Thales von Milet

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Thales von Milet (altgriech. Θαλῆς ὁ Μιλήσιος Thalḗs ho Milḗsios; * um 624 v. Chr.; † um 547 v. Chr.) war ein antiker griechischer Philosoph, Mathematiker und Astronom, der in Milet lebte.

Thales gilt als der erste Philosoph der abendländischen Tradition. Bereits Aristoteles und der antike Philosophiehistoriker Diogenes Laertios lassen ihre Philosophiegeschichten mit ihm beginnen. Die moderne Philosophiegeschichte zählt ihn zur Gruppe der Vorsokratiker.

Ob Thales Schriften verfasst hat, ist unbekannt. Das Wenige, das heute von ihm bekannt ist, ist Werken anderer antiker Autoren entnommen.

Leben

Die Herkunft des Thales ist unklar. Entweder stammte er aus der „hoch angesehenen phönizischen Familie der Theliden“ und bekam das Bürgerrecht der griechischen Stadt Milet erst, als er von Phönizien dorthin übersiedelte; oder er war „gebürtiger Mileser von vornehmer Abstammung.“[1] Thales ist im 1. Jahr der 39. Olympiade, also 624 v. Chr., geboren und starb mit entweder 78 oder 90 Jahren, „als er einem Sportwettkampf zuschaute, von Hitze und Durst erschöpft im fortgeschrittenen Alter.“[2] Auch über Thales’ Familiensituation gibt es widersprüchliche Informationen. Möglicherweise hatte er eine Frau und ein Kind, nach anderen Aussagen war er unverheiratet und hat den Sohn seiner Schwester adoptiert.[3]

Spätere antike Schriftsteller rechneten Thales zur Gruppe der sogenannten Sieben Weisen[4], zu der man sonst vor allem Staatsmänner wie den Athener Gesetzgeber Solon, aber auch Philosophen und andere Weise zählte. Möglicherweise hat sich auch Thales politisch betätigt.[5] „Minyas erzählt, [Thales] habe engen Umgang mit Thrasyboulos, Tyrann von Milet, gehabt.“[6] Herodot berichtet, dass Thales den Ioniern den nützlichen Rat gegeben hat, „einen gemeinsamen Regierungssitz zu gründen, der in Teos, das in der Mitte Ioniens liegt, sein sollte. Die übrigen Städte sollten genau wie vorher bewohnt bleiben, aber als Gemeinden [des gemeinsamen Stadtstaates] betrachtet werden.“[7]

Auch von einer möglichen Ingenieursleistung des Thales wird berichtet. So habe er den Fluss Kızılırmak (altgriechisch Halys) zumindest teilweise umgeleitet, damit ihn die Armee des Kroisos, ohne eine Brücke zu bauen, überqueren konnte.[8] Bereits Herodot nimmt aber an, dass es sich hierbei um eine Legende handelt und das Heer den Fluss mittels bestehender Brücken überquert hat.[9]

Dazu, dass man Thales an den Beginn der abendländischen Philosophie, Mathematik und Astronomie setzt, passt der Bericht des Diogenes Laertios, dass Thales keinen Lehrer hatte.[10] Dafür berichtet er von Kontakten des Thales zu den Ägyptern, von denen er die Geometrie gelernt habe.[11] Vermutlich hielt er sich eine Zeit lang zu Forschungszwecken in Ägypten (und auch Kreta) auf und lernte dort von Priestern und Astronomen auf den Gebieten der Mathematik und Astronomie.[12]

Bekannt geworden sind vor allem zwei Anekdoten über Thales. Nach der ersten soll er aufgrund seiner astronomischen Kenntnisse eine große Olivenernte prognostiziert und daraufhin gewinnbringend in Ölpressen investiert haben. Nach der zweiten soll er von einer Magd verspottet worden sein, weil er beim Sternebeobachten in einen Brunnen gefallen sei.

