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Phänomenologie des Geistes

Die Phänomenologie des Geistes ist das 1807 veröffentlichte erste Hauptwerk des Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Es stellt den Ersten Theil seines Systems der Wissenschaft dar. Der „Phänomenologie“ sollte sich die Darstellung der „Realen Wissenschaften“ anschließen – die „Philosophie der Natur“ und die des „Geistes“.
Allgemeines
Hegel entwickelt in dieser Wissenschaft von den Erscheinungsweisen des Geistes das Emporsteigen des Geistes von der einfachen, naiven Wahrnehmung über das Bewusstsein, das Selbstbewusstsein, die Vernunft, Geist und Geschichte, die Offenbarung bis hin zum absoluten Wissen des Weltgeistes. Dabei untersucht er das Werden der Wissenschaft als Einheit von Inhalt und Methode sowie die Erscheinungen des Geistes als Verwirklichung unseres Selbst, als Einheit von Sein und Nichts ebenso wie als absolute Ganzheit. Ort der Wahrheit ist dabei der Begriff im wissenschaftlichen System und nicht die Anschauung. Die Erkenntnis der Wahrheit liegt in der Einsicht, dass die Gegensätzlichkeit von Subjekt und Objekt dialektisch auf einem höheren Niveau aufgehoben wird, da das eine nicht ohne das andere existiert, beide also eine Einheit bilden.
Hegels Phänomenologie des Geistes ist vom Standpunkt des Idealismus vorgezeichnet, wie er bereits in Fichtes Denken zum Ausdruck kommt, indem dort alles Wissen auf die spontane Selbstgewissheit des absolut gesetzten Ichs (dem Selbstbewusstsein) zurückzuführen ist. Danach ist alle Gewissheit über die Welt im Absoluten unseres Selbstbewusstseins angelegt, sie ist die erste Ursache und der absolute Grund der Welt.
Das Werk setzt sich sowohl mit erkenntnistheoretischen als auch ethischen und geschichtsphilosophischen Grundfragen auseinander. Von besonderer Bedeutung ist die Rezeption des Kapitels über das Selbstbewusstsein, das die dialektische Betrachtung von Herrschaft und Knechtschaft enthält und ein wesentlicher Ausgangspunkt für Marx' Beschäftigung mit der Analyse der Klassenverhältnisse in der bürgerlichen Gesellschaft war.
Die Phänomenologie des Geistes gilt als das erste typische Werk Hegels, auf das er später auch immer wieder Bezug nimmt. Hegel versucht hier, alle wichtigen Themen, die ihn zuvor beschäftigten, systematisch auszuarbeiten. Er setzt sich darin mit den Positionen auseinander, die den damaligen philosophischen Diskurs beherrschten: der Kantische Dualismus, das Unmittelbarkeitsdenken Jacobis und die Identitätsphilosophie Schellings. Das Werk wurde von Hegel zunächst als eine systematische Einführung in sein philosophisches System konzipiert. Die ersten drei Teile (Bewusstsein, Selbstbewusstsein, Vernunft) wurden von ihm später in abgekürzter Form, als das zweite Moment des subjektiven Geistes, in das System der Enzyklopädie (1817) aufgenommen.
1812 veröffentlichte Hegel die Wissenschaft der Logik, die sich in der Vorrede auf die Phänomenologie bezieht. In der Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften (zuerst 1817 erschienen) arbeitete er viele ihrer Fragestellungen in die „Wissenschaft des Geistes“ ein.
Inhaltlicher Überblick
Einen Überblick bietet das Inhaltsverzeichnis. Bereits die erste Auflage hatte zwei Inhaltsgliederungen, ursprünglich I-VII sowie später von Hegel hinzugefügt A-C, DD.
- Vorrede
Das Programm der Phänomenologie wird dargestellt.
- Einleitung
Was heißt Erkennen?
- I. Die sinnliche Gewissheit; oder das Diese und das Meinen / (A.) Bewusstsein
- II. Die Wahrnehmung; oder das Ding, und die Täuschung / (A.) Bewusstsein
- III. Kraft und Verstand, Erscheinung und übersinnliche Welt / (A.) Bewusstsein
Bewusstsein: Seine Stufen sind sinnliche Gewissheit, Wahrnehmung und Verstand.
- IV. Die Wahrheit der Gewissheit seiner selbst / (B.) Selbstbewusstsein
Das Selbstbewusstsein macht die Erfahrung von Selbständigkeit und Unselbständigkeit, trägt den Konflikt von Herr und Knecht aus und erlangt ein erstes Gefühl von Freiheit. Das unglückliche Bewusstsein der römischen Kaiserzeit, das in das Christentum mündet, ist die Vorstufe der Vernunft.
