Spontaneität

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Spontaneität (auch: Spontanität, von franz. spontanéité „Spontanität, Unbefangenheit“, aus lat. spontaneus „freiwillig, selbstgewählt“[1]) bedeutet ganz allgemein, dass ein Ereignis ohne erkenntlichen bzw. hinreichenden Grund, d.h. akausal und in diesem Sinn zufällig auftritt. So geschieht etwa der radioaktive Zerfall eines instabilen Atomkerns spontan, ohne dass dazu eine äußere Ursache bzw. Einwirkung nötig ist, dennoch aber streng den physikalischen Gesetzen gehorcht, welche die Stabilität bzw. Instabilität des Atomkerns bestimmen.

Spontane Menschen agieren oft völlig unerwartet, willkürlich und ohne Vorplanung. Oft folgen sie dabei einem unklaren, dumpf empfundenen Bauchgefühl und ihre Handlungen erscheinen ungeordnet, chaotisch. Spontaneität ist aber auch das Kennzeichen echter Kreativität, die stets eine Schöpfung aus dem Nichts und in diesem Sinn völlig voraussetzungslos ist, auch wenn sie sich innerhalb eines zuvor gesetzten Rahmens ereignet („In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister, und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben.“[2]), und sich durch die strenge innere Gesetzmäßigkeit auszeichnet, die sie im Schöpfungsakt völlig neu hervorbringt und dadurch die Welt bereichert. Spontaneität wird oft positiv bewertet, da sie mit Kreativität, Authentizität und Lebendigkeit verbunden ist. Spontaneität impliziert eine Natürlichkeit und Ungezwungenheit, bei der Dinge von selbst geschehen, oft unerwartet oder ohne vorherige Planung. In künstlerischen oder sozialen Kontexten wird sie häufig als Ausdruck echter Emotionen oder als Fähigkeit, im Moment zu leben und auf unvorhergesehene Situationen flexibel zu reagieren, geschätzt.

Spontaneität und Determinismus

Die Frage, ob spontane Prozesse mit dem Determinismus vereinbar sind, berührt grundlegende Debatten in der Physik und Philosophie. Determinismus in der klassischen Physik besagt, dass alle Ereignisse, einschließlich jeder Aktion und deren Folgen, vollständig durch vorhergehende Zustände in Kombination mit den Naturgesetzen bestimmt sind. Wenn die Anfangsbedingungen eines Systems bekannt sind und die Naturgesetze, die auf dieses System wirken, verstanden werden, dann ist, nach deterministischer Auffassung, der zukünftige Zustand des Systems vollständig vorherbestimmt.

Spontane Prozesse, wie sie in der Thermodynamik und statistischen Mechanik beschrieben werden, erscheinen zunächst als Herausforderung für den Determinismus, weil sie auf Wahrscheinlichkeiten basieren und die exakten Ergebnisse nicht immer vorhersagbar sind. Diese Prozesse führen zu einem Anstieg der Entropie oder Unordnung in einem System, was bedeutet, dass die spezifischen Mikrozustände des Systems zunehmend schwerer zu bestimmen sind, obwohl der allgemeine Trend (zum Beispiel der Anstieg der Entropie) vorhersehbar ist.

Auf der makroskopischen Ebene, die die klassische Thermodynamik beschreibt, sind spontane Prozesse mit einer Art statistischen Determinismus vereinbar. Dies bedeutet, dass, obwohl individuelle Teilchenbewegungen zufällig erscheinen mögen, die Gesamtentwicklung des Systems deterministischen statistischen Gesetzen folgt (z.B. dem Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik). Die Endzustände solcher Prozesse sind in einem statistischen Rahmen vorhersehbar.

In der Quantenmechanik, die die fundamentalen Prozesse auf mikroskopischer Ebene beschreibt, wird der Determinismus anders betrachtet. Die Quantenmechanik ist inhärent probabilistisch, was bedeutet, dass Ereignisse durch Wahrscheinlichkeiten charakterisiert sind, nicht durch feste Ergebnisse. In diesem Kontext ist die Vorhersage von exakten Zuständen einzelner Teilchen nicht immer möglich, sondern nur die Wahrscheinlichkeit verschiedener Zustände kann bestimmt werden.

Physik und Chemie

In der Physik und Chemie bezieht sich Spontaneität auf Prozesse, die ohne Energiezufuhr von außen ablaufen, wie etwa die natürliche Diffusion von Molekülen von Bereichen höherer zu niedrigerer Konzentration oder exotherme chemische Reaktionen, die Energie freisetzen. Solche Prozesse sind oft durch eine Zunahme der Entropie im System gekennzeichnet.

Biologie

In der Biologie kann Spontaneität das unwillkürliche oder instinktive Verhalten von Organismen beschreiben, wie spontane Bewegungen oder Reaktionen auf Reize, die ohne bewusste Absicht erfolgen.

Philosophie und Psychologie

In der Philosophie und Psychologie kann sich Spontaneität auf die Freiheit des Willens oder auf Handlungen beziehen, die aus einem inneren Antrieb oder Impuls heraus entstehen, frei von äußerem Zwang oder übermäßiger Reflexion.

Seit Immanuel Kant bedeutet Spontaneität in der Philosophie insbesondere die Fähigkeit von Verstand und Vernunft, von sich aus etwas zu tun, sei es, indem z. B. der Verstand spontan Anschauungen unter Regeln bringt und so Erscheinungen, die er wahrgenommen hat, begreift (siehe auch Begriff (Philosophie)), oder dass der Wille (als praktische Vernunft) eine Handlung nach freier Entscheidung vollzieht, ohne sich von außen oder von seinen Gefühlen und Neigungen bestimmen zu lassen.

Der Gegenbegriff ist die Rezeptivität.[3][4] Hierzu steht der umgangssprachliche Wortgebrauch im Gegensatz, wenn ein schnelles und situationsbedingtes Reagieren als spontan bezeichnet wird. Die Bildung von Begriffen ist nicht im engeren Sinne willkürlich, wohl aber die Bestimmung der eigenen Absichten durch vernünftige Maximen. Da für Kant die freie Vernunftbestimmung des Willens dazu führt, dass eine Selbstverpflichtung auf das Sittengesetz erfolgt, sind auch Spontaneität und Berechenbarkeit keine Gegensätze.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. spontaneus“ im PONS Online-Wörterbuch Latein/Deutsch
  2. Das Sonett, in Johann Wolfgang von Goethe: Gesammelte Werke in sieben Bänden, Bertelsmann Lesering
  3. Immanuel Kant (1787): Kritik der reinen Vernunft. B 74, B 93; Kritik der praktischen Vernunft, AA Band V, 98 f.
  4. Rudolf Eisler: Kant-Lexikon (1930), Eintrag zu Spontaneität


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