„Als man ihm wegen seiner Armut einen Vorwurf machte, als ob die Philosophie zu nichts tauge, habe er, sagen sie, da er aufgrund seiner astronomischen Kenntnisse vorausgesehen hatte, dass die Olivenernte reichlich sein würde, noch im Winter mit dem wenigen Geld, das ihm zur Verfügung stand, als Handgeld, sämtliche Ölpressen in Milet und Chios für einen niedrigen Preis gemietet, wobei niemand ihn überbot. Als aber die Zeit [der Ernte] gekommen war und auf einmal und gleichzeitig viele Pressen verlangt wurden, da habe er seine Pressen so teuer verpachtet, wie er nur wollte, und auf diese Weise sehr viel Geld verdient: zum Beweise dafür, dass es für die Philosophen ein leichtes ist, reich zu werden, wenn sie dies wollen, dass es aber nicht das ist, was sie wollen.“

„Es wird erzählt, […] dass Thales, als er astronomische Beobachtungen anstellte und dabei nach oben blickte, in einen Brunnen gefallen sei und dass eine witzige, reizende thrakische Magd ihn verspottet habe: Er strenge sich an, die Dinge im Himmel zu erkennen, von dem aber, was ihm vor Augen und vor den Füßen liege, habe er keine Ahnung.“

In der Antike dürfte eine Geschichte relativ bekannt gewesen sein, nach der Thales einen Dreifuß erhalten haben soll. Dieser Dreifuß soll als Preis für den weisesten Menschen gedacht gewesen sein. Es existieren allerdings einige widersprüchliche Fassungen dieser Geschichte.[15]

"Man wird sich zum Beispiel das Vorstellen des Thales ganz sicher irrtümlich zurechtlegen, wenn man denkt, daß er als Kaufmann, Mathematiker, Astronom über Naturvorgänge nachgedacht habe und dann in unvollkommener Art, aber doch so wie ein moderner Forscher seine Erkenntnisse in den Satz zusammengefaßt habe: «Alles stammt aus dem Wasser». Mathematiker, Astronom usw. sein, bedeutete in jener alten Zeit praktisch mit den entsprechenden Dingen zu tun zu haben, ganz nach Art des Handwerkers, der sich auf Kunstgriffe stützt, nicht auf ein gedanklich-wissenschaftliches Erkennen.

Dagegen muß für einen Mann wie Thales vorausgesetzt werden, daß er die äußeren Naturprozesse noch ähnlich erlebte wie die inneren Seelenprozesse. Was sich ihm in den Vorgängen mit und an dem Wasser - dem flüssigen, schlammartigen, erdig-bildsamen -, als Naturvorgänge darstellte, das war ihm gleich dem, was er seelisch-leiblich innerlich erlebte. In minderem Grade als die Menschen der Vorzeit erlebte er - aber doch erlebte er so - die Wasserwirkung in sich und in der Natur, und beide waren ihm eine Kraftäußerung. Man darf darauf hinweisen, daß noch eine spätere Zeit die äußeren Naturwirkungen in ihrer Verwandtschaft mit den innerlichen Vorgängen dachte, so daß von einer «Seele» im gegenwärtigen Sinne, die abgesondert vom Leibe vorhanden ist, nicht die Rede war. In der Ansicht von den Temperamenten ist dieser Gesichtspunkt noch in einem Nachklange festgehalten in die Zeiten der gedanklichen Weltanschauung hinein. Man nannte das melancholische Temperament das erdige, das phlegmatische das wässerige, das sanguinische luftartig, das cholerische feurig. Das sind nicht bloße Allegorien. Man empfand nicht ein völlig abgetrenntes Seelisches; man erlebte in sich ein Seelisch-Leibliches als Einheit, und in dieser Einheit den Strom der Kräfte, welche zum Beispiel durch eine phlegmatische Seele gehen, wie dieselben Kräfte außen in der Natur durch die Wasserwirkungen gehen. Und diese äußeren Wasser Wirkungen schaute man als dasselbe, was man in der Seele erlebte, wenn man phlegmatisch gestimmt war. Die gegenwärtigen Denkgewohnheiten müssen den alten Vorstellungsarten sich anpassen, wenn sie in das Seelenleben früherer Zeiten eindringen wollen. Und so wird man in der Weltanschauung des Thales den Ausdruck finden dessen, was ihn sein dem phlegmatischen Temperament verwandtes Seelenleben innerlich erleben läßt. Er erlebte das, was ihm als das Weltgeheimnis vom Wasser erschien, in sich. Man verbindet mit dem Hinweis auf das phlegmatische Temperament eines Menschen eine schlimme Nebenbedeutung. So gerechtfertigt dies in vielen Fällen ist, so wahr ist auch, daß das phlegmatische Temperament, wenn es mit Energie des Vorstellen« zusammen auftritt, durch seine Gelassenheit, Affektfreiheit, Leidenschaftlosigkeit den Menschen zum Weisen macht. Eine solche Sinnesart bei Thaies hat wohl bewirkt, daß er von den Griechen als einer ihrer Weisen gefeiert worden ist." (Lit.: GA 018, S. 52ff)