- V. Gewissheit und Wahrheit der Vernunft / (C.) (AA.) Vernunft
Über die Naturbeobachtung gelangt sie zu ersten Formen der Selbsterkenntnis, verwirklicht ihr Selbstbewusstsein und bildet Individualität heraus.
- VI. Der Geist / (BB.) Der Geist
Die Sittlichkeit bildet die wahre Substanz des Geistes. Als Recht ist der Geist in seiner objektiven Form. In seiner entfremdeten Form erscheint er als Bildung und Aufklärung. Die Moralität ist die reflektierte Einheit von Recht und Sittlichkeit. In ihr erscheint das Bewusstsein, dass der Geist die einzige Substanz ist, als reines Wissen.
- VII. Die Religion / (CC.) Die Religion
Im Christentum, der geoffenbarten Religion, tritt das Bewusstsein in Form der Vorstellung auf, dass Gott im Grunde Geist ist.
- VIII. Das absolute Wissen / (DD.) Das absolute Wissen
Der absolute Geist ist im Grunde nur in Form des Wissen von sich selbst und nicht von etwas ihm Äußerlichen. Der Geist ist so Subjekt und Objekt zugleich. Indem ihm dies zu Bewusstsein kommt, wird sein Wissen um sich selbst zum absoluten Wissen.
Werbetext
Anzeige im Intelligenzblatt der Jenaer Allgemeinen Literatur-Zeitung vom 28. Oktober 1807:[1]
„Dieser Band stellt das werdende Wissen dar. Die Phänomenologie des Geistes soll an die Stelle der psychologischen Erklärungen oder auch der abstrakten Erörterungen über die Begründung des Wissens treten. Sie betrachtet die Vorbereitung zur Wissenschaft aus einem Gesichtspunkte, wodurch sie eine neue, interessante, und die erste Wissenschaft der Philosophie ist. Sie faßt die verschiedenen Gestalten des Geistes als Stationen des Weges in sich, durch welchen er reines Wissen oder absoluter Geist wird. Es wird daher in den Hauptabteilungen dieser Wissenschaft, die wieder in mehrere zerfallen, das Bewußtsein, das Selbstbewußtsein, die beobachtende und handelnde Vernunft, der Geist selbst, als sittlicher, gebildeter und moralischer Geist, und endlich als religiöser in seinen unterschiedlichen Formen betrachtet. Der dem ersten Blick sich als Chaos darbietende Reichtum der Erscheinungen des Geistes ist in eine wissenschaftliche Ordnung gebracht, welche sich nach ihrer Notwendigkeit darstellt, in der die unvollkommenen sich auflösen und in höhere übergehen, welche ihre nächste Wahrheit sind. Die letzte Wahrheit finden sie zunächst in der Religion und dann in der Wissenschaft, also dem Resultate des Ganzen.
In der Vorrede erklärt sich der Verfasser über das, was ihm Bedürfnis der Philosophie auf ihrem jetzigen Standpunkte zu sein scheint; ferner über die Anmaßung und den Unfug der philosophischen Formeln, der gegenwärtig die Philosophie herabwürdigt, und über das, worauf es überhaupt bei ihr und ihrem Studium ankommt.
Der zweite Band wird das System der Logik als spekulativer Philosophie und der zwei übrigen Teile der Philosophie, die Wissenschaften der Natur und des Geistes enthalten.“
Siehe auch
- Phänomenologie des Geistes - Artikel in der deutschen Wikipedia
Literatur
Werkausgaben
- (1807): Erstausgabe. Bamberg/Würzburg: Verlag Joseph Anton Goebhardt (System der Wissenschaft. Erster Theil, die Phänomenologie des Geistes), Digitalisat und Volltext im Deutschen Textarchiv
- (1832, 2. Auflage 1841): Werke, Bd. 2. Hg. vom Verein der Freunde des Verewigten
- (1907, 2. Auflage 1921, 3. 1928, 4. 1937, 5. 1949, 6. 1952): Philosophische Bibliothek, Bd. 114. Hg. von G. Lasson, ab 4. Auflage hg. von J. Hoffmeister, Leipzig, ab 6. Auflage Hamburg: Felix Meiner
- (1970): Theorie Werkausgabe, Bd. 3. Hg. von E. Moldenhauer und K.M. Michel, Frankfurt/M.: Suhrkamp (heute als stw603), ISBN 3-518-28203-4)
- (1970, 2. Auflage 1973): Mit einem Nachwort von Georg Lukács sowie ausgewählte Texte und Kommentar zur Rezeptionsgeschichte v. Gerhard Göhler, Frankfurt/M.: Ullstein Nr. 35505. ISBN 3-548-35055-0.
