Ding

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Germanische Ratsversammlung – Zeichnung nach dem Relief der Marc-Aurel-Säule zu Rom

Als Ding (altnordisch, altenglisch, neuisländisch þing; ahd. thing, mhd. dinc) bezeichnet man ganz allgemein einen nicht näher spezifizierten Gegenstand oder eine Sache; in philosophischen Zusammenhängen „etwas, was in einer bestimmten Form, Erscheinung, auf bestimmte Art und Weise existiert und als solches Gegenstand der Wahrnehmung, Erkenntnis ist“[1]. Das Wort hat seinen etymologischen Ursprung in der Thing genannten Gerichtsversammlung der freien Männer, die bei den Germanen gebräuchlich war. Gemeinsam ist beiden die Grundbedeutung einer Zusammenfügung, eines Zusammenkommens von Teilen" - im einen Fall eine "Versammlung" oder ein "Treffen", im anderen Fall eine "Einheit", ein "Objekt" oder ein "Ding".

Als Einzeldinge werden in der Regel die sinnlich wahrnehmbaren, räumlich ausgedehnten körperlichen Objekte bzw. Gegenstände bezeichnet, im Gegensatz zu der nur im Denken zu erfassenden Gattung oder Art, der sie angehören. Letztere stellen nach der Platonischen Ideenlehre die eigentliche und unvergängliche geistige Wirklichkeit dar, während die vergänglichen sinnlichen Dinge bloß ihre vergänglichen Abbilder sind. Für Aristoteles hingegen verwirklichen sich die Ideen, d.h. die Allgemeinbegriffe, in den Dingen selbst und sind untrennbar mit ihnen verbunden. Von den Dingen, deren Wesen sie ausmachen, seien sie nicht real, sondern nur gedanklich abtrennbar. Das gelte auch für die menschliche Seele, die die Form des Körpers sei, und sogar für die rein geistig fassbaren mathematischen Ideen, die sich aber auch nur in den Dingen selbst verwirklichen könnten.

Nach Immanuel Kant ist das «Ding an sich» der Erfahrung grundsätzlich unzugänglich, da die Wirklichkeit nur durch die Anschauungsformen des Raumes und der Zeit und durch das Denken in Kategorien ergriffen werden kann, die aber nur in der Relation der Wirklichkeit zu dem erfahrenden Bewusstsein bestehen, aber nicht für das Sein an sich konstituierend sind. Die wahrgenommenen Dinge seien daher nur Erscheinungen bzw. subjektive Vorstellungen. Das wahre Wesen der Wirklichkeit, das jenseits der sinnlich-kategorialen Erfahrbarkeit liegt, bleibt dem Menschen grundsätzlich verborgen.

Dieser Ansicht Kants hat Rudolf Steiner schon in seinen grundlegenden erkenntnistheoretischen Schriften entschieden widersprochen. Dass das „An sich“ der Dinge, ihr Wesen, im menschlichen Bewusstsein ergriffen werden kann, ist das Fundament der von ihm später begründeten anthroposophischen Geisteswissenschaft.

„Wer hinter den Dingen noch etwas sucht, das deren eigentliches Wesen bedeuten soll, der hat sich nicht zum Bewusstsein gebracht, dass alle Fragen nach dem Wesen der Dinge nur aus einem menschlichen Bedürfnisse entspringen: das, was man wahrnimmt, auch mit dem Gedanken zu durchdringen. Die Dinge sprechen zu uns, und unser Inneres spricht, wenn wir die Dinge beobachten. Diese zwei Sprachen stammen aus demselben Urwesen, und der Mensch ist berufen, deren gegenseitiges Verständnis zu bewirken. Darin besteht das, was man Erkenntnis nennt. Und dies und nichts anderes sucht der, der die Bedürfnisse der menschlichen Natur versteht. Wer zu diesem Verständnisse nicht gelangt, dem bleiben die Dinge der Außenwelt fremdartig. Er hört aus seinem Innern das Wesen der Dinge nicht zu sich sprechen. Deshalb vermutet er, dass dieses Wesen hinter den Dingen verborgen sei. Er glaubt an eine Außenwelt noch hinter der Wahrnehmungswelt. Aber die Dinge sind nur so lange äußere Dinge, so lange man sie bloß beobachtet. Wenn man über sie nachdenkt, hören sie auf, außer uns zu sein. Man verschmilzt mit ihrem inneren Wesen. Für den Menschen besteht nur so lange der Gegensatz von objektiver äußerer Wahrnehmung und subjektiver innerer Gedankenwelt, als er die Zusammengehörigkeit dieser Welten nicht erkennt. Die menschliche Innenwelt ist das Innere der Natur.“ (Lit.:GA 1, S. 333)

Siehe auch

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Einzelnachweise

  1. Duden online: „Ding