Lehre

Philosophie: Wasser ist der Ursprung aller Dinge

Wasser war neben anderen Begriffen schon lange vor Thales ein Begriff, der in Kosmogonien des Alten Orients dazu benutzt wurde, die Entstehung der Welt zu erklären. Die Vorstellung eines Urozeans oder Urwassers, die vor der Entstehung unserer Welt existiert haben sollen, findet sich sowohl in Babylonien wie im Alten Ägypten. Im 8. Jahrhundert v. Chr. hat der griechische Dichter Homer über den Flussgott Okeanos geschrieben, er sei der „Ursprung der Götter“[17] und der „Ursprung von allem.“[18] Im 7. Jahrhundert v. Chr. schrieb der Dichter Alkman eine Weltentstehungsgeschichte, an deren Anfang die Gewässer stehen.[19] Es kann angenommen werden, dass einige dieser alten Vorstellungen Thales beeinflusst haben. Jedenfalls ist dieser in die Philosophiegeschichte eingegangen, weil er das Wasser als den Anfang oder Urgrund aller Dinge bezeichnet haben soll:

„Thales [...] bezeichnet als [...] Ursprung [arché] das Wasser [hydor]. Auch das Land, lehrte er deshalb, ruhe auf dem Wasser. Den Anlass zu dieser Ansicht bot ihm wohl die Beobachtung, dass die Nahrung aller Wesen feucht ist, daß die Wärme selber daraus entsteht und davon lebt; woraus aber jegliches wird, das ist der Ursprung von allem. War dies der eine Anlaß zu seiner Ansicht, so war ein andrer wohl der Umstand, daß die Samen aller Wesen von feuchter Beschaffenheit sind, das Wasser aber das Prinzip für die Natur des Feuchten ausmacht. Manche nun sind der Meinung, daß schon die Uralten, die lange Zeit vor dem gegenwärtigen Zeitalter gelebt und als die ersten in mythischer Form nachgedacht haben, die gleiche Annahme über die Substanz gehegt hätten. Diese bezeichneten Okeanos und Tethys als die Urheber der Weltentstehung und das Wasser als das, wobei die Götter schwören. [...] Ob nun darin wirklich eine so ursprüngliche Ansicht über die Substanz zu finden ist, das mag vielleicht nicht auszumachen sein. Jedenfalls von Thales wird berichtet, dass er diese Ansicht von der obersten Ursache aufgestellt habe.“

Aristoteles: Metaphysik 983b20f.

