Gemeinnützig sind solche Zwecke, durch deren Erfüllung die Allgemeinheit gefördert wird.
Eine Förderung der Allgemeinheit liegt nur vor, wenn die Tätigkeit dem Gemeinwohl auf geistigem, kulturellem, sittlichem oder materiellem Gebiet nützt. Dies gilt insbesondere für die Förderung der Kunst und Wissenschaft, der Gesundheitspflege, der Kinder-, Jugend- und Familienfürsorge, der Fürsorge für alte, kranke oder mit körperlichen Gebrechen behaftete Personen, des Körpersports, des Volkswohnungswesens, der Schulbildung, der Erziehung, der Volksbildung, der Berufsausbildung, der Denkmalpflege, des Natur-, Tier- und Höhlenschutzes, der Heimatkunde, der Heimatpflege und der Bekämpfung von Elementarschäden.“

Eine vergleichbare, detailliertere Aufzählung gibt dann beispielsweise auch der § 4a Abs. 2 EStG Zuwendungen aus dem Betriebsvermögen für begünstigte Zwecke bei Spenden.[4]

Darüber hinaus gibt es in Österreich gemeinnützige Bauvereinigungen, welche im Rahmen des Wohnungsgemeinnützigkeitsrechts als gemeinnützig anerkannt werden. Gemeinnützigen Bauvereinigungen sind steuerbegünstigte Wohnbauträger, welche in ihrer Tätigkeit dem Gemeinwohl dienende Aufgaben des Wohnungs- und Siedlungswesens wahrnehmen und die Wohnraumversorgung in Österreich bis heute entscheidend prägen.[5]

Dabei werden in der BAO die eigentlichen gemeinnützigen Zwecke (§ 35 BAO) von den mildtätigen Zwecken (§ 37 BAO, humanitäres und wohltätiges Engagement für einzelne Personen oder Gruppen) und kirchliche Zwecke (Förderung gesetzlich anerkannter Kirchen und Religionsgesellschaften) geschieden. Das liegt daran, dass sie nicht der Allgemeinheit insgesamt zugutekommen (Legaldefinition des § 36 BAO über Personenkreise, die „nicht als Allgemeinheit aufzufassen“ sind).[4]

Schweiz

Gemeinnützigkeit ist kein gesetzlich geschützter Begriff. Im Allgemeinen wird darunter das „sich einsetzen für die Allgemeinheit“ verstanden, was ein äußerst dehnbarer Begriff ist und durchaus auch wirtschaftliche Interessen beinhalten kann. Dahingegen jedoch grenzt sich die behördlich anerkannte Gemeinnützigkeit klar ab: eine „echte“ Gemeinnützigkeit wird in der Schweiz nur über die kantonalen Steuerämter attestiert, indem diese die juristischen Personen einer eingehenden Prüfung unterziehen und am Ende von der Steuer auf Kommunaler-, Staats (Kantons)- und Bundesebene befreien.

Prüfung auf Steuerbefreiung aufgrund gemeinnütziger Tätigkeit

Die gesetzliche Grundlage von Art. 56 lit. G des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (Vorlage:§§/alt) setzt für die Befreiung einer juristischen Person von der Steuerpflicht voraus, dass diese öffentliche oder gemeinnützige Zwecke verfolgt und der Gewinn und das Kapital, für welche sie um Steuerbefreiung ersucht, ausschließlich und unwiderruflich diesen Zwecken gewidmet ist.

Die Tätigkeit, die gemeinnützig sein will, setzt ein Zweifaches voraus: sie muss einerseits unmittelbar, uneingeschränkt und dauernd auf das Wohl der Allgemeinheit gerichtet sein und darf anderseits nur in uneigennütziger Weise erfolgen. Uneigennützig tätig ist eine juristische Person, wenn sie weder Erwerbs- noch Selbsthilfezwecke verfolgt und sich selbstlos verhält, d. h. ein finanzielles Opfer zugunsten Dritter unter Verzicht auf eine Gegenleistung bzw. einen persönlichen Gewinn erbringt.[6][7][8]

In Art. 56 lit. G DBG wird festgehalten, dass unternehmerische Zwecke grundsätzlich nicht gemeinnützig sind.