- (1980): Gesammelte Werke (historisch-kritische Ausgabe), Bd. 9. Hg. Rheinisch-Westfälische Akademie der Wissenschaften, Hamburg: Felix Meiner
- (1988): Philosophische Bibliothek, Bd. 414. Hamburg: Felix Meiner, ISBN 3-7873-0769-9.
Weiterführende Literatur
- Andreas Arndt (Hrsg.): Phänomenologie des Geistes. XXIII. Internationaler Hegel-Kongress 2000 in Zagreb. 2 Bde. Akademie-Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-05-003613-3, ISBN 3-05-003712-1.
- Eugen Fink: Hegel. Phänomenologische Interpretation der „Phänomenologie des Geistes“, Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main 1977, ²2007, ISBN 3-465-01282-8, ISBN 3-465-03519-4, ISBN 978-3-465-03519-0.
- Hans Friedrich Fulda, Dieter Henrich (Hrsg.): Materialien zu Hegels „Phänomenologie des Geistes“. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-518-27609-3.
- Frank-Peter Hansen: G.W.F. Hegel: Phänomenologie des Geistes. Ein einführender Kommentar. Paderborn 1994, ISBN 3-8252-1826-0.
- Henry S.Harris: Hegel’s Ladder. 2 Bände. Hackett, Indianapolis 1997.
- Thomas Sören Hoffmann (Hrsg.): Hegel als Schlüsseldenker der modernen Welt. Beiträge zur Deutung der „Phänomenologie des Geistes“ aus Anlaß ihres 200-Jahr-Jubiläums, Meiner, Hamburg 2009. (online einsehbar bei Google Books)
- Klaus Erich Kaehler / Werner Marx: Die Vernunft in Hegels Phänomenologie des Geistes, Frankfurt am Main 1992, ISBN 978-3-465-02537-5.
- Alexandre Kojève: Hegel. Eine Vergegenwärtigung seines Denkens. Kommentar zur Phänomenologie des Geistes. Mit einem Anhang: Hegel, Marx und das Christentum (hrsg. von Iring Fetscher), Frankfurt/M.: Suhrkamp 1975, erweiterte Neuausgabe 2005.
- Ralf Ludwig: Hegel für Anfänger – Phänomenologie des Geistes. Eine Lese-Einführung. 4. Aufl. Dtv, München 2003, ISBN 3-423-30125-2.
- Werner Marx: Hegels Phänomenologie des Geistes. Die Bestimmung ihrer Idee in „Vorrede“ und „Einleitung“, Frankfurt am Main 2006 (3), ISBN 978-3-465-03494-0.
- Tom Rockmore: Cognition: An Introduction to Hegel's Phenomenology of Spirit, University of California Press, Berkeley 1997.
- Josef Schmidt: „Geist“, „Religion“ und „absolutes Wissen“. Ein Kommentar zu den drei gleichnamigen Kapiteln aus Hegels „Phänomenologie des Geistes“. Kohlhammer, Stuttgart/Berlin/Köln 1997.
- Ludwig Siep: Der Weg der Phänomenologie des Geistes, Suhrkamp Taschenbuch, Frankfurt am Main 2000, ISBN 978-3-518-29075-0.
- Pirmin Stekeler-Weithofer: Hegels Phänomenologie des Geistes. Ein dialogischer Kommentar. 2 Bände. Meiner, Hamburg 2014.
- Klaus Vieweg / Wolfgang Welsch (Hrsg.): Hegels Phänomenologie des Geistes. Ein kooperativer Kommentar zu einem Schlüsselwerk der Moderne, Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 1876, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-518-29476-5.
- Yirmiyahu Yovel: Hegel's Preface to the Phenomenology of Spirit, Princeton 2005, ISBN 0-691-12052-8 (Übersetzung der Vorrede ins Englische bei paralleler Kommentierung fast jeden Satzes)
Weblinks
- Textausgaben der Phänomenologie des Geistes
- Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807. Digitalisat und Volltext im Deutschen Textarchiv
- Phänomenologie des Geistes im Volltext bei Zeno.org. Der Text folgt bis S. 35 der von Hegel kurz vor seinem Tod begonnenen Revision.
- Phänomenologie des Geistes bei Gutenberg
- Phänomenologie des Geistes im Marxists Internet Archive (besser HTMLisiert als bei Gutenberg)
- Phänomenologie des Geistes bei The Internet Archive
Einzelnachweise
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Dieser Artikel basiert auf einer für AnthroWiki adaptierten Fassung des Artikels Phänomenologie des Geistes aus der freien Enzyklopädie de.wikipedia.org und steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike. In Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar. |