Aristoteles unterscheidet die Ansichten der Vorsokratiker nach Anzahl und Beschaffenheit ihres Ursprungs (arché). Thales war einer, der nicht mehrere Ursprünge angenommen habe (wie Empedokles, der die vier Ursprünge Feuer, Wasser, Luft und Erde annahm), sondern bloß einen. Und einer, der einen materiellen Ursprung angenommen habe (keinen immateriellen, wie etwa das Unbegrenzte des Anaximander).[20] Nach Aristoteles war Thales der erste Philosoph, der die Frage nach einem Urgrund aller Dinge stellte.[21] Ähnliches wie Aristoteles berichten auch Hippolyt von Rom und Diogenes Laertios, wobei Hippolyt von Rom im folgenden Zitat auch die Theologie und Astronomie des Thales, sowie eine Anekdote erwähnt:

„Thales aus Milet, einer der sieben Weisen, soll sich zuerst mit Naturwissenschaft befaßt haben. Er behauptete, Ursprung und Ende des Alls sei das Wasser; denn aus Wasser, sei es in festem, sei es in flüssigem Zustande, bestehe das Universum, und es schwebe auf dem Wasser; hiervon kämen auch die Erdbeben, die Wechsel der Winde und die Bewegungen der Gestirne; alles sei in der Schwebe und im Flusse, wie es die Natur der ersten Werdensursache mit sich bringe; das, was weder Anfang noch Ende habe, sei Gott. Thales widmete sich auch der Lehre und der Forschung über die Gestirne und ist so für die Griechen der erste Begründer der diesbezüglichen Wissenschaft. Da er eines Tages zum Himmel hinaufschaute, um die Dinge oben genau beobachten zu können, wie er sagte, fiel er in einen Brunnen. Eine Magd, namens Thratta, lachte ihn aus und sagte: „Da er die Dinge am Himmel sehen will, übersieht er, was vor seinen Füßen ist.“ Thales lebte zur Zeit des Krösus.“

„Thales lehrte, der Ursprung aller Dinge sei das Wasser.“

Diogenes Laertios: Über Leben und Lehren berühmter Philosophen I,27
Siehe auch: Vier-Elemente-Lehre

Kosmologie und Naturwissenschaft

Thales, für den der Ursprung und Anfang des Universums das Wasser war, behauptete auch, dass die Erde wie ein Schiff auf dem Wasser schwimme.[22] Als Grund für die jährliche Überschwemmung des Nils nannte er die sogenannten „etesischen Winde“.[23]

Mathematik

Veranschaulichung des Satz des Thales
Hier steht die Sonne so, dass der Schatten eines Stabes (B) genauso lang ist, wie der Stab selbst (A) und der Schatten der Pyramide (C) genauso lang wie die Pyramide (D). Thales hat den Schatten der Pyramide abgemessen und so sagen können, wie hoch sie ist.

Diogenes Laertios hat uns zwei mathematische Erkenntnisse des Thales überliefert. So habe Thales „als erster das rechtwinklige Dreieck des Kreises gezeichnet.“[24] Üblicherweise wird diese Stelle bei Diogenes Laertios so interpretiert, dass hier der Satz des Thales gemeint ist. Der Satz des Thales ist ein mathematischer Lehrsatz, nach dem ein Dreieck, von dem eine Seite ein Durchmesser seines Umkreises ist, ein rechtwinkliges Dreieck ist. Man kann die Stelle aber auch so interpretieren, dass Thales das zum Kreis flächengleiche rechtwinklige Dreieck gezeichnet habe, dabei ergibt sich 3 als Näherung für die Kreiszahl.[25] Die zweite Stelle lautet: „Nach Hieronymos von Rhodos hat er die Höhe der Pyramiden [...] gemessen, da auch unsere Schattenlänge der Körpergröße gleich ist.“[26] Dieses Messverfahren kann als früher Vorläufer eines späteren Strahlensatzes angesehen werden, der Wahrheitsgehalt der überlieferten Stelle ist jedoch umstritten. So ist das beschriebene Messverfahren nicht zur Messung der Höhe von jeder Pyramide geeignet (einige haben einen zu flachen Steigungs­winkel), bei einer geeigneten stand auch nur bei günstigem Sonnenstand, also an ein oder zwei Tagen im Jahr, die Spitze des Pyramidenschattens genau senkrecht über einer Pyramidenkante, sodass dieser direkt messbar war.[27] Diese Methode war für die Messung von Pyramidenhöhen also kaum praktisch verwendbar und auch nicht besonders eindrucksvoll, denn die Ägypter konnten die Höhe einer Pyramide ohne Schwierigkeit berechnen.[28]