Erwerbstätigkeit und Wettbewerbsneutralität

Die steuerbefreite Aktivität muss ausschließlich auf die gemeinnützige Aufgabe oder das Wohl Dritter ausgerichtet sein. Verfolgt eine Institution primär eine wirtschaftliche Tätigkeit (Erwerbszweck) und befindet sie sich somit im wirtschaftlichen Konkurrenzkampf mit anderen Anbietern, braucht nicht weiter geprüft werden, ob sie sich allenfalls gemeinnützigen Zwecken widmet. Eine diesbezügliche Steuerbefreiung hat in jedem Fall die Verletzung des Grundsatzes der Wettbewerbsneutralität zur Folge. Erwerbszwecke liegen vor, wenn die Institution im wirtschaftlichen Konkurrenzkampf oder in wirtschaftlicher Monopolstellung mit dem Zweck der Gewinnerzielung Kapital und Arbeit einsetzt und dabei für Ihre Leistungen insgesamt ein Entgelt fordert, wie es im Wirtschaftsleben üblicherweise bezahlt wird.[9] Nach dem Grundsatz der Wettbewerbsneutralität der steuerlichen Ordnung sind allen Konkurrenten auf dem Markt die gleichen Bedingungen zu gewähren. Wo mehrere Anbieter im gleichen Markt auftreten und einander konkurrieren, haben sie Anspruch auf eine wettbewerbsneutrale Behandlung. Eine Steuerbefreiung darf nicht in den freien Wettbewerb eingreifen. Gleiche Wettbewerbschancen bestehen nur, wenn unter anderem die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit vergleichbarer Wirtschaftssubjekte durch die Steuer in vergleichbare Weise gekürzt wird. Der Umstand, dass zufolge der Steuerbefreiung und damit der fehlenden Steuerlast eine Leistung gegenüber den Konkurrenten günstiger angeboten werden kann, würde zu einem ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil führen.[10]

Beispiele für gemeinnützige juristische Personen sind in weitaus den meisten Fällen Stiftungen (Beispiel Stiftung ZEWO), gefolgt von Vereinen (Beispiel Benevol Baselland) und in seltenen Fällen Kapitalgesellschaften (Beispiel B-Vertrieb GmbH). Gerade bei Kapitalgesellschaften ist unter anderem auch eine Grundvoraussetzung für eine anerkannte Gemeinnützigkeit, dass das Kapital nicht zweckentfremdet wird, z. B. durch Gewinnausschüttungen, was auch regelmäßig von den Steuerämtern überprüft wird.

Siehe auch

Literatur

Deutschland

  • Johannes Buchna, Andreas Seeger, Wilhelm Brox, Carina Leichinger: Gemeinnützigkeit im Steuerrecht. 11. Auflage. Erich-Fleischer-Verlag, Achim 2015, ISBN 978-3-8168-4041-1.
  • Stephan Schauhoff: Handbuch der Gemeinnützigkeit. 3. Auflage. Verlag C.H. Beck, München 2010, ISBN 978-3-406-59794-7.
  • Hans-Georg Reuber: Die Besteuerung der Vereine. 2. Auflage. Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart, ISBN 978-3-8202-0171-0 (Loseblattwerk mit Ergänzungslieferungen).
  • Herbert Schleder: Steuerrecht der Vereine. 9. Auflage. NWB-Verlag, Herne 2009, ISBN 978-3-482-42979-8.
  • Helmut K. Anheier, Volker Then (Hrsg.): Zwischen Eigennutz und Gemeinwohl: Neue Formen und Wege der Gemeinnützigkeit. 1. Auflage. Bertelsmann Stiftung, Gütersloh 2010, ISBN 978-3-86793-155-7 (online verfügbar).
  • Evelyne Menges: Gemeinnützige Einrichtungen. Nonprofit-Organisationen gründen, führen und optimieren. 2. Auflage. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2013, ISBN 978-3-406-59311-6.
  • Christian Kühr: Steuerhandbuch für Vereine und Verbände, Luchterhand Vlg., Neuwied 1991, ISBN 3-472-00208-5

Weblinks

 Wiktionary: gemeinnützig – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. siehe z. B. Inhaltsprotokoll VerfSch 16/3 des Abgeordnetenhaus von Berlin; abgerufen am 14. Februar 2020.
  2. Ruth Simsa, Doris Schober: Nonprofit Organisationen in Österreich. NPO-Kompetenzzentrum, Wien, 2012 (pdf (Memento vom 21. April 2015 im Internet Archive), auf gemeinnuetzig.at).
  3. Obschon sich Firmen vereinzelt beispielsweise „gemeinnützige GmbH“ nennen, dies bezieht sich aber nicht auf eine Rechtsform wie die gGmbH in Deutschland.
  4. 4,0 4,1 Wobei das EStG die mildtätigen Zwecke unter den Steuerbegünstigungen nennt, nicht aber die kirchlichen, was der Trennung von Kirche und Staat entspricht: Spenden an kirchliche Organisationen sind nur dann begünstigt, wenn diese als solche gemeinnützig oder mildtätig sind.
  5.  Jan Kuhnert, Olof Leps: Die Wohnungsgemeinnützigkeit in Österreich. In: Neue Wohnungsgemeinnützigkeit. Springer Fachmedien Wiesbaden, 1. Januar 2017, ISBN 9783658175696, S. 179–186, doi:10.1007/978-3-658-17570-2_6 (http://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-658-17570-2_6).
  6. vgl. Zweifel/Athanas: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht I/1, Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG), 2. Auflage, Basel/Genf/München 2002, N 33 zu Art. 23.
  7. Weidmann/Grossmann/Zigerlig: Wegweiser durch das st. gallische Steuerrecht, 6. Auflage, Muri-Bern 1999, S. 266.
  8. Locher: Kommentar zum DBG II. Teil, Therwil/Basel 2004, N 88 ff. zu Art. 56.
  9. SGE 1983 Nr. 3, SGE 1999 Nr. 25.
  10. StB 80 Nr. 2 Ziff. 2.7.
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