Weitere mathematische Erkenntnisse des Thales gibt Proklos in seinem Kommentar zu Euklids Elementen an: „Dass der Kreis durch den Durchmesser halbiert wird, soll zuerst Thales bewiesen haben.“[29] Weiter schreibt Proklos: „Es wird gesagt, er habe als erster gewusst und gesagt, dass in jedem gleichschenkligen Dreieck die Winkel an der Grundlinie gleich sind, wobei er in altertümlicher Weise die gleichen [ἴσας, d.h. maßgleich] Winkel ähnlich [ὁμοίας, d.h. gestaltgleich] nannte.“[30] Nach Eudemos soll Thales auch zuerst gefunden haben, dass Scheitelwinkel gleich sind, aber erst Euklid habe einen Beweis für erforderlich gehalten.[31] Eine weitere Stelle lautet: „Eudemos führt in seiner Geschichte der Geometrie diesen Satz [den dritten Kongruenzsatz] auf Thales zurück. Er sagt, die Methode, nach der er die Entfernung der Schiffe auf dem Meer errechnete, müsse notwendig auf Verwendung dieses Satzes beruhen.“[32] Es ist jedoch bis heute unklar, wie Thales dies durchgeführt haben soll, antike Messverfahren waren dafür kaum geeignet.[33] Eudemos nahm zudem nur an, dass Thales diesen Satz kannte.

Astronomie

Herodot berichtet, dass Thales das Jahr der Sonnenfinsternis vom 28. Mai 585 v. Chr. erfolgreich vorhergesagt hat.[34] Folgendes hat Diogenes Laertios zur Astronomie des Thales überliefert:

„Manche Autoren geben an, er habe als erster Astronomie getrieben, Sonnenfinsternisse vorhergesagt und die Sonnenwenden festgelegt.“

Diogenes Laertios: Über Leben und Lehren berühmter Philosophen I,23

„Auch bestimmte er zuerst die Sonnenbahn von Wende zu Wende, nach anderen auch das Verhältnis von Sonnen- und Monddurchmesser zum jeweiligen Bahnumfang als 1:720. Als erster hat er den monatsletzten Tag mit „der Dreißigste“ bezeichnet und naturtheoretische Probleme erörtert.“

Diogenes Laertios: Über Leben und Lehren berühmter Philosophen I,24

„Er soll die Jahreszeiten eingeführt und das Jahr in 365 Tage geteilt haben.“

Diogenes Laertios: Über Leben und Lehren berühmter Philosophen I,27

Überlieferte Aussprüche

Diogenes Laertios hat einige Aussprüche, die von Thales stammen sollen, aufgezeichnet:

„Er soll behauptet haben, dem Schicksal für drei Dinge dankbar zu sein: dass er geboren sei 1. als Mensch und nicht als Tier, 2. als Mann und nicht als Frau, 3. als Grieche und nicht als Nichtgrieche.“

Diogenes Laertios: Über Leben und Lehren berühmter Philosophen I,33

„Jemand wollte wissen, ob der Mensch von Gott unbemerkt Böses tun könne: „Nicht mal in Gedanken“, antwortete er. Einem Ehebrecher, der ihn fragte, ob er seine Unschuld nicht beschwören solle, sagte Thales: „Ein Meineid ist nicht besser als ein Ehebruch.“ Schwierig sei, antwortete er auf die entsprechenden Fragen, sich selbst zu erkennen; leicht sei, einem anderen einen Rat zu geben; das Angenehmste, Erfolg zu haben; das Göttliche sei, was weder Anfang, noch Ende hat; was man ganz selten sieht, sei ein alter Tyrann. Wie kann man ein Unglück am besten ertragen? „Wenn man seine Feinde in noch schlimmerer Lage sieht.“ Wie können wir am besten ein gutes und gerechtes Leben führen? „Indem wir, was wir an anderen tadeln, selbst nicht tun.“ Wer ist glücklich? „Wer körperlich gesund, reich an geistigen Gaben und von wohlerzogenem Wesen ist.“ Er meinte ferner, man solle sich um die Freunde sorgen, seien sie zugegen oder nicht; und nicht mit einem schönen Äußeren protzen, sondern im Verhalten Schönheit zeigen; nicht durch Unrecht sich bereichern und nicht durch Gerede sich gegen jene einnehmen lassen, die unser Vertrauen haben. Auch dürfe man von seinen Kindern jene Hilfe erwarten, die man einst seinen Eltern gegeben hat.“

Diogenes Laertios: Über Leben und Lehren berühmter Philosophen I,36-37

Überlieferung

Wahrscheinlich hat Thales selbst keine oder nur wenige Schriften verfasst.[36] Erhalten ist von seinen Schriften jedenfalls nichts. Was man über Thales weiß, hat man aus Texten anderer antiker Autoren. Allgemein ist die Überlieferungslage schlecht. Eine der Hauptquellen zu seinem Leben und Werk ist der antike Philosophiehistoriker Diogenes Laertios, der allerdings etwa 900 Jahre nach Thales gelebt hat. Schon dieser war auf manchmal widersprüchliche Quellen angewiesen. Frühere Autoren, die über Thales berichten, sind der Historiker Herodot sowie die Philosophen Platon und vor allem Aristoteles.

Quellensammlungen

  • Hermann Diels, Walther Kranz (Hrsg.): Die Fragmente der Vorsokratiker. Band 1, Berlin 1903, S. 3-11 (teilweise mit deutscher Übersetzung; zahlreiche Neuauflagen; Digitalisat: Band 1 der 2. Auflage, 1906)
  • Laura Gemelli Marciano (Hrsg.): Die Vorsokratiker. Band 1, Artemis & Winkler, Düsseldorf 2007, ISBN 978-3-7608-1735-4, S. 6–31 (griechische Quellentexte mit deutscher Übersetzung, Erläuterungen sowie Einführung zu Leben und Werk)
  • Jaap Mansfeld (Hrsg.): Die Vorsokratiker. Band 1, Reclam, Stuttgart 1983, S. 44–55 (zahlreiche Neuauflagen)
  • Georg Wöhrle (Hrsg.): Traditio Praesocratica. Zeugnisse frühgriechischer Philosophie und ihres Fortlebens. Band 1: Die Mileser: Thales. De Gruyter, Berlin 2009

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Weblinks

Commons: Thales - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema
 Wikiquote: Thales – Zitate

Einzelnachweise

  1. Diogenes Laertios, Über Leben und Lehren berühmter Philosophen I,22; Herodot, Historien I,170.
  2. Diogenes Laertios, Über Leben und Lehren berühmter Philosophen I,37-39.
  3. Diogenes Laertios, Über Leben und Lehren berühmter Philosophen I,25f.
  4. Diogenes Laertios, Über Leben und Lehren berühmter Philosophen I,22; I,40-42; Platon, Protagoras 343a; Vgl. Bruno Snell: Leben und Meinungen der Sieben Weisen. Griechische und lateinische Quellen, Heimeran-Verlag, München 1952.
  5. Diogenes Laertios, Über Leben und Lehren berühmter Philosophen I,23 und 25.
  6. Diogenes Laertios, Über Leben und Lehren berühmter Philosophen I,27.
  7. Herodot, Historien I,170.
  8. Diogenes Laertios, Über Leben und Lehren berühmter Philosophen I,38.
  9. Herodot, Historien I,75.
  10. Diogenes Laertios, Über Leben und Lehren berühmter Philosophen I,27.
  11. Diogenes Laertios, Über Leben und Lehren berühmter Philosophen I,24.
  12. Diogenes Laertios, Über Leben und Lehren berühmter Philosophen I,24; I,27; I,43.
  13. Diogenes Laertios, Über Leben und Lehren berühmter Philosophen I,26 berichtet: „Hieronymos von Rhodos erzählt, Thales habe, um zu zeigen, wie leicht man reich werden könne, die Ölpressen in Voraussicht einer guten Olivenernte gepachtet und so einen gewaltigen Gewinn gemacht.“
  14. Diogenes Laertios, Über Leben und Lehren berühmter Philosophen I,34 berichtet: „Auch heißt es, er sei einst, von einer alten Frau begleitet, zur Sternenbeobachtung ausgegangen und in eine Grube gefallen. Dem Jammernden habe die Frau gesagt: „Du willst die Dinge am Himmel erkennen und siehst nicht einmal, was dir zu Füßen liegt?““
  15. Diogenes Laertios, Über Leben und Lehren berühmter Philosophen I,27-33.
  16. Vgl. auch Diogenes Laertios, Über Leben und Lehren berühmter Philosophen I,36.
  17. Homer, Ilias 14,201.
  18. Homer, Ilias 14,246.
  19. Jaap Mansfeld (Hrsg.): Die Vorsokratiker I. Griechisch/Deutsch, Reclam, Stuttgart 1998, S. 40.
  20. Aristoteles, Metaphysik 983b; Vgl. auch Physik 184b.
  21. Aristoteles, Metaphysik 983b20f.
  22. Aristoteles, Über den Himmel 294a28f. und Metaphysik 983b20; Seneca, Naturales questiones III,14.
  23. Herodot, Historien II,20; Diogenes Laertios, Über Leben und Lehren berühmter Philosophen I,37.
  24. Diogenes Laertios, Über Leben und Lehren berühmter Philosophen I,24.
  25. Vgl. Fritz Adolf Krafft: Geschichte der Naturwissenschaften I, Rombach, Freiburg 1971, S. 90 f.
  26. Diogenes Laertios, Über Leben und Lehren berühmter Philosophen I,27.
  27. Helmuth Gericke: Mathematik in Antike und Orient. S. 75.
  28. Helmuth Gericke: Mathematik in Antike und Orient. S. 60 f.
  29. Proklos: Kommentar zum ersten Buch von Euklids „Elementen“ S. 157,10 f. (= Hermann Diels, Walther Kranz (Hrsg.): Die Fragmente der Vorsokratiker 11A20).
  30. Proklos: Kommentar zum ersten Buch von Euklids „Elementen“ S. 250,22 f. (= Hermann Diels, Walther Kranz (Hrsg.): Die Fragmente der Vorsokratiker 11A20).
  31. Proklos: Kommentar zum ersten Buch von Euklids „Elementen“ S. 299,1 (= Hermann Diels, Walther Kranz (Hrsg.): Die Fragmente der Vorsokratiker 11A20).
  32. Proklos: Kommentar zum ersten Buch von Euklids „Elementen“ S. 352,14 f. (= Hermann Diels, Walther Kranz (Hrsg.): Die Fragmente der Vorsokratiker 11A20).
  33. Helmuth Gericke: Mathematik in Antike und Orient. S. 76 f.
  34. Herodot, Historien I,74.
  35. Übersetzung nach: Bruno Snell: Leben und Meinungen der Sieben Weisen. Griechische und lateinische Quellen. München 1938.
  36. Diogenes Laertios, Über Leben und Lehren berühmter Philosophen I,23; I,34; I,